19.02.2018 •

    Der besondere Fall – Wenn die Leberzyste zum Lebensretter wird

    Aus der Abteilung für Allgemein-, Viszeral-und Thoraxchirurgie (Klinikdirektor Flottenarzt Dr. W. Rost), der Abteilung für Innere Medizin (Klinikdirektor Oberstarzt Dr. Ch. Busch) und der Abteilung für Radiologie (Klinikdirektor Oberstarzt Dr. H. Schlegl) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Kommandeur Generalarzt Dr. J. Hoitz)

    Zusammenfassung

    Ulkusperforationen gehen zumeist mit einem akuten Abdomen einher und verursachen unter Umständen ein lebensbedrohliches Krankheitsbild durch eine Peritonitis. Sie haben eine hohe Relevanz bei Personen über 50 Jahren und gehen mit einer Mortalität von bis zu 30 % einher. Leberzysten hingegen sind die häufigsten benignen Lebertumore und insbesondere in der Chirurgie von wenig klinischer Bedeutung. In der folgenden Fallbeschreibung wird über eine Patientin berichtet, bei der ein Duodenalulkus gedeckt in eine vorbestehende Leberzyste perforierte. Ein akutes Abdomen und alle damit vergesellschafteten Komplikationen blieben somit aus. In der Literatur findet man nur lediglich zwei Fälle, die mit eben diesem Verlauf verzeichnet sind. Die entscheidende Therapie war hier letztlich die Kombination aus endoskopischer Intervention und chirurgischer Sanierung, die zur vollständigen Genesung der Patientin führte.

    Fallbericht

    Eine 84jährige Patientin wurde im März 2016 auf Grund epigastrischer Schmerzen seit 14 Tagen und zweimaligen Erbrechen, sowie Appetitlosigkeit in der Zentralen Notaufnahme des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg vorstellig. Es bestanden keine Stuhlauffälligkeiten und kein Fieber. Sie wies keinerlei abdominelle Vorerkrankungen oder -operationen auf, nahm keine Dauermedikamente ein und verneinte auch längere Auslandsaufenthalte. Gastroente­ro­logische Diagnostik hatte bisher nie stattgefunden. Die körperliche Untersuchung zeigte bis auf einen Druckschmerz im Epigastrium und linken Oberbauch mit vorwiegend dort palpablem Tumor ein unauffälliges Abdomen ohne Abwehrspannung.

    Im Aufnahmelabor waren die GPT, die y-GT, sowie das C-Reaktive Protein mäßig erhöht (GPT 110 U/l; yGT 54 U/l; CRP 93 mg/l). In der abdominellen Sonographie war eine 10x8cm große, rundliche Raumforderung im Bereich der linken Leber mit teils soliden, teils flüssigen Anteilen, sowie eine Cholecystolithiasis ohne -itis auffällig. Nebenbefundlich zeigten sich multiple Leberzysten. Die daraufhin veranlasste Schnittbilddiagnostik ergab den Verdacht auf einen Leberabszess. (Abb. 1 und 1a) Auf Grund der günstigen, von ventral gut zugänglichen Lage, wurde sodann die Entscheidung zur Abszessentlastung getroffen.

    Nach sonographisch gestützter Punktion und Drainageeinlage entleerte sich jedoch überraschenderweise Mageninhalt, der als Spargelsuppe erkennbar war. Freilich stellte sich das Team die Frage nach einer Fehlpunktion. Die Kontroll-­CT nach Punktion konnte jedoch die regelrechte Lage der Drainage in der abszessverdächtigen Raumforderung darstellen; es hatte hier keine Punktion des Magens stattgefunden. (Abb. 2) Zur weiteren Klärung der Situation wurde eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie am Folgetag veranlasst. Hier konnte gastroskopisch ein Ulcus duodeni im Bereich der Bulbushinterwand identifiziert werden, welches in eine vorbestehende Leberzyste perforiert war. Diese ließ sich letztlich mit dem Gastroskop „zystoskopieren“. (Abb. 3, 4 und 5) 

    Unter konservativer Therapie mittels Einlage einer Trilumensonde über die Perforationsstelle hinaus und einer begleitenden Eradikationstherapie ließ sich zunächst keine Ausheilung herbeiführen. Die Aussicht auf Abheilung der entstandenen Fistelöffnung in die Zyste war unwahrscheinlich; der endoskopische Verschluss mittels Clips nicht erfolgversprechend.

    So fiel die Entscheidung zum chirurgischen Vorgehen. Es wurde eine Ulcusexzision und -übernähung sowie die Entdeckelung der Leberzyste durchgeführt. (Abb. 6, 7 und 8). Simultan erfolgte die Cholezystektomie bei nebenbefundlich nachgewiesener Cholezystolithiasis.

    Im postoperativen Verlauf wurde die enterale Ernährung kurzfristig über eine Trilumensonde gesichert. Der weitere Verlauf war unkompliziert, die Patientin wurde beschwerdefrei entlassen.


    Diskussion

    Hier vorliegend bestand ein extrem seltener Verlauf einer insgesamt häufigen Erkrankung, der Ulkusperforation. Von 1982 bis 2014 lediglich 5 Fälle weltweit in der Literatur bekannt, die eine gedeckte Duodenalulkusperforation in eine Leberzyste beschreiben. In nur zweien davon erfolgte die Perforation des Duodenalulkus in eine vorbestehende benigne Leberzyste wie in unserem Fall; in drei Fällen handelte es sich um eine Echinokokkuszyste. Der Patientin blieb ein akutes Abdomen mit all seinen Komplikationen erspart. Die konservativen gastroenterologischen Maßnahmen führten zunächst zu einer Stabilisierung der abdominellen Situation; die sekundäre Sanierung konnte schlussendlich durch die chirurgische Intervention herbeigeführt werden. 


    Anschrift für die Verfasser:

    Oberstabsarzt
    Stephanie Teichert
    Abteilung für Allgemein-, ­Viszeral- und Thoraxchirurgie
    Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
    Lesserstraße 180
    22049 Hamburg
    E-Mail: Stephanieteichert@bundeswehr.org


    Alle Abbildungen: BwKrhs Hamburg

    Datum: 19.02.2018

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2017

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