ARBEITSTAGUNG MEDIZINISCHER C-SCHUTZ

Niessen, K.

WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 9/2014; S. 316- 321)

Zusammenfassung:

München, 8. und 9. April 2014 Unter der wissenschaftlichen Leitung von Oberstarzt Prof. Dr. Thiermann fand an der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) die im zweijährlichen Rhythmus durch das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr (Inst- PharmToxBw) ausgerichtete Arbeitstagung des medizinischen C-Schutzes am 8. und 9. April 2014 statt.

Rund 50 Teilnehmer, größtenteils nationale Kooperationspartner und die in den verschiedenen Forschungsprojekten involvierten Wissenschaftler, fanden sich in den Tagungsräumen der SanAkBw ein. In Vertretung der Kommandeurin der Akademie, Generalstabsarzt Dr. Franke, begrüßte der Direktor Wissenschaft und Forschung, Generalarzt Dr. Weller, die Teilnehmer, wobei er die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Forschung in der Bundeswehr insbesondere auf dem Gebiet des medizinischen ABC-Schutzes hervorhob (Abb. 1).

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Nach der Eröffnung der Tagung durch Oberstarzt Prof. Dr. Thiermann wurde in vier Sitzungen mit insgesamt elf Vorträgen die aktuelle Forschung bezüglich Pathophysiologie und Therapie von Vergiftungen mit Nervenkampfstoffen, Hautkampfstoffen und Lungenkampfstoffen präsentiert und anschließend rege diskutiert.
Die Zusammenarbeit des InstPharmToxBw mit zahlreichen Arbeitskreisen der Universitäten in Kaiserslautern, Köln, Konstanz, München, Mainz und Tübingen zeigte die enge nationale Vernetzung, die neben der Einbettung in internationale Kooperationen dem Wissenschaftsrat als ein ganz wesentlicher Qualitätsmaßstab dient.
Die einzelnen Beiträge demonstrierten, dass die Zusammenwirkung mit den universitären Partnern innovative Ergebnisse für die Aufrechterhaltung von Leben und Gesundheit der Soldaten und auch der Zivilbevölkerung hervorbringt.
Neben den umfangreichen wissenschaftlichen Präsentationen kam der fachliche Austausch zwischen den Teilnehmern nicht zu kurz. Beim geselligen Abend in der Schlosswirtschaft „Schwaige Nymphenburg“ wurden so manche vorher nicht bekannte gemeinsame Schnittmengen festgestellt, die zu einer noch stärkeren Vernetzung der Wissenschaftler anregten. Damit war das Ziel der Tagung im höchsten Maße erreicht.
Die nächste und dann fünfzehnte Internationale Medizinische C-Schutz Tagung wird am 22. und 23. April 2015 stattfinden. Im Folgenden werden die Kurzfassungen (Abstracts) der bei der Arbeitstagung gehaltenen wissenschaftlichen Vorträge wiedergegeben; der vortragende Autor ist jeweils unterstrichen.
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Kurzfassungen (Abstracts)

Stabilität und Zeitverlauf epigenetischer Veränderungen durch S-/N-alkylierende Substanzen
Birgit Bölck1, Thilo Simons2, Dirk Steinritz2, Annette Schmidt2, Wilhelm Bloch1
1 Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Abteilung für Molekulare und Zelluläre Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule, Am Sportpark Müngersdorf 6, 50933 Köln
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Schwefellost (S-Lost) und Stickstoffloste (N-Lost) sind alkylierende Substanzen, die Entzündungen der Haut mit Blasenbildung bis hin zur Ulzeration verursachen können. Die Wundheilung benötigt mehrere Wochen. Endothelialen Stamm- und Vorläuferzellen (hEPC = human endothelial progenitor cells) kommt bei diesen Vorgängen eine zentrale Rolle zu.
S- und N-Lost führen zu Wachstums- und Differenzierungsstörungen von Endothelzellen und Endothelvorläuferzellen und damit zu einer Beeinträchtigung der Gefäßentwicklung. Es bleibt ungeklärt, warum die Gewebeschäden, die mit gestörter Gefäßentwicklung einhergehen können, auch noch nach Jahren bestehen. Neben strukturellen DNA-Veränderungen könnten epigenetische Modifikationen Grund für über Jahrzehnte nach S-Lost Intoxikation beobachtbaren Gewebeschäden sein.
Für S- und N-Lost ist wenig über ihre epigenetischen Langzeitwirkungen bekannt. Deshalb wurde der Einfluss von S-Lost und des N-alkylierenden Chlorambucils hinsichtlich epigenetischer Modulationen an verschiedenen endothelialen Zelltypen (MACS, adulte hEPC, ISO-HAS und HUVEC) untersucht. Nach einer 24h-Behandlung mit S-Lost oder Chlorambucil wurden die Zellen in Zeitreihen (24, 48, 72, 96 Stunden nach Behandlung) oder über mehrere Zellpassagen kultiviert und auf Veränderungen epigenetischer Marker (globaler Methylierungsstatus, 5´-Methylcytosin (5´-mC) und 5´-Hydroxy-Methylcytosin (5´-hmC), und Histonmodifikationen) konzentrations-/ und zeitabhängig untersucht. Unter Chlorambucil und S-Lost konnten zeit-, passagen- und konzentrationsabhängig komplexe Veränderungen des globalen Methylierungs- und Hydroxymethylierungsstatus detektiert werden, die längerfristige epigenetische Modulation der endothelialen Zellen durch alkylierende Substanzen nahelegen. Endotheliale Vorläuferzellen und differenzierte Endothelzellen werden unterschiedlich epigenetisch reguliert, was mit früheren eigenen Untersuchungen zur Endothelzellschädigung und Gefäßwachstum korreliert. Differenzielle und längerfristige Histonmodifikationen (wie z. B. Acetylierungs- bzw. Methylierungsreaktionen) konnten ebenfalls nachgewiesen werden.
Insgesamt zeigte sich, dass (1) sowohl S-Lost als auch Chlorambucil zu längerfristigen epigenetischen Regulationen mit deutlichen konzentrationsabhängigen Unterschieden zwischen beiden Sunstanzen führen, dass (2) epigenetische Veränderungen vom Zelltyp bzw. dem Differenzierungszustand abhängig sind und dass (3) weitere Faktoren (z. B. das Lösungsmittel Ethanol) epigenetische Regulationen beeinflussen können.

Molekular-toxikologische Untersuchungen zur Schwefelund Stickstoff-Lost-induzierten zellulären Poly(ADPRibosyl) ierungsreaktion 
Aswin Mangerich1, Malgorzata Debiak1, Matthias Birtel1, Viviane Ponath1, Rita Martello1, Kirsten Lex1, Dirk Steinritz2, Annette Schmidt2, Alexander Bürkle1
1 Molekulare Toxikologie, Department Biologie, Universität Konstanz, Universitätsstraße 10, 78457 Konstanz
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Schwefellost (S-Lost) ist ein hochreaktives Agens, das zu den alkylierenden Hautkampfstoffen zählt. Die Exposition ist selten tödlich, verursacht aber schwere Haut-, Augen- und Atemwegschäden, deren Heilung sich über Monate hinziehen kann. Die Therapie von Patienten mit manifesten Schäden ist pflegeintensiv und im Wesentlichen symptomatisch, da bisher trotz intensiver Forschung kein spezifisches Antidot entwickelt wurde. Es wurde gezeigt, dass der Einsatz von pharmakologischen Inhibitoren der zellulären Poly(ADP-Ribosyl)ierungsreaktion eine schützende Wirkung gegen die Entwicklung von Hautschäden haben kann (Debiak, Kehe et al. 2009). Unter Verwendung von NAD+ als Substrat werden Poly(ADP-Ribosyl)ierungsreaktionen durch die Enzymfamilie der Poly(ADP-Ribose) Polymerasen (PARPs) vermittelt (Mangerich and Bürkle 2011). Infolge von DNA-Schäden trägt das Enzym PARP1 den größten Anteil an der zellulären Poly(ADP-Ribosyl)ierungskapazität. Zu den wichtigsten Funktionen der PARP1 gehören die Regulation der DNA-Reparatur, Transkription und des Zelltods (Mangerich and Bürkle 2012). Das Ziel des vorliegenden Vorhabens war eine systematische Untersuchung, welche Prozesse nach der Exposition mit S-Lost und dessen Derivaten PARP1-abhängig reguliert werden und inwieweit Inhibitoren der Poly(ADP-Ribosyl) ierung (PARP Hemmer) in der S-Lost-Therapie Anwendung finden könnten. Alle Experimente wurden an der humanen Keratinozytenlinie HaCaT durchgeführt. Die wesentlichen Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:

  • S-Lost, sowie dessen Derivate CEES und HN2 induzieren eine konzentrations- und zeitabhängige zelluläre Poly(ADP-Ribosyl) ierungsreaktion (quantitativer Nachweis mittels Immunfluoreszenzmikroskopie und LC-MS).
  • PARP-Hemmer zeigen einen moderaten Einfluss auf den zellulären NAD+-Metabolismus nach CEES Behandlung aber keinen Einfluss auf die CEES-abhängige Induktion von Apoptose bzw. Nekrose.
  • PARP-Hemmer zeigen keinen Einfluss auf die Entfernung von DNA-Addukten nach CEES-Behandlung, was eine Rolle der Poly(ADP-Ribosyl)ierungsreaktion in späteren Phasen der DNA Reparatur nahe legt.
  • PARP Hemmer sensibilisieren HaCaT Zellen auf S-Lost, CEES und HN2 Behandlung hinsichtlich mehrere Parameter, wie Proliferation, klonale Überlebensrate, und genomischer Stabilität.

Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse eine wichtige funktionelle Rolle der Poly(ADP-Ribosyl)ierung in der Lost-induzierten zellulären Stressantwort. Aufgrund dieser Ergebnisse raten wir zum derzeitigen Zeitpunkt nachdrücklich von einer Verwendung von PARP Inhibitoren zur Behandlung S-Lost-induzierte Hautpathologien ab, da langfristig die Gefahr besteht, dass hierdurch das Tumorrisiko erhöht wird.

Niedermolekulare Scavenger für neurotoxische Organophosphate
Stefan Kubik1, Anne Bierwisch2, Tilo Kliemt2, Marianne Koller2, Arnold Leidner1, Christian Schneider1, Georg Reiter2, Franz Worek2
1 Fachbereich Chemie - Organische Chemie, Technische Universität Kaiserslautern, Erwin-Schrödinger-Straße, 67663 Kaiserslautern
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Eine neuere Therapie zur Behandlung von Vergiftungen mit Organophosphaten (OP) beruht auf der Entgiftung dieser Verbindungen durch geeignete Antidote. In diesem Zusammenhang wurden in meiner Gruppe in den letzten Jahren zahlreiche Cyclodextrinderivate synthetisiert und am Institut in München ihre Fähigkeit geprüft, typische OPs zu entgiften. Der postulierte Wirkmechanismus beruht auf der Komplexierung des OPs im Hohlraum des Cyclodextrinrings. Dadurch gelangt eine nucleophile Gruppe am Ring in die Nähe der Phosphatestergruppe des OPs und induziert dadurch dessen Deaktivierung.
Im Verlaufe der Arbeiten wurde ein sehr potenter Scavenger für Cyclosarin gefunden [1], für den sogar eine in vivo Aktivität nachgewiesen werden konnte. Außerdem zeigte sich, dass diese Verbindung eine Serie von Alkylmethylphosphonofluoridaten zu entgiften vermag, wobei sich Hinweise auf eine Korrelation zwischen Scavengeraktivität und der erwarteten Affinität des OPs zu Cyclodextrin ergaben [2].
Scavenger für Tabun und für das sehr persistente VX wurden ebenfalls identifiziert, wobei die Halbwertszeit der Tabunentgiftung im Minutenbereich und die der VX-Entgiftung im Stundenbereich liegt [3]. Bei beiden OPs zeigte sich jedoch, dass der Cyclodextrinring in den hergestellten Scavengern wenn überhaupt nur einen sehr geringfügigen Einfluss auf die Entgiftungsgeschwindigkeit hat; analoge Glucosederivate sind praktisch genauso aktiv. Offensichtlich scheint die für den Wirkmechanismus postulierte und für einen schnellen Abbau wichtige initiale Komplexbildung des OPs durch das Cyclodextrin bei diesen OPs nicht möglich zu sein.
Im weiteren Verlauf des Scavengerscreenings werden darum auch andere makrocyclische Verbindungen berücksichtigt, von denen eine Wechselwirkung mit OPs zu erwarten ist. Da das Hauptaugenmerk des Entwicklungsvorhabens auf der VX Entgiftung liegt, sind dies vor allem Macrocyclen, wie Calixarene oder Cavitanden, die an Ammoniumgruppen binden. In meinem Vortrag werden die vorliegenden Ergebnisse sowie das Konzept der zukünftigen Arbeiten vorgestellt.

  1. M. Zengerle, F. Brandhuber, C. Schneider, F. Worek, G. Reiter, S. Kubik, Beilstein J. Org. Chem. 2011, 7, 1543-1554
  2. A. Bierwisch, M. Zengerle, H. Thiermann, S. Kubik, F. Worek, Toxicol. Lett. 2014, 224, 209-214
  3. F. Brandhuber, M. Zengerle, L. Porwol, A. Bierwisch, M. Koller, G. Reiter, F. Worek, S. Kubik, Chem. Commun. 2013, 49, 3425- 3427

Hypoxie- und Autophagie-assoziierte Pathomechanismen in Hautzellen nach Exposition mit S-Lost
Janina Deppe1, Tanja Popp1, Dirk Steinritz2, Annette Schmidt2, Virginia Egea1, Christian Ries1 
1 Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten, Ludwig- Maximilians-Universität München, Pettenkoferstraße 9b, 80336 München 
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München 

Für die Behandlung von Gewebeschäden, die durch chemische Hautkampfstoffe wie S-Lost verursacht werden, existiert bis dato keine suffiziente, Ursachen-orientierte Therapie. Daher ist die Aufklärung der zugrunde liegenden Pathomechanismen dringend erforderlich.
Die in Wunden auftretende, zeitlich begrenzte Sauerstoffarmut (Hypoxie) ist ein wichtiger Stimulus für die normale Heilung und Geweberegeneration. Hierbei spielt auch der Prozess der Autophagie eine zentrale Rolle, der bei Stress und Nährstoffmangel in Zellen eine Entscheidung über Apoptose und Überleben herbeiführt. Möglicherweise tragen Fehlregulationen des HIF-1a-Signaltransduktionsweges im Zusammenhang mit Hypoxie und Defizite bei der Autophagie zu der verzögerten Wundheilung bei, die nach Exposition der Haut mit S-Lost beobachtet wird. Darüber hinaus untersuchen wir potentielle S-Lost-bedingte Veränderungen in der Expression regulatorischer microRNAs (miRNAs).
Erste Resultate unserer Studien belegen, dass eine S-Lost-Exposition primärer Keratinozyten (NHEK) und primärer Fibroblasten (NHDF) deren normale Reaktion auf Hypoxie in Form einer Hochregulation von HIF-1a deutlich einschränkt. Durch Applikation der PHD-Inhibitoren Kobaltchlorid und IOX2 gelang es, HIF-1a in den Zellen zu stabilisieren. Weitere Ergebnisse zeigen, dass eine S-Lost-Exposition von NHEK und NHDF die Expression und Aktivität regulatorischer Faktoren der Autophagie und Apoptose zugunsten des Zelltodes verändert, während die lebensrettende Autophagie in den Zellen blockiert wird. Dabei scheint Hypoxie die Biosynthese Autophagie- relevanter Faktoren in unterschiedlicher Weise zu beeinflussen. Die Untersuchung von Veränderungen im miRNA- Expressionsmuster bei S-Lost-behandelten NHEK mit Hilfe einer Kombination aus Array- und Datenbankanalyse führte zur Identifizierung bestimmter miRNAs, die die beobachteten Dysregulationen in der HIF-1a-Signaltransduktion sowie in der Abstimmung zwischen Autophagie und Apoptose mit erklären könnten. Diese Pathomechanismen sollen weiter untersucht werden mit dem Ziel einer Stabilisierung von HIF-1a in Hautzellen durch Applikation synthetischer PHD-Inhibitoren. Aus den Resultaten erwarten wir Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Therapien bei S-Lost-verursachten Wundheilungsstörungen.

Cholinerge Modulation von Anästhetika: Vergleich zwischen Propofol, Thiopental und Midazolam 
Isabel Weimer1,2, Thomas Seeger2, Christian Grasshoff1, Horst Thiermann2, Bernd Antkowiak1
1 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Sektion experimentelle Anästhesiologie, Eberhard-Karls-Universität, Waldhörnlestrasse 22, 72072 Tübingen
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München 

Eine Vergiftung mit phosphororganischen Verbindungen führt im zentralen und peripheren Nervensystem zu einem pathologischen Anstieg der Acetylcholinkonzentration. Im Anklang an den derzeitigen Stand der Literatur ist demnach davon auszugehen, dass sich bei Patienten mit einer Organophosphatvergiftung die für eine Vollnarkose nötige Anästhesietiefe nur noch einstellen lässt, wenn die klinisch gebräuchlichen Anästhetika hoch dosiert verabreicht werden. Da dies aufgrund der damit verbundenen lebensbedrohlichen Nebenwirkungen jedoch keine zufriedenstellende Lösung darstellt, bleibt die Frage offen, welche Anästhetika am besten für die Behandlung solcher Patienten geeignet sind.
In dieser Studie wurden organotypische Zellkulturen aus dem Neocortex neonataler Mäuse verwendet, um die Wirkeffizienz von Propofol, Thiopental und Midazolam gegenüberzustellen. Dazu wurde die Spontanaktivität corticaler Neurone in Anwesenheit und Abwesenheit der genannten Anästhetika gemessen, nachdem bzw. während die Zellkulturen mit dem Nervenkampfstoff Soman bzw. dem reversiblen Acetylcholinesterase- Blocker Neostigmin behandelt wurden. Zusätzlich enthielt das Perfusat der Messkammer eine Acetylcholinkonzentration, die in vivo üblicherweise während einer cholinergen Krise zu beobachten ist.
Im Falle von Propofol und Midazolam war durch den gesteigerten Acetylcholinpegel im Extrazellularraum eine deutlich höhere Konzentration erforderlich, um die neuronale Aktivität auf ein Narkose-entsprechendes Niveau zu senken. Im Gegensatz dazu führte die cholinerge Übererregung nicht zu einer Steigerung der benötigten Thiopentalkonzentration, was darauf schließen lässt, dass für Patienten mit einer Organophosphatvergiftung Thiopental gut zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Vollnarkose geeignet ist.

Entwicklung neuer Methoden für das schnelle Screening von Wirkstoffen am nikotinischen Acetylcholinrezeptor
Karin V. Niessen, Thomas Seeger, Horst Thiermann, Franz Worek
Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherberg-straße 11, 80937 München

Die derzeit eingesetzte Kombination aus Atropin und einem Oxim (z. B. Obidoxim) zur Behandlung von Nervenkampfstoffvergiftungen ist in einigen Fällen (z. B. Vergiftungen mit Soman oder Tabun) unzureichend, was die Suche nach neuen Behandlungsansätzen erforderlich macht. Ein vielversprechender Ansatz ist die direkte Intervention am nikotinischen Acetylcholinrezeptor (nAChR), wofür Bispyridinium-Verbindungen erste Hinweise lieferten [1]. Um Auskunft zu erhalten, ob potentielle Wirkstoffe mit den nAChRs interagieren, wurden einerseits Affinitätsuntersuchungen (Rezeptor-Liganden-Bindungsassays) und andererseits Funktionalitätsuntersuchungen („zellfreie Elektrophysiologie“ auf Basis von solid supported membranes, SSM) etabliert. Die Untersuchungen wurden parallel am humanen a7-nAChR und am Muskeltyp-nAChR durchgeführt. Da der humane adulte Muskeltyp (ha1ß1de- nAChR) derzeit nicht in adäquater Menge stabil exprimiert werden kann, wurde auf aßd?-nAChR aus dem elektrischen Organ des Kalifornischen Zitterrochens (Torpedo californica) zurückgegriffen.
Es wurden zunächst Kultivierungsstrategien etabliert, mit deren Hilfe eine hohe Expressionsdichte an ha7-nAChR erzielt werden konnte. Präparations- und Aufreinigungsmethoden wurden für beide nAChR-Subtypen entwickelt, so dass ausreichend hohe Mengen an Plasmamembranprärationen mit hoher Rezeptordichten (~10 - 100 pmol/mg Protein) hergestellt wurden. Rezeptor- Liganden-Bindungsassays wurden als automatisierte Filtrationsmethode unter Einsatz des hochaffinen nAChR-Agonisten [³H]Epibatidin entwickelt. Die Funktionalitätsassays basierten auf den Einstrom von Natriumionen in Plasmamembranvesikel nach Aktivierung der nAChRs durch den Agonist Carbamoylcholin.

Es konnte gezeigt werden, dass Bispyridinium-Verbindungen mit längerem Linker (> C7) die [³H]Epibatidin-Bindung inhibierten, während Bispyridinium-Derivate mit bestimmter Linkerlänge (vorwiegend C3) allosterische Effekte zeigten [2, 3]. Funktionalitätsuntersuchungen belegten, dass das pharmakologisch aktive MB327 [4, 5] Eigenschaften als positiv allosterischer Modulator (PAM) aufweist.
Die hier entwickelten Methoden sind geeignet, wertvolle Aussagen über Affinität und Funktionalität am nAChR zu liefern, die für Struktur-Wirkungsbeziehungen im Rahmen der Entwicklung von neuen Wirkstoffen essentiell sind.

  1. K. Schoene, H. Oldiges, Arch. Int. Pharmacodyn. Ther. 1973, 204, 110-123.
  2. K.V. Niessen, J.E.H. Tattersall, C.M. Timperley, M. Bird, C. Green, T. Seeger, H. Thiermann, F. Worek, Toxicol. Lett. 2011, 206, 100-10.
  3. K.V. Niessen J.E.H. Tattersall, C.M. Timperley, M. Bird, C. Green, T. Seeger, H. Thiermann, F. Worek, Chem. Biol. Interact. 2013, 206, 545-554.
  4. T. Seeger, M. Eichhorn, M. Lindner, K.V. Niessen, J.E.H. Tattersall, C.M. Timperley, M. Bird, C. Green, T. Seeger, H. Thiermann, F. Worek, Toxicology 2012, 294, 80-84.
  5. C.M. Timperley, M. Bird, C. Green, M.E. Price, J.E. Chad, S.R. Turner, J.E.H. Tattersall, Med. Chem. Comm. 2012, 3, 352-356.

TRP-Channels als Targetmoleküle bei pulmonalen Intoxikationen
Thomas Gudermann1, Bernd Stenger2, Franziska Zehfuss1, *Harald Mückter2, Thomas Büch3, Andreas Breit1, Annette Schmidt4, Horst Thiermann4, Dirk Steinritz4
1 Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Ludwig-Maximilians- Universität, Goethe-Straße 33, 80336 München
2 Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Ludwig-Maximilians- Universität, Nussbaumstraße 26, 80336 München
3 Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Abteilung für Klinische Pharmakologie, Härtelstraße 16-18, 04107 Leipzig
4 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Eine Exposition gegenüber chemischen Kampfstoffen (z. B. S-Lost) oder in Nebelgranaten enthaltenen Metallstäuben (z. B. Zinkchlorid (ZnCl2)) kann bei exponierten Soldaten zu schwerwiegenden Gesundheitsstörungen bis hin zum Tod führen. Der genaue Schädigungsmechanismus dieser akut lungentoxischen Substanzen ist bisher nur unzureichend bekannt. Daher stehen spezifische Therapieoptionen, die ein Überleben der exponierten Soldaten ermöglichen sollen, nicht zur Verfügung.
Transient Receptor Potential (TRP) Kanäle werden als wichtige molekulare Zielstrukturen für inhalative Reizstoffe und toxische Substanzen diskutiert. Es ist bisher jedoch nicht untersucht, ob TRP-Kanäle (insbesondere TRPA1 und TRPM7) kausal in den Schädigungsmechanismus von S-Lost und ZnCl2 involviert sind. Um diese Fragestellung zu beantworten, wurde in diesem Projekt zunächst die Akuttoxizität von S-Lost und ZnCl2 in einem Modellzellsystem (TRPA1 und TRPM7 transfizierte HEK-Zellen gegenüber wt-HEK-Zellen) untersucht. In Bezug auf die ZnCl2-Toxizität konnte kein Unterschied zwischen den A1 und M7 transfizierten Zellen gegenüber und wt-Zellen beobachtet werden. Dennoch war eine Aktivierung des TRPA1-Kanals durch ZnCl2 zu verzeichnen.
CEES (Halblost, Modellsubstanz für S-Lost) führte in unseren Versuchen zu einer höheren Toxizität bei TRPA1+/+-Zellen im Vergleich zu wt-Zellen. Unmittelbar nach einer Exposition mit CEES konnte konzentrationsabhängig ein TRPA1-abhängiger Calcium-Einstrom in die Zellen mittels Äquorin-Messungen nachgewiesen werden. Durch den Einsatz eines TRP-Kanalblockers (AP18) konnte dieser Calcium-Einstrom unterbunden werden. Die Vitalität der CEES-exponierten TRPA1+/+ Zellen konnte durch den Einsatz von AP18 moduliert werden.
Die bisherigen Ergebnisse geben Hinweise, dass eine TRPA1-Aktivierung durch alkylierende Verbindungen in den Schädigungsmechanismen involviert sein könnte. Welche biologischen Konsequenzen eine CEES-induzierte TRPA1-Aktivierung zur Folge hat und ob diese Effekte auch in humanen Lungenepithelien zu beobachten sind, ist aktueller Forschungsgegenstand.

Einsatz des CULTEX® Radial Flow Systems als in vitro Expositionsmethode zur Untersuchung der pulmonalen Toxizität von Feinstäuben und Nanopartikeln mit dem Fokus auf Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit
Niklas Möhle1, Dirk Steinritz2,3, Annette Schmidt2, Sebastian Hoffmann4, Horst Thiermann2, Michaela Aufderheide1

1 Cultex® Laboratories GmbH, Feodor-Lynen-Straße 21, 30625 Hannover
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München
3 Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Ludwig-Maximilians- Universität München, Goethestraße 33, 80336 München
4 seh consulting + services, Rathausplatz 9, 33098 Paderborn

Die stetig wachsende Belastung des Respirationstrakts mit luftgetragenen Partikeln (inklusive Metallstäuben und Nanopartikeln) rückt zunehmend als Gesundheitsrisiko in den Fokus. Genauere Erkenntnisse über die zu Grunde liegenden toxischen Eigenschaften und die damit verbundenen Krankheitsmechanismen dieser Substanzen sind dennoch begrenzt oder nicht vorhanden.
Die Gesetzgebung verlangt eine toxikologische Charakterisierung aller auf dem Markt vorhandenen und neu entwickelten Chemikalien bis 2018 (REACH). Die Tatsache, dass in vivo Daten insbesondere im Bereich der akuten Lungentoxizität sehr begrenzt vorliegen und darüber hinaus die Gesetzgebung immer stärker eine Reduzierung der Tierversuche fordert, macht die Entwicklung von in vitro Alternativmethoden dringend notwendig.
Im Rahmen eines ersten Projektes wurde ein etabliertes in vitro Expositionssystem (CULTEX® Radial Flow System) in einen Expositionsaufbau integriert, charakterisiert und ein standardisierter Expositionsablauf entwickelt. Die in der Literatur häufig beschriebene Lungenepithelzelllinie (A549) wurde als Grundlage für die Expositionen eingesetzt und mit drei verschiedenen Konzentrationen einer Auswahl von 11 Substanzen an der Luft-Flüssigkeits-Grenzschicht (ALI) exponiert. Im Anschluss an eine 24stündige Nachinkubation unter ALI-Bedingungen erfolgte die Bestimmung der Toxizität mittels des Zellvitalitätstest WST-1. Die Auswertung erfolgte mit dem speziellen Fokus auf der Reproduzierbarkeit innerhalb und zwischen den drei teilnehmenden Laboratorien.
Die Ergebnisse alle Labore zeigten eine generelle Anwendbarkeit des CULTEX® RFS im Hinblick auf die Anforderungen der ECVAM (European Centre for the Validation of Alternative Methods) für Testsysteme und unterstreichen die Robustheit und Stabilität der CULTEX®-Methode.
Die Reproduzierbarkeit der gewonnenen Daten innerhalb und zwischen den teilnehmenden Laboren konnte unter Berücksichtigung definierter Qualitätskriterien hinreichend belegt werden. Insbesondere die als Trägergas und zur Kontrolle der Expositionsbedingungen eingesetzte Druckluft zeigte sich im Laufe des Projektes als kritischer Parameter für optimale Ergebnisse.
Im Rahmen eines Folgeprojektes soll der Schwerpunkt auf die Testung von REACH relevanten Substanzen gelegt werden für welche bereits Daten von in vivo Inhalationsstudien vorliegen. Das Ziel dieser zweiten Projektphase ist die Erstellung eines Prädiktionsmodells zur toxikologischen Bewertung der pulmonalen Toxizität auf Grundlage der erhobenen Daten.

Effekte von Organophopshaten auf in vitro Triple-Kulturmodelle der bronchialen Einheit
Marina Schäfer1, Christine Pohl1, Horst Thiermann2, Dirk Steinritz2, Charles J. Kirkpatrick1
1 Institut für Pathologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Langenbeckstr. 1, 55101 Mainz
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Die Epithelzellen der Lunge bilden eine Barriere gegen das Eindringen von toxischen Substanzen, wie Organophosphate, die Lungenerkrankungen wie zum Beispiel Pneumonie auslösen können. Auf zellulärer Ebene gibt es viele Abwehrmechanismen zur Vermeidung einer Lungenschädigung. Dabei spielen dendritische Zellen eine zentrale Rolle in der Immunabwehr. Sie sind nicht nur in der Lunge lokalisiert, sondern auch in vielen anderen Organen und Geweben im Körper.
In einem Triple-Kulturmodell wurden Bronchialepithelzellen zusammen mit Fibroblasten als Bilayer kultiviert. Um ein differenziertes Bronchialepithel zu erhalten wurden die Membranen an der Flüssigkeits-Luft-Grenze gehalten. Aus der Zell-Linie THP-1 wurden reife dendritische Zellen differenziert, die typische Marker wie CD83, CD209 und HLA-DR exprimierten, sowie einen vergrößerten Zellkern und Zellkörper mit Ausbildung langer Dendriten zeigten, bevor sie in dem Modell ergänzt wurden.
Bei einer 24h Behandlung der Triple-Kulturen mit den Organophosphaten Dimethoat und Chlorpyrifos wurden mit zunehmender Organophosphat-Konzentration die Zell-Zell-Kontakte so stark geschädigt, dass ab einer Konzentration von 1 mM keine intakten Zell-Zell-Kontakte in der Immunfluoreszenz mehr erkennbar waren. Nach Vergiftung mit Chlorpyrifos wurde im Gegensatz zu Dimethoat IL-1ß induziert und IL-10 sehr stark inhibiert. Ebenso konnten Veränderungen im Apoptose-Signalweg festgestellt werden. Nach einer 24 h Stimulation der bronchialen Triple-Kultur mit Chlorpyrifos wurden anti-apoptotische Marker, wie beispielsweise Hitzeschockproteine oder auch p21, stark induziert, wobei die Induktion nach einer Regenerationszeit von 48 h wieder rückläufig war. Die Zellen der Triple-Kultur, nach Stimulation mit Chlorpyrifos, waren nicht apoptotisch. Im Gegensatz zu Chlorpyrifos zeigte die 24 h Stimulation mit Dimethoat und anschließender 48 h Regeneration ein anderes Ergebnis. Dimethoat zeigte eine verspätete Wirkung auf die Triple-Kultur, wobei die Zellen 72 h nach dem Stimulationsbeginn apoptotisch waren.
In klinischen Studien wurde bereits gezeigt, dass die Todesrate nach Vergiftung mit methylierten Organophosphaten (Dimethoat) viel höher ist als mit dimethylierten (Chlorpyrifos). Das etablierte Triple-Modell könnte bei der Aufklärung des Sachverhaltes eine wichtige Rolle spielen.

Anpassung eines marktreifen S-Lost Hauttests zu einem vor-Ort-Diagnostikum zum Nachweis von S-Lost-Exposition im Gewebe und Validierung bis zur Produktreife
Stefan Ringlstetter1, Manuela Kolb1, Annette Schmidt2, Dirk Streinritz2, Sebastian Klaus1
1 Securetec Detektions-Systeme AG, Lilienthalstrasse 7, 85579 Neubiberg / München
2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Die Möglichkeit, Spuren von verschiedenen chemischen Kampfstoffen schnell und sensitiv vor Ort zu detektieren, gewinnt, wie die jüngsten Ereignisse z.B. in Syrien zeigen, zunehmend an Bedeutung. Da auch die Bundeswehr in diversen Auslandseinsätzen präsent ist, besteht ein Bedarf für geeignete Testsysteme.
In einem Gemeinschaftsprojekt des Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr und der Securetec Detektions Systeme AG wurde bereits der „Sulfur Mustard Detector“ entwickelt. Dieses in vitro Diagnostikum (IVD) mit CE-Kennzeichnung ist ein sensitives immunochromatographisches Testsystem für den Nachweis geringer S-LOST-Mengen auf der Hautoberfläche. Der Nachweis nutzt einen Antikörper, der hochspezifisch S-LOST erkennt, das an Guanin-Moleküle der DNA gebunden ist.
Der Nachweis von freiem S-LOST auf der Hautoberfläche ist nur wenige Stunden nach der Kontamination möglich. Ziel dieses Entwicklungsprojekts ist deshalb, die bestehende zeitliche Lücke des nicht mehr möglichen Nachweises auf der Hautoberfläche und dem Auftreten klinischer Symptome zu schließen. Zudem soll der Test die Möglichkeit zur Verifizierung einer LOST-Kontamination nach Auftreten klinischer Symptome bieten. Für den Test wird eine Gewebeprobe entnommen, daraus die DNA isoliert und der Nachweis auf einem immunchromatographischen Teststreifen geführt.
In den bisherigen Arbeiten konnten geeignete Methoden zur Gewinnung von DNA aus den Proben etabliert werden. 10 mg Haut (Biopsie mit 3 mm Durchmesser) lieferten ausreichend DNA für einen Nachweis von S-LOST-Addukten auf dem Schnelltest. Der Teststreifen wurde ausgehend vom „Sulfur Mustard Detector“ zum Nachweis von LOST-induzierter Alkylierung der DNA aus Gewebeproben (z.B. Hautbiopsie) angepasst. Erste Versuche zeigten die Funktionalität des Teststreifens mit Positivkontrollen aus einem Keratinozyten-Zellkulturmodell.
Bis zum Projektende werden eine Optimierung mit Gewebeproben, eine Validierung und eine Studie zur Ermittlung der Leistungsdaten durchgeführt. Wenn die Produktreife erreicht ist, soll der Test als IVD mit CE-Kennzeichnung angemeldet werden.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium der Verteidigung, vertreten durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Vertragsnummer (E/UR3G/CG035/CB538).

Veränderung des miRNA-Expressionsprofils in frühen Endothelzellen nach sub-letalen S-Lost-Expositionen Annette Schmidt1, Michael Abend2, Viktor Meineke2, Horst Thiermann1, Dirk Steinritz1
1 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München
2 Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, Neuherbergstraße 11, 80937 München

Hintergrund / Ziel
S-Lost (SL) ist bekannt dafür, chronische Hautwunden zu induzieren. Der Wundheilungsstörung liegt unter anderem eine gestörte endotheliale Regeneration zugrunde. Es ist bekannt, dass Mikro-RNA (miRNA) kontrollierend und steuernd in Wundheilungsprozesse sowie die endotheliale Regeneration eingreifen. Da jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt nichts über den Effekt von SL auf die miRNA-Expression in Endothelzellen bekannt ist, hierdurch aber entscheidende Informationen zu der beobachteten Wundheilungsstörung verankert sein können, untersuchten wir den Effekt von subletalen SL-Konzentrationen auf miRNA-Expression in Endothelzellen.

Methoden
Frühe Endothelzellen (EEC) wurden mit verschiedenen subletalen Konzentrationen von SL exponiert. Die Zellen wurden anschließend in Bezug auf das Überleben und die Kolonie-Bildendungsfähigkeit analysiert. Zusätzlich wurde die Kernstruktur in Bezug auf Apoptose, Mikrokernbildung oder abnorme Zellkerne hin mit dem MAA-Assay untersucht. Eine Analyse von 667 verschiedenen miRNA wurde an SL-behandelten und nicht behandelten EEC vorgenommen.

Ergebnisse
Es wurden EEC verwendet, die mit subletalen Konzentrationen (IC1, IC5 und IC10) SL behandelt worden waren. Die Analyse der Zellen mittels MAA-Assay zeigte eine zeitabhängige Veränderung der Kernstruktur von normal zu abnormal, ohne signifikante Veränderungen in der Apoptoserate. Die Analyse zur Kolonie-Bildungsfähigkeit t zeigte eine sehr schwach ausgeprägte Proliferationskapazität. Unter allen Bedingungen verloren sie ihre Fähigkeit, Kolonien zu bilden. Von 667 untersuchten miRNAs zeigten insgesamt 66 eine signifikante Veränderung der Expression nach Inkubation mit SL. 19 miRNA waren hochreguliert und 47 herunter reguliert. Die stärkste Korrelation zwischen SL-Konzentration und Hochregulation wurde für mmu-miR-92a-3p* (hsa-miR-92a) beobachtet. Sieben miRNA zeigte eine veränderte Expression in den Endothelzellen die in der Literatur aus einer Vergleichsstudie zwischen Endothelzellen jüngerer und älterer Mäusen bekannt waren.

Schlussfolgerung
Die vorliegende Arbeit zeigt zum ersten Mal, dass SL Einfluss auf die miRNA Expression im Allgemeinen nimmt. Die beobachteten Veränderungen in der Expression in EEC korrelieren mit den bekannten Wirkungen von SL. Weitere Studien müssen klären, ob diese Ergebnisse in direkter Verbindung stehen und ob diese Erkenntnisse verwendet werden können, um die klinischen Komplikationen von SL zu beeinflussen.

Abb. 1: Generalarzt Dr. Weller begrüßt die Tagungsteilnehmer (Foto: SanAkBw SG C 5)

Abb. 2: Oberfeldapotheker Niessen bei ihrem Vortrag (Foto: SanAkBw SG C 5)

 

Datum: 29.09.2014

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/9

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