Hochqualifiziert in den Einsatz
„Pflegerotation“ zur Erhöhung von Fachkompetenz und Flexibilität im Einsatz
Aus der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (Leiter: Oberstarzt Professor Dr. L. Lampl) des Bundeswehrkrankenhauses Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski)
Zusammenfassung
Die Bundeswehr muss sich zunehmend auf Einsätze einstellen, die kurzfristig erfolgen, neue und bisher unbekannte Anforderungen stellen und eine große Flexibilität, auch seitens des Sanitätsdienstes, erfordern.
Dieses verlangt auch von Seiten des eingesetzten Assistenz- und Pflegepersonals eine umfassende und fachlich breit gefächerte Einsatzbereitschaft, die vor allem durch eine konsequent darauf ausgerichtete Gestaltung des Inlandsdienstbetriebs zu erreichen ist.
Am Beispiel der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Ulm soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, wie sich die Pflegekräfte durch Rotation innerhalb der verschiedenen Aufgabenbereiche der Klinik auf möglich kommende Einsatzszenarien vorbereiten können.
Schlüsselworte: Einsatzvorbereitung, Pflegerotation, Personalgewinnung, AINS
Keywords: deployment training, care rotation, recruitment, AINS
Einleitung
Sich rasch ändernde Einsatzanforderungen fordern von Pflegekräften und medizinischem Assistenzpersonal ein hohes Maß an Fachkompetenz und
Flexibilität. In seiner Jahresweisung 2015 legte der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr den Schwerpunkt auf die verstärkte Entwicklung von Kern- sowie damit verbundenen Fachkompetenzen. Seine Weisung wurde in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Ulm mit dem Ziel umgesetzt, Pflegekräfte und medizinisches Assistenzpersonal durch rotierenden Einsatz innerhalb der Abteilung dahingehend weiter zu qualifizieren, um auf wechselnde Einsatzbedingungen mit höchstmöglicher Flexibilität reagieren zu können.Erfahrungen am BwKrhs Ulm
Zielsetzung
Durch eine Rotation der Pflegekräfte und des medizinischen Assistenzpersonals innerhalb bzw. zwischen den sich immer fachspezifischer entwickelnden Bereichen der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin (präklinisch/innerklinisch) und Schmerztherapie (AINS) sollen die Teilnehmer erweiterte Kernkompetenzen und spezialisierte Fachkenntnisse aus den jeweils anderen Bereichen erwerben und in diesen in Übung gehalten werden.
Ausgangssituation
Die Erfüllung pflegerischer Aufgaben in den spezialisierten Bereichen eines großen Krankenhauses, wie des BwKrhs Ulm, erfordern eine ausdifferenzierte
fachspezifische Expertise und dabei ein hohes Maß an Handlungssicherheit. Konsequenter Weise haben sich in Folge des technischen wie medizinischen Fortschritts in zunehmendem Maße Spezialisierungen und Subspezialsierungen herausgebildet.Im Auslandseinsatz ist jedoch eher fachübergreifendes Wissen gefordert, um den vielfältigen Anforderungen in der gesamten Bandbreite des jeweiligen Fachgebietes gerecht zu werden. Für das Fachgebiet AINS bedeutet das z. B., dass Pflegekräfte und medizinisches Assistenzpersonal, welche beispielsweise im Inlandsbetrieb auf einer Intensivstation eingesetzt sind, über spezifische Kenntnisse dieses gewohnten Arbeitsbereichs verfügen, im Auslandseinsatz jedoch zum Beispiel auch in einer Notaufnahme oder im Operationssaal eingesetzt werden können.
Um ausreichende Handlungssicherheit in allen anästhesiologisch besetzten Teilbereichen zu erlangen, ist es nicht ausreichend, zur Einsatzvorbereitung ein einmaliges Praktikum in der für den Einsatz geplanten Teileinheit zu absolvieren. Vielmehr soll es die regelmäßige Rotation der Pflegekräfte und des medizinischen Assistenzpersonals ermöglichen, fachspezifische Fähigkeiten, Routine und Handlungssicherheit in den jeweils anderen Teileinheiten zu erlangen, zu erweitern und zu festigen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden (Sub-)Spezialisierung existieren vergleichbare Konzepte für ein modernes Personalmanagement im Krankenhaus auch im zivilen Bereich [1].
Rotationsprinzip
Hintergrund für die Idee einer Rotation von Pflegekräften und Assistenzpersonal ist das bereits angewandte Rotationsprinzip bei Ärzten der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am BwKrhs Ulm, welche im Rahmen Ihrer Weiterbildung zum Facharzt in allen Teilbereichen der Klinik eingesetzt werden. Dieses entspricht u. a. dem von SCHMIDBAUER so genannten „einsatzanästhesiologischen Konzept“ [2]; seine Bedeutung unterstrich HOITZ anlässlich eines AINS-Symposiums in Ulm im Januar 2015 ebenfalls sehr deutlich [3]. In den vergangenen Einsätzen konnten diese Sanitätsstabsoffiziere von dieser Maßnahme profitieren. Eine Übertragung dieses Prinzips auf das Assistenz- und Pflegepersonal ist da nur konsequent.
Des Weiteren hat sich der schon seit längerem etablierte regelmäßige Wechsel der Rettungsassistenten und Rettungssanitäter zwischen der Zentralen interdisziplinären Notaufnahme (ZINA) und dem prähospitalen Rettungsdienst als sehr erfolgreich erwiesen. Die daraus gewonnenen Erfahrungen in der vorklinischen Notfallversorgung und der frühen innerklinischen Akutmedizin sind ein wesentlicher Beitrag zur gesteigerten Handlungs- und damit Patientensicherheit. Somit hat sich das Prinzip einer Rotation in einigen Teileinheiten bereits durchaus bewährt.
Im Rahmen der Pflegerotation sollen anfangs militärische Absolventen der zweijährigen Fachweiterbildung in Anästhesie- und Intensivpflege, deren Abschluss nicht länger als 24 Monate zurückliegt, im halbjährlichen Intervall zwischen den Teilbereichen anästhesiologische Intensivstation und operative Anästhesie wechseln. Die Überlegung hinter dieser anfänglichen Eingrenzung auf zwei Bereiche ist die kürzere Einarbeitungsdauer aufgrund schon bekannter Arbeitsabläufe im jeweiligen Teilbereich, welche schon in der Fachweiterbildung zum Fachpfleger für Anästhesie- und Intensivpflege erworben werden. Ein halbjährlicher Wechsel zwischen den Teileinheiten führt zum Erlangen einer routinierten Arbeitsweise im jeweilig eingesetzten Teilbereich.
Die bereits etablierten Rotationen haben zeigen können, dass ein Austausch von Personal zu einer verbesserten Kommunikation zwischen den Teileinheiten führt; beispielsweise hat sich die Übergabe von Patienten zwischen Rettungsdienst und Notfallaufnahme vereinfacht, da das eingesetzte Assistenzpersonal die Arbeit auf beiden Seiten dieser Nahtstelle routiniert beherrscht. Die betroffenen Rettungsassistenten bewerten diesen Umstand als äußerst positiv und empfinden ihren Arbeitsplatz und das durch die Rotation erweiterte Aufgabenspektrum als Attraktivitätssteigerung.
Herausforderungen an die weitere Entwicklung
Eine Herausforderung liegt darin, den auf hohem Niveau laufenden Dienstbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Die Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Patienten darf unter keinen Umständen durch die Rotation des Personals negativ beeinflusst werden. Um die Leistungsfähigkeit der einzelnen Teilbereiche zu erhalten, ist ein direkter Wechsel (1 zu 1) der Fachpflegekräfte notwendig.
Darüber hinaus spielt die Vereinbarkeit von Familie und Dienst eine immer wichtigere Rolle. Daher ist die teileinheitsübergreifende Urlaubs- und Freizeitplanung auch eine maßgebliche Voraussetzung für den Erfolg der Pflegerotation; sie ist auch ein wesentlicher Faktor für Motivation, Attraktivität und Mitarbeiterzufriedenheit [4]. Des Weiteren sind Einsatzbereitschaft und ein hohes Maß an Flexibilität charakteristische Anforderungen an „rotierendes“ Personal.
Nach erfolgreichem Aufbau der Pflegerotation im Bereich Fachpflege für Intensivmedizin und Anästhesie zwischen der anästhesiologischen Intensivstation und der Anästhesie-OP soll die Rotation auf weitere Berufsgruppen und auf alle Teileinheiten ausgeweitet werden.
Fazit
Den in den kommenden Jahren weiter wachsenden Anforderungen an die Fachkompetenzen des Pflege- und des medizinischen Assistenzpersonals der
Bundeswehr kann nur durch konsequente Aus-, Fort- und Weiterbildung begegnet werden. Der regelmäßige Wechsel im Sinne einer Rotation zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen mit unterschiedlicher (Sub-)Spezialisierung schafft hochkompetentes Personal, welches sich in ständig wechselnden Einsatzszenarien handlungssicher bewegen kann. Zusätzlich können Schwierigkeiten an Nahtstellen im Klinikbetrieb durch die verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen Teilbereichen deutlich reduziert werden.Auch im Hinblick auf die Herausforderung der Personalgewinnung und -bindung kann die in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am BwKrhs Ulm eingeführte Pflegerota-tion durch ein abwechslungsreiches Arbeitsspektrum und verbesserte Kommunikation positive Einflüsse ausüben und so helfen, dem Mangel an Fachkräften im Bereich der Assistenzberufe zu begegnen. Dieses kann auch dazu beitragen, die Bundeswehrkrankenhäuser im Vergleich mit zivilen Kliniken als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.
Kernaussagen
• Im Einsatz zu erfüllende Aufgaben verlangen auch von Assistenz- und Pflegepersonal ein breites Fähigkeitsspektrum im jeweiligen Fachgebiet.
• Das Rotationsprinzip ist ein geeignetes Verfahren zum breitgefächerten Kompetenzerwerb und -erhalt im Fachgebiet trotz zunehmender (Sub-) Spezialisierung.
• Die Pflegerotation konnte im BwKrhs Ulm auch wirksam Probleme an den Nahtstellen im Klinikbetrieb lösen und die Kommunikation verbessern.
• Pflegerotation steigert die Attraktivität des Arbeitsplatzes, fördert gegenseitiges Verständnis und kann zumindest indirekt zu Personalgewinnung und -bindung beitragen.
Literatur
- Mühlbauer BH. Krankenhaus- und Personalmanagement mit Zukunft. Baumann Kulmbach 2009.
- Schmidbauer W: Anästhesie im Einsatz. Wehrmedizinischen Monatsschrift 2015; 59 (10-11): 345 – 348.
- http://traumateam.de/140-teilnehmer-bei-ains-symposium/ (aufgerufen am 20.06.2016),
- Auerbeck J: Mitarbeitermotivation in sozialen Unternehmen und daraus resultierende Konzepte für das Management. Diplomarbeit Fachhochschule Jena 2006.
Bildquelle: Abb. 1 – 2: Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Für die Verfasser
Hauptfeldwebel Hannes Breitinger
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Oberer Eselsberg 40
89081 Ulm
E-Mail: hannesbreitinger@bundeswehr.org
Datum: 09.11.2016
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/9-10