02.09.2024 •

Sonographie im Einsatz

Möglichkeiten und Limitierungen

H. Berling

Die Entwicklung des medizinischen Ultraschalls wurde nach den ersten Verwendungen in der Neurologie in den 1950er Jahren zur Darstellung von Ventrikeln mittels A-Mode in den darauffolgenden Jahren immer weiter vorangetrieben. Durch die nichtinvasive Bildgebung von inneren Organen und Strukturen mittels B-Bild und ergänzt bei beweglichen Strukturen durch den M-Mode konnte wichtige Informationen schnell und reproduzierbar für die weitere Diagnostik und Therapie von einer Vielzahl von Patienten erreicht werden.

Die weiter voranschreitende technische Entwicklung, die mittlerweile bei drei- und vierdimensonalen Bildern von Herzklappen angelangt ist und die Verwendung von speziellen Kontrastmitteln für Ultraschall ermöglicht, erweitert das Spektrum erneut.

Schockraum-Management in Altenözü, im Vordergrund das US-Tablett (gerade...
Schockraum-Management in Altenözü, im Vordergrund das US-Tablett (gerade Primary Survey durch den Chirurgen)
Quelle: Bundeswehr/Harald Anton Berling

In vielen klinischen und auch in präklinischen Bereichen ist der Ultraschall als diagnostisches und zunehmend auch therapieunterstützendes Verfahren (wie beispielsweise endosonographische Anlagen von Stents im Gastrointestinaltrakt) nicht mehr wegzudenken. Interdisziplinär hat sich der Ultraschall zu einer wichtigen Säule der Diagnostik, der Therapie und der Therapiekontrolle entwickelt und eigentlich keine Fachdisziplin ausgespart.

Diese ubiquitäre Präsenz hat sich in den letzten Jahren auch zu einem wichtigen diagnostischen und auch therapieunterstützenden Werkzeug in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr entwickelt. Als Mittel der weiteren Therapie- und Diagnostik-Entscheidung im Rahmen akuter Verletzungen und Erkrankungen als auch im Bereich der konservativen Medizin ist die Ultraschalluntersuchung unverzichtbar geworden.

Dies ist insbesondere durch die eingeschränkten weiteren Möglichkeiten der Diagnostik in den Einsatzszenarien (z. B. fehlende weiter Schnittbildgebung) und der hohen Mobilität und Verlegefähigkeit der medizinischen Einrichtungen bedingt und kann hiermit die Effektivität der Behandlung nachhaltig verbessern.

Entwicklung in den Einsätzen

Als 2006 ein Luftlande Rettungszentrum/Role 2 im Rahmen des Einsatzes EUFOR RD Kongo in Kinshasa zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der dort stationierten Truppen verlegt wurde, gehörte zur Ausstattung auch das Sono-Side 180Plus – bildtechnisch noch eingeschränkt (die Bilddiagonale entsprach in etwa einem heutigen Mobiltelefon), aber im Vergleich zu großen Ultraschallgeräten in den Krankenhäusern für diesen Einsatz eine Bereicherung der Diagnostik.

Die Entwicklung bis zum „letzten“ großen Einsatz, der Erdbebenhilfe in der Türkei (auch hier wurde eine Role 2 eingesetzt), zeigte sich auch im Bereich der Ultraschall-Technik, die sowohl im Bereich der Bildqualität als in Sachen der Mobilität weitreichende Fortschritte mit sich brachte. Dabei kamen Geräte von Philips (Lumify) und Toschiba zum Einsatz.

In Einsätzen mit langer Stehzeit und festen Unterkünften, wie bei den Stabilisierungseinsätzen ISAF/RSM in MES/AFG oder KFOR in Prisren im Kosovo hatten sich „große“ Ultraschall-Geräte, wie das Phillips HD 7 bewährt. Für „kleinere“ Einsätze und Einheiten mit rascher Einsatzverfügbarkeit (z. B. MilEvacOp) haben sich Geräte mit geringeren Packmass und Gewicht, wie das Lumify von Philips etabliert.

Mittlerweile ist die Diagnostik mit Hilfe des Ultraschalls aus vielen Algorithmen nicht mehr wegzudenken und integraler Bestandteil auch in den verschiedenen Einsatzszenarien der Bundeswehr geworden. Die Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) mit den entsprechenden Szenarien ist auch für die Ausrüstung im Bereich der Ultraschallgeräte mit den entsprechenden Anforderungen zu beachten.

Diagnostik-Platz in Altenözü mit Sonographie
Diagnostik-Platz in Altenözü mit Sonographie
Quelle: Bundeswehr/Harald Anton Berling

Personelle Herausforderungen

Für die Verwendung des Ultraschalls für die verschiedenen Einsatzszenarien ergibt sich aber auch ein Spannungsfeld mit nicht unwesentlichen Folgen für Beschaffung und Ausbildung:

In der medizinischen Aus- und Weiterbildung in Deutschland erfolgt eine immer tiefere Spezialisierung von Fachdisziplinen sowohl in den konservativen wie auch den operativen Fächern. So wird z. B. der „Allgemein-Internist“ nur noch einer kurzen gemeinsamen Ausbildung aller internistischer Facetten als commun-trunk gewürdigt und die Spezialisierung zum Kardiologen oder Gastroenterologen schneller vorangetrieben. Nach erfolgter Facharztweiterbildung ist dann (gerade in der klinischen Verwendung in größeren Häusern) die weitere Spezialisierung, wie z. B. zum Rhythmologen gewünscht und angestrebt. Analog hierzu werden die technischen Ausrüstungen auf diese Spezialisten maßgeschneidert und mit immer mehr technischen Finessen und Features ausgestattet – unterstütz hierbei auch durch die Weiterentwicklung der Technik. In der Kombination ergibt das eine zugegeben überwältigende Bild- und Diagnostikqualität, die sich jedoch einerseits zu Lasten von Mobilität der Geräte und der Beschaffungskosten niederschlägt und andererseits die medizinische Spezialisierung auf ein enges Spektrum der Fachprofession „einengt“.

Dem gegenüber steht die Notwendigkeit einer in den Einsätzen raschen und umfassenden (im Sinne von zielführender) Diagnostik, die aufgrund der Einsatzbedingungen nicht auf die technischen und personellen Ressourcen wie in Deutschland zurückgreifen kann, aber letztendlich im Endeffekt das gleiche medizinische Ergebnis wie im Heimatland erbringen soll.

In diesen Szenarien ist es – als Beispiel aus der eigenen Fachdisziplin – personell sinnvoll, einen „Generalisten“ der Inneren Medizin und keinen Spezialisten aus einem Fachbereich z. B. Kardiologie oder Gastroenterologie einzusetzen, der zwar in seiner Profession beste Ergebnisse erzielen kann (soweit ihm die dafür notwendige Ausrüstung zur Verfügung steht), aber in den übrigen Fachdisziplinen nicht oder nur rudimentär bewandert ist.

Diese Entwicklung in Deutschland muss von Seiten der Bundeswehr und des Sanitätsdienstes weiter im Auge behalten werden, um die Einsatzfähigkeit und Sicherstellung einer adäquaten Diagnostik und Therapie zu gewährleisten.

Im Bereich der Einsatzvorbereitung – und hier sind sowohl Beschaffung der Ausrüstung und die Kenntnisse und Ausbildung des eingesetzten Personals gemeint – sind wichtige Voraussetzungen zu treffen, um einen effektiven und auch ressourcenschonenden Einsatz von Personal und Technik zu ermöglichen.

Einsatzspektrum

Der Einsatz von Ultraschall kann sowohl präklinisch als auch im klinischen Bereich erfolgen – folglich können alle Ebenen der Verwundetenversorgung hiermit ausgestattet sein. In dieser Betrachtungsweise ist es zunächst nicht relevant, in welchem Einsatzszenarium man sich befindet: die Rettungskette (und auch die Versorgung nicht traumatischer Erkrankungen) erfolgt nach demselben (im Einzelfall und den Einsatzumständen angepassten) Prinzip auf verschiedenen Ebenen bis zur letztendlichen Repatriierung in das Heimatland.

Die präklinische Diagnostik ist mehr als andere Bereiche von einer hohen Mobilität und Eigenständigkeit der Technik abhängig und ist auch im Inland in der Verwendung im zivilen Rettungsdienst nicht flächendeckend verfügbar. Wie in anderen Bereichen ist auch hier eine Ausbildung sowohl für die technische Handhabung als auch in der Verwendung und Interpretation der Befunde ein wichtiges Element, um die Versorgung des Patienten durch dieses zusätzliche Instrument zu optimieren und – gerade im Einsatzgeschehen – eine präklinische Therapie zu optimieren. Beispielhaft sei die Detektion von Pneumothorax mit anschließender Entlastung genannt. Durch verschiedene Weiterentwicklungen, wie telemedizinische Expertise durch die Versendung von Bildern und Befunden, wird versucht, diese Versorgung noch weiter zu optimieren, jedoch sind diese auch in anderen Ländern noch nicht etabliert und vielerorts noch Gegenstand von Machbarkeitsstudien.

Für die Diagnostik im Schockraum und in der Notaufnahme – und hier insbesondere für Traumapatienten – ist der Ultraschall sowohl in Deutschland als auch in den verschiedenen Einsätzen der Bundeswehr ein mittlerweile unverzichtbares Mittel, um eine zielgerichtete Versorgung von Patienten zu erreichen.

Neben den traumatologischen Protokollen wie E-FAST (Extended Focused Assessment with Sonographie in Trauma) und RUSH (Rapid Ultrasound in Shock and Hypotension) stehen auch für nicht-traumatologische Patienten Protokolle für die rasche Entscheidung einer weiterführenden Diagnostik und Therapie im Schockraum zur Verfügung (z. B. FATE = Forward Assessed Transthoracic Echo, FEEL = Focused echocardiographic evaluation in life support und BLUE = Bedside Lung Ultrasound in Emergency).

Allen diesen standardisierten Untersuchungsabläufen ist jedoch gemein, dass sie einer gezielten Ausbildung bedürfen und regelmäßig angewendet werden sollten. Und auch die zielgerichtete Diagnostik außerhalb von diesen Protokollen erfordert neben der Kenntnis des verwendeten Gerätes die manuelle Fähigkeit und Interpretationssicherheit, die nur durch Training erlernbar ist.

Auch für die Diagnostik in den konservativen Fächern außerhalb des Schockraums hat sich der Ultraschall etabliert und wird hier sowohl im Bereich der Kardiologie, Gastroenterologie als auch in der Pulmologie eingesetzt – im Sinne des „Einsatzinternisten“ in Personalunion als Allgemein-Internist. Auch als ergänzendes Tool in der Diagnostik von chirurgischen und insbesondere traumatologischen Patienten hat diese Untersuchungstechnik ihren Stellenwert gefunden und die tägliche Intensivvisite wird durch die „Point of Care“ (POC)-Diagnostik, z. B. für den Flüssigkeitsstatus genutzt und im Bereich der Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie wird für Interventionen (z. B. Anlage zentraler Venenkatheter) die rasche Verfügbarkeit des Ultraschalls genutzt.

Limitierungen

Wie bei anderen Untersuchungen müssen bei Gebrauch des Ultraschalls auch die Einschränkungen bedacht werden.

Der Ultraschall – in welcher Weise auch immer eingesetzt – ist immer im Kontext der Problematik des Patienten und der Klinik zu sehen und kann die weiterführende Diagnostik bestimmen. Eine absolute Sicherheit für Diagnosen kann aber auch hier nicht erreicht werden. Zudem sind gerade bei POC-Untersuchungen die Voraussetzungen des Untersuchten oftmals nicht ideal und schränken die Ergebnisse in gewisser Weise auch ein.

Wie auch im heimatlichen klinischen Setting sind auch bei Ultraschallbefunden die sich daraus ergebende Konsequenz zu betrachten. Bei nicht eindeutigen Befunden ist im Inland in der Regel eine weiterführende Diagnostik im Sinne einer Schnittbildgebung zu veranlassen. Diese ist oftmals im Einsatzszenarien nur unter gewissen Einschränkungen möglich und wird – bei der eigenen Truppe – je nach Klinik und Befund eher zu einer Repatriierung führen.

Zudem sind Untersuchungen wie TEE (transösophageale Echokardiographie) oder CEUS (Kontrastmittel unterstützter Ultraschall) weitere Optionen im Bereich der Ultraschalluntersuchungen, die jedoch aufgrund der dafür notwendigen technischen und personellen Voraussetzungen eher nicht für das Einsatzgeschehen bis Role 2 geeignet sind.

Erfordernisse

Wie bei anderen medizinischen Untersuchungstechniken ist, wie bereits erwähnt, eine adäquate Ausbildung und auch der Erhalt der Fähigkeiten sowie die Einordnung von Befunden ein wesentlicher Aspekt auch in der Ultraschalluntersuchung.

Für die oben bereits erwähnten Protokolle E-FAST und FATE ist eine Ausbildung für das strukturierte Vorgehen notwendig. Diese Skills sind nicht alleine durch das Studium von Lehrbüchern und Artikeln zu erlernen, sondern erfordern ein Erlernen „am lebenden Objekt“, ein manuelles Geschick und die Kenntnisse der technischen Möglichkeiten (und Einschränkungen) der Gerätschaften.

Hier sind sowohl die chirurgischen als auch die konservativen Fächer vorrangig in den Bundewehrkrankenhäusern (BwKrhs) gefordert. Sosehr sich die oben beschriebenen Protokolle auch in den heimatlichen Schockräumen etabliert haben, sind die Ausbildungen gezielt durchzuführen und neben der Ausbildung zum Facharzt (sowohl konservativ als auch chirurgisch intendiert) zu integrieren. Dies erfordert erfahrungsgemäß zusätzliche Zeit und Anstrengungen, die sich aber in den Einsätzen bewähren und bringt gerade für jüngere Kollegen ein gewisses Maß an Sicherheit für diese Untersuchungen. Im BwKrhs Hamburg erfolgt ein- bis zweimal jährlich eine strukturierte curriculäre FATE-Ausbildung in Kleingruppen, die auch interdisziplinäre besetzte sind und nicht nur internistische Weiterbildungsassistenten beinhalten.

Neben der einsatzorientierten Ausbildung ist auch die technische Ausrüstung der einzelnen Versorgungsebenen mit Geräten sicherzustellen, die idealerweise identisch sind und mit denen bereits im Heimatland die Ausbildung erfolgt. Gerade im Bereich der POC-Untersuchungen sollte dies in den BwKrhs mehr etabliert werden, da hierdurch die manuelle Handhabung und Interpertationssicherheit gefördert wird und als Nebeneffekt in vielen Fällen für „kleinere Untersuchungen“ (z. B. Kontrolle Aszites, Kontrolle Pleuraerguss) die Ressourcen in der Sonographie geschont werden können.

Entwicklungen

Die präklinische Verwendung von Ultraschall ist in Deutschland immer wieder ein Diskussionsthema und hat sicherlich auch seine Berechtigung, ist aber – wie auch in jedweder anderen Verwendung – von der Ausbildung und des manuellen Geschickes abhängig. Zudem erfordert dies in den Einsätzen auf den Rettungsmittel entsprechend robuste Geräte. Inwieweit sich diese Entwicklung auch in den Einsatzszenarien der Bundeswehr niederschlägt, ist von vielen Faktoren abhängig und noch nicht abschließend geklärt.

Für die Interpretation von Befunden (auf welcher Versorgungstufe auch immer) ist ein Erfahrungsstand erforderlich, der manchmal in den Einsätzen nicht vorhanden ist – insbesondere, wenn z. B. keine internistische Fähigkeit gefordert oder vorhanden ist und „nur“ eine truppenärztliche Versorgung erfolgt. Hier kann eine telemedizinische Unterstützung nützlich sein, die jedoch eine entsprechende Ausrüstung im Einsatzland und im dazugehörigen Zentrum (in der Regel ein BwKrhs) voraussetzt. Entsprechende Versuche im Inland auch am BwKrhs Hamburg haben den Nutzen, aber auch die Einschränkungen aufgezeigt.

Aber auch hier muss vor Einsatz der Technik neben den strukturellen Voraussetzungen auch eine entsprechende Ausbildung des Anwenders im Einsatz erfolgen.

Zusammenfassung

Wie erwähnt hat sich aufgrund verschiedener Aspekte der Ultraschall in den Einsatzszenarien der Bundewehr etabliert. Die technische Entwicklung hat immer bessere Bildqualitäten und mobilere, handlichere Gerätschaften hervorgebracht und somit die Einsatzfähigkeit immer mehr verbessert. Nichtsdestotrotz ist nicht nur die technische Entwicklung entscheidend, sondern auch die entsprechende Ausbildung des medizinischen Personals essenziell um den Nutzen dieser Technik voll auszuschöpfen.

Im Zusammenspiel von Anamnese, klinischen Befund und weiteren Diagnostika ist der Ultraschall auch im Einsatz für die zielgerichtete Diagnostik und Therapie nicht mehr wegzudenken. Auch bei Fokussierung der Einsatzszenarien der Bundewehr auf LV/BV muss gerade in Hinblick auf die Nutzung und Entwicklung dieser Technik und der Ausbildung geachtete werden. Diese interdisziplinäre Untersuchungstechnik war in den bereits erfolgten Einsätzen von Nutzen und sollte in den kommenden Szenarien mit den oben beschriebenen Voraussetzungen an Technik und Ausbildung weiter integraler Bestandteil der Versorgung der Truppe sein. 



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