„Spät, aber schließlich doch“

Meine Erfahrungen als Seiteneinsteiger in die Bundeswehr

Ich trug mich schon einige Jahre mit dem Gedanken, den Arztberuf in der Bundeswehr ausüben zu wollen. 2011 hatte ich am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg als zivile Studentin mein Studium, das ich mit dem Wunsch begonnen hatte, Unfallchirurgin zu werden, mit dem „Hammerexamen“ erfolgreich abgeschlossen.

So habe ich dann auch mit der Weiterbildung in der chirurgischen Abteilung einer zivilen Klinik begonnen, in der ich während des Studiums meine Semesterferien verbracht habe. Schon während dieses ersten Abschnittes meiner Weiterbildung bin ich über den dort leitenden Oberarzt, der als Reservist in der Bundeswehr tätig ist, in Berührung gekommen mit meinem jetzigen Dienstherrn.

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Stabsarzt Neumann im OP.

Aus privaten Gründen kam es zum damaligen Zeitpunkt nicht zu einer näheren Beschäftigung mit der Bundeswehr. Im Rahmen der Weiterbildung fand ich meinen Weg auf die Intensivstation, auf die man in der Chirurgie für den Common Trunk rotiert, und dort bin ich dann beruflich wegen des hohen Interesses an diesem Fachgebiet hängen geblieben. Ich wechselte die Weiterbildungsrichtung und befand mich nun auf dem Weg zur Fachärztin für Anästhesie. Zu diesem Zeitpunkt keimte mein Interesse an der Bundeswehr wieder auf, nicht zuletzt, weil ich mitbekam, dass hier die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten ganz andere, bessere, sind ich sie in der Konzernmedizin hatte.

Für die Fortführung der Weiterbildung musste ich früher oder später die Klinik wechseln, wollte auch gerne zurück nach Hamburg und schlug im November 2014 das Deutsche Ärzteblatt auf. Hier meldete per Anzeige die Bundeswehr Interesse an Weiterbildungsassistenten und Fach­ärzten für Anästhesie an.

Wenige Tage später besuchte ich den Kongress der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Hamburg und nahm die Gelegenheit wahr, am Ausstellungstand der Bundeswehr Informationen zum Bewerbungsverfahren einzuholen.

An diesem Stand wurde ich schon von der ersten Person sehr freundlich empfangen und mit einem Kaffee an einem Tisch platziert, um auf die entscheidenden Personen zu warten, mit denen man mich in Kontakt bringen wollte. Hier lernte ich also erstmals den Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg, Generalarzt Dr. Hoitz, kennen und wenig später auch Oberstarzt Dr. Hölldobler, den Leiter der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin.

Für eine Schnupperrunde durch das BWK Hamburg musste ich dann das geplante Bronchoskopie-Seminar am folgenden Kongress-Tag ausfallen lassen, habe dies allerdings bis jetzt zu keinem Zeitpunkt bereut.

Mein jetziger Abteilungsleiter hat mir die Klinik ausführlich in einem Rundgang vorgestellt, ich konnte in einem Gespräch viele Fragen stellen und einen Einblick in das Berufsfeld Sanitätsstabsoffizier erlangen.

Rundum wurde mir der Einstieg oder vielmehr der Entschluss zum Seiteneinstieg in die Bundeswehr durch diese Tage im Dezember 2014 schon sehr leicht gemacht.

Während einer Hospitation wenige Wochen später, die meinem damaligen Arbeitgeber bei dem bestehendem, gravierenden Ärztemangel in einigen zivilen Häusern natürlich nicht gelegen kam, hatte ich dann Gelegenheit, den Arbeitsalltag in der Abteilung mitzuerleben, wurde mit verschiedenen Kollegen zusammen gebracht, konnte verschiedene Meinungen und Stimmungen erfahren.

Meine Bewerbungsunterlagen waren zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt schon lange fertiggestellt. Und sobald ich hier meine Hospitation vermerkt hatte, gingen diese Unterlagen dann auch schon nach Köln zum Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr.

Ab hier bekam ich dann zusätzlich zu der berufsspezifischen Seite dann allerdings auch Einblicke in die bürokratische Seite der Medaille – was mich nicht mehr schrecken konnte.

Im Mai 2015 begann dann das neue Leben mit dem Offizierslehrgang für Seiteneinsteiger in der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München.

Ich muss gestehen, dass ich mich sehr schnell sehr wohl gefühlt habe in der Uniform oder im Feldanzug und ganz besonders auch unter den Kameraden.

Ein unmittelbarer und bleibender Eindruck ist die Kameradschaft, quasi eine „befohlene Freundschaft“ zwischen uns. Tatsächlich ist es ein anderes Gefühl, zu einer Gruppe von Menschen zu gehören, die darauf ausgerichtet sind und darauf vorbereitet werden sollen, sich im Zweifelsfalle in Extremsituationen aufeinander verlassen zu müssen. Man setzt hier andere Maßstäbe an die anderen und auch an seine eigenen Leistungen und muss sich vielleicht auch daran gewöhnen, dass man nicht alles unter Kontrolle haben kann und muss, sondern dass andere da sind und helfen. Dies erlebte ich als einen großen Kontrast zu dem, was ich in der „normalen Arbeitsumgebung“ erlebt hatte, wo jeder sich selbst der Nächste ist und man lieber alles selbst macht, damit es richtig gemacht wird.

Dieser Einführungslehrgang über vier Wochen gab natürlich nur einen kleinen Einblick in das neue Arbeitsumfeld und selbstverständlich kann ich mich nicht mit dem SanOA gleichsetzen, der militärisch von Anfang an ausgebildet wird – zum Offizier. Tatsächlich hätte ich mir auch gewünscht, dass dieser Kurs vor allem militärisch etwas tiefer greift – wobei die Intentionen der Kameraden zum Seiteneinstieg in die Bundeswehr natürlich differierten und nicht jeder Medizinisches und Militärisches des neuen Berufsumfeldes gleich wertete. Jedenfalls waren die Wochen in München eine sehr gute Erfahrung, die ich nicht missen möchte – so

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Einweisung von Sanitätsoffizieren.
ndern eher noch vertiefen wollte.

Seit Juni 2015 bin ich nun in der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg als Stabsarzt tätig. Während ich diese Zeilen schreibe, gehen mir die Gespräche der letzten Tage durch den Kopf, denn in meinem Urlaub habe ich meine ehemalige Rettungswache und meine ehemalige Abteilung besucht und kann nur feststellen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.

Ich gehe inzwischen wieder gerne zur Arbeit, wenn auch eine Stunde früher als damals.

Unter den Kollegen in der Pflege und Ärzteschaft fühle ich mich sehr gut aufgenommen und aufgehoben und schaffe es auch zunehmend, mir den neuen technischen Verfahren anzueignen, die allein aus finanziellen Gründen vorher in meiner Ausbildung nicht verfügbar waren.

Ich freue mich darauf, bald an der Rettung teilnehmen zu könne und ebenso auf die Herausforderung Auslandseinsatz, der ich mich sehr gerne und bewusst stelle.

All das mag sich verdächtig euphorisch anhören, allerdings kann ich bis jetzt wirklich nur zwei Nachteile an meiner Entscheidung finden.

Wenn man sich für den Seiteneinstieg in die Bundeswehr entscheidet, muss man formular­resistent sein, habe ich festgestellt. Das ist ein marginaler Nachteil und zum Glück hat man in den meisten Fällen Kollegen um sich, die einem gerne weiterhelfen.

Der zweite und doch etwas schwerwiegendere Nachteil, über den ich so vorher nicht nachgedacht habe, ist das Bild des Soldaten und der Bundeswehr in der Gesellschaft.

Nun komme ich sicherlich nicht aus einem linkspolitischem Umfeld, es hat mich aber trotzdem teilweise sprachlos gemacht, wie viel Vorurteile und wie viel Schwarz-Weiß-Denken es zum Thema Bundeswehr und Soldat sein gibt.

Mit meinem näheren Umfeld, engen Freunden und Familie, hatte ich natürlich im Vorhinein über diese Entscheidung gesprochen – doch zwischenzeitlich kam das Nennen meines neuen Berufes einem Outing mit ungewissem Ausgang gleich.

Ich finde es sehr schade für unsere Gesellschaft, dass das Soldat-Sein zum Teil schon als charakterlicher Makel angesehen wird. Die Reaktionen haben mich überrascht und nachdenklich gemacht, doch auch daran kann man als Persönlichkeit nur wachsen.

Jedem, der über diesen Weg nachdenkt, kann ich aus meiner heutigen Perspektive nur dazu raten, den Schritt zu gehen und wünsche dabei viel Freude, Erfolg und gute Erfahrungen!

Datum: 31.03.2016

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/1

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