Der Sanitätsstabsoffizier Arzt an den Schulen des Heeres
Aufgezeigt am Beispiel der ABC- und Selbstschutzschule (ABC/SeS)
Wie die anderen Schulen des Heeres hält auch die ABC/SeS ein weites Aufgabenspektrum für den Sanitätsstabsoffizier Arzt (SanStOffz Arzt), das außerhalb der kurativen Tätigkeit liegt, bereit. Hierzu zählt das Durchführen von fachspezifischen Ausbildungen im Rahmen des Lehrauftrages der Schule, aber auch die Mitarbeit aus medizinischem Blickwinkel bei der Erstellung von Konzeptionen, Studien, Vorschriften und Ausbildungsinhalten. Eine wesentliche Aufgabe ist die Zusammenarbeit der ABC/SeS mit dem Zentralen Sanitätsdienst auszubauen. Dabei gilt es Schnittstellen aufzuzeigen und diese durch effektive Interaktionen möglichst in Nahtstellen umzuwandeln.
Zu Beginn eine kurze Szene aus dem Alltag eines SanStOffz Arzt an der ABC/SeS.
Typischer Ausschnitt aus einem Unterricht
„…Wir kommen nun zu den Auswirkungen von ß-Strahlung auf die menschliche Haut. ß-Strahlung wird durch die Haut abgebremst. Wärme ist die dabei freiwerdende Energieform. Die Haut kann dadurch so heiß werden, dass sie verbrennt….“ Das Spektrum der Aufgaben ist natürlich weitaus größer als dem interessierten Lehrgangsteilnehmer die Entstehung von ß-Verbrennung der Haut zu erklären. Um einen umfassenden Überblick über den Arbeitsalltag eines, dort nicht kurativ tätigen, Arztes an der ABC/SeS zu bekommen, ist es zunächst notwendig die Schule selbst in ihrer neuen, seit 01.10.2007 gültigen, Struktur genauer zu betrachten.
Vorstellung der ABC/SeS
Kernkompetenz einer Schule ist der Bereich Lehre/Ausbildung. Die ABC/SeS ist für die Ausbildung der ABC-Abwehrtruppe und ABC-Abwehr aller Truppen verantwortlich und für die Ausbildung im Melde- und Warndienst. Gleichermaßen werden Schutzaufgaben wie die Ausbildung im Selbstschutz, Brandschutz, Strahlenschutz, Umweltschutz und in Zukunft als weitere Hauptaufgabe im Bereich der Arbeitssicherheit wahrgenommen. Die Lehrangebote sind nicht ausschließlich truppengattungsspezifisch, sondern oftmals truppengattungs- und teilstreitkraftübergreifend. Lehrgänge werden für alle Dienstgradgruppen und Zivilpersonal angeboten. Zusätzlich führt die Schule auch nationale und internationale Arbeitstagungen durch.
Aufgrund dieser weit gefächerten Aufgabenfelder der Schule kann arbeitstäglich auf ein vielfältiges Fachwissen zurückgegriffen werden, das zielführend und flexibel zur umfassenden Bearbeitung von Fragestellungen, Problemen und Aufträgen bezüglich der Weiterentwicklung der Truppengattung eingesetzt wird.
Diese „interdisziplinäre Problemlösungskompetenz“ wird durch die Zugehörigkeit des Bereiches Weiterentwicklung zur Schule bedeutend erweitert. Hier sind im Dezernat 4 folgende wissenschaftlichen Bereiche zusammengefasst: Physik und Strahlenschutz, Biologie, Chemie, Geoinformationswesen sowie Medizin und Toxikologie – der durch den SanStOffz Arzt geführt wird. Die wissenschaftlichen Bereiche bringen somit neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus ihren jeweiligen Fachbereichen in die Entwicklung von nationalen und internationalen Konzepten ein, erarbeiten wissenschaftliche Grundlagen für Weiterentwicklung und Lehre und unterstützen die Lehre bei wissenschaftlichen Unterrichten.
Aufgaben des Sanitätsoffiziers im Bereich Weiterentwicklung an der ABC/SeS
Um die an der Schule anfallenden Aufgaben adäquat ausfüllen zu können, ist es für den Arzt im Bereich Weiterentwicklung sehr wichtig, den Kontakt auch zum Zentralen Sanitätsdienst intensiv zu pflegen. Nur so können aktuelle Erkenntnisse in die Lehre an der Schule und bei der Weiterentwicklung einfließen. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Schnittstellen zum Zentralen Sanitätsdienst aufgezeigt und deren Bedeutung für den Dienstalltag dargelegt (Abb. 1):
Abb. 1: Schnittstellen zwischen ABC/SeS und ZSanDBw
Einer der wichtigsten Anknüpfungspunkte zum Zentralen Sanitätsdienst ist zweifelsohne die Abteilung IX, Medizinischer ABCSchutz des SanABw sowie die ebenfalls dem SanABw truppen- und fachdienstlich unterstellten Institute für Radiobiologie, Mikrobiologie und Pharmakologie/Toxikologie. Über die Abt. IX erfolgt die Abstimmung der Lehrinhalte bezüglich der allgemeinen Grundlagen des medizinischen ABC-Schutzes, insbesondere der TaskForce medizinischer ABC-Schutz und die Verwundetendekontamination betreffend. Der überwiegende Teil der Lehrverpflichtungen aus dem Arbeitsbereich Medizin und Toxikologie der Schule sind Unterrichte zum Thema Wirkungen von atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffen auf den menschlichen Körper. Für spezielle Fragestellungen zu den einzelnen Themengebieten stehen mit den o.g. Instituten jederzeit äußerst kompetente Ansprechpartner zu Verfügung, die auch im Unterricht spontan aufkommende Fragestellungen innerhalb kürzester Zeit beantworten, so dass dem Lehrgangsteilnehmer meist noch vor Lehrgangsende eine fachlich abgestimmte Auskunft übermittelt werden kann. Weiterhin bieten die von den jeweiligen Instituten in der Regel jährlich durchgeführten Fachtagungen eine ausgezeichnete Gelegenheit von den neuesten Forschungsprojekten zu erfahren sowie das individuelle Wissen in den jeweiligen Bereichen zu vertiefen, um dadurch auch für konzeptionelle Zuarbeit bestens gewappnet zu sein. Die eigenen Unterrichte bleiben ebenfalls auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Der Arbeitsbereich Medizin und Toxikologie ist an dem Projekt „Nutzung der an der ABC/SeS vorhandenen Strahlenquellen zur Ausbildung des Personals des Institutes für Radiobiologie“ als Knotenpunkt zwischen dem Arbeitsbereich Physik/Strahlenschutz der Schule und dem InstRadBio mitbeteiligt. Die Intensivierung der Schnittstelle zum Institut für Radiobiologie ist für die an der ABC/SeS stattfindenden staatlich und berufsgenossenschaftlich anerkannten Strahlenschutzlehrgänge von zentraler Bedeutung. Im Lehrgangskatalog der Schule werden Strahlenschutzlehrgänge für ionisierende wie auch für nicht-ionisierende Strahlung (also Laserstrahlung und Elektromagnetische Felder) angeboten.
Die nicht-ionisierende Strahlung ist darüber hinaus auch ein Anknüpfungspunkt der Kooperation zwischen dem Institut für medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr (IMAUS) und der ABC/SeS. Mit allen Teileinheiten des IMAUS besteht ein reger Austausch über aktuelle Studien und deren Ergebnisse. Lehr- und Ausbildungsinhalte werden somit dem aktuellen Wissensstand angepasst. Dies betrifft vor allem den medizinischen und toxikologischen Unterricht des Arztes bei den Lehrgängen „Umweltberater respektive Umweltbearbeiter“. Ferner unterstützt das IMAUS die ABC/SeS als Reachbackcapability für die ab Anfang 2008 beginnende NRF-10, NBC- JAT. Im Gegenzug eröffnet die ABC/SeS dem IMAUS die Möglichkeit auf die Fachexpertise der wissenschaftlichen Arbeitsbereiche der ABC/SeS zurückzugreifen.
Die Abteilung V, Präventivmedizin des San-ABw ist der Ansprechpartner zur Abstimmung der Ausbildungsinhalte von Lehrgängen in den Bereichen Dekontamination und Wasseraufbereitung. Hier zeigt der Arzt explizit die Schnittstellen zwischen Zentralem Sanitätsdienst und Heer auf. Zur Wissensvertiefung – auch im Bereich des medizinischen BSchutzes - ist der von der Abt.V, SanABw jährlich organisierte Lehrgang Wehrhygiene ein interessantes und wichtiges Forum.
Ein konstanter Informationsaustausch zwischen Schule und Abt. V, SanABw erfolgte beim Themenfeld Ausbildungsvoraussetzungen für eine(n) SchädlingsbekämpferIn im Einsatz. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit soll künftig weiter vertieft werden und evtl. zur Lehrgangsimplementierung „Schädlingsbekämpfer im Einsatz“ führen. Eine Involvierung der Laborgruppe Medizinische Zoologie des ZInstSanBw wäre dabei eine wünschenswerte Voraussetzung.
Zwischen der zivilen Katastrophenmedizin und dem medizinischen ABC-Schutz der Bundeswehr zeichnen sich bei näherer Betrachtung kongruente Katastrophenmechanismen respektive Szenarios ab. Im Zuge der asymmetrischen Bedrohung kommt es zunehmend zu Verflechtungen der inneren und äußeren Bedrohung, was zwangsläufig zur Konvergenz von Katastrophenmedizin und medizinischem ABC-Schutz führt. Aufgrund dieser Vergleichbarkeit ist es unverzichtbar, dass sich beide Bereiche austauschen. Dies gilt insbesondere im Bezug auf die Triage nach einem Massenanfall von Verwundeten, der z.B. aus einem ABC-Angriff resultieren könnte. Die hierbei ausgewählte Vorgehensweise ist für das taktische Vorgehen der Bundeswehr im Einsatz von großer Bedeutung.
Hinsichtlich der Aktualität der sanitätsdienstlichen Lehrinhalte ist ein enger und permanenter Kontakt auch mit klinisch tätigen Fachärzten unabdingbar. So arbeitet der SanStOffz Arzt z.B. für den Unterricht „Gefährdung beim Umgang mit Lasern“ eng mit der Augenabteilung des BwKrhs Ulm zusammen.
Ein weiterer Tätigkeitsbereich des SanStOffz Arzt im Bereich der Weiterentwicklung ist bei der Ausgestaltung und Durchführung von Planübungen mitzuwirken, welche die Truppenfachlehrer für die Lehrgänge organisieren. Meist ist ein spezieller Lageteil Sanitätsdienst in den Planübungen integriert.
„Last but not least“ unterstützt der SanStOffz Arzt des Bereiches Weiterentwicklung die Ausbildung von Stammsoldaten der Schule im Rahmen der Schulung von individuellen Grundfertigkeiten.
Fazit
Neben der beschriebenen Lehrtätigkeit ist die Kernaufgabe des SanStOffz Arzt des Bereichs Weiterentwicklung der ABC/SeS als fachliche Schnittstelle für die Zusammenarbeit der Schule mit dem Zentralen Sanitätsdienst zu dienen. Der Nutzen von Netzwerken steigt mit der Anzahl der Netzwerkmitglieder. Ziel muss es daher sein, einen permanenten Informationsaustausch zwischen betroffenen Bereichen des SanDst und der Schule aufzubauen, um die so entstehenden Chancen und Synergieeffekte in die Lehre einzubringen. Somit wird die Schule der Verpflichtung einer zeitgemäßen und optimalen Wissensvermittlung gegenüber den Lehrgangsteilnehmern gerecht – und der SanStOffz Arzt seinem Ziel nicht nur „blauer“ Exot an der ABC/SeS zu sein, sondern das Aufzeigen von Schnittstellen und deren Umwandlung in Nahtstellen aktiv zu leben.
Datum: 30.06.2008
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2008/2