08.05.2015 •

    GESUNDHEIT- UND KRANKENPFLEGE IM SYSTEMVERBUND BUNDESWEHRKRANKENHÄUSER

    Handlungsoptionen und -notwendigkeiten

    Die erheblichen Ansprüche durch die Neuausrichtung der Bundeswehr und des Sanitätsdienstes stellen auch für die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe, insbesondere der Gesundheits- und Krankenpflege und der Funktionsdienste, eine neue Herausforderung dar.

    Die Intensität der Versorgungsleistungen für die zu behandelnden Patienten steigt auch in den Einrichtungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bei einer gleichzeitigen, weiteren Verkürzung der Behandlungsdauer. Auf diese Situation muss auch das Personal eingestellt sein. Durch die Zunahme komplexer Krankheitsbilder ergibt sich aus Qualifizierungssicht einerseits die Möglichkeit, den praktischen Anteil der grundständigen Ausbildung und der Fachweiterbildungen überwiegend in Einrichtungen des Sanitätsdienstes durchzuführen. Gleiches gilt im Übrigen für den Kompetenzerhalt. Andererseits fordert es den Mitarbeitern ab, sich diesen fachlichen Herausforderungen und der Verdichtung der Arbeitsanforderungen zu stellen. In der Arbeitsorganisation muss dabei sowohl der richtige Skill- wie auch der Qualifikationsmix weiterentwickelt werden, da nur mit einem höheren Qualifikationsniveau des Pflegepersonals eine bessere Patientenversorgung einhergeht.
    Auch auf der Leitungs- und Führungsebene sind in den Einrichtungen des Sanitätsdienstes, wo noch nicht erfolgt, für ausgesuchte Dienstposten Angebote zur Erhöhung des Qualifikationsniveaus bis auf ein akademisches Niveau erforderlich. Dies ist als Weiterentwicklung zu sehen und stellt neben den weltweit positiven Erfahrungen in seiner Wichtigkeit für die Pflegequalität auch eine Attraktivitätssteigerung dar.
    Die Neuausrichtung der Bundeswehr und des Sanitätsdienstes stellt auch an die Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpflege, einschließlich der Fachpflege, erhebliche fachliche, als auch persönliche Ansprüche und erhöht den ohnehin schon bestehenden berufsbezogenen Leistungsdruck. Zivile wie militärische Mitarbeiter unterliegen in den Sanitätseinrichtungen den erheblichen Anforderungen des Pflegeberufs, wie beispielsweise körperliche Belastung, Schichtarbeit, Zeitdruck und gestiegene Arbeitsdichte, ergänzt um die militärischen Verpflichtungen, die im täglichen Dienstbetrieb ebenfalls erfüllt werden sollen. In den Bundeswehrkrankenhäusern wird dies z. B. in einer zunehmend eingeschränkten Tagesantrittsstärke erkennbar, die sich dann häufig limitierend auf die Möglichkeiten der Patientenversorgung auswirkt.

    Personalgewinnung und Personalentwicklung
    Infolge des Wegfalls der Wehrpflicht und der zunehmenden Konkurrenz der zivilen Krankenhäuser muss sich der Sanitätsdienst bei der Personalgewinnung verstärkt den Herausforderungen des zivilen Arbeitsmarktes zu stellen, auf dem aktuell ein erheblicher Mangel an Pflegekräften beklagt wird. Diese Situation wird sich aufgrund verschiedener Faktoren wie z. B. der demographischen Entwicklung noch zunehmend verschärfen.
    Wenn der Sanitätsdienst in Bezug auf die medizinische Leistungserbringung den vorhandenen oder absehbaren Entwicklungen des zivilen Gesundheitssystem Rechnung tragen will, müssen die Gesundheits- und Krankenpflegekräfte mittlerweile mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden, damit Maßnahmen der Attraktivitätssteigerung auch diese Berufsgruppe erreichen und so zum Verbleib bzw. zum Eintritt beim Dienstherrn/Arbeitgeber Bundeswehr bzw. Sanitätsdienst der Bundeswehr motiviert werden. Die Angebote auf dem zivilen Markt sind mannigfaltig im Kampf um die Fachkräfte. Hiermit muss der Sanitätsdienst der Bundeswehr konkurrieren und dabei herausstellen, warum er als Arbeitgeber ebenfalls interessant ist.
    Die stetig wachsende Komplexität der Berufsausübung und die Verknappung der Ressourcen in der medizinischen Leistungserbringung erhöhen zunehmend die individuelle Belastung und Anforderung im Berufsalltag, mit teils negativen Auswirkungen auf den jeweiligen Gesundheitszustand und die intrinsische Motivation. Hier können als ein Teilaspekt weitergehende, bereits im zivilen bewährte, Maßnahmen innerhalb des „Beruflichen Gesundheitsmanagement“, wie zum Beispiel „Lebensphasengerechtes Arbeiten“ und „Altersgerechtes Personalmanagement“ positiv unterstützend wirken und besonders die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits lange in der Pflege tätig sind, weiter in die Lage versetzen, es auch weiterhin zu bleiben.
    Aus Sicht der Personalentwicklung im Sanitätsdienst bedeutet dies:

    • Aufbau einer Führungs- und Organisationskultur für die medizinischen Assistenzberufe
    • Mobilisierung von Potenzialen
    • Sicherstellung einer Balance zwischen Dienst und Familie
    • Gewährleistung der Arbeitsautonomie
    • Ermöglichen von Karrierepfaden
    • Gesundes Arbeiten

    Des Weiteren müssen sich Pflegekräfte, neben den praktischen pflegerisch-therapeutischen Aufgaben, zunehmend anderen Anforderungen stellen. Beispielsweise unterliegt eine Vielzahl von Pflegeprozessen heutzutage einem strikten, gesetzlich geforderten Qualitätsmanagement. Neue Möglichkeiten in Prävention, Diagnostik und Therapie, aber auch die Beratung der Patienten und deren Angehörigen, erhöhen zusätzlich die Aufgabenkomplexität. Diese Aufgaben werden zum Teil in Eigenverantwortung erfüllt und können in Teilbereichen auch die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten umfassen. Letztlich resultiert aus all diesen Entwicklungen ein ausgesprochen umfassendes Anforderungsprofil an die Gesundheits- und Krankenpflege. Es stellt sich daher die Frage, wie trotz steigender Arbeitsbelastung die Gesundheits- und Krankenpflege gerade im sanitätsdienstlichen Umfeld ein attraktives und zukunftsfähiges Berufsbild bleiben kann.

    Ausbildung und Personalrekrutierung für die Gesundheitsfachberufe im Sanitätsdienst
    Der erfolgreiche Abschluss einer anerkannten grundständigen Ausbildung in einem zivilen Gesundheitsberuf und ggf. einer fachlichen Weiterbildung, orientiert an den dienstlichen Notwendigkeiten, ist die Grundlage der individuellen Qualifizierung der Gesundheitsfachberufe im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Derzeit verfügt der Sanitätsdienst über keine eigenen Ausbildungsstätten z. B. für die Gesundheits- und Krankenpflege. Bewerber, die über keine zivil-berufliche Qualifikation verfügen, aber einen entsprechenden Bildungsabschluss besitzen, absolvieren, nach erfolgreicher militärischer Grund- und Laufbahnausbildung, für drei Jahre eine Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege (Zivilberufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahme (ZAW)). Dabei wurde mit den zivilen Ausbildungseinrichtungen vertraglich vereinbart, dass der praktische Anteil der Ausbildung soweit dies im Rahmen der inhaltlichen Vorgaben und aufgrund der räumlichen Gegebenheiten möglich ist, in den Bundeswehrkrankenhäusern stattfindet.
    Die sanitätsdienstliche Versorgung in konkreten Einsatz- oder Gefechtssituationen erfordert von den militärischen Gesundheits- und Krankenpflegekräften zusätzliche militärische Fähigkeiten sowie weitreichende einsatzbezogene Fachkompetenz, die teilweise deutlich über die zivilen Ausbildungsinhalte hinausgehen. Dies könnte durch die Neueinrichtung eines curricularen Trainings zur Vermittlung einsatzbezogener Inhalte, analog zum Training „Einsatzrettungsassistent“ erfolgen. Wichtige Inhalte wären u. a. Barrier Nursing von hochinfektiösen Patienten (z. B. Ebola), Advanced Care Trauma Nursing (ACTN) und Kenntnisse zum Einsatz in luftverlegbaren bzw. mobilen Sanitätseinrichtungen (LSE/MSE).
    Ziel aller Ausbildungs- und Qualifizierungsbemühungen muss es sein, weiterhin qualifiziertes Personal in ausreichender Anzahl so einzusetzen, dass dieses den Anforderungen einer modernen medizinischen Leistungserbringung in den Gesundheitseinrichtungen des Inlands und den Anforderungen eines militärischen Auslandseinsatzes durchhaltefähig gewachsen ist. Gerade die Kombination aus diesen beiden Zielen erzeugt wieder eine in sich geschlossene Komplexität an Ansprüchen, die ein signifikantes Alleinstellungsmerkmal des Sanitätsdienstes im Vergleich zu rein zivilen Tätigkeiten darstellt. Das Personal-Pooling und die Tätigkeit auf interdisziplinär belegten Stationen in Bundeswehrkrankenhäusern können hier gerade auch im Hinblick auf die Einsatzrealität unterstützend wirken. Da Bundeswehrkrankenhäuser zunehmend hohe Versorgungsquoten an akut- und notfallmedizinischen Patienten haben, sind sie auch in der Lage den Kompetenzerhalt für einen zahlenmäßig begrenzten Anteil des bereits ausgebildeten Personals zu gewährleisten. Geeignete Instrumente zur weiteren Umsetzung der notwendigen Maßnahmen, die hierbei hinzukommen müssen, sind z. B. auch Kooperationen mit zivilen Aus- und Weiterbildungsstätten im regionalen Umfeld der Bundeswehrkrankenhäuser, in denen zum Beispiel praktische Ausbildungsplätze in bestimmten Bereichen angeboten werden. Allerdings fördert die Beschäftigung der Auszubildenden in den eigenen sanitätsdienstlichen Einrichtungen die frühzeitige mentale Bindung an den Arbeitgeber. Hierbei müssen auch die zivilen Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflege im Sanitätsdienst der Bundeswehr Berücksichtigung finden, da nur sie im Systemverbund der militärischen Gesundheitseinrichtungen das Kontinuum der Versorgung und Ausbildung in den Krankenhäusern und auch in den regionalen Versorgungseinrichtungen sicherstellen.
    Um auch den Herausforderungen der Zukunft zu entsprechen, ist ein strategisches, proaktives und an Prozessen ausgerichtetes Management der Pflege notwendig und im Sanitätsdienst gefordert. Entsprechend sollten die Leitungsfunktionen der Pflege und Funktionsdienste in der Zielstruktur der Bundeswehrkrankenhäuser 2020 neben dem ärztlichen Dienst aufbauorganisatorisch abgebildet werden, orientiert an den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen auf Länderebene, publizierten Rechtsgutachten, Empfehlungen des Beratungsgremiums der Bundesregierung sowie Grundsatzstudien zum Thema.


    Notwendigkeit der prospektiven Entwicklung
    Eine Weiterentwicklung der beruflichen Perspektiven in der Gesundheits- und Krankenpflege, und damit eine Attraktivitätssteigerung in der Bundeswehr, stellt u. a. die Akademisierung dar. Unter akademischer Weiterqualifikation im Sanitätsdienst der Bundeswehr ist die Anhebung der fachbezogenen Qualifikation für ausgesuchte Dienstposten auf Hochschulniveau innerhalb eines Werdegangsmodells zu verstehen und wurde u. a. für das Pflegemanagement entschieden, um so eine bestehende Fähigkeitslücke zu schließen. Dieser Teil der Personalweiterentwicklung schließt sich an die Ausbildungs- respektive Praxisphase der Feldwebellaufbahn an und führt derzeit zum Eintritt in die Laufbahn des militärfachlichen Dienstes im Sanitätsdienst. Mit diesem Schritt wird im Sanitätsdienst eine Strategie zur Professionalisierung der Gesundheitsfachberufe mit dem Ziel aufgegriffen, über den Erwerb von fachbezogenem akademischem Wissen die Versorgungsqualität in den Gesundheitseinrichtungen der Bundeswehr zu steigern. Außerdem kann nur so die professionelle Tätigkeit in der Pflege auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis reflektiert und evaluiert werden. Darüber hinaus wird hiermit kompetenten, geeigneten Bewerberinnen und Bewerber ein Werdegang im Sanitätsdienst ermöglicht, die so der Bundeswehr erhalten bleiben.
    In der mit dem Sanitätsdienst in seiner Gesamtheit und den Bundeswehrkrankenhäusern im Speziellen um Patienten und Fachpersonal konkurrierenden zivilen Gesundheitswirtschaft werden Leitungspositionen des medizinisch-pflegerischen Bereichs seit fast 20 Jahren zunehmend erfolgreich mit akademisch qualifiziertem Personal besetzt, um so den fachlichen und ökonomischen Veränderungsprozessen gerecht zu werden. Im zivilen Gesundheitswesen wird von Leitungskräften im gehobenen und höheren Pflegemanagement (z. B. Bereichsleitung, Zentrum-/ Departmentleitung, Pflegedirektion) ein Hochschulabschluss gefordert. Zunehmend gilt dies auch für Pflegeexperten, die u.a. den Transfer der wissenschaftlich begründeten Pflege in die praxisnahe Verwendung (Evidence-based Nursing) sicherstellen und deren Erkenntnisse sowie Fähigkeiten auch im Qualitätsmanagement erforderlich sind. Für den Bereich innerbetriebliche Fort- und Weiterbildung sowie in der grundständigen Ausbildung ist heute ein Hochschulabschluss in der Pflege- bzw. Medizinpädagogik als zeitgemäß anzusehen.

    Fazit
    Primäres Ziel muss es sein, den Gesundheitsfachberufen innerhalb des Sanitätsdienstes der Bundeswehr – hier Pflege und Funktionsdienste- den Stellenwert einzuräumen, der ihnen in der Auftragserfüllung zusteht, damit sie auch weiterhin den Anforderungen an die geforderte Versorgungsqualität eines modernen Sanitätsdienstes genügen, ein zeitgemäßes Führen und Managen in diesen Bereichen sicherstellen und die Bundeswehr als interessanter, verlässlicher Arbeitgeber sowohl für Soldatinnen und Soldaten als auch für zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern repräsentieren. Für die Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben ist eine grundständige Ausbildung, fachliche Weiterbildung, weitere Qualifizierungen bis hin zum Hochschulabschluss sowie die entsprechende Verortung in der Aufbauorganisation der Sanitätseinrichtungen zwingend erforderlich. Erste Schritte sind hier – wie dargestellt – getan, weitere müssen folgen.

    Datum: 08.05.2015

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/1

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