17.07.2023 •

High Performance

Die Abteilung Spitzensport und Truppenarzt am Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr

C. Holtherm, A.Lison

Die „Wall of Fame“ im ZSportMedBw – ein Dankeschön des Spitzensports
Bundeswehr/Andreas Lison

Die heutige Abteilung A war bei Gründung der Sportschule der Bundeswehr (SportSBw) und deren späteren Verlegung nach Warendorf ursprünglich der truppenärztliche Bereich der SportSBw und des Standortes Warendorf. Heute werden in dieser Abteilung unter Zuarbeit der Abteilungen B und C die militärischen und zivilen Kaderuntersuchungen für den Deutschen Olympischen Sportbundes und Landessport­bundes Nordrhein-Westfalen (jeweils lizenziertes Zentrum) durchgeführt. Auch nationale und internationale Militärsportliche Veranstaltungen werden federführend durch die Abteilung A betreut. Und nach wie vor wird von der Prävention über Diagnostik, Therapie, Begutachtung, Trainingssteuerung bis hin zur Begleitung der Rehabilitation, das komplette Spektrum der Sportmedizin – wie in allen Abteilungen des Zentrums für Sportmedizin der Bundeswehr (ZSportMedBw) - abgebildet und bei Lehre und Wissenschaft des Zentrums gleichberechtigt zugearbeitet. Diese Fähigkeiten bildeten die Grundlage für die Entscheidung, die sanitätsdienstliche Betreuung von SpitzensportlerInnen der Bundeswehr in die Abteilung A des ZSportMedBw zu verlagern.

Kaum jemand, der das Spitzensportbüro des Zentrums betritt, erinnert sich daran, wie es hier einmal aussah. In dem von drei Glasfronten umgebenen Raum spiegelt sich die Entwicklung der sportmedizinischen Ausrichtungen in Warendorf wider. In den 1990er Jahren fand sich hier die medizinische Bibliothek. In klassisch bundeswehrgrünen Regalen lagerten dort vergilbte ungenutzte Fachbücher neben einer unüberschaubaren Zahl medizinischer Journale. Kein Ort, der zum Verweilen einlud. Mit der Etablierung präventivmedizinischer Programme wandelte sich der Auftrag des ZSportMedBw von einer Sportmedizin in der Bundeswehr zu einer Sportmedizin für die Bundeswehr. Aus der Bibliothek wurde der Seminar- und Patientenbesprechungsraum, die Literatur zwischenzeitlich digital gespeichert, die Regale verschwanden und ein zentraler Arbeitstisch, von bequemen Schwingstühlen umgeben, beherrschte das Bild. Von nun an konnten ärztliches Personal, Sportwissenschaftler und PatientInnen erstmals gemeinsam über Untersuchungsergebnisse, Therapien und das weitere Vorgehen sprechen. Was damals fast selbstverständlich entstand, ist in der Nachschau Ausdruck eines durchaus als revolutionär zu bezeichnenden Qualitätsschubs für die Dienststelle. Das interdisziplinäre „patient shared decision making“ war geboren und prägt bis heute die Arbeit des Zentrums. Besonders für die zu rehabilitierenden SoldatInnen, aber auch deren Angehörige, ist dies von besonderer Tragweite.

Und heute? Der zentrale Treffpunkt für Ärzte und Patienten musste weichen und wurde aus Platzmangel in einen fensterlosen Raum zwischen zwei Hallen der SportSBw verlegt. Mit der Übernahme der Verantwortung für die Betreuung aller SpitzensportlerInnen aus den Sportfördergruppen der Bundeswehr zum 01.01.2019 war es erforderlich, eine ­zentrale Koordinierungsstelle für die Regelung aller Heilfürsorgeangelegenheiten und die Abstimmung mit dem zivilen Bereich einzurichten. Das Spitzensportbüro hat ein wenig von dem zweifelhaften Charme, wie sie die damalige Bibliothek innehatte, wiedererlangt. Auf nach vielfältigen Stellproben optimal platzsparend angeordneten Schreibtischen stapeln sich neben Telefonen und PC`s nun Krankenakten, Arztberichte und Überweisungsformulare. Hinten rechts in der Ecke bewältigt Heike G. an vorderster Front die Wellen aus Telefonaten und Mails. Das Besondere daran: Alle, die trotz der Platznot im Spitzensportbüro arbeiten, lieben, was sie hier tun. „Irgendwie sind die alle sowas wie meine Kinder“, sagt Heike G. über „ihre“ PatientInnen. Bevor sie nach Warendorf kam, war sie schon im Spitzensport tätig. Die zivile medizinische Fachangestellte entdeckte per Zufall die Ausschreibung für die am Zentrum neu geschaffene Stelle für die Spitzensportbetreuung. Ihr war sofort klar: „Da will ich hin“. Um diese Begeisterung und die sich dahinter verbergende Sinnhaftigkeit, aber auch die besonderen Anforderungen, die sich für medizinisches Assistenzpersonal und die verantwortlichen Sanitätsoffiziere daraus ergeben zu verstehen, muss man sich mit den Besonderheiten der Betreuung von SpitzenathletInnen auseinandersetzen.

Als 1968 mit Beschluss des Bundestages die Bundeswehr im Zuge einer gesamtstaatlichen Aufgabe den Auftrag erhielt, SpitzensportlerInnen zu fördern, war damit auch die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung (utV) gewährleistet. Bis heute gehört diese Aufgabe nicht zum Kernauftrag der Streitkräfte. Vor dem Hintergrund immer wieder auftretender Probleme bei der sanitätsdienstlichen Betreuung der sich im Heimtraining befindenden und den über 15 Sportfördergruppen im gesamten Bundesgebiet zugeordneten SportsoldatInnen, kam es 2018 zu der ministeriellen Entscheidung, diese Betreuung zentral dem ZSportMedBw zu überantworten. Damit sollte neben einer verzugslosen Sicherstellung der Leistungen der utV eine professionelle Beratung und Dokumentation sichergestellt werden.

Wer die hochprofessionellen Gesundheitsversorgung von ca. 900 AthletInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen verantwortet, dem hilft es, sich zunächst die ethischen Grundlagen für das medizinische Handeln in der Welt des Spitzensports in Erinnerung zu bringen. Hierzu hat die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. basierend auf dem Statement der Fédération Internationale de Médecine du Sport im Oktober 2018 einen sportmedizinischen Ethikkodex veröffentlicht. Der Respekt vor der Patientenautonomie ist hiernach ein grundlegendes medizinethisches Prinzip, dessen zentrale Komponente das Wissen darstellt. „Ohne informierte Einwilligung des Sportlers liegt eine Missachtung der Athletenautonomie vor. Versäumt der Sportarzt, dem Sportler die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, verletzt dies ebenso das Recht des Sportlers, seine eigenen Entscheidungen zu fällen.“ Es sei vorrangiges ethische Anliegen, „dem Patienten nach besten Fähigkeiten alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um ihm zu ermöglichen, selbstständig zu entscheiden und zu handeln.“

Seitdem das Team am ZSportMedBw seinen Auftrag erfüllt, äußern AthletInnen, Vertreter der Sportfördergruppen und der Verbände sowie VerbandsärztInnen sich durchweg lobend und zufrieden über das Engagement, die schnelle Reaktion und die Identifikation mit der Aufgabe. Man könnte zufrieden sein. Doch wenn Heike G. und die anderen im Team telefonieren und mailen, verrichten sie weit mehr als den meisten bewusst sein dürfte. Sie trösten, muntern auf, geben Halt und versuchen so gut wie möglich zu beraten. Sie kennen Zeit, Ort und Ergebnisse der Wettkämpfe der ihnen vertrauenden SportlerInnen, in dem sie sich in der Freizeit informieren. Sie wissen um die Problematik von Einjahresverträgen, dem immensen Leistungsdruck, der Akzeptanz von Schmerz und der häufigen Missachtung, wenn die gezeigten Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen. Schnellstmögliche Diagnostik, maximale Intervention und Fokussierung auf die Leistung sind nicht immer vereinbar mit dem langfristigen Erhalt von Gesundheit. SpitzensportlerInnen der Bundeswehr stellen eine Gruppe von SoldatInnen dar, die in vielfältiger Weise fremdbestimmt sind und ein extremes gesundheitliches Risiko dabei eingehen.

Diesen Herausforderungen kann derzeit nur durch die Etablierung alternativer Betreuungsmethoden (z. B. Telefon- und Videosprechstunde oder Internetkommunikation) begegnet werden. Ohne die ist die unverzichtbare Kommunikation mit SportlerInnen, TrainerInnen, Mannschafts- und VerbandsärztInnen sowie Spezialisten auf (sportmedizinischer) Augenhöhe nicht möglich. Doch hierdurch kann die persönliche Begegnung nicht ersetzt werden.

Für das ZSportMedBw stehen persönliche Betreuung, interdisziplinäre Beratung in Prävention, Kuration und Rehabilitation, einmündend in eine professionelle Auswertung von Gesundheitsdaten sowie Wissenstransfer und fachliche Vernetzung an erster Stelle. 


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