20.09.2021 •

Rauchstopp! Vorstellung eines ambulanten ­Nikotinentwöhnungsprogramms in der Gruppe

P. T. Brüggemann, U. Wesemann, C. Helms

Einleitung

Das Rauchen von Tabak ist eine gesellschaftlich akzeptierte, legale und weitverbreitete Sucht in der Bevölkerung. Mit dem Konsum ist ein hohes Risiko auf Folgeerkrankungen (Herzkreislauferkrankungen, COPD, Lungenkarzinom) und sogar einem deutlich vorzeitigeren Tod assoziiert. In 2012 konnten weltweit 15 % der Todesfälle bei Männern mit einem Tabakkonsum in Verbindung gebracht werden, bei Frauen waren es insgesamt 7 %. In einer Veröffentlichung vom Statistischen Bundesamt aus dem Jahre 2019 rauchten in Europa im Jahre 2000 34 % der über 15-jährigen. In einer prognostischen Hochrechnung wurde bis 2020 mit einer Abnahme auf 25,5 % gerechnet.

Rauchen scheint einer der drei wichtigsten Einflussfaktoren bei Herzerkrankungen, Schlaganfällen und Diabetes-Typ-II-Erkrankungen in den Industrieländern zu sein und führt dadurch zu einer im Durchschnitt um zehn Jahre reduzierten Lebenserwartung im Vergleich zu Nicht-Rauchern. Neben körperlichen Auswirkungen werden bei Rauchern auch psychische Begleitphänomene beschrieben. So konnte insbesondere bei Patienten mit psychischen Erkrankungen nicht nur eine deutlich erhöhte Raucherquote nachgewiesen werden, sondern auch eine höhere Rate an Folgeerkrankungen.

Doch warum zeigt sich das Rauchen von Tabak in unserer Gesellschaft so weit verbreitet? Es scheint eine besondere Rolle in der Bewältigung von negativen Gefühlen (Affekten) zu spielen. Anspannungszustände und Stress können so kurzzeitig reduziert werden. Zusammenfassend können die kurzfristigen innerpsychischen Effekte als eine Art emotionsbezogenen Copings, mit einhergehender kurzer Entlastung verstanden werden.

Rauchstopp! Vorstellung eines ambulanten ­Nikotinentwöhnungsprogramms in der...
Quelle: Kohlhammer W. 2013 Zusatzmaterial, mit freundlicher Genehmigung

Gerade im militärischen Kontext kommt dem Rauchen daher eine besondere Bedeutung zu. Die Auftragserfüllen der militärischen Gemeinschaft baut auf eine körperliche und psychische Belastungsfähigkeit der einzelnen Soldaten, um die zum Teil sehr komplexen Aufgaben im In- und Ausland sicher und erfolgreich bewältigen zu können. Untersuchungen konnten belegen, dass Soldaten vor allem im Rahmen besonderer Auslandsverwendungen vermehrt externen Stressoren und potentiell traumatischen Ereignissen ausgesetzt sein können. Hier konnte ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Raucherinzidenz und der Teilnahme an Auslandseinsätzen gezeigt werden. Eine US-amerikanische Studie weißt nach, dass die Teilnahme an Kampfhandlungen ein stabilerer Prädiktor für das darauffolgende Rauchverhalten war, als die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Dies wurde insbesondere im Zusammenhang mit Stress-Coping diskutiert, was nicht nur bei Soldaten mit posttraumatischen Stresssymptomen zu finden war. Gerade hinsichtlich der mannigfaltigen langfristigen negativen Auswirkungen des Rauchens sind diese Studienergebnisse besorgniserregend, da hierdurch die Gesundheit der Soldaten potentiell reduziert werden kann.

Der Tabakentwöhnung sollte daher im Gesundheitssystem ein hoher Stellenwert zukommen, doch scheint es recht schwierig, Patienten den für sie geeigneten Rauchenentwöhnungsangeboten zuzuführen. Hier wiesen Studien Probleme auf verschiedenen Eben der Interaktion zwischen Behandlern und Patienten nach. Zum einen gaben etwa 55 % der Probanden an, nie (erinnerlich) von ihren behandelnden Hausärzten auf ihr Rauchverhalten hingewiesen worden zu sein. Weiterführend konnte gezeigt werden, dass die, die auf ihr Rauchverhalten hingewiesen worden waren, eher Versuche unternahmen, mit dem Rauchen aufzuhören. Es konnten zudem verschiedene Reaktionsmuster von Patienten identifiziert werden, wie diese auf die Konfrontation mit dem eigenen Rauchverhalten reagierten. In einer Studie aus Wales gaben die meisten Probanden an, dass sie über die negativen Konsequenzen gut informiert seien und die eigene Meinung bereits geformt sei.

Im Folgenden soll ein ambulantes, niederschwelliges, manualisiertes Raucherentwöhnungsprogramm, welches in einer initialen Erprobungsphase im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) ­Berlin Mitarbeitern angeboten wurde, vorgestellt werden. Durchgeführt wurde die Tabakentwöhnung in Anlehnung an das verhaltenstherapeutische Manual „Individualisierte Tabakentwöhnung“ von Torchala, Schröter und Batra und erweitert durch Auszüge aus Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit von Kröger und Lohmann.

Rekrutierung und Ablauf der Entwöhnung

Die Rekrutierung der Teilnehmenden für die Tabakentwöhnungs-Gruppe erfolgte über das betriebliche Gesundheitsmanagement des BwKrhs Berlins. Es konnten acht Patienten in das Programm aufgenommen werden, die sich wöchentlich 90 Minuten über einen Zeitraum von sechs Wochen trafen. Zwischen den Sitzungen erfüllten die Teilnehmenden Therapieaufgaben im Selbststudium.

Eingangsdiagnostik

Im Vorfeld wurde alle einmalig in unserer Ambulanz vorstellig. Neben der Diagnostik, bestehend aus einer psychiatrischen Untersuchung, dem Fagerström-Test (FTND) und dem Beck-Depressions-Inventar (BDI-II), wurde das Erstgespräch genutzt, um eine Einschätzung des Stadiums der Verhaltensänderung nach Prochasio und Di Climente vorzunehmen. Zusätzlich wurden Elemente der Motivierenden Gesprächsführung nach Miller und Rollnick angewendet, um die Therapieadhärenz zu stärken und motivationale Barrieren zu erkennen sowie hierauf zu reagieren. 

Die Probanden (jeweils vier Frauen und Männer) waren zwischen 32 und 57 Jahre alt. Bei der Hälfte von ihnen handelte es sich um Soldaten der Dienstgradgruppen Mannschaften bis Stabsoffiziere, die restlichen waren zivile Mitarbeiter. Nach dem BDI-II Depressionsscreening konnten bei niemanden Anzeichen eines depressiven Syndroms gefunden werden. Im FTND zeigte sich durchschnittlich ein Summenscore von 5,25 Punkten, was eine mittelgradige Nikotinabhängigkeit anzeigt.

Rauchstopp! Vorstellung eines ambulanten ­Nikotinentwöhnungsprogramms in der...
Quelle: Kohlhammer W. 2013 Zusatzmaterial, mit freundlicher Genehmigung

Medikamentöse Therapie

Während der Untersuchung wurden die Teilnehmer über etwaige medikamentöse Unterstützung der Raucherentwöhnung informiert. Diese Gespräche umfassten die Möglichkeiten der unterschiedlichen Applikationsformen (transdermal, nasal, sublingual) von Nikotinersatzmitteln mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Im speziellen wurde bei starken Entzugserscheinungen auch auf die Möglichkeit der Kombination von Nikotinersatzprodukten hingewiesen. Zusätzlich wurden Informationen über nicht nikotinhaltige Medikamente mit Buproprion (Zyban®) oder Varencilin (Champix®) vermittelt.

Ablauf und Inhalte der Verhaltenstherapeutischen Gruppentherapie

Der inhaltliche Ablauf des Gruppenprogramms lässt sich in sechs Abschnitte aufteilen. In den ersten beiden Sitzungen lag der Schwerpunkt auf der Psychoedukation über Nikotinabhängigkeit inklusive physiologischer Prozesse, die für die Entstehung einer subtanzbezogenen Abhängigkeit relevant sind. Diese Information, ergänzt durch Therapiematerialien aus dem oben genannten Manual, dienten der Motivationsförderung, damit sich die Teilnehmer für einen Rauchstopp entschieden.

1. und 2. Stunde: Psychoedukation

Mit diesem psychoedukativen Teil soll bei den Teilnehmenden insbesondere das Verständnis der kurzfristige, zum Beispiel durch Dopaminausschüttung (siehe Abb. 1), und langfristigen körperlichen Abhängigkeit, beispielsweise aufgrund der Up-Regulation von Acetylcholinrezeptoren, gefördert werden (siehe Abb. 2). Dies diente dazu, Verständnis für die körperliche Abhängigkeit zu entwickeln. Zusätzlich wurde auf die zeitliche Begrenztheit der zu erwartenden Entzugssymptome hingewiesen, um den Wegfall der kurzfristigen positiven Eigenschaften des Rauchens bewusster zu machen. Als Therapieaufgabe wurden den Teilnehmern außerdem Therapieaufgaben mitgegeben, die auf die Selbstbeobachtung des eigenen Rauchverhaltens abzielen.

Neben den körperlichen Aspekten der Abhängigkeit wurde im zweiten Teil der Psychoedukation die psychologischen Aspekte der Nikotinabhängigkeit bearbeitet. Hier lag der Schwerpunkt auf Erläuterungen operanter Konditionierungsprozesse und hatte zum Ziel, die psychische Abhängigkeit als eine Folge von positiven Verstärkungen (zum Beispiel mehr Pausen, Gewichtsreduktion, gesteigerte Konzentration) sowie dem Wegfall negativer Konsequenzen (Linderung der körperlichen und psychologischen Entzugserscheinungen) durch Nikotinkonsum deutlich zu machen. Darüber hinaus wurden Elemente des „Motivational Interviewings“ genutzt, um die Bereitschaft zum Rauchstopp der Teilnehmenden zu erhöhen. Am Ende der Psychoedukation wurde der Rauchstopp geplant.

Stunden 3 bis 5: Kognitive und behaviorale Therapieeinheiten

Aufbauend auf die Psychoedukation stehen in den Sitzungen 3–5 behaviorale und kognitive Strategien im Umgang mit dem Suchtdruck („Craving“) im Fokus. Ein wichtiges Therapieziel liegt darin, ein Verständnis bei den Teilnehmern aufzubauen. Es geht darum, dass das Wohlempfinden des Rauchers durch den sinkenden Nikotinspiegel negativ beeinflusst wird und durch erneuten Nikotinkonsum („Lapse“) ein Wegfall des geringen Wohlempfinden erreicht wird. Dieser störungsspezifische „Teufelskreis“ sollte die Grundlage des Therapierationals der kognitiven und behavioralen Arbeit sein. Beispiele zur Erläuterung wurden aus dem Buch Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit entnommen.

Daran anschließend soll der Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen und Handeln erarbeitet werden. Dies hat zum Ziel, den Teilnehmern zu vermitteln, dass Handlungen oft automatisiert ablaufen und es dennoch möglich ist, Alternativverhalten schrittweise aufzubauen, anstatt den Nikotinkonsum wieder zu beginnen („Relapse“). In anschließenden gemeinsamen Verhaltensanalysen sollen Gedanken, Gefühle und Körperreaktion als Reaktion und für mögliche spezifische Rückfallsituationen erarbeitet werden.

Hierauf aufbauend soll die ABC-Methode nach Ellis in das Therapieprogramm eingeführt werden. Sie zielt darauf ab, dass Gefühl- und Verhaltenskonsequenz „C“ (zum Beispiel Zigarette wird angezündet) auf ein auslösendes Ereignis „A“ (beispielsweise Konzentrationsstörungen durch Entzugserscheinungen) abhängig von der Bewertung „B“ (hier „Ich muss mich immer 100 % konzentrieren können, sonst verliere ich meinen Job“) des auslösenden Ereignisses ist. Die Bewertung der Situation ist in dem Teil des Programms Gegenstand der Therapiearbeit. So können alternative Bewertungen („Die Konzentrationsstörungen sind nur ­vorrübergehend“) erarbeitet und den Teilnehmern zum Selbststudium als Aufgabe mitgegeben werden, um bei zukünftig auf­tretendem Auslöser alternative Bewertungen zu finden.

Durch Arbeitsblätter werden exemplarisch ungünstige Überzeugungen und Denkmuster ausgegeben. Zusätzlich werden alternative Handlungsmöglichkeiten mit den Patienten erarbeitet und ebenfalls als Aufgaben zum Selbststudium mitgegeben.

Stunde 6: Abschluss

Ziel der letzten Sitzung ist es, das Erarbeitete zu wiederholen und die einzelnen Phasen eines Rückfalls („Slip“, „Lapse“, „Relapse“) zu erarbeiten. Hier wird deutlich gemacht, dass auch nach einem Rückfall ein erneuter Rauchstopp möglich ist. Zudem sollen individuelle Rückfallkrisenpläne manualisiert erstellt werden.

Diskussion

Das Rauchen stellt eine der häufigsten Suchterkrankungen unserer Gesellschaft dar und ist mit diversen körperlichen, wie psychischen Folgen behaftet. Insbesondere bei einer erhöhten Stressexposition, wie sie bei Soldaten der Bundeswehr vorliegen kann, konnte ein erhöhtes Risiko für das Rauchen gezeigt werden.

In diesem Fallbeispiel wurde das Programm einer ambulanten Raucherentwöhnungsgruppe des Bundeswehrkrankenhauses Berlin vorgestellt. Das manualbasierte Gruppenprogramm wurde nicht im Rahmen einer Studie evaluiert, so dass keine post-Werte von psychometrischen Tests präsentiert werden können. So kann abschließend nicht valide bewertet werden, inwieweit eine längerfristige Abstinenz der Patienten erreicht werden konnte. Der Großteil der Teilnehmer stoppte jedoch den Nikotinkonsum im Rahmen des Gruppenprogramms.

Es zeigte sich in der Durchführung, dass kognitive und behaviorale Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden konnten. Die Patienten schienen vom Wissenszuwachs und einem Überblick über die innerpsychischen Vorgänge beim Rauchen zu profitieren.

Es ergaben sich einige Schwierigkeiten im Ablauf des Therapieprogramms durch die Implementierung der Sitzungszeiten zu den Zeiten des Regeldienstes eines BwKrhs. Durch wöchentliche Dienstpläne und teilweise langen Anfahrtswegen konnten einzelne Teilnehmer nicht alle Sitzungen aktiv besuchen. Darüber hinaus kam es im ärztlich-pflegerischen Bereich gelegentlich zu dienstlichen Unabkömmlichkeiten, welche ebenfalls eine Nichtteilnahme nach sich zogen. Neben den „Realproblemen“ der Abkömmlichkeit, muss zudem eine nicht ausreichende Abstinenzmotivation als mögliche Ursache der wechselhaften Teilnehmerzahlen diskutiert werden.

Im Verlauf der Sitzungen wurden Widerstände hinsichtlich der Selbstoffenbarung deutlich. So entstanden Schwierigkeiten in der Erarbeitung von dysfunktionalen Kognitionen während der Etablierung des SORC-Schemas (Situation-Organismus-Reaktion-Konsequenz) und des ABC-Schemas. Die verschiedenen teilnehmenden Dienstgradgruppen und die enge Zusammenarbeit der Patienten im Krankenhausbetreib könnten zu einem Interrollenkonflikt geführt haben, was letztendlich die Gruppenkohäsion gestört haben könnte und in der verminderten Selbstoffenbarung deutlich wurde.

Ein weiteres Problem zeigte sich bei der Verordnung von entwöhnungsunterstützender Medikation. Diese kann derzeit nicht regulär über die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung sichergestellt werden und war von den Teilnehmenden der Gruppe selbst zu zahlen.

Zusammenfassend schien ein ambulantes, ärztlich geführtes, niederschwelliges manualisiertes Raucherentwöhnungsprogramm geeignet, die Teilnehmenden bei der Entwöhnung zu unterstützen. Gerade aufgrund der hohen Rückfallraten bei der Suchtbehandlung von Rauchern, sollte das Angebot möglichst niederschwellig sein und auch die wiederholte Teilnahme auf Wunsch ermöglicht werden. Die Sitzungszeiten sollten außerhalb der Regeldienstzeiten liegen. In der Rekrutierung geeigneter Teilnehmender sollte in der Zukunft vermehrt auf die Abstinenzmotivation geachtet werden. Zudem sollte bei der Gruppenerstellung auf mögliche Rollenkonflikte geachtet werden.

Aufgrund der weitreichenden negativen Konsequenzen des Rauchens ist zu empfehlen, dass in der Bundeswehr derartige Raucherentwöhnungsprogramme multizentrisch etabliert werden. Zudem sollte ein Bewusstsein für derartige Angebote in der Truppe und bei den versorgenden Sanitätseinrichtungen geschaffen werden.  

Literatur bei Verfasser


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