BAAINBw – hat im Juli 2021 der Iveco Magirus AG in Ulm den Zuschlag für einen Rahmenvertrag zur Lieferung von teilmilitarisierten hochgeländegängigen UVT- 4x4gl zum ungeschützten Verwundeten-(Patienten-)Transport mit einem Volumen von bis zu 500 Einheiten erteilt.
Diese neueste Fahrzeuggeneration und der bereits zeitgleich erfolgte 1. Abruf von 294 Stück mit einem Volumen von ca. 270 Mio. € (inkl. Zubehör, Dienstleistungen und Schulungen) stellt einen weiteren eindrücklichen Vertrauensbeweis dar und bestätigt, dass Iveco auch weiterhin zu den besonders verlässlichen langjährigen Traditionslieferanten der Bw zählt.
Branchenüblich ging auch dieser öffentlichen Beschaffung ein langwieriges Ausschreibungs- und Auswahlverfahren voraus, welches sowohl vorhandene Erfahrungswerte aus der zu ersetzenden Vorgänger-Generation als auch heute am Markt gegebene neue Möglichkeiten der einschlägigen Industrie berücksichtigt.
Im Zuge zunehmender Einsätze des bodengebundenen militärischen Sanitätsdienstes wurde in den letzten Jahren immer offensichtlicher, dass die in der Bw hierfür eingesetzten Lkw 2t mil (ugs. auch „KrKW“ bzw. „BAT“), welche z. T. schon weit über 40 Jahre alt sind, definitiv das Ende ihrer Nutzungsfähigkeit erreicht haben.
Hinzu kommen neue Erfordernisse, welche sich z. B. aus dem Wunsch nach vollwertiger Kompatibilität zum zivilen Rettungsdienst, umfänglicher Einhaltung der DIN EN 1789 und großen Aufwuchs-/Fähigkeitsreserven sowohl für zivil-militärische Zusammenarbeit im Rahmen der Bündnis- und Landesverteidigung als auch bestmöglicher Nutzungsfähigkeit für kommende Katastrophenfälle ergeben (Stichwort : Hochwasser Ahrtal).
Aus diesen Überlegungen heraus war früh klar, dass als Basis ausschließlich hochmobile Plattformen in Frage kommen, welche die höchste Mobilitäts-Klassifizierung „A“ (gemäß WTD 41 Trier) und eine sehr hohe Watfähigkeit vorweisen und – im Hinblick auf den zeitlichen Druck – im Idealfall ohne größere Neuentwicklungen „handelsüblich“ am Markt kurzfristig verfügbar sind.
Dieser ganzheitliche Ansatz führte zur vorliegenden Ausschreibung, welche Iveco nicht zuletzt auch aufgrund Ihrer hierfür eigens neuentwickelten „Kofferaufbau- und Kabinen-Innenausbau-Konzeption“ für sich entscheiden konnte.
Basis ist ein permanent allradangetriebener Eurocargo 4x4 - MLL 150 E 28 WS, wie er – in geringfügig anderer Ausführung – bereits schon hundertfach als robuster und bewährter Transport-Lkw ZLK 1-3 t in der Bw eingeführt ist.
Rückgrat ist ein hochfester biegesteifer Leiterrahmen, welcher über Parabelfedern mit großen Federwegen die singlebereiften Starrachsen (mit gleicher Spurweite), den Triebstrang und eine großzügige Frontlenker-Fernfahrerkabine trägt.
Durch Nutzung der Bw-eingeführten Radbaugruppe Michelin 395/85 R 20 XZL+ (inkl. VFI-Notlauf-Einlagen) ergibt sich in Kombination mit vergleichsweise kurzem Radstand 3,69 m ein sehr kompaktes Fahrzeug mit kleinem Wendekreis-Ø und großen Böschungs-/Rampen-Winkeln.
Mit Gesamtabmessungen L x B x H = nur ca. 7 m x 2,5 m x 3,18 m kann ein UVT auch in zivile Krankenhaus-Notfallaufnahmen einfahren, deren baurechtliche Vorgaben eine Durchfahrtshöhe von min. 3,20 m fordern.
Angesichts der Vorgaben war es eine Herausforderung, bei einer durch die hohe Mobilität schon gegebenen hohen Rahmenhöhe trotzdem eine große und durchgehend frei ohne Stolperstellen gut nutzbare Stehhöhe im Sanitätsarbeitsraum zu schaffen.
In Kooperation mit EMPL (UAN für den Bereich Koffer) konnte hierfür ein neuartiges besonders platzsparendes Gerippe- und Lagerungskonzept realisiert werden, welches mit 1,80 m durchgehender Innenhöhe vermutlich die neue Bestmarke für vergleichbar flach bauende Allrad-Ambulanz-Lkw darstellen dürfte.
Angetrieben wird er durch einen turbo-aufgeladenen 6-Zylinder-Dieselmotor mit 6,7 Liter Hubraum, 206 kW (280 PS), 1.000 Nm Drehmoment und nachgeschaltetem SCR-Katalysator, welcher auch weiterhin komplett ohne Abgasrückführung auskommt und somit – trotz Erfüllung des höchsten Emissions-Standards EURO VI - Step E – dank Sonderparametrierung (z.B. im Ausland) auch permanent ohne AdBlue oder alternativ mit Kerosin betreibbar ist (NATO-Single-Fuel-kompatibel).
Komplettiert wird der Antrieb durch ein via Joystick am Armaturenbrett fahrerfreundlich schaltbares 6-Gang-Getriebe (ZF 6 S 1000 TO), welches besonders auch im extremen Gelände jederzeit optimale Kontrolle über die aktuelle Traktion gibt und die Kraft über ein zentrales Verteilergetriebe (mit schaltbarer Gelände-Untersetzung) an die Achsen verteilt.
Je nach Situation kann der Fahrer pneumatisch sowohl die im Verteilergetriebe integrierte Längs-Differentialsperre als auch in jeder Achse eine Quersperre dazuschalten, um die an den Rädern zur Verfügung stehende Traktion weiter zu steigern. In Kombination mit Hochverlegung von Entlüftungsleitungen etc. ist der UVT in der Lage, Steigungen von bis zu 100 % (45°) zu erklimmen oder z. B. auch Hochwasser-Bereiche, Bäche o. Ä. bis zu einer Tiefe von 1,20 m dauerhaft zu befahren.
Eine passend ausgelegte Bremsanlage (robuste Trommelbremsen mit ABS & ALB), Zusatz-Motor-bremse, verstärkter Drehstromgenerator, NATO-Batterien und 2 elektr(on)isch vollständig in das Bordnetz integrierte Tarnlicht-Systeme (NATO & IR) runden das Mobilitätspaket ab und erleichtern das Fahren auch bei widrigen Bedingungen.
Die 3-Personen-Großraumkabine bietet durch verstellbares Lenkrad, hydraulische Lenkung, Klimaanlage, luftgefederte beheizbare Komfortsitze für Fahrer und Beifahrer, zusätzlichen Mittelsitz, elektrische Fensterheber, ZV, Standheizung, beheiz-/ verstellbare Spiegel, Radio, Freisprecheinrichtung, Navigationssystem, Rückblickkamera u. v. a. m. ein besonders hohes Maß an Komfort und Sicherheit. Für die über die Grundausstattung hinausgehenden spezifischen UVT-Ein-/Ausbauten zeichnet ebenfalls Fa. BINZ verantwortlich, um sowohl die Kabine als auch den sanitätsdienstlichen Arbeitsraum zu komplettieren.
Hierzu gehören links und rechts vom Mittelsitz entsprechende Einbau-Racks, welche rüstsatztechnisch für diverse militärische Kommunikations- und Führungssysteme vorbereitet sind („Plug & Play“), ein modernes Power-Management (Bordnetz-Überwachung), Waffensäcke für Bw-übliche Handfeuerwaffen und flexibler Stauraum für persönliche Ausrüstung. Der UVT hat – von wenigen geringfügigen Abweichungen abgesehen – einen vollwertigen RTW-Ausbau gemäß DIN EN 1789 (Typ C) inklusive aller einschlägig bekannten und im zivilen Rettungsdienst heute üblichen medizin- und gerätetechnischen Ausstattungen.
Mit ca. 18 m3 Nutzvolumen, großzügigen Zugangstüren, klappbarer Sicherheitstreppe, großen Fensterflächen, leistungsfähiger Beleuchtung, Zusatz-Klimatisierung, flexibler Bestuhlung, Aufschaltfähigkeit aller Funkkanäle auf jeden Platz (Thales - SOTAS Light) und vielen Stauräumen für Ausrüstung und Zubehör erleichtert der UVT die Abwicklung zukünftiger Einsätze und Notfall-Behandlungen ungemein.
Hinzu kommt das integrierte Sicherheitskonzept, welches u.a. auf klassischer Karosserie-Bauweise basiert (Gerippe-Bau und massive Profile/Paneele), welche bei Bedarf auch noch nachträglich Anpassungen erlaubt und im Falle eines Crashs (Überschlages) deutlich höhere passive Sicherheitsreserven bietet als handelsübliche Kunststoff-Sandwich-Strukturen (Überlebensraum-Aufrechterhaltung).
Das UVT-Konzept stellt einen Quantensprung dar im qualifizierten militärischen Patiententransport und erlaubt eine sehr hochwertige und frühzeitig mögliche und auch rettungsmedizinisch fachgerechte Grund-/Erstversorgung. Highlight ist hierbei auch ein neu entwickelter elektrischer Tragentisch (Belastbarkeit 200 kg), welcher das Verladen von Patienten ohne Überschreiten der maximal zulässigen Neige-Winkel höchst ergonomisch durch eine einzige Person ermöglicht.
Abgerundet wird der Aufbau durch eine vom Behandlungsraum komplett getrennte Technik-Sektion (Koffervorderseite), welche neben Zusatzbatterien (Pufferbetrieb ohne lfd. Motor), Klima-/Heiz-Technik, zentraler Elektro-Verteilung (mit servicefreundlichen Automatik-Sicherungen) auch noch zusätzlichen Stauraum und eine bei Abfahrt selbsttätig trennende RettBox-Steckdose beinhaltet, welche mittels 230-V- und Druckluft-Einspeisung eine sofortige Startbereitschaft in dazu geeigneten Liegenschaften gewährleistet.
Eine besondere Stellung im Vergleich zu anderen Lkw hat der UVT auch im Hinblick auf Achslasten und Gewicht. Mit einem militärischen Gesamteinsatzgewicht (inkl. Mannschaft, Ausrüstung, Zubehör, Funk/Führung und allen Betriebsmitteln) von lediglich ca. 10,5 t verfügt das Konzept aufgrund 15 t zulässiger Gesamtmasse im Basis-Chassis über eine extrem komfortable reale Nutzlastreserve von ca. 4,5 t, woraus im Hinblick auf zukünftige Aufwuchs-Wünsche oder potentiell noch kommende neue Notwendigkeiten eine enorme Sicherheit resultiert.
Ebenso erwähnenswert ist die perfekte Trimmung bzw. gleichmäßige Verteilung der Achslasten vorne/hinten (je ca. 50 %), was fahrdynamisch – speziell auch in schwerem Gelände – generell das erstrebenswerte Optimum darstellt.
Damit einher geht – anders als bei Marktbegleitern – auch eine uneingeschränkte Tauglichkeit des UVT zum Anhängerbetrieb, was sich – per NATO-AHK K4D – auch hier in einer hohen zulässigen Gesamtzugmasse von 28 t widerspiegelt.
Aufgrund Querschnittlichkeit im Basischassis und dessen erprobter Konstruktionsprinzipien, die sich schon seit > 1 Jahrzehnt auch in internationalen Einsätzen in Lkw 4x4 ZLK 1-3 t bewähren, ist davon auszugehen, dass auch diese Lkw-Generation bei späteren Bw-Kraftfahrern auf Anhieb auf große Akzeptanz stoßen wird.
Ähnliche Beweggründe dürften auch zu weiteren aktuellen Bw-Auftragsvergaben geführt haben. Hier sind u.a. weitere 200 x Trakker 6x6 hüms mit 15ft-Wechselrahmen zu nennen (ZLK 3 - 10t), welche weiter auf der bewährten Euro-VI-mil-Version basieren, sowie weitere 100 x Eurocargo 4x4 hüms mit 10ft-Wechselrahmen (ZLK 1 - 3t), welche BwFPS-bewirtschaftet ergänzend zu den 294 UVT in Kürze auch noch zulaufen werden.
Das abgerufene 1. UVT-Kontingent läuft bereits beginnend seit Q1-2023 in sukzessiv steigender monatlicher Kadenz der Truppe zu. Ziel ist 2027 für eine Vollausstattung aller dafür vorgesehener Truppenteile und Dienststellen, zu denen auch Flugunfallbereitschaften gehören und deren Schwerpunkt auf der sanitätsdienstlichen Grundversorgung von Truppen- und Standort-Übungsplätzen liegt. Inwieweit die in den UVT reduzierte Transportkapazität auf nur noch 1 Patienten (im Gegensatz von bis zu 4 im KrKW) im täglichen Betrieb evtl. eine „Versorgungsunterdeckung“ aufzeigen wird, bleibt sicherlich abzuwarten.
Je nach Art der kommenden „Lessons learned“ ist es angesichts der großzügigen Raumverhältnisse und der freien Nutzlast bei einem Bw-Bedarf nach weiteren Ausbauvarianten (mit größerer Transport-Kapazität) sicher möglich, in kurzer Zeit auch solche Ausbauvarianten bereitstellen zu können. Ein 1. Lösungsvorschlag hierfür war auf der jüngst stattgefundenen RettMobil-Messe in Fulda am Stand der Fa. BINZ bereits zu sehen.
Trotz der großen Komplexität im UVT-Projekt ist erstaunlich, wie es Iveco erneut gelungen ist, auch bei dieser Beschaffung für die Soldaten, Logistik und Instandsetzungsbereiche bestmöglich „Einheit in der Vielfalt“ zu bewahren, wofür wichtige Impulse auch von weit vorausdenkenden Projektleitern und Experten des BAAINBw und im Sanitätsdienst mit eingeflossen sein dürften.
In der Annahme, dass die UVT sich auch im täglichen Einsatz als verlässlicher Partner bewähren und im Hinblick auf die große Anzahl weiterer noch zu ersetzender Altfahrzeuge dürfte es – auch angesichts der anhaltenden Spannungen im Ukraine-Konflikt – ziemlich sicher sein, dass dieses 1. Los erst der Anfang einer am Ende vielleicht sogar langanhaltenden Beschaffungsreihe sein könnte …
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2023
Iveco Magirus AG
Nicolaus-Otto-Straße 27
89079 Ulm / Germany
www.magirusgroup.com