22.03.2021 •

Suchtprävention als Baustein der Inneren Führung

Zentrale Ansprechstelle am ZInFü bietet Unterstützung für Vorgesetzte und Betroffene

J. Ohm¹

ZInfüBw

Das Zentrum Innere Führung (ZInFü) besteht seit 1956 und ist das richtungsweisende Ausbildungs- und Kompetenzzentrum der Führungskultur der Bundeswehr. Es wirkt als national anerkanntes und international vernetztes „Center of Excellence for Leadership Development and Civic Education“ der Bundeswehr mit Leitfunktion für die Weiterentwicklung, Gestaltung und Vermittlung der Inneren Führung. Das ZInFü setzt den Rahmen für Inhalte und Themen und damit zu allen Gestaltungsfeldern der werteorientierten Führungs- und Organisationskultur.

Es ist zugleich die zentrale Ausbildungseinrichtung zur Weiterentwicklung individueller Führungskompetenzen. Wir erreichen mit Seminaren in der Truppe und lokalen Lehrgängen in Koblenz, Berlin und Straußberg bis zu 12.000 Lehrgangsteilnehmende pro Jahr. Mit dem Portal Innere Führung (PIF) stellt das ZInFü Führungskräften und allen Interessierten der Bundeswehr digitale Präsentationen, Ausbildungsmaterialien und Hintergrundinformationen rund um die Themen der Inneren Führung bereit.

In seiner Beratungsfunktion für die politische Leitung ist das ZInFü ein wichtiger Sensor zur Erkennung und Bewertung relevanter Entwicklungen in Bundeswehr und Gesellschaft mit der Fähigkeit zur Ableitung handlungsleitender Empfehlungen. Zudem leistet es mit seinen Ansprech- und Leitstellen einen einzigartigen und wirkungsvollen Beitrag zur Unterstützung aller Führungskräfte und Betroffenen in der Bundeswehr.

Sucht als ein Problembereich – auch in der Bundeswehr

Sucht ist kein Randproblem in unserer Gesellschaft. Sie betrifft viele Menschen in Deutschland – und damit auch in der Bundeswehr. Abhängigkeiten und Suchterkrankungen haben neben psychischen, körperlichen und sozialen Folgeerscheinungen auch wesentliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Vor allem der Ge- und Missbrauch von bewusstseinsbeeinträchtigenden Suchtstoffen birgt im Dienstalltag der Bundeswehr besondere Risiken: Beim Umgang mit Waffen, Munition, Fahrzeugen und anderem Gerät besteht ein hohes Risiko der Eigen- und Fremdgefährdung. Daher wird der Konsum illegaler Drogen in der Bundeswehr grundsätzlich dienstrechtlich geahndet. Um Betroffenen zu helfen und deren Kameraden bzw. Kollegen zu schützen, ist es daher umso wichtiger, die Angehörigen der Bundeswehr eingehend über das Thema „Suchtmittelgebrauch“ aufzuklären. Unsere präventiven Programme und Maßnahmen zielen insbesondere darauf ab, den Missbrauch von legalen und illegalen Suchtmitteln zu verhindern. Außerdem werden Betroffene bei der Überwindung ihrer Abhängigkeit unterstützt, um so zur Abstinenz zu gelangen und diese auf Dauer zu bewahren.

Team der Ansprechstelle
Team der Ansprechstelle
Quelle: ZInfüBw

Ansprechstelle für Vorgesetzte und Betroffene

Die zentrale Ansprechstelle Suchtprävention (ZAS) wurde gemäß Einsetzungserlass des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg) im April 2019 gegründet und ging aus dem ehemaligen Dokumentationszentrum Suchtprävention am ZInFü hervor. Sie hat keinen kurativen Behandlungsauftrag, sondern ist vorwiegend konzeptionell und in der Lehre tätig. Das Aufgabenspektrum reicht von der Unterhaltung eines Netzwerkes zum Thema Suchtprävention in der Bundeswehr, der Entwicklung von Ausbildungshilfen, dem Aufbau einer Wissensbasis bis hin zur Erstellung einer webbasierten Lernplattform. Neben der Unterstützung der fachlich zuständigen Referate BMVg, der Bearbeitung von ministeriellen Aufträgen und der Vermittlung von Angeboten für die Weiterbildung, liegt der Schwerpunkt des Leistungsangebotes in der Lehre am ZInFü. Eine komprimierte Lehreinheit ist beispielsweise integraler Bestandteil des Kursangebotes „Innere Führung mit Kompaniefeldwebeln“. Hier wird für diese wichtige Zielgruppe innerhalb der Streitkräfte ein Basismodul vermittelt, das den prinzipiellen Umgang von Führungskräften mit dem Thema Sucht schult.

Die Lehrgangsteilnehmer berichten nahezu ausnahmslos von Erfahrungen im Umgang mit suchtmedizinischen Themen. Dabei fällt interessanterweise markant auf, dass der verbreitete Konsum und die schädlichen Folgen von Nikotin oft unterschätzt werden. Das Thema Spielsucht gewinnt nach Aussage der Teilnehmer stetig an Bedeutung. Eine wissenschaftliche Evaluation eines Gesamtlagebildes zum Thema Sucht in der Bundeswehr bleibt wünschenswert und wird deshalb auch angestrebt.

Ein differenzierterer Zugang zum Thema Suchtprävention wird in einem einwöchigen Lehrgang angeboten. Hier stehen Module aus dem Bereich Medizin, Sozialdienst, Disziplinarrecht und Selbsthilfegruppen auf dem Programm. Darüber hinaus wird den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, mit Betroffenen in Kontakt zu treten und eine Fachklinik zu besuchen. In einem Kurzworkshop entwickeln die Lehrgangsteilnehmer Ansätze für ein individuelles Präventionskonzept ihrer eigenen Dienststelle. Bei Interesse werden zusätzliche Ausbildungsinhalte, zum Beispiel eine Weiterbildung zum Suchtkrankenhelfer dargestellt und vermittelt. Die Netzwerkbildung unter den Kompetenzträgern wird gefördert. Der Kurs findet bis zu viermal im Jahr mit bis zu 20 Teilnehmern statt. Zukünftig soll eine Absolvententagung mit der Besprechung weiterführender Inhalte aufgebaut werden.

Kleines Team mit Kompetenz

Die ZAS wird von einem Oberfeldarzt geleitet und von einem Hauptfeldwebel unterstützt. Das Team bringt ausgeprägtes Interesse für suchtmedizinische Themen mit und ergänzt sich in somatischen, bzw. nichtsomatischen Kompetenzen. Der Dienstposteninhaber ist gleichzeitig leitender Sanitätsoffizier (LSO) am ZInFü und leitet zudem das Dezernat Betreuung und Fürsorge, in dem auch die Leitstelle Lotsen eingebettet ist. Des Weiteren verfügt der Dezernatsleiter unter anderem über eine Facharztqualifikation und die Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung“. Aufgrund der Aufgabenvielfalt und der begrenzten personellen Besetzung der Ansprechstelle können Lehrveranstaltungen zum Thema Suchtprävention in der Truppe nur begrenzt angeboten werden. Die Nachfrage nach solchen Veranstaltungen übersteigt bei weitem das mögliche Angebot, weshalb mittelfristig die Personalausstattung angepasst werden könnte.

Generelle Beratungsanfragen können bundesweit telefonisch, im Ausnahmefall auch persönlich erfolgen. Aufgrund der fachlichen Weitläufigkeit des Themas besteht ein enger Abstimmungsbedarf mit dem psychosozialen Netzwerk der Bundeswehr, insbesondere mit dem zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr. Zwei Jahre nach Übernahme des Dienstpostens und nach konzeptioneller Neuausrichtung der ZAS bleibt aus Sicht des Autors festzustellen, dass die Nachfrage nach Beratungsleistungen zum Thema Suchtprävention unverändert hoch und die Existenz der Ansprechstelle für die Bundeswehr absolut sinnvoll ist.

Die Zentrale Ansprechstelle für Suchtprävention der Bundeswehr steht also allen Dienststellen der Bundeswehr als zentraler Ansprechpartner bei Fragen zur Suchtprävention und Abhängigkeitsbekämpfung zur Verfügung. Neben der Aus- und Weiterbildung von Vorgesetzten und Multiplikatoren stellt die fachliche Beratung bei der Erstellung von themenbezogenen Unterrichtshilfen und Informationsmaterialien einen weiteren Aufgabenschwerpunkt dar. Aktuell werden zwei Handreichungen zum Thema Suchtprävention angeboten, die im Portal Innere Führung (Wiki-Bereich im Intranet der Bundeswehr) unter Menschenführung abrufbar sind. 

1 Aus dem Zentrum Innere Führung der Bundeswehr (Kommandeur: Generalmajor André Bodemann)

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