Schlaf ist eine Waffe
Erprobung und Evaluierung circadianer Seewachsysteme zur Reduzierung von Ermüdung für die Deutsche Marine
Melanie Giesche, Andrea Milbrodt, Thomas Sabbagh, Stefan Röttger
Zusammenfassung
Hintergrund: Traditionelle Wachsysteme, die in der Seefahrt genutzt werden, verursachen Erschöpfung bei seefahrendem Personal. Zu wenig Schlaf in der Nacht führt zu Erschöpfung und zu einer reduzierten Vigilanz. Es wird angenommen, dass circadiane Wachsysteme diese negativen Auswirkungen reduzieren können.
Methode: Im Feldversuch mit zwei Minenjagdbooten wurde mit 67 Soldatinnen und Soldaten ein circadianes Wachsystem (7–5-5–7, beginnend 3.00 Uhr) im Vergleich zum traditionellen 6er Wachsystem (beginnend 00.00 Uhr) gefahren. Im Cross-Over-Design wurde jeweils für sieben Tage entweder das neue oder das traditionelle Wachsystem gefahren. Erhoben wurden Ruhe- und Schlafenszeiten, subjektive Müdigkeit, Erschöpfung und Reaktionszeiten sowie Fehler im Psychomotor Vigilance Test (PVT). Zur Durchführung des PVT und zur Bestimmung der Ruhe- und Schlafphasen trugen die Teilnehmenden Aktigraphen am Handgelenk. Die subjektive Müdigkeit wurde mit verschiedenen Fragebögen evaluiert (Fatigue Severity Scale (FSS), Karolinska Sleepiness Scale (KSS), Epworth Sleepiness Scale (ESS)).
Explorativ wurden auf dem EGV BERLIN in verschiedenen Zeiträumen 3-er und 4-er Wachsysteme ohne Rotation erprobt. Hierbei lag der Fokus vor allem auf der Gestaltung der organisatorischen Rahmenbedingungen. Das neue Wachsystem sollte geeignet sein, um langfristig und durchhaltefähig den kompletten Dienst an Bord abzubilden.
Ergebnisse: Aktuell werden die Daten statistisch ausgewertet, so dass die finalen Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt präsentiert werden. Aus den Rückmeldungen der Soldaten und Soldatinnen lässt sich jedoch schließen, dass die circadianen Wachsysteme grundsätzlich umsetzbar sind. Allerdings gäbe es organisatorisch noch Verbesserungsbedarf, so dass die Wachsysteme oft, aber nicht durchgehend positiv bewertet werden.
Fazit und Ausblick: Die bisherige Erprobung der neuen Seewachsysteme hat aufgezeigt, dass eine Modifizierung bis dato etablierter Schiffsroutinen geeignet sein kann, um dem betroffenen Personal Entlastung zu verschaffen und den vergleichsweisen erhöhten Belastungen des traditionellen Seewachrhythmus entgegenzuwirken. Fernziel ist der Aufbau einer Ansprechstelle für Wachplangestaltung und Fatigue Management am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SchiffMedInstM).
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Wehrmedizinische Monatsschrift 9/2022
Für die Verfasser:
RAmtfr Melanie Giesche
Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
Medizinische Ergonomie und Schifffahrtpsychologie
Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen
E-Mail: melaniegiesche@bundeswehr.org