KÖRPERLICHE LEISTUNGSFÄHIGKEIT, KÖRPERMAßE UND RISIKOFAKTOREN VON 18 BIS 35-JÄHRIGEN SOLDATEN: ERGEBNISSE DER EVALUIERUNGSSTUDIE ZUM BASIS-FITNESS-TEST (BFT)

Aus der Laborabteilung IV -Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie- (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. Dr. D. Leyk) am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz (Leiter: Flottenarzt Dr. H. Bergmann) ¹, dem Sportmedizinischen Institut der Bundeswehr Warendorf (Leiter: Oberfeldarzt Dr. A. Lison) ², der Sportschule der BundeswehrWarendorf (Leiter: Oberstleutnant M. Rondé) ³, dem Sanitätsamt der Bundeswehr (Amtschef: Generalarzt Dr. J. Dick) ⁴, dem Streitkräfteamt der Bundeswehr (Amtschef: Generalmajor T. Wollny) ⁵ und dem Institut für Physiologie und Anatomie an der Deutschen Sporthochschule Köln ⁶

Von Dieter Leyk¹,⁶, Alexander Witzki¹, Willi Gorges¹, Ulrich Rohde¹,
Andreas Liso¹², Michael Rondé ³, Heiko Wömpener³, Andreas Schlattmann⁴,
Harald Dobmeier⁵, Thomas Rüther⁶ und Max Wunderlich⁶

Zusammenfassung

Hintergrund:
Der Basis-Fitness-Test (BFT) wurde im Rahmen zivil-militärischer Verbundforschung als valider und einfach durchzuführender Leistungstests für die Bundeswehr entwickelt.

Der BFT wurde - unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen - in ein neu entwickeltes datenbankgebundenes Qualitätsmanagementsystem integriert, in dem weitere leistungsrelevante Daten (wie Körpermaße, Angaben zur Arbeit etc.) gespeichert werden können. Damit ist erstmals eine quer- und längsschnittlich angelegte anonymisierte Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit möglich.

Methoden:

In der vorliegenden Studie wurden BFT-Ergebnisse, leistungsrelevante Körpermaße (Größe, Gewicht, Taillenumfang, Body- Mass-Index) und ausgewählte Angaben zur Gesundheit, Arbeit und Freizeit von 4 863 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Alter von 18 bis 35 Jahren analysiert.

Ergebnisse:

Die großen Verteilungsspektren beim Sprinttest, Klimmhang und 1 000 m-Lauf weisen auf eine gute Differenzierung des BFT hin. Der mit Abstand beste Prädiktor für die körperliche Leistungsfähigkeit ist der Gewichtsstatus. Der Anteil übergewichtiger beziehungsweise adipöser Personen betrug bei den jungen Männern 34,7 % beziehungsweise 8,8 % und bei den Frauen 23,8 % beziehungsweise 4,7 %.

Schlussfolgerungen:

Mit dem BFT und dem neu entwickelten Qualitätsmanagementsystem verfügt die Bundeswehr über ein valides Prüfund Auswerteverfahren, mit dem flächendeckend grundlegende militärisch relevante Daten (körperliche Leistungsfähigkeit, Körpermaße, Tätigkeitsanforderungen) effizient erhoben und systematisch analysiert werden können. Mit Blick auf gesundheits-, fitness- und einsatzrelevante Aspekte besitzt das entwickelte Verfahren großes Potenzial und vielfältige Erweiterungsoptionen.

Physical fitness, anthropometric measures, and risk factors in 18 to 35 year old soldiers: Results from the evaluation of the Basis-Fitness- Test (BFT)

Summary

Background:

The Basis-Fitness-Test (BFT) was developed as reliable and easy to administer physical performance test for the Bundeswehr in joint civilian-military research. It was embedded (in compliance with protection of data privacy regulations) into a newly developed database-based quality management system that allows for the additional storage of performance relevant data (e.g. body dimensions and characteristics of the individuals’ work environment). Cross-linked data permits the anonymized evaluation of physical performance in either cross sectional or longitudinal designs for the first time.

Methods:

BFT results, anthropometric data (height, weight, waist circumference, body mass index (BMI)), as well as self-report data on health, work, and leisure time activities were analyzed of 4,863 female and male soldiers aged 18 to 35 years.

Results:

Broad distributions in the results from all subtests of the BFT (sprinttest, sustained pull-up, 1,000 m run) indicate good differentiation characteristics. The best predictor of physical performance is weight status. The proportion of overweight and obese people was 34.7 % and 8.8 % in male and 23.8 % and 4.7 % in female participants respectively.

Conclusions:

BFT and the new quality management system provide the Bundeswehr with reliable tools for comprehensive and efficient testing, data collection, and evaluation. Their combination facilitates systematic analyses of data relevant to the Bundeswehr (physical performance, body measurements, and task requirements) and offers a great potential and options in view of health, physical fitness, and deployment related aspects. 

1. Einleitung

Eine hohe körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit hat im gefahrenbehafteten Soldatenberuf schon immer und weltweit in allen Streitkräften eine entscheidende Rolle gespielt (NATO RTO-TR-HFM-080, NATO RTG-178). Bei der Bundeswehr wird die physische Leistungsfähigkeit mit Hilfe von sportmotorischen Leistungstests einmal jährlich überprüft. Allerdings erfüllen viele der in der Vergangenheit eingesetzten Testverfahren (Physical-Fitness-Test, Allgemein- Militärisches Ausdauertraining, Deutsches Sportabzeichen etc.) nicht die einschlägigen wissenschaftlichen Gütekriterien [1] und waren häufig nicht primär auf militärische Erfordernisse ausgerichtet. Allen gemeinsam war zudem ein fehlendes Qualitätsmanagementverfahren mit der Möglichkeit einer inhaltlich evaluierten Leistungsüberprüfung, da die Testergebnisse lediglich auf individuellen Erfassungsbögen notiert wurden. Verlässliche repräsentative und quantitative Aussagen über Leistungstand und Leistungsentwicklung von Soldatinnen und Soldaten waren daher bislang nicht möglich [1].

Diese Fähigkeitslücke konnte mit dem Basis-Fitness-Test (BFT) geschlossen werden, der nach anwendungsbezogenen und wissenschaftlichen Kriterien im Rahmen zivil-militärischer Verbundforschung entwickelt wurde. Ziel waren einerseits valide und effiziente Leistungstests zur Ermittlung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die zeitökonomisch und ohne größeren apparativen Aufwand die Überprüfung von grundlegenden physischen Fähigkeiten ermöglichen. Andererseits sollte gemäß Weisung IGF des Generalinspekteurs der Bundeswehr von 2006 [2] ein elektronisches Qualitätsmanagementverfahren aufgebaut werden, mit dem weitere epidemiologisch relevante Angaben (anthropometrische Daten wie Körpergröße, Körpergewicht, Taillenumfang; sowie Angaben zur Arbeit wie sitzende Tätigkeit, Umgang mit Lasten, Arbeit im Freien) gespeichert werden können.

Im internationalen Vergleich ist die Bundeswehr mit dieser Initiative führend; hierunter fallen zum Beispiel die Einsetzung einer bundeswehrinternen Expertenkommission (Arbeitsgruppe KLF beim Streitkräfteamt), die Beauftragung renommierter ziviler und militärischer Forschungseinrichtungen und die Mitarbeit und Leitung von NATOArbeitsgruppen [3, 4, 5, 6]. Im Vorfeld und während der Testentwicklung wurden unter anderem die Evaluierung und Auswertung des mittlerweile abgelösten Physical-Fitness-Tests, Tätigkeitsanalysen von militärischen Arbeitsplätzen, bundeswehrweite Evaluierungsstudien und umfangreiche Datenerhebungen zur körperlichen Leistungsfähigkeit von Frauen und Männern durchgeführt [7, 8, 1, 9, 10, 11]. Der BFT wurde vor seiner Einführung in die Bundeswehr einem umfangreichen Mitzeichnungsgang auf ministerieller und Ämterebene unterzogen, datenschutzrechtlich eingehend überprüft und hat die Zustimmung der zuständigen Personalvertretungen erhalten.

In der vorliegenden Studie wurden die BFT-Ergebnisse von 4 863 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Alter von 18 bis 35 Jahren analysiert. Neben der körperlichen Leistungsfähigkeit wurden Körpermaße (Körpergröße, Körpergewicht, Hüftumfang, Body- Mass-Index) und zusätzlich Angaben zur Gesundheit, Ernährung, Arbeit und Freizeit untersucht. Ziel war es 1.) belastbare Referenzdaten für die einzelnen BFT-Disziplinen (Sprinttest, Klimmhang und 1 000 m-Lauf) zu erhalten und 2.) potentielle Prädiktoren für das BFT-Ergebnis zu ermitteln.

2. Methoden

Mit dem Basis-Fitness-Test (BFT) werden in der Bundeswehr seit dem 01.01. 2010 einmal im Jahr körperliche Leistungsmerkmale überprüft (Weisung IGF des Generalinspekteurs der Bundeswehr 2009 [12]). Der BFT wurde von der Deutschen Sporthochschule Köln und der Laborabteilung IV des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes Koblenz im Rahmen der zivilmilitiärischen Verbundforschung (unter anderem [1]) entwickelt und erprobt.

Vor der Einführung des BFT nahmen 277 Soldatinnen und 4 586 Soldaten im Alter von 18 bis 35 Jahren an der Evaluierung des BFT teil, die unter der Federführung des Streitkräfteamtes (Arbeitsgruppe KLF) und der Forschungspartner stand. Die bundeswehrweite Datenerhebung erfolgte über Sportlehrer der Bundeswehr, die zuvor in Koblenz geschult wurden. Alle Probanden wurden über Datenschutzbestimmungen und mögliche Risiken durch ein schriftliches Aufklärungs- und Einverständnisprotokoll informiert. Die Untersuchungen wurden im Vorfeld durch die Ethikkommission der Deutschen Sporthochschule Köln genehmigt.

Der BFT besteht aus drei einfachen sportmotorischen Tests (11x10 m-Sprinttest, Klimmhang, 1 000 m-Lauf) mit denen ohne aufwendige leistungsdiagnostische und infrastrukturelle Anforderungen präzise und in kurzer Zeit relevante Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitsparameter bestimmt werden können. Beim Sprinttest startet die Testperson in Bauchlage mit dem Kopf in Laufrichtung und umläuft so schnell wie möglich eine in 10 m Entfernung aufgestellte Pylone [13]. Zurück am Startpunkt legt sie sich erneut auf den Bauch und klatscht die Hände hinter dem Rücken zusammen. Danach startet sie zur nächsten Runde.

Ziel ist es, schnellstmöglich fünfeinhalb Runden zu laufen. Aufgabe beim Klimmhang ist es, möglichst lange in der Endposition eines Klimmzugs zu verharren. Beim 1 000 m-Lauf ist diese Distanz möglichst schnell zu laufen. Um den BFT zu bestehen, sind - unabhängig von Alter, Geschlecht und Dienststatus - folgende Mindestleistungen zu erfüllen: Sprinttest in höchstens 60 s, Klimmhang für mindestens 5 s, 1 000 m-Lauf in höchstens 6:30 min. Die in den einzelnen Disziplinen erreichten Zeiten werden in Punkte umgerechnet (Intranet Bw: www.wiki.svc/index.php?title=Basis_Fitness_ Test), wobei die Mindestleistung 100 Punkten entspricht. Die Punkte werden nach einem einheitlichen Schema Noten und Notenkategorien zugeordnet (ausreichend: 100- 199 Punkte, Noten: 4,49-3,50; zufriedenstellend: 200-299 Punkte, Noten: 3,49-2,50; gut: 300-399 Punkte, Noten: 2,49-1,50; sehr gut: ab 400 Punkte, Noten: 1,49-1,00). Zur Berechnung der Gesamtnote wird der Mittelwert aus den Noten der drei Disziplinen gebildet. Die Durchführung des BFT war im Wesentlichen identisch mit dem in die Bundeswehr eingeführten Testverfahren. Lediglich beim Sprinttest wurde im Rahmen der Entwicklung eine leichte Modifikation vorgenommen (die Studienteilnehmer legten sich auf den Rücken statt auf den Bauch), die jedoch keine Auswirkung auf die relativen Leistungen der Teilnehmer hat.

Ergänzend zur Überprüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit wurden im Rahmen der Test- Evaluierung diverse Körpermaße gemessen. Die Studienteilnehmer beantworteten außerdem einen anonymen Fragebogen zur Person, Gesundheit, Ernährung, Arbeit und zum Freizeitverhalten.

Die Datenauswertung erfolgte mittels der Statistiksoftware PASW (SPSS) 18. Zur Bewertung von Häufigkeitsverteilungen (Fragebogendaten) wurden Chi-Quadrat-Tests angewendet. Die Testung der Normalverteilungsannahmen erfolgte mittels Kolmogorov-Smirnov- Tests mit Signifikanzkorrektur nach Liffiefors. Zur Auswertung von Mittelwertsvergleichen wurden t-Tests (bzw. bei Varianzinhomogenität der Gruppen Welch-Tests) und univariate Varianzanalysen durchgeführt. Zur Bestimmung signifikanter Zusammenhänge wurden Produkt- Moment-Korrelationen und hierarchische Regressionen berechnet. Bei letzteren wurden ordinal- und nominalskalierte Variablen dummy- kodiert.

Zur Gewährleistung der für einige statistische Analysen notwendigen Äquidistanz der im BFT berechneten Noten wurde der Notenkategorie „sehr gut“ der Notenbereich (1,49– 0,50) zugrunde gelegt und Punktewerten mit mehr als 499 Punkten die Note 0,50 zugewiesen. Diese Vorgehensweise hat keinen Einfluss auf die Zuordnung der Personen zu den Notenkategorien.

Bedingt durch die geringe Anzahl der weiblicher Probanden (n = 277) wurden diese bei den weiterführenden Analysen nicht berücksichtigt.

3. Ergebnisse

4 385 (90,2 %) von 4 863 Studienteilnehmern haben den BFT erfolgreich absolviert. Die BFT-Mindestanforderungen wurden von 232 (4,8 %) Personen nicht erfüllt; weitere 246 (5,1 %) Personen haben nicht alle drei Testdisziplinen absolviert. Die Abbildungen 1, 2 und 3 zeigen die in den einzelnen Disziplinen erbrachten Leistungen als kumulierte Häufigkeiten. Die großen Verteilungsspektren weisen auf eine gute Differenzierung des BFT hin. Offenkundig ist auch der beträchtliche Leistungsunterschied (p < 0,01) zwischen Frauen und Männern. Die deutlich unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit zeigt sich auch bei den Durchfallquoten (in den Abbildungen sind die Mindestanforderungen durch einen grauen Pfeil kenntlich gemacht): Während 91,6 % der männlichen Soldaten den BFT erfolgreich absolvierten, gelang dies nur 67,1 % der weiblichen Studienteilnehmern.

Die anthropometrischen Daten der weiblichen und männlichen Studienteilnehmer (Größe, Gewicht, BMI und Taillenumfang) sind in Tabelle 1 aufgeführt. Der Anteil übergewichtiger beziehungsweise adipöser Personen betrug bei den Männern 34,7 % beziehungsweise 8,8 % und bei den Frauen 23,8 % beziehungsweise 4,7 %. Eine gesundheitlich ungünstige, abdominelle Fettverteilung (WHO-Risikofaktor „Taillenumfang“: Frauen = 88 cm; Männer =102 cm) bestand bei 10,5 % der Frauen und 6,3 % der Männer. Wie bereits im Abschnitt Methode erwähnt, wurden die weiterführenden Analysen - aufgrund der geringen Anzahl der weiblicher Probanden (n = 277; entspricht 5,7 %) - nur mit den Daten der männlichen Studienteilnehmer durchgeführt.

Vergleich zwischen erfolgreichen „BFTAbsolventen“ und „Nicht-Bestehern“

Mit Hilfe der anthropometrischen Daten (siehe auch Tab 1) und den Angaben zur Ernährung, sportlichen Aktivität und Art der beruflichen Tätigkeit (zum Beispiel sitzende Tätigkeit, körperliche Beanspruchung etc.) konnten relevante Charakteristika von Soldaten, die den BFT erfolgreich absolviert haben, mit denen aus der Gruppe der „Nicht-Besteher“ verglichen werden. Die Mittelwertsunterschiede bei den anthropometrischen Daten wurden aufgrund der ungleichen Varianzen der beiden Gruppen mit Welch-Tests berechnet. Diese zeigten signifikante Unterschiede in Bezug auf Größe (W = 3,11, p < 0,01), Gewicht (W = 12,43, p < 0,001), BMI (W = 12,85, p < 0,001) und Taillenumfang (W = 12,35, p < 0,001).

Aus den Befragungen zu Alltagsgewohnheiten und beruflichen Tätigkeiten ergeben sich weitere signifikante Unterschiede zwischen erfolgreichen BFTTeilnehmern und den „Nicht-Bestehern“. Deutliche Differenzen ergeben sich bei den Fragen zur sportlichen Aktivität: Die beiden Gruppen unterscheiden sich u. a. in Bezug auf ihre Selbsteinstufung als Sportler (χ² = 17,21, p < 0,001) und die Sporthäufigkeit (nie/selten/unregelmäßig, 1-2 mal, 3 und mehrmals proWoche; χ² = 11,89, p < 0,01). In Hinblick auf die Arbeitsbedingungen waren verhältnismäßig mehr „Nicht-Besteher“ in den Personengruppen vertreten, die am Bildschirm arbeiten (χ² = 7,51, p < 0,01), sitzenden Tätigkeiten nachgehen (sitzende Tätigkeit, stehende Tätigkeit, sowohl sitzend als auch stehende Tätigkeit, χ² = 7,44, p < 0,05) und die nicht im Freien arbeiten (χ² = 17,41, p < 0,001). Keine Unterschiede zeigten sich in den Ernährungsgewohnheiten (Konsum von Süßigkeiten, Fastfood, Softdrinks und Alkohol).

Analyse der BFT-Noten und Ermittlung potenzieller Prädiktoren

Die BFT-Notenverteilung der erfolgreichen männlichen Studienteilnehmer ist in Abbildung 4 dargestellt. Die Verteilung ist linkssteil (mehr gute als schlechte Noten; Schiefe = 0,26) und weicht von der Normalverteilung ab (d = 0,03, p < 0,001). Bei den folgenden Analysen wurden die Unterschiede der Teilnehmer in den einzelnen Notenkategorien in Bezug auf mögliche Prädiktoren ermittelt.

Wie zu erwarten, hat unter anderem der Gewichtsstatus signifikanten Einfluss auf das BFT-Ergebnis (p < 0,001). Abbildung 5 zeigt die relative Häufigkeit der Teilnehmer abhängig von ihrer Gewichtskategorie entsprechend der WHO-Einteilung (Normalgewicht: BMI < 25; Übergewicht: 25 = BMI < 30, Adipositas: BMI = 30). Hierbei wird deutlich, dass Normalgewichtige besonders in den oberen Notenkategorien und vergleichsweise selten in den unteren Notenkategorien vertreten sind.

Die beiden anderen Gruppen sind in erster Linie in den unteren Notenkategorien präsent. Die Noten „sehr gut“ bzw. „gut“ werden von adipösen Studienteilnehmern nur in Ausnahmefällen erreicht. Beim Vergleich der einzelnen Gewichtskategorien ist zudem zu beachten, dass nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl Adipöser (n = 292) an der Studie teilgenommen hat. Dies bedeutet, dass die „Adipositas- Kurve“ kaum eine höhere Ausprägung als die der Gruppe der Übergewichtigen (n =1 459) annehmen kann. Die Differenzen spiegeln sich in den signifikant unterschiedlichen Durchschnittsnoten für Studienteilnehmer aus den drei Gewichtskategorien wider (Normalgewichtige: 1,94 ± 0,53; Übergewichtige: 2,44 ± 0,55; Adipöse: 3,00 ± 0,48; Eta2 = 0,27, F = 760,68, p < 0,001). Mittels hierarchischer Regression wurde der relative Einfluss der Prädiktoren auf die BFT-Noten berechnet. Dabei wurden die ordinal- und nominalskalierten Variablen dummy-kodiert. Aufgrund der hohen Interkorrelation von BMI und Taillenumfang (r = 0,79, p < 0,001) wurden getrennte Analysen für diese beiden Prädiktoren berechnet. Die Ergebnisse sind analog (BMI: ß = 0,51, R = 0,29, p < 0,001; Taillenumfang: ß = 0,50, ∆R = 0,30, p < 0,001). Wie aus Tabelle 2 hervorgeht ist der Übergewichtsindikator (hier BMI) der beste Prädiktor der Note (29 % Varianzaufklärung) gefolgt von sportlicher Betätigung (10 %), Arbeitsbedingungen (3 %) und Raucher-Status (Nicht-Raucher, aktiver Raucher; 2 %).

4. Diskussion

Mit dem bundeswehrweit durchgeführten Basis-Fitness- Test (BFT) konnten wertvolle Referenzdaten zur individuellen Leistungsbeurteilung gewonnen werden. Die ermittelten BFT-Leistungen und deren Verteilungsspektren dokumentieren die gute Differenzierung in den einzelnen BFT-Disziplinen. Die Untersuchungen haben bestätigt, dass der BFT zeitökonomischer und organisatorisch wesentlich effizienter durchgeführt wird als der Physical-Fitness- Test (PFT), mit dem in der Vergangenheit die körperliche Leistungsfähigkeit überprüft wurde. Im Gegensatz  zum BFT erfolgte die Auswahl der PFTDisziplinen ohne tatsächliche Überprüfung militärischer Aufgaben/Anforderungsprofile aus einer breiten Palette sportmotorischer Tests [1, 7]. Die PFTTestbatterie (Pendellauf, Sit-up, Standweitsprung, Liegestütze, 12 min-Lauf) bestand zudem aus unspezifischen Disziplinen mit vielen unkontrollierbaren Freiheitsgeraden (zum Beispiel Ausführung und Bewertung der Disziplinen Liegestütze und Sit-up).

Bei der Beurteilung der BFT-Ergebnisse ist allerdings zu beachten, dass diese trotz der bundeswehrweiten Erhebung nicht zwangsläufig repräsentativ für das untersuchte Altersspektrum sind. Aufgrund der freiwilligen Studienteilnahme sind Selektionseffekte wahrscheinlich, da zu erwarten ist, dass an den Sporttests tendenziell vermehrt sportlich interessierte bzw. sportlich aktive Soldaten teilgenommen haben. Dies könnte durchaus bedeuten, dass die in der vorliegenden Studie ermittelten Leistungen von dem realen Leistungsniveau in der Bundeswehr abweichen. Über den genauen Leistungsstand aller Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr werden letztlich die kompletten Daten aus dem Jahr 2010 Aufschluss geben.

Ungeachtet möglicher Selektionseffekte und stichprobenbedingter Werteverschiebungen weisen die vorliegenden BFT-Daten auf Zielgruppen potenzieller Präventivmaßnahmen hin. Aus dem Vergleich zwischen den unterschiedlichen Gewichtskategorien und der hierarchischen Regression (Tab 2) geht zum Beispiel hervor, dass der beste Prädiktor für die BFT-Note der Gewichts- beziehungsweise Übergewichtsstatus ist. So ist in Abbildung 5 klar zu erkennen, dass übergewichtige oder adipöse Personen vergleichsweise selten beziehungsweise kaum ein sehr gutes oder gutes BFTErgebnis erreichen. Die Leistungsunterschiede zwischen den drei Gewichtskategorien und deren militärische Relevanz soll am Beispiel Klimmhang verdeutlicht werden. Im Rahmen von Vor- Ort-Analysen beim Orts- und Häuserkampf wurde unter anderem festgestellt, dass das Eindringen in die erste Hausetage mit Hilfe einer Strickleiter oder eines Wurfankers mindestens 20 bis 30 s dauert, in der der Soldat das eigene Körpergewicht und Ausrüstungskomponente halten muss.

Aber auch beim Retten von Verletzten mit der Krankentransporttrage können Lasten von deutlich über 50 kg mit Halteintervallen von mindestens 20 bis 30 s vorkommen [1]. Im Rahmen der Entwicklung des BFT ergaben sich für den Klimmhang folgende Daten: Während die mittlere Haltezeit bei normalgewichtigen Männern 55 s beträgt, erreichen Übergewichtige einen durchschnittlichen Wert von 35 s und Adipöse eine mittlere Haltezeit von lediglich 18 s. Mit Blick auf die WHO Gewichtskategorien [14, 9, 5] ist allerdings zu beachten, dass im Einzelfall trotz erhöhten Körpergewichts eine ausreichende oder auch sehr gute Leistungsfähigkeit vorliegen kann. Bekannterweise kann über die BMI-Angaben allein nicht zwischen einem hohen Fettoder einem hohen Muskelanteil unterschieden werden. Insgesamt zeigen die Ergebnisse die Notwendigkeit, neben Fitnessdaten auch einige wenige anthropometrische Kennparameter (Größe, Gewicht, Taillenumfang) zu erfassen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein großer Zusammenhang zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und der Erfüllung soldatischer Anforderungen besteht. Mit Blick auf die hohen Belastungen im Auslandseinsatz sollten die ermittelten Indikatoren frühzeitig für ein adressatengerechtes Training und zur individuellen Einsatzvorbereitung genutzt werden. Die hohen Prävalenzen für Übergewicht und Adipositas bei den 18- bis 35-jährigen Zeit- und Berufssoldaten sind im Übrigen auch im zivilen Bereich zu finden [15, 16]. Dies unterstreicht, dass auch die Bundeswehr von der weiten Verbreitung und frühzeitigen Etablierung bewegungsarmer und gesundheitlich ungünstiger Lebensstile vermehrt betroffen ist [11, 17, 16]. Aktuell hat die Strukturkommission 2010 auf diese Problematik hingewiesen und empfohlen, neue Akzente im Bereich der Sportausbildung und der Gesundheitsförderung zu setzen [18].

5. Schlussfolgerungen

Die zukünftige Auftragserfüllung hängt maßgeblich von der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der länger dienenden Soldaten ab. Mit dem Basis-Fitness- Test und dem dazugehörigen datenbankgebundenen Qualitätsmanagementsystem verfügt die Bundeswehr über ein valides Prüf- und Auswerteverfahren. Damit können flächendeckend grundlegende militärisch relevante Daten (körperliche Leistungsfähigkeit, Körpermaße, Tätigkeitsanforderungen) effizient erhoben und systematisch analysiert werden. Seit dem 01.01.2010 wird der BFT in der Bundeswehr lediglich als sportmotorischer Test ohne Ermittlung von Gewicht, Größe, Taillenumfang und Basisangaben zur ausgeübten Tätigkeit durchgeführt. Im Rahmen der zweijährigen Anlaufphase ist zu untersuchen, ob der BFT anhand der dann vorliegenden Daten weiter optimiert und zielführend modifiziert werden kann. Aber schon jetzt ist klar erkennbar, dass die Überprüfung einsatzrelevanter körperlicher Anforderungsprofile mit Hilfe spezifischer Testverfahren weiter voran getrieben werden muss.

Wie oben ausgeführt, unterstreicht die vorliegende Studie die Notwendigkeit der vollständigen Datenerhebung. Sie weist auf das enorme Potenzial verknüpfter BFT-Daten für qualitätsgesicherte Maßnahmen im Bereich Ausbildung, Training, Einsatzplanung, Personalauswahl wie auch im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention hin. Mit Blick auf effiziente und flächendeckende Präventivmaßnahmen, bei denen aufgrund individuell-habitueller Verhaltenspräferenzen und Lebensbedingungen eine stärkere „Individualisierung“ empfohlen wird [19], ergeben sich mit dem BFT neue Optionen:

Dieser könnte beispielsweise in einem von den Forschungspartnern favorisierten „wissenschaftlich basierten Gesundheits- und Fitnessportals der Bundeswehr“ integriert werden und gemäß Vorschlag des Wehrbeauftragten 2009 somit Interventionsmaßnahmen individuell unterstützen [20]. Eine derartige Intra-/ Internetanwendung besitzt ohne Zweifel sehr gute Möglichkeiten, um die Soldaten der Bundeswehr über gesundheits-, fitness- und einsatzrelevante Aspekte umfangreich zu informieren und motivieren. Die US-amerikanischen Streitkräfte haben sich für diesen Weg entschieden, so hat die US-Navy mit ihrer Kampagne „Health, Promotion, and Wellness“ (Navy & Marine Corps 2009) den oben dargestellten Ansatz erfolgreich umgesetzt [21].

Literatur

  1. Eßfeld D, Rüther T, Wunderlich M, Sievert A: Entwicklung einsatznaher Leistungstests und Prüfverfahren. BMVg-FBWM 07-3; 2007
  2. Generalinspekteur der Bundeswehr: Weisung zur Ausbildung und zum Erhalt der Individuellen Grundfertigkeiten. Berlin: FüS I 5 –Az 32-01-05; 2006
  3. Leyk D, Erley O, Bilzon J: Effects of age on operational physical performance. NATO-RTO HFM Panel-080/RTG 019 Report „Optimizing Operational Physical Fitness“ 2009; Chapter 7: 2-7
  4. Leyk D: Effects of gender on operational physical performance. RTO Technical Report of NATO-RTO HFM Panel-080/RTG 019 „Optimizing Operational Physical Fitness“ 2009; Chapter 7: 8-13
  5. Leyk D: Effects of variability in body dimensions on operational physical performance. NATO-RTO HFM Panel-080/RTG 019 Report „Optimizing Operational Physical Fitness“ 2009; Chapter 7: 14-17
  6. Leyk D, Rohde U, Gorges W, Ridder D et al.: Changes in body weight, BMI and physical performance of young men. International Congress on Soldier’s Physical Performance. Finnish Defence Forces and Department of Biology of Physical Activity, University of Jyväskylä, Finnland; 2005
  7. Rohde U, Erley O, Rüther T, Wunderlich M, Leyk D: Leistungsanforderungen bei typischen soldatischen Einsatzbelastungen. WMM 2007; 51: 138-142
  8. Eßfeld D, Rüther T, Wunderlich M, Sievert A: Zusammenhang zwischen arbeits- und alltagsrelevanten Kraft- und Koordinationsleistungen, körperlichen Aktivitäten und Lebensgewohnheiten. BMVg-FBWM 06-3; 2006
  9. Leyk D, Rohde U, Gorges W et al. : Physical performance, body weight and BMI of young adults in Germany 2000 – 2004: Results of the Physical-Fitness-Test Study. Int J Sports Med 2006; 8: 642-647
  10. Leyk D, Rohde U, Erley O et al.: Recovery of hand grip strength and hand steadiness after exhausting manual stretcher carriage. Eur J Appl Physiol 2006; 96: 593-599
  11. Leyk D, Rohde U, Gorges W et al.: Adipositas und Bewegungsmangel in Deutschland: Erste Fakten aus der „Physical-Fitness-Test“ Studie. WMM 2005; 49: 11-15
  12. Generalinspekteur der Bundeswehr: Weisung zur Ausbildung und zum Erhalt der Individuellen Grundfertigkeiten. (Neufassung). Berlin: FüS I 5 –Az 32-01-05; 2009
  13. Leyk D, Schirrmacher L, Hoffmann U, Baum K: Leistungsdiagnostik in den Sportspielen: Kurze Sprints mit Richtungsänderungen – Vergleich zwischen Handballspieler, Sprinter, und Ausdauertrainierten. Leistungssport 2000; 6(30): 31-35
  14. WHO: Obesity: preventing and managing the global epidemic. Report of a WHO consultation. World Health Organ Tech Rep Ser 2000; 894:i-xii: 1-253
  15. Leyk D, Rüther T, Wunderlich M et al.: Sportaktivität, Übergewichtsprävalenz und Risikofaktoren: Querschnittstudie mit mehr als 12.500 Teilnehmern im Alter von 16 bis 25 Jahren. Dtsch Arztbl 2008; 105: 793-800
  16. Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags: Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten. Jahresbericht 2007 (49. Bericht). Drs. 16/8200 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/082/1608200.pdf); 2008
  17. Leyk D, Gorges W, Bergmann H et al.: Gesundheitsförderung und Präventionsforschung im Kontext von Arbeit und Leistung. WMM 2010; 54:11-12
  18. Strukturkommission der Bundeswehr: Vom Einsatz her denken Konzentration, Flexibilität, Effizienz. Oktober; 2010
  19. Rütten A, Abu-Omar K, Adlwarth W, Meierjürgen R: Bewegungsarme Lebensstile. Zur Klassifizierung unterschiedlicher Zielgruppen für eine gesundheitsförderliche körperliche Aktivierung. Gesundheitswesen 2007; 69: 393-400
  20. Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags: Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten. Jahresbericht 2008 (50. Bericht). Drs. 16/12200 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/122/1612200.pdf); 2009
  21. Navy & Marine Corps Public Health Center: Health Promotion and Wellness Program (www.nehc.med.navy.mil/About/hp_wellness.aspx); 2009

Datum: 15.02.2011

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2010/11-12

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