BUDESWEHRKRANKENHAUS ULM - DEUTSCHLANDWEIT ERSTANWENDER DER NEUESTEN NUKLEARMEDIZINISCHEN KAMERATECHNOLOGIE
Burkhard Klemenz
WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 9/2014; S. 332-334)
Als deutschlandweit erste klinische Einrichtung ist das Bundeswehrkrankenhaus Ulm (BwKrhs Ulm) seit April 2014 mit einer Gammakamera der neuesten Generation ausgestattet, die neben einer deutlich optimierten Bildqualität erstmals die absolute Quantifizierung von Stoffwechselprozessen ermöglicht (Abb. 1).
In der Nuklearmedizin werden kurzlebige radioaktive Arzneimittel (Radiopharmaka) zur Diagnostik und Therapie verwendet. Nach Verabreichung der Radiopharmaka - i.d.R. intravenös – wird die beim Zerfall entstehende Gammastrahlung von den Kameradetektoren aufgenommen und zu einem Bild rekonstruiert (Szintigraphie). Mit diesem Prinzip können alle Organsysteme des Körpers untersucht werden. Eine ausführliche Darstellung wurde in dieser Zeitschrift vor kurzem publiziert [1, 2]. Die hohe Empfindlichkeit (Sensitivität) der nuklearmedizinischen Funktionsbildgebung wird ergänzt durch die Computertomografie (CT) - Morphologie. Diese Kombination von zwei Schlüsseltechnologien in einem Gerät steigert die diagnostische Aussagekraft der Untersuchungsmethode erheblich („1 + 1 = 3“). Mittlerweile sind alle Kamerasysteme im BwKrhs Ulm mit dieser Hybridtechnologie ausgestattet. Neben der Positronen- Emissionstomographie (PET/CT) sind zwei Gammakameras Single-Photon Emission Computed Tomography (SPECT/ CT)-Technik installiert. Die SPECT stellt überlagerungsfrei Stoffwechselvorgänge dar, die in der planaren Szintigraphie nicht erkennbar sind.
Mit der neuesten SPECT/CT-Kamerageneration ist es nun erstmals möglich, Stoffwechselfunktionen exakt zu quantifizieren. Diese Innovation erlaubt es, Behandlungsergebnisse genau zu dokumentieren (Therapiemonitoring). Wichtige klinische Anwendungsfelder sind die Onkologie, wenn das Ansprechen von Tumoren auf eine Chemo- oder Strahlentherapie überprüft werden muss. Bei Infektionen, beispielsweise einer Osteomyelitis, kann die Effektivität einer Antibiotikatherapie oder die Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff in der Druckkammer (HBO) anhand des Stoffwechsels der betroffenen Region exakt dargestellt werden. Gerade bei der Behandlung infizierter Wunden, wie sie für Einsatzverletzungen typisch sind, kann so die chirurgische Therapie optimiert werden.
Die neue Qualität der Kamera ist auf den ersten Blick evident, wenn man die Bildqualität der SPECT-Aufnahmen betrachtet (Abb. 2). Diese hohe Detailerkennbarkeit wird dadurch erzielt, dass im neu entwickelten Auswerte-Algorithmus die CT-Daten bei der Erstellung der SPECT-Bilder integriert werden (sog. zone- mapping). Dieses Verfahren ist für eine der häufigsten nuklearmedizinischen Untersuchungen, die Skelett-SPECT, spezifiziert (XSPECT Bone). Das hochauflösende 16-Zeilen- CT ist für die diagnostische Bildgebung ausgelegt.
Es kann mit dem neuen SPECT/CT nun noch genauer zwischen abnutzungsbedingten degenerativ – arthrotischen oder posttraumatischen Veränderungen und Metastasen differenziert werden. Die brillante Bildqualität ist besonders an den Händen und Füßen von Nutzen (Abb. 3) und auch, wenn eine lokale Schmerztherapie festgelegt werden soll (Facettengelenk-Infiltration). Nach komplizierten Frakturen und deren osteosynthetischer Versorgung, z.B. bedingt durch Einsatzverletzungen, wird die Skelettszintigraphie mit SPECT/CT zur Frage der Vitalität von Knochenfragmenten eingesetzt. Selbst kleinste Knochensplitter sind mit der neuen Kamera erkennbar (Abb. 4). Posttraumatische entzündliche Veränderungen nach Verletzungen können im Weichgewebe oder intraossär lokalisiert sein. Ein knöcherner Infekt macht eine komplette Entfernung des Osteosynthesematerials notwendig, während ein Weichteilinfekt auch konservativ saniert werden kann. Die Entzündungs-SPECT/ CT mit radioaktiv markierten Granulozyten kann hier sehr exakt eine Osteomyelitis ausschließen oder bestätigen (Abb. 5).
Zusammenfassend ist die neue SPECT/CT-Technologie ein wirklicher Quantensprung in der Nuklearmedizin. Das relativ kleine Fachgebiet ist als diagnostischer Dienstleister aller operativen und nicht-operativen Fachgebiete für den Gesamtbetrieb Bundeswehrkrankenhaus Ulm von großer Bedeutung. Diese zeigt sich besonders in der Förderung durch den Zentralen Sanitätsdienst (2005 europaweit erste SPECT/CT Symbia T; 2011 state-of-the-art PET/CT). Aktuell ist die Sektion Nuklearmedizin in Ulm deutschlandweit erster Anwender der neue SPECT/CT-Technologie mit Quantifizierung. Im Herbst wird europaweit erstmals die SPECT/US (Ultraschall) - Hybridtechnologie in der klinischen Routine eingesetzt werden; und die im Bau befindliche Radiopharmazie von PET-Tracern wird Ende 2014 den Betrieb aufnehmen. Die Nuklearmedizin im BwKrhs Ulm ist durch diese herausragende technische Ausstattung qualitativ mit den größten universitären Einrichtungen vergleichbar. Diese Fähigkeiten stehen damit für die noch weitere Optimierung der Behandlung komplexer Einsatzverletzungen unserer Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung.
Literaturverzeichnis
- Klemenz B: Nuklearmedizin am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinische Aspekte der Hybridbildgebung – Teil I: Operative Fachdisziplinen. Wehrmed Mschr 2012; 56: 114- 118.
- Klemenz B: Nuklearmedizin am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinische Aspekte der Hybridbildgebung – Teil II: Nicht-operative Fachdisziplinen. Wehrmed Mschr 2012; 56: 250-254.
Bildquelle:
Abb. 1 - 5: BwKrHs Ulm, Sektion Nuklearmedizin
Abb. 1: SPECT/CT-Kamera (Siemens Intevo 16) im BwKrhs Ulm (Befunddiskussion am Gerät)
Abb. 2: Skelett-SPECT: Herkömmliche SPECT-Rekonstruktion und neue Rekonstruktion (XSPECT Bone), Wirbelsäule und Sternum sagittal (Normalbefund) Links: herkömmliche Rekonstruktion (Flash 3D); rechts: neue Rekonstruktion (XSPECT Bone)
Abb. 3: Skelett-SPECT: Arthrose im linken Mittelfußgelenk zwischen os cuboideum und os cuneiforme laterale li. männlicher Patient, 62 Jahre alt: Z. n. Fersenbeinfraktur li. vor 30 Jahren. Skelett SPECT/CT mit Tc-99m-DPD, 2 Std. p.i. Degenerativ-arthrotische Veränderungen im Mittelfußgelenk zwischen os cuboideum und os cuneiforme laterale (rote Pfeile) und im li. lateralen unteren Sprunggelenk (blauer Pfeil) Obere Reihe: Low dose CT li. Fuß, transaxial (links); Rechts: transaxiales SPECT/CT-Fusionsbild. Untere Reihe: XSPECT Bone li. Fuß, transaxial (links); Rechts: Maximum Intensitäts-Projektionen (MIP) der Füße
Abb. 4: Skelett-SPECT: Knochenfragment 5 mm im re. Sinus maxillaris Männlicher Patient, 57 Jahre alt: Aspergillose im re. Sin. Maxillaris, chron. Sinusitis maxillaris und ethmoidalis; Skelett-SPECT/CT mit Tc-99m-DPD, 2 hrs p.i.; Tracer-Uptake in den knöchernen Begrenzungen des re. Sin. maxillaris (max. infraorbital); Nachweis von Osteoblastenaktivität in einer Kalzifizierung von 5mm im Sinus (rote Pfeile). Obere Reihe: SPECT/CT -Fusionsbilder axial, sagittal und koronal. Mittlere Reihe: XSPECT Bone; Untere Reihe: low dose CT.
Abb. 5: Entzündungs-SPECT: Ausschluss Osteitis Männlicher Patient, 52 Jahre alt: Fraktur des re. Femur vor 30 Jahren; zunehmende Schmerzen seit 2 Mon., Punktion von eitriger Flüssigkeit; SPECT/CT mit Tc-99m-Granulozyten Antikörpern (Sulesomab, NCA 90), 5 Std. p.i.; zunehmender Uptake im medialen Kapselbereich (Pfeile); Ausschluss einer Osteitis Obere Reihe links: Maximum Intensitäts-Projectionen (MIP), Mitte: low dose CT , rechts: koronales SPECT (XSPECT). Untere Reihe Mitte: axiales SPECT: keine fokale Aktivität im Femur, Akkumulation der Granulozyten-AK in der Gelenkkapsel
Datum: 01.10.2014
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/9