DAS PORTRAIT
Oberstarzt Dr. Marcellus Fischer
Auf einer dienstlichen Veranstaltung geselliger Art in die Nähe des Schriftleiters der Wehrmedizin und Wehrpharmazie zu kommen - wie in diesem Fall während einer Barkassenfahrt im Anschluss an das traditionelle Kieler-Woche Symposium Tropenmedizin - endet nicht selten mit dem Auftrag, einen Beitrag für die Wehrmedizin und Wehrpharmazie zu verfassen.
In diesem Fall habe ich Herrn Oberstarzt Dr. Marcellus Fischer gebeten, für den tropenmedizinischen Schwerpunkt in der Ausgabe 04/12 einen Beitrag zum Thema „Rickettsiosen“ zu verfassen.Darüber hinaus habe ich ihn gebeten, seinen Werdegang als Sanitätsoffizier schildern zu dürfen. Oberstarzt Dr. Fischer stand diesem Vorhaben anfänglich eher skeptisch gegenüber, willigte aber dann doch unter der Prämisse ein, dass eine solche Darstellung der eigenen Person für jüngere Sanitätsoffiziere nur dann Sinn mache, wenn man aufzeige, dass in seiner Laufbahn als Sanitätsoffizier nichts so eingetreten sei, wie es ursprünglich von ihm und auch in den ersten Personalgesprächen geplant gewesen sei. Letztlich hätten für ihn günstige und nicht absehbare Zufälle die entscheidenden beruflichen Weichen gestellt. Und das ist genau meine Intention bei der Verfassung der Porträts, die unterschiedlichen Facetten und Laufbahnwege eines Sanitätsoffiziers darzustellen.
Als Klinischer Direktor im Einsatz Eufor RD Congo 2006.
Oberstarzt Dr. Fischer wurde in Frankfurt am Main 1964 geboren, seine Schulzeit verbrachte er bis zum Abitur in Wetzlar an der Lahn. Er trat am 04.07.1983 als Sanitätsoffizieranwärter in die Bundeswehr ein und begann sein Studium der Humanmedizin in Regensburg, wo zu diesem Zeitpunkt nur die vorklinischen Semester absolviert werden konnten. Nach dem Physikum war der Verbleib für die „Regensburger“ damals in Bayern sicher, nur aus dem Wunschstandort München wurde nichts, dafür ging es an die Julius Maximilan Universität nach Würzburg. Hier begeisterten ihn im 1. klinischen Semester die Vorlesungen von Prof. Dr. Heinz Seeliger, der aus seiner profunden Kenntnis Afrikas nicht nur die Mikrobiologie sondern auch die Tropenmedizin fesselnd seinen Studenten darstellen konnte. Letztlich waren seine Vorlesungen und die gute Betreuung im mikrobiologischen Praktikum ausschlaggebend dafür, dass sich Fischer im Institut für Mikrobiologie und Hygiene um ein Promotionsthema bemühte. So konnte er eine experimentelle bakteriologische Arbeit über Nocardien bereits ab Ende des 2. klinischen Semesters beginnen. Etwa zeitgleich besuchte Fischer eine regionale Veranstaltung der Vereinigung Deutscher Sanitätsoffiziere (VdSO) in Würzburg, wo die jungen SanOA den damaligen Chefarzt und Pathologen des US Evacuation Hospitals in Würzburg, Col. James Henry, trafen. Nach einem informellen Gespräch bot Colonel Henry für die SanOA am Standort einen Kurs in „Medical English“ über mehrere Semester an. Die Idee der Auslandsfamulatur war somit geboren und sein damaliger Betreuungsoffizier Oberstarzt Dr. Stelzle, Divisionsarzt der 12. Panzerdivison, setzte sich über alle formalen Bedenken hinweg und unterstützte seine SanOA intern bei der Organisation. So konnte auch Oberstarzt Dr. Fischer 1987 und 1988 sechs Monate ohne offizielle Kommandierung auf eigene Kosten an britischen Militärkrankenhäusern in London, Hongkong und zuletzt 400 km östlich von Kathmandu im British Military Hospital der Brigade of Gurkhas famulieren. Als angehender deutscher Sanitätsoffizier wurde er von seinen britischen Mentoren im Queen Elizabeth Military Hospital, London in der HNO- und urologischen Abteilung in „lunch-time teachings“ geschult. Sie ebneten ihm auch den Weg an das British Military Hospital Hong-Kong, wo er seine Famulatur in der gynäkologischen Abteilung überwiegend im Kreissaal verbrachte. Besonders prägend für ihn war sein Aufenthalt mit dem Royal Army Medical Corps in Nepal und der erste Kontakt zu Tropenkrankheiten wie Filariasis und Lepra im Krankenhaus und während einer Trekkingtour mit den Gurkhas zur Versorgung von medizinischen Außenposten im Himalaja. Nach diesen Erlebnissen absolvierte Fischer sein Praktisches Jahr am tropenmedizinisch ausgerichteten Missionsärztlichen Institut in Würzburg unter Prof. Strik und Prof. Fleischer und wählte Pathologie als Wahlfach.
Besuch beim ägyptischen Sanitätsdienst 2009
Mit Erhalt der Teilapprobation begann Fischer im Frühjahr 1990 seine Zeit als Arzt im Praktikum am Bundeswehrkrankenhaus Gießen. Die damalige Chefärztin des BwKrhs Gießen und spätere Frau Generalarzt Dr. v. Weymarn verfolgte das Ziel, junge Sanitätsoffiziere gezielt suffizient für die truppenärztliche Tätigkeit vorzubereiten. Eine frühe Spezialisierung oder gar der Verbleib in einem Fachgebiet wurden nicht zugelassen. Somit durchlief dort jeder Sanitätsoffizier im ersten klinischen Ausbildungsabschnitt neben Chirurgie und Innere Medizin zwei weitere klinische Fächer, Fischer wurde der Anästhesie und abschließend der HNO zugeteilt. Am Ende durfte er für die Abteilung Anästhesie und auch dort noch später gelegentlich während seiner truppenärztlichen Tätigkeit als Verantwortlicher Notarztwagen fahren und interessierte sich für eine Facharztausbildung zum HNO-Arzt. Diesem Wunsch konnte die Personalabteilung wenige Monate später bereits nicht mehr entsprechen, die bestens in der Region verankerte Abteilung HNO des BwKrhs Gießen mit 50 Betten und einem stets hohen Anteil von Zivilpatienten sollte im Rahmen der Auflösung mit als erste Abteilung geschlossen werden. Sanitätsoffiziere als Facharzt HNO wurden nicht mehr benötigt, die Auflösung des gesamten BwKrhs Gießen erfolgte wenige Jahre später. Seine Zeit als Truppenarzt absolvierte er von 1992-1994 in der 5. Panzerdivision und zuletzt als S3 Stabsoffizier des Divisionsarztes in Diez. Zufällig bot sich mit der Auflösung der Division eine weitere Alternative: Am BwKrhs Leipzig wurden in der dermatologischen Abteilung gezielt Weiterbildungsassistenten gesucht, Bedingung für die Einplanung war hier eine Weiterverpflichtung als Soldat auf Zeit für 20 Jahre. Fischer nutzte diese Chance und konnte nach zweijähriger Weiterbildung bei Oberstarzt Dr. Glitsch seine Ausbildung in der dermatologischen Abteilung am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg unter Flottenarzt Dr. Reinel fortsetzen.
Humanitäre Hilfe Banda Aceh 2005 Impfteam
Nach wenigen Monaten meldete sich wieder das Personalamt. Der Verein „Bundeswehr hilft Kindern in der dritten Welt“ unterhielt zu dieser Zeit im Sénegál 120 km südlich von Dakar in Joal-Fadiouth ein Kinderkrankenhaus, an das seit 1994 regelmäßig deutsche Sanitätsoffiziere zur tropenmedizinischen Ausbildung kommandiert wurden. Fischer wurde gefragt, ob er bereit sei, seine Facharztausbildung zu unterbrechen, um diese Aufgabe innerhalb der nächsten Wochen zu übernehmen, er verfüge ja noch über Grundkenntnisse in der Tropenmedizin aus Würzburger PJ-Zeiten. Ermutigt durch den Bericht seines Kameraden Oberfeldarzt Schmidt, der seinen Dienst im Sénegal genau in dieser Funktion wenige Wochen zuvor beendet hatte und gerade in das Hamburger Team versetzt worden war, sagte Fischer zu. Die kommenden Monate in der „Pédiatrie social“ in einem afrikanischen Team habe ihn wie auch alle dort jemals tätigen Sanitätsoffiziere besonders geprägt. Kinder mit fortgeschrittenen cerebralen Malariaverlaufsformen, aber auch mit Meningitiden und Kwashiokor wurden in die einzige pädiatrische Einrichtung außerhalb Dakars täglich eingeliefert, viele wurden jedoch zu spät gebracht. Während seiner Verantwortlichkeit seien 59 Kinder gestorben, er habe in seinem Taschenkalender eine Strichliste geführt und werde diese Zahl nie wieder vergessen.
Zurück in Deutschland konnte Fischer seine dermatologische Ausbildung im Rahmen einer Kommandierung an die Universitätshautklinik Kiel 1998 abschließen. Im Nachhinein betrachtet sei diese Klinik unter Leitung von Prof. Enno Christophers im positivsten Sinn die am meisten militärisch geführte Einrichtung gewesen, in der er je Dienst geleistet hätte. Auch das Personalamt hielt Wort und gab die nächsten Ausbildungsabschnitte zum Erwerb der Zusatzbezeichnung Tropenmedizin vor. Nach dem 3monatigen Diplomkurs Tropenmedizin und einem Jahr klinischer Weiterbildung am Bernhard-Nocht-Institut unter Prof. Manfred Dietrich wurde Fischer 2001 nach Manaus an die Fundação de Medicina tropical, die größte brasilianische Tropenklinik im Amazonasgebiet, für 15 Monate kommandiert. Seinen Ausbilder, Herrn Prof. Sinésio Talhari, einen international bekannten Tropendermatologen und langjährigen Präsidenten der brasilianischen dermatologischen Gesellschaft, hatte Fischer bereits bei dessen Lehrveranstaltungen am Schifffahrtsmedizinischen Institut der Marine kennengelernt. Prof. Talhari betrieb bis zu seiner Emeritierung 2010 Tropendermatologie auf Universitätsniveau, wöchentliche dermatohistopathologische Fallkonferenzen bestätigten oder widerlegten klinische Verdachtsdiagnosen. Diese Form der Ausbildung in den Tropen sei einzigartig gewesen. Lehrer und Schüler wurden gute Freunde und treffen sich seitdem am Bernhard-Nocht-Institut und auch in Manaus auf eigenen Symposien fast jährlich.
Team Kinderkrankenhaus Joal Senegal 1997
Nach Rückkehr in die Abteilung Dermatologie und Venerologie des BwKrhs Hamburg wurde durch seinen Abteilungsleiter eine klinische Kooperation mit dem Bernhard-Nocht-Institut begonnen, die dann später für alle Seiten gewinnbringend und weit über die Tropendermatologie hinausgehend in einem Kooperationsvertrag des Sanitätsdienstes mit der Freien und Hansestadt Hamburg mündete. Fischer war ab 01.01.2006 mit Beförderung zum Oberfeldarzt stellvertretender und ab 2007 Leiter des neu aufgestellten Fachbereichs Tropenmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg am Bernhard-Nocht-Institut. Unter seiner Leitung erwarben mehr als 350 Sanitätsoffiziere einsatzbezogen Kenntnisse in der Tropenmedizin und Infektiologie. 2011 übernahm er die Leitung der Abteilung Dermatologie und Venerologie des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg. Anlässlich seiner Beförderung zum Oberstarzt sprach der Inspekteur des Sanitätsdienstes davon, dass er nun den Lebenslauf eines „bunten Hundes“ skizziere.
Oberstarzt Dr. Fischer nahm an den Einsätzen ISAF (3x), KFOR, HuHi Aceh und EUFOR RD Congo als MedDir teil. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Datum: 10.01.2013
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/4