Die AG KatPharm fordert nicht zuletzt anlässlich der aktuellen COVID-19-Pandemie eine verpflichtende Aufnahme von Vorbereitungsmaßnahmen in die jeweiligen Qualitätsmanagementsysteme der Apotheken. Hier sind die Standesorganisationen auf Länderebene deutlich gefordert, nachhaltige Regelungen für die unverzichtbare Aufgabe der Apotheken zu schaffen. Diese sind immerhin gesetzlicher Bestandteil des Katastrophen- respektive Gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes. Aktuell ist festzustellen, dass die Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten von Bund und Ländern für den Gesundheitlichen Bevölkerungsschutz unzureichend ist.
Der Nationale Pandemieplan war zu Beginn der Ereignisse in Deutschland mit dem Stand von 2017 verfügbar. Ausgelöst durch Vorbereitungen auf eine bevorstehende Influenza-Pandemie wurde dieser Plan 2005 erstmalig erstellt. Darin wird jedoch wenig auf die Pharmazie fokussiert. So sind als Arzneimittel im Schwerpunkt nur Neuraminidasehemmer genannt. Im gesamten Pandemieplan finden sich keine konkreten Regelungen bezogen auf Apotheken. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Plan zu ignorieren ist, denn vielmehr kann er dazu dienen, Wissen zu einzelnen Themen aufzuarbeiten. Beispielsweise werden Risiko- und Krisenkommunikation sehr gut dargestellt. Ferner ist relevant, dass der Nationale Pandemieplan auch durch die Pandemiepläne der Bundesländer Ergänzung findet. Es ist spezifisch zu prüfen, welche Aufgaben und Pflichten einem Apothekenbetrieb im Pandemieplan des jeweiligen Bundeslandes zugemessen werden.
Apotheken als Kritische Infrastrukturen
Auf Bundesebene sucht man vergeblich nach einer sinnvollen Einordnung der Offizinpharmazie. Jedoch resultiert unmissverständlich aus den für den Berufsstand relevanten Gesetzen, dass die öffentliche Apotheke in jedem Falle eine Kritische Infrastruktur ist. Diese inzwischen durch Landesregierungen bestätigte Feststellung erleichtert insbesondere dem Personal die Zugänglichkeit zum Arbeitsplatz oder auch die Kinderbetreuung für berufstätige Eltern.
Hier gilt es nun, diese aufgrund der COVID-19-Pandemie getroffene Bewertung zu verstetigen und sie auch im Hinblick auf zukünftige Szenarien fest in die Gesetze und Katastrophenschutzpläne zu integrieren. Die pharmazeutische Versorgung wird nicht weniger wichtig, nur, weil die COVID-19-Infektionen möglicherweise wieder abnehmen. Der Status der öffentlichen Apotheke als Kritische Infrastruktur ist systemimmanent. Er erlischt nicht oder kann nicht einfach wieder aberkannt werden, sollte die aktuelle Pandemie als beherrschbar oder für beendet erklärt werden.
Behördliche Schließung von Apotheken
In einigen Fällen ist es aufgrund von Quarantänemaßnahmen zur behördlichen Schließung von Apothekenbetrieben gekommen. Dies ist ein Dilemma, da natürlich Patienten im Falle einer plötzlichen Schließung nicht mehr versorgt werden können und so letztlich die Leidtragenden sind. Die AG hat in ihren Empfehlungen von Beginn an eine absolute Mundschutzpflicht für alle Mitarbeiter vertreten. Diese Maßnahme konnte bereits in einigen Fällen dazu führen, dass in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt, auch bei Erkrankung eines Mitarbeiters die Apotheke weiterhin betriebsfähig blieb und die Versorgung der Patienten sichergestellt werden konnte. Große Verbreitung haben inzwischen Plexiglasscheiben gefunden. Diese sind jedoch nur ein zusätzlicher Schutz, der immer in Verbindung mit persönlicher Schutzausrüstung der Mitarbeiter zu sehen ist (Abb. 1).
Kontingentierung
Die Apotheken haben ferner mit einer möglicherweise vorzunehmenden Kontingentierung umzugehen. Eine ordnungsgemäße Versorgung Arzneimitteln beinhaltet auch eine sinnvolle Verteilung von Ressourcen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte zwischenzeitlich eine „übermäßige Bevorratung bei einzelnen Marktteilnehmern mit Arzneimitteln“ festgestellt, die zu einer Ungleichverteilung führe und forderte Unternehmer und Großhandel zu Lieferungen auf, die nicht über ein normales Maß hinaus gehen.
Herstellung von Desinfektionsmitteln
Beim Thema Flächen- und Händedesinfektionsmittel besteht eine skurrile Situation: Apotheken ist es nun aufgrund einer temporären Ausnahme wieder erlaubt, solche Produkte selbst herzustellen (Abb. 2).
Denn seit drei Jahren müssen Betriebe, die Isopropanol zur Flächendesinfektion herstellen, eine Zulassung beantragen, die gemäß Chemikalien-Kostenverordnung mit rund 14.300 Euro zu Buche schlägt.
Eine Gesamtzulassung auf Bundesebene für alle Apotheken, die die Standesvertretung erwirken wollte, war aufgrund hoher bürokratischer Vorgaben gescheitert. Hier sollten verstetigte Ausnahmen für den Katastrophenfall geschaffen werden, auf die ad hoc zurückgegriffen werden kann.
Es ist ridikül, dass die WHO Empfehlungen für die Herstellung von Desinfektionsmitteln herausgegeben hat, die u. a. in Entwicklungsländern kurzfristig herstellbar sind, in Deutschland jedoch das pharmazeutische Know-How nicht nutzbar ist, da uns durch die Biozid-Verordnung die Hände gebunden sind.
Pharmazeutische Notfallplanung ist kein Ausbildungsfach
Doch Pharmazeutische Notfallplanung ist kein Ausbildungsfach im Studium der Pharmazie oder im nachfolgenden praktischen Jahr. Die berufsständischen Vertretungen sind klar in der Pflicht, die Ausbildung zu intensivieren – insbesondere unter dem Aspekt, dass der Gesetzgeber ihnen über die Katastrophenschutzgesetze der Länder sogar sehr konkrete Verpflichtungen in diesem Bereich zugewiesen hat. Die AG KatPharm fordert ein Mindestmaß an Unterrichtung in Notfall- und Katastrophenpharmazie, etwa im berufsbegleitenden Unterricht, für dessen Organisation schließlich die Kammern verantwortlich zeichnen. Im Hinblick auf eine zukunftsfähige und nachhaltige Ausbildung unseres pharmazeutischen Nachwuchses kann und muss dieses Thema in die Ausbildung aufgenommen werden. Spätestens die COVID-19-Pandemie sollte die reale Relevanz für uns Pharmazeuten verdeutlichen.
Oberstabsapotheker Dr. Frederik Vongehr
E-Mail: frederikvongehr@bundeswehr.org
Datum: 14.10.2020
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2020