Intensivmedizin über den Wolken

Generationswechsel bei der im Einsatz bewährten Patiententransporteinheit: Die neuentwickelte Version „Next Generation“ für die intensivmedizinische Betreuung von Patienten im Flugzeug bietet noch mehr Möglichkeiten und Flexibilität.

Für alle Patienten, jeden Flugzeugtyp und die unterschiedlichsten Missionen: Seit mehr als 20 Jahren ist die Patiententransporteinheit (PTE; Englisch: PTU) von Lufthansa Technik im Einsatz, um intensivmedizinisch zu betreuende Patienten auch beim Transport im Flugzeug sicher zu versorgen.

Die Bundeswehr nutzt die Patiententransporteinheit seit dem Jahr 2000. Sie verwendet insgesamt 37 PTEs der ersten (Classic) Generation, die unter anderem in den Flugzeugen der sogenannten „Weißen Flotte“, der Flugbereitschaft des BMVg, aber auch auf Transportflugzeugen eingesetzt werden. Einer der vier in Köln-Wahn stationierten A310 hat ständig sechs PTEs an Bord.

Einsatz im A330 MMF

Wenn die bisherigen A310 MRTT der Bundeswehr durch neuere Maschinen des Typs A330 ausgetauscht werden, wird auch eine neue Generation der Patiententransporteinheit, die PTE NG, mit an Bord sein. Mindestens eines der Flugzeuge, die multinational vom European Air Transport Command (EATC MMF) betrieben werden, erhält eine Medevac-Einheit unter Verantwortung der Bundeswehr. Dort sollen insgesamt acht Patiententransporteinheiten der neuen Generation – sechs im Flugzeug und zwei auf Reserve – verwendet werden.

„Dass die europäischen Nationen damit für die Evakuierung von Intensivpatienten auf die Expertise der Bundeswehr vertraut, erfüllt uns als Lieferant der PTE natürlich mit Stolz“, sagt Oliver Thomaschewski, Leiter der Abteilung Sitzkonzepte und Struktur im Geschäftsbereich Original Equipment Innovation der Lufthansa Technik. „Wir freuen uns sehr, dass die Bundeswehr von der Patiententransporteinheit überzeugt ist und sie nun auch in der neuen Generation nutzen möchte.“

Die nächste Generation

Von der ursprünglichen Version, der PTE Classic, hat Lufthansa Technik in den vergangen zwei Jahrzehnten 50 Einheiten ausgeliefert. Die für Patienten bis 80 Kilogramm, einer 650-Watt-Stromversorgung und mit 6 500 Liter Sauerstoffvorrat ausgestatteten PTE Classics sind auch heute noch alle zuverlässig in Betrieb. Da sich die Technologien und Anforderungen in den letzten Jahren allerdings weiterentwickelt haben, hat Lufthansa Technik in Kooperation mit dem Medizinproduktehersteller Aerolite das neue Design der PTE Next Generation entwickeln lassen. Dieses bietet einige Vorteile gegenüber der Classic-Variante – behält aber in der Praxis erprobte Features der Vorgängerversion bei.

„Wir haben bei den Verbesserungen und Erweiterungen vor allem auf unsere Kunden und ihre Bedürfnisse gehört“, sagt Heiko Mader, Produktmanager für Sitzkonzepte und Strukturen bei Lufthansa Technik. „Neben einem neuen Design des Sauerstoffsystems waren das vor allem die verbesserte Stromversorgung, ein höheres Patientengewicht in verschiedenen Lagerungen und die Möglichkeit, die PTE in verschiedene Flugzeugmodelle einer Flotte einbauen zu können.“

Die neue Generation der Patiententransporteinheit ist so aufgebaut, dass die einzelnen kompakten Module jeweils durch zwei Personen gehandhabt werden und ganz einfach ohne Werkzeug zusammengesetzt werden können. Die Basis ist das Adapterkit, mit dem die PTE NG in der Flugzeugkabine befestigt wird. Darauf wird das untere Modul montiert, in dem die Sauerstoffversorgung in rollbaren Containern verstaut ist. In dem oberen Modul sind die Kontrolleinheiten für die Sauerstoff- und die Stromversorgung sowie Stauraum für weiteres medizinisches Verbrauchsmaterial untergebracht. Darauf wird dann die Liege für den Patienten befestigt, die zum Beispiel ein Bett oder auch eine Trage sein kann.

Intensivmedizinische Betreuung

Einer der größten Vorteile der neuen PTE-Generation liegt in der erhöhten Menge an Sauerstoff für die Beatmung der Intensivpatienten: Bis zu 13 000 Liter können mitgenommen werden, wodurch der NATO-Standard erfüllt ist. Durch die verbesserte Stromversorgung mit bis zu 1  000 Watt und verschiedene Anschluss­möglichkeiten können je nach Kundenanforderungen zusätzliche medizinische Geräte entsprechend elektrisch versorgt werden. Sie finden auf flexiblen Halterungen Platz. Ergänzende Geräteträger am Fuß- und am Kopfende der PTE sowie an der Seite der Einheit bieten weitere Befestigungsmöglichkeiten für optionale Geräte. Große und leichtgängige Schubladen, die mit einer automatischen zweifachen Verriegelung versehen sind, bieten schnellen Zugang zu notwendigen medizinischen Verbrauchsmaterialien. Die Schubladen sind aus Sicherheitsgründen mit Zahlenschlössern ausgestattet.

Auf der PTE NG liegen Patienten mit einem Körpergewicht von jetzt bis zu 120 Kilogramm bequem auf einem komfortablen Bett, das nach den ärztlichen Vorgaben bei Start und Landung flach oder mit erhöhter Kopfposition eingestellt werden kann. Mittels eines universellen Adapters kann der Kunde optional auch eigene Patiententragen auf der PTE verwenden.

Die Patiententransporteinheit NG ist als Medizinprodukt zugelassen und mit der CE-Kennzeichnung zertifiziert. Damit erfüllt sie – neben der Qualifikation zum Einbau in ein Flugzeug – auch die nach europäischer Gesetzgebung notwendige Zulassung als medizinisches Gerät. „Zusammen mit unserem Kooperationspartner Aerolite, der verantwortlich für die Entwicklung und Herstellung der PTE ist, gibt es zur Zeit keinen anderen Lieferanten, der eine Patiententransporteinheit in dieser Form anbieten kann“, sagt Heiko Mader.

Flexibel einsetzbar

Die PTE NG ist unabhängig vom Flugzeugmuster einsetzbar. Mit Hilfe von Adaptern kann sie in nahezu jedes Flugzeug eingebaut werden. Dabei kann sogar ein und dieselbe Einheit mit den entsprechenden Adapterkits auf den Sitzschienen verschiedener Flugzeugkabinen montiert werden, und ist somit sehr flexibel innerhalb einer Flotte mit unterschiedlichen Flugzeugmustern einsetzbar.

Dieses Konzept für den Transport von Schwerverletzten und Erkrankten überzeugte nicht nur Anwender aus dem militärischen und humanitären Bereich, sondern auch die Besitzer von VIP-Flugzeugen und kommerzielle Fluggesellschaften. Die Lufthansa bietet zum Beispiel einen Rückholservice für private Passagiere auf ausgesuchten Langstreckenflügen an. Dabei werden die Intensivpatienten in einem so genannten Patient Transport Compartment versorgt. Dieses enthält neben der PTE NG auch eine Sitzgelegenheit für medizinisches Begleitpersonal, und kann bei Bedarf schnell in die Flugzeugkabine eingebaut werden.

Auch die Wartung der Patiententransporteinheit erfordert nur wenig Aufwand. Neben einer einfachen Sicht- und Funktionsprüfung müssen nur die Sauerstoffflaschen alle fünf Jahre näher überprüft werden – wie alle Sauerstoffgeräte an Bord von Flugzeugen. Die Installation der PTE erfolgt innerhalb der normalen Bodenzeit einer Langstreckenmaschine. Der Einbau kann durch jeden Wartungsdienstleister erfolgen. Unterstützt wird er dabei von detaillierten Anweisungen und Daten, die Lufthansa Technik zur Verfügung stellt.

Erfolgreiche Partnerschaft

Die Patiententransporteinheit beruht auf einem Konzept von Lufthansa Technik. Das Unternehmen hat als Ausstatter von VIP- und Geschäftsreiseflugzeugen, von Regierungsfliegern und von Flugzeugen für besondere Einsätze jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung, Zulassung und dem Einbau von Kabinenprodukten. Mit dem Medizinproduktehersteller Aerolite haben sie den perfekten Partner für die Entwicklung und Herstellung der PTE gefunden. Das Schweizer Unternehmen hat sich bei der Ausstattung von Rettungshubschraubern einen Namen gemacht. Es steuert seine umfangreiche Erfahrung mit medizinischen Geräten bei. Bei der CE-Kennzeichnung als medizinisches Gerät wurden in Zusammenarbeit mit Aerolite maßgeschneiderte und anwenderfreundliche Lösungen entwickelt.

Die Palettenlösung

Für einen noch flexibleren Einsatz der PTE NG kann diese jetzt auch in eine von dem Luftfahrttechnik- und Wehrtechnikunternehmen AUTOFLUG entwickelte Palettenlösung integriert werden. Diese „Medical Pallet“ in Standardgröße wird mit den vorhandenen Befestigungsmöglichkeiten im Frachtraum eingebaut und kann neben der PTE NG auch NATO-Liegen, Sitze, Kästen und Schränke enthalten.

Optional kann die medizinische Palette sogar komplett mit einem Quarantäneschutz ausgestattet werden. Sie ist kombinierbar mit anderen Sitz- und Frachtpaletten, hat eine integrierte Notfall-Sauerstoffversorgung und ist einfach zu reinigen. Heiko Mader sagt: „Das bietet noch einmal ganz andere Möglichkeiten für einen flexiblen Einsatz unserer Patiententransporteinheit bei humanitären Hilfseinsätzen oder in Katastrophenfällen. Und auch bei dieser Lösung haben wir immer ein offenes Ohr für unsere Kunden, um sie ganz individuell an ihre Wünsche anzupassen.“ 

Heiko Mader
Senior Project Manager
Lufthansa Technik AG
Original Equipment Innovation
Tel. 040 5070 2665
oei@lht.dlh.de            

Datum: 15.07.2019

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2019

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