Mein Einsatz als Leitender Sanitätsoffizier (LSO) im TAAC-N
Ich blicke auf eine persönliche Erfahrung aus 31 Dienstjahren sowie reichlich Einsatztage zurück, unter anderem auf drei Einsätze in Afghanistan. Die Aufgabe als LSO im Einsatz RSM ist vermutlich eine der spannendsten und vielfältigsten, die es auf dieser Ebene gibt. Die nationalen deutschen Aufgaben umfassen die fachliche Führung der Sanitätskräfte der Versorgungsebene 1 in Kabul, Kunduz und Mazar-i Scharif sowie die Organisation des strategischen Verwundetenlufttransports derjenigen Soldatinnen und Soldaten, die aus medizinischen Gründen ihren Einsatz vorzeitig beenden müssen. Multinational ist die fachliche Führung der deutsch geführten multinationalen Rolle 2 in Mazar-i Scharif mit den notfallchirurgischen Elementen, von denen eines faktisch fest in Kunduz und das andere an wechselnden Orten eingesetzt ist. Gleichzeitig ist der LSO Abteilungsleiter des Stabes TAAC-N und Medizinischer Berater (Medical Adviser) des Kommandeurs. Bedingt durch die Verteilung der Nationen im TAAC-Stab übernimmt der LSO die Aufgabe des Stellvertretenden Kommandeurs Deutsches Einsatzkontingent bei Abwesenheit des Chefs des Stabes. Ich hatte die Ehre in meiner Zeit auch die Aufgabe des Chefs des Stabes vertretungsweise zu übernehmen, sicherlich eine besondere Situation für einen Sanitätsstabsoffizier.
Anders als noch vor einigen Jahren ist der Sanitätsdienst ein allseits akzeptierter, fester Bestandteil der Planung auf allen Ebenen. Die beweglichen Arzttrupps und Rettungstrupps sind integrierter Bestandteil der meisten Teams, die sich außerhalb des Lagers bewegen, andernfalls wird die Absicherung durch in kurzer Vorwarnzeit zur Verfügung stehende Luftrettungsmittel vorgenommen. Die Planung von Operationen erfolgt immer unter strenger Einhaltung der Zeitlinie der „golden hour“, so dass Verwundete innerhalb von 60 Minuten ärztlich versorgt werden können. Eigene Operationen beschränken sich derzeit im Wesentlichen auf die Durchführung des TAA auf Korpsebene sowie fallweise Unterweisung der Brigadeebene, quasi zur Erfolgskontrolle. Eine Unterstützung von Operationen der afghanischen Streitkräfte durch RSM findet mandatsgerecht nicht statt.
Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat seit Beginn der NATO-Einsätze eine beeindruckende Entwicklung gemacht. Gut ausgebildetes Personal, meist im Ausland studierte Ärztinnen und Ärzte, gute Krankenhäuser, in Ballungsräumen wie Kabul, Mazar-i Scharif oder Kunduz gibt es sogar ein erstaunlich gut funktionierendes Rettungssystem, die Streitkräfte beziehen den Sanitätsdienst zunehmend in ihre Überlegungen mit ein, planen MedEvac mit boden- und luftgebundenen Rettungsmitteln und führen solche Operationen auch durch. Limitierender Faktor ist weiterhin der erhebliche Personalmangel, der durch regional teilweise hohe Verluste noch verstärkt wird. Ein weiterer Engpass ist die Logistik. Geldmangel, Medikamentenfälschungen, kriegsbedingt eingeschränkte Verfügbarkeit von Medizinprodukten, Überfälle auf Konvois und vor allem die weit verbreitete Korruption sorgen dafür, dass die Apotheken und Lager oft nur dürftig gefüllt sind. Trotz aller weiterhin bestehenden Probleme kann der Sanitätsdienst der Bundeswehr zu Recht stolz auf das Erreichte sein.
Flottenarzt Dr. Joachim Koch
LSO 14. Deutsches Einsatzkontingent RS (März bis Juli 2019).
Sanitätsunterstützungszentrum Cochem (Leiter: OTA M. Eger)
E-Mail: joachimkoch@bundeswehr.org
Datum: 03.02.2020
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2019