30.08.2021 •

Telemedizin in der Flotte.

Machbarkeitsuntersuchung für U-Boote und Minenstreitkräfte

D. Zisgen

MarKdo

Die Telemedizin als ein Teilbereich der Telematik im Gesundheitswesen hat die Aufgabe die Diagnostik und Therapie unter Überbrückung einer räumlichen Distanz zwischen medizinischen Fachkräften zu ermöglichen. In der Deutschen Marine sind davon gerade die seegehenden Einheiten, aber auch die Spezialkräfte des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) betroffen, da diese regelmäßig in Einsatzgebieten auf dem gesamten Globus aktiv sind.

Der Hauptzweck der derzeitig in der Marine verwendeten Telemedizinischen Anlagen ist es, unnötige Repatriierungen von Soldaten mangels fachgerechter Bewertung zu vermeiden und notwendige Repatriierungen optimal vorzubereiten. Ebenso kann unter besonderen Bedingungen der fallunabhängige fachliche Austausch ermöglicht werden. In Zukunft werden sich mit voranschreitender, technischer Weiterentwicklung noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten ergeben.

Bei der Bundeswehr wird aber durch das derzeitig in Nutzung befindliche Rüstungsprojekt „Telemedizin in der Bundeswehr“ nur ein kleiner Bereich des Verfahrens Telemedizin abgebildet. Es besteht aus einem Arbeitsplatz-PC (APC), einer SCOTTY-Videokonferenzanlage und einigen sogenannten Peripheriemodulen wie zum Beispiel Dermatoskop, Othoskop und Digitalkamera, um medizinische Daten (Bilder oder Textnachrichten) austauschen zu können und mit den notwendigen Fachexperten live per Videokonferenz zu kommunizieren. Es existieren mehrere Varianten, welche sich in ihrem Umfang und daraus resultierend auch in ihrem Platzbedarf unterscheiden. Die telemedizinische Beratung für die Marine leisten Fachexperten vor allem am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine in Kiel und am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg.

Größere seegehende Einheiten haben zwar medizinisches Fachpersonal an Bord, doch kann dies niemals das gesamte Spektrum an medizinischer Fachexpertise abbilden. Dazu kommt auch der Umstand, dass Schiffe und Boote der Marine oft weit jenseits der Küsten operieren müssen. Dies bringt einige größere Probleme mit sich, wie beispielsweise keine Nähe zu größeren Krankenhäusern mit den benötigten Fachdisziplinen, die an Bord fehlen. Eine Fahrt zum nächsten Hafen kann durchaus auch mehrere Tage in Anspruch nehmen. Auch das Ausfliegen eines Patienten in das nächstgelegene Krankenhaus kann längere Zeit dauern.

Eine Telefonverbindung oder Datenverbindung in das Internet ist über Mobiltelefon zumeist nur küstennah vorhanden und fern der Küsten auf offener See nur über Satellitenkommunikationssysteme wie SATCOM oder INMARSAT möglich. Aber selbst über Satellit ist die Verbindung nicht immer verfügbar. Das schränkt die Möglichkeiten des Verfahrens Telemedizin ein. Da es sich bei dem Verfahren Telemedizin vor allem um den Austausch von Gesundheitsdaten handelt, spielen hier der Datenschutz, die Informationssicherheit, sowie die ärztliche Schweigepflicht eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grunde hat man für das derzeit existierende Projekt „Telemedizin der Bundeswehr“ die Sichere Inter-Netzwerk Architektur (SINA) zum Datenaustausch gewählt, welche vom Deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammen mit der secunet Security Networks AG zur Verarbeitung von sensiblem Datenmaterial in unsicheren Netzen entwickelt wurde.

Sanitätsbereich Minenjagdboot Klasse 332 „Bad Rappenau“
Sanitätsbereich Minenjagdboot Klasse 332 „Bad Rappenau“ (Leerräumung aufgrund Werftliegezeit)
Quelle: MarKdo

In dem aktuell in der Aufstellung befindlichen Dezernat Medizinische Informatik der Abteilung Marinesanitätsdienst im Marinekommando (MarKdo) in Rostock befindet sich ein Team von IT-Experten. Dieses Team betreut in enger Zusammenarbeit mit dem Projektleiter „Telemedizin in der Bundeswehr“ im Bundesamt für Ausrüstung Informationstechnologie und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Referat G 5.3 in Koblenz und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) in Köln das Projekt für die Marine.

Derzeit sind die Fregatten der Klassen F122, F123, F124 und F125, die Tender, der Einsatzgruppenversorger, die Flottendienstboote, die Korvetten Klasse 130, sowie einige Geschwadersanitätsbereiche und das KSM mit Telemedizinanlagen ausgerüstet.

Leider trifft dies bisher nicht auf die Minenstreitkräfte und Unterseeboote (U-Boote) zu. Es wurde der Bedarf angemeldet, auch diese Einheiten nun mit Telemedizinanlagen auszurüsten und dort diese Fähigkeitslücke zu schließen.

Eine Machbarkeitsuntersuchung soll helfen festzustellen, ob und wie die Minenstreitkräfte und U-Boote mit Telemedizinanlagen ausgerüstet werden können. Gerade diese sehr kleinen Einheiten stellen besondere technische Herausforderungen für die Integration der Telemedizinanlagen dar. So ist hier zum Beispiel die Verfügbarkeit der Übertragungsstrecke zu den Fachexpertenstellen ein großes Problem. Ein U-Boot zum Beispiel hat im getauchten Zustand keine Möglichkeit, über Satellitenkommunikation eine Verbindung aufzubauen. Ebenso muss auf diesen Einheiten generell die interne, technische Kommunikationsinfrastruktur vorhanden sein, an welche man die Telemedizinanlage anschließen kann. Weiterhin sind die räumlichen Verhältnisse auf diesen Einheiten sehr beengt. Hier kommt nur eine kleinere, kompakte Variante der Anlage infrage, die eventuell auch nur nach Bedarf aufgestellt werden kann. 

Es wurde zunächst seitens des Dezernats Medizinische Informatik Kontakt zu den für die Minenstreitkräfte und U-Boote zuständigen Stellen in der Einsatzflottille 1 aufgenommen, um die notwendigen Machbarkeitsuntersuchungen zu planen und durchführen zu können. Diese Zusammenarbeit stellte sich als sehr konstruktiv heraus und führte dazu, dass die IT-Experten des MarKdo engagierte Ansprechpartner innerhalb des 3. Minensuchgeschwaders und 1. U-Boot Geschwaders genannt bekamen.

Zunächst wurde Ende des Jahres 2020 der Fokus auf die Minenstreitkräfte gelegt und es konnte kurzfristig, aufgrund der Pandemie durch Covid-19 nur in kleinem Kreise, eine Begehung auf dem Minenjagdboot Typ 332 „Bad Rappenau“ in der Peene-Werft Wolgast durchgeführt werden. 

Dabei stellte sich die Zusammenarbeit vor allem mit dem An­sprechpartner des 3. Minensuchgeschwaders, Stabskapitänleutnant Peter Aldag, aber auch mit dem dort anwesenden Bordkommando als hervorragend heraus. Es konnten auf diesem Weg auch bereits erste Erkenntnisse gewonnen werden, wo und inwiefern die Einrüstung der Telemedizinanlage Vorteile bringen würde und überhaupt Sinn machen würde. 

Durch die auftretende 2. Welle der Pandemie zum Jahreswechsel mussten die Machbarkeitsuntersuchungen erst einmal vorläufig unterbrochen werden. Inzwischen sind die weiteren Planungen wieder angelaufen. Die nächsten Schritte sind nun, die Machbarkeitsuntersuchung in vollem Umfang zu planen und durchzuführen. Dabei sind diesmal auch die Fachexperten des DLR e. V. und auch der Projektleiter „Telemedizin in der Bundeswehr“ aus dem BAAINBw G 5.3 erforderlich. Ende Mai werden eine Begehung und im Anschluss ein Austausch mit den IT-Experten der Geschwader an zwei Tagen durchgeführt werden. Dabei wird in Kiel das Minenjagdboot Typ 332 „Bad Bevensen“ besucht und ebenfalls ein U-Boot in Eckernförde. Im Anschluss an der Begehung und dem Fachaustausch wird auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse geplant, ob und wie die Minenstreitkräfte und U-Boote mit der Fähigkeit der Telemedizin ausgerüstet werden können und anschließend mit den zuständigen Bevollmächtigten über die Realisierung entschieden.

Das Dezernat Medizinische Informatik schaut optimistisch in die Zukunft, trotz aller Herausforderungen eine zufriedenstellende Lösung für die Minenstreitkräfte und U-Boote finden zu können. Aber bis dahin sind noch einige Arbeitsschritte notwendig. Ebenso sollte hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass auch weiterhin versucht werden muss die Fähigkeiten der Telemedizin konsequent bei der Marine weiter auszubauen. 


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