13.05.2019 •

    Die Digitalisierung der Bundeswehr – Chancen und Risiken

    Der Inspekteur Cyber- und Informationsraum, Generalleutnant Ludwig Leinhos, skizziert die zentrale Rolle des neuen Organisationsbereichs CIR in der weiteren Gestaltung der Digitalisierung der Bundeswehr

    Die Digitalisierung gilt als das dominierende kultur- und gesellschaftsbestimmende Merkmal der Gegenwart, sie ist ohne ­Zweifel der Megatrend für das 21. Jahrhundert. Auch bei der Bundeswehr macht sie sich einschlägig bemerkbar. Moderne Waffensysteme wie der Schützenpanzer Puma oder die Fregatte 125 nutzen digitale Sensorik, Netzwerke und Entscheidungen unterstützende Computersysteme. Logistikketten sind durch intelligente Steuerungslogik effizienter, das militärische Nachrichtenwesen ohne leistungsfähige Signalverarbeitung undenkbar und auch der Soldat auf dem Gefechtsfeld wird zunehmend zum digitalisierten Sensor und Effektor. In der Gesundheitsversorgung ist die virtuelle Notaufnahme auf seegehenden Einheiten der Marine bereits Realität, Gesundheitsdokumente und Krankenhausinformationssysteme werden zunehmend digital.

    Photo
    Ziel der Digitalisierung Landbasierter Operationen ist ein durchgängiger Informationsverbund des verlegefähigen und flexibel im Raum beweglichen Anteils des IT-Systems. (Abb.: Bundeswehr/ Kommando CIR)
    Die Digitalisierung eröffnet der Bundeswehr also eine Menge Chancen. Gleichzeitig birgt sie Risiken, die von einem ärgerlichen Absturz eines Büro-PC bis hin zu einem Totalausfall eines Führungssystems oder ganzer Waffensystemflotten führen können. Die digitalen Wirkmöglichkeiten führen sogar zu einem neuartigen Konfliktbild, das ganz wesentlich durch Hybridität geprägt ist. Angriffe im Cyberraum und Fake-News-Kampagnen, die unterhalb einer rechtlich relevanten Erheblichkeitsschwelle bleiben, sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie der massive Einsatz von Cyberoperationen in einem Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung.

    Der Digitalisierung kann sich niemand entziehen. Diesen Weg nicht mitzugehen, ist keine Option. Im Gegenteil: Wenn Streitkräfte auch zukünftig relevant sein wollen, dann müssen sie die Digitalisierung mit Nachdruck vorantreiben und dabei den inhärenten Risiken aktiv begegnen. Dabei spielt der Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) die zentrale Rolle.

    Die Gesamtverantwortung für den Betrieb, den Einsatz, den Schutz und die Weiterentwicklung des IT-Systems der Bundeswehr liegt bei mir als Inspekteur CIR. Das Spektrum reicht dabei von den Bürokommunikationsmitteln, mit deren Bereitstellung die bundeseigene Gesellschaft BWI beauftragt ist, bis zu den Schnittstellen in den Waffensystemen der Bundeswehr – von der Systemuntersützungsanlage des Eurofighters über die schwimmende Operationszentrale der Marine bis zum Tablet des Infanteristen auf dem Gefechtsfeld. Mein Ziel ist, die geforderten IT-Services den Streitkräften effizient und sicher bereitzustellen. Dabei liegt ein großes Augenmerk auf der Auslegung des Gesamtsystems, mit der wir bruchfreie Übergänge und Interoperabilität sowohl intern als auch zu externen Partnern wie verbündeten Streitkräften oder anderen Behörden gewährleisten wollen.

    Wie setzen wir diesen Auftrag und Anspruch um?

    Photo
    Im Gemeinsamen Lagezentrum im Kommando CIR gewinnen Analysten Erkenntnisse, die sie der gesamten Bundeswehr und anderen Behörden zur Verfügung stellen. (Abb.: Bundeswehr/ Martina Pump)
    Bei IT-Projekten ist das Kommando CIR zentraler Bedarfsträger für die Streitkräfte. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Programm Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO). Es führt die Projekte MoTaKo (Mobile Taktische Kommunikation) und MoTIV (Mobile Taktische Informationsverarbeitung) zusammen. Ziel ist nicht nur der Ersatz der alten SEM- und TETRAPOL-Funkgeräte durch IP-basierte Services, sondern die digitale Vernetzung aller Soldaten und Fahrzeuge auf dem Gefechtsfeld in einem mobilen, durchgängigen, national und multinational interoperablen Verbund. Dies wollen wir auch bei Operationen der Landes- und Bündnisverteidigung, die unter anderem durch häufige Wechsel von Gefechtsständen und bewegliches Agieren im Raum gekennzeichnet sind, gewährleisten. Eine solche Modernisierung der IT-Ausstattung zehntausender Fahrzeuge und Personen ist ein Mammutprojekt, das sich über viele Jahre ­erstrecken wird. Das Programm D-LBO ist der Schlüssel zur Modernisierung der mobilen Informationsversorgung im Einsatz.

    Auch das Programm „Harmonisierung der Führungsinformationssysteme“ (HaFIS) koordiniert mein Kommando als zentraler Bedarfsträger für die Bundeswehr. HaFIS vereinheitlicht die bestehenden Führungsinformationssysteme der Streitkräfte und richtet diese serviceorientiert aus. Durch die laufende Realisierung und das zeitlich und inhaltlich nachfolgende Programm German Mission Network wird die Bundeswehr einen Großteil der einsatzbezogenen IT in einer „Private Cloud Bundeswehr“ bzw. einer „Einsatz Cloud“ für Einsatzaufgaben und Übungen bereitstellen.

    Ein weiteres Projektbeispiel ist das Gemeinsame Lagezentrum im Kommando CIR. Dort werden bereits existierende Teillagen mit Relevanz für die Dimension Cyber- und Informationsraum fusioniert. Die Lage im CIR lässt sich jedoch nicht mit „Folie und Fettstift“ darstellen. Die menschliche Wahrnehmung der Umstände rund um die Operation lässt sich ebenso wenig kartographieren, wie der Zustand einer Software oder die Nutzung von Frequenzen an einem bestimmten Ort. Daher ist die systematische Aufbereitung und Darstellung solch einer Lage selbst eine neue Cyberfähigkeit. Die Analysten verarbeiten dabei sowohl strukturierte wie auch unstrukturierte Daten – künftig unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Big Data-Methoden. Von den „maßgeschneiderten“ Produkten können Nutzer in der Bundeswehr und auch andere Behörden profitieren.

    Über diese reinen IT-Projekte hinaus spielt Informationstechnik in nahezu allen größeren Rüstungsprojekten eine zunehmend große Rolle. An dieser Stelle seien als prominente Beispiele nur moderne Kriegsschiffe wie das MKS 180 oder die gemeinsam mit Frankreich gestarteten Planungen für die nächste Generation von Kampfflugzeugen und Kampfpanzern genannt. Auch bei diesen Projekten tragen die Angehörigen meines Organisationsbereiches Sorge dafür, dass die Sicherheit und Interoperabilität der Systeme bzw. Services gewährleistet ist.

    IT-Systeme, in denen schutzbedürftige personenbezogene Informationen und / oder VS-Informationen verarbeitet werden, unterliegen besonders hohen Anforderungen an die Informationssicherheit. Diese werden daher bereits vor der Inbetriebnahme durch eine zentrale Stelle – der Deutschen militärischen Security Accreditation Authority, DEUmilSAA – gründlich überprüft.

    Der IT-Sicherheit dient auch die permanente Überwachung der IT-Netze im laufenden Betrieb durch das Zentrum für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr. Dort wird die Informationssicherheitslage geführt, werden Angriffe erkannt und wenn nötig eingedämmt.

    Und schließlich kommt es bei der IT-Sicherheit im Alltag ganz entscheidend auf die einzelnen Nutzer an. Daher legen wir großen Wert darauf, die Awareness aller Bundeswehrangehörigen zu schulen und auf hohem Niveau zu halten.

    Als Inspekteur CIR betrachte ich es als meine zentrale Aufgabe, die Chancen der Digitalisierung für die Bundeswehr zu nutzen. Gleichzeitig müssen wir uns effektiv den damit untrennbar verbundenen Herausforderungen stellen. Der Organisationsbereich CIR wird alles daransetzen, den Streitkräften die benötigten IT-Services effizient und sicher bereitzustellen. Es war ein richtiger und notwendiger Schritt, die entsprechenden Bereiche und Kompetenzen innerhalb der Bundeswehr in einem eigenen Organisationsbereich zu bündeln. Damit erhält dieses für die Bundeswehr entscheidende Thema einen seiner Bedeutung angemessenen Stellenwert.

    Wir als Organisationsbereich CIR haben den Anspruch, die Zukunft positiv zu gestalten.

    Datum: 13.05.2019

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2019

    Meist gelesene Artikel