ANÄSTHESIE INTENSIVMEDIZIN NOTFALLMEDIZIN UND SCHMERZTHERAPIE

Ein breites, spannendes Spektrum für klinisch tätige Sanitätsoffiziere, sowohl im ­Inland als auch im Einsatz

Im Rahmen der klinischen Versorgung von Patienten / Soldaten kommt man am Fachgebiet AINS nicht vorbei, sei es, wenn man von den „Gelben Engeln“ gerettet wird, wenn man eine Narkose für einen operativen Eingriff erhält, auf der Intensivstation versorgt oder zu guter Letzt schmerztherapeutisch nach der OP betreut wird.

Eine Vertreterin dieses breiten Fachgebietes ist Frau Flottillenarzt Dr. Nicole Spanagel. Zurzeit leitet sie als Oberärztin die Schmerztherapie im ­Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz.

 

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Dr. Nicole Spanagel im Patientengespräch.

 

Die Medizinerin ging 1993 direkt nach dem Abitur zur Marine. Die Beweggründe waren das Medizinstudium und ein Hauch von Abenteuer und Seeromantik à la Gorch Fock, aber auch die Herausforderung, als Frau zur Bundeswehr zu gehen. Nach einem Jahr maritimer Vorausbildung studierte Dr. Spanagel in Lübeck. Nachdem sie 2000 promoviert hatte, begann sie ihren ersten klinischen Abschnitt wunschgemäß im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz in der Abteilung X – Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Dort entdeckte sie die Vielseitigkeit dieses Fachgebietes und ihre Passion dazu.

Ab 2002 erlebte die angehende Anästhesistin die „Bundeswehrtruppe“ hautnah, weitab von Krankenhausbetrieb. In Eckernförde war sie Truppen- und Taucherarzt für die Kampfschwimmer und Minentaucher des Kommandos Spezialisierte Einsatzkräfte der Marine (SEKM). Dr. Spanagel kümmerte sich als „Hausarzt“ um die großen und kleinen Sorgen und Erkrankungen, mit denen auch Elitesoldaten kämpfen müssen. Die zweijährige Truppenarztzeit hielt einige fachliche Herausforderungen bereit. „Was wusste ich nach 1,5 Jahren Anästhesie schon über Ohr-, Rücken- und Hauterkrankungen oder von der Führung eines SanBereiches?“, schmunzelt die Medizinerin. Sie sammelte in ihrer Truppenarztverwendung auch viele und interessante Erfahrungen fern der Medizin: Dazu gehörten das Betauchen sämtlicher Tauchgeräte der Kampfschwimmer und Minentaucher, ein Tandem-Fallschirmsprung und sogar eine Skiausbildung während der Winterkampfausbildung in Mittenwald.

Zurück in Koblenz, wurde die Facharztausbildung fortgeführt und 2007 beendet. Aufgrund des sehr breiten Spektrums und den damit verbundenen Weiterbildungskapazitäten im Bundeswehrzentralkrankenhaus hatte Dr. Spanagel die Möglichkeit, die Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin, Spezielle Intensivmedizin, Palliativmedizin und Akupunktur abzulegen. Sie wurde sogar für die Zusatzbezeichnung und Spezielle Schmerztherapie in ein ziviles Krankenhaus sowie in eine Universitätsklinik kommandiert. Dr. Spanagel konnte ihre fachliche Ausbildung 2010 schließlich mit dem europäischen Examen für Anästhesie (DESA) weiter ausbauen.

Eine solch breite fachliche Aufstellung erleichtert die internationale Zusammenarbeit in Auslandseinsätzen ungemein. Dr. Spanagel hatte in ihren acht Auslandseinsätzen seit 2002 die unterschiedlichsten Funktionen inne, mal als Assistenzärztin bzw. Fachärztin Anästhesie, mal als Notärztin auf der CH-53, dem Einsatz- und Transporthubschrauber oder als Leiterin der Intensivstation in Mazar-e-Sharif.

 

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Als Notärztinauf dem CH 53.

 

Dr. Spanagel erlebt Afghanistan als ein sehr widersprüchliches Land. Auf der einen Seite gibt es unbeschreibliche Landschaften, Berge und lebhafte Dörfer mit fleißigen und aufgeschlossenen Menschen. Auf der anderen Seite sieht man die Armut sowie schlechte hygienische Bedingungen, insbesondere in den Krankenhäusern eines Landes, das die Spuren jahrzehntelanger Gewalt und Krieg kennt. Es mangelt an notwendiger Infrastruktur, denn 61 % der Menschen sind unterernährt, 76 % Analphabeten und nur 13 % haben einen gesicherten Zugang zum Trinkwasser. „In Teilen Afghanistans entsteht der Eindruck, das Land sei kulturell im Mittelalter verharrt, aber kämpft mit Waffen und Technologie aus dem 21. Jahrhundert“, berichtet die Ärztin.

Als besonderes Merkmal aller Auslandseinsätze nennt sie die gute Zusammenarbeit und Kameradschaft. In einem kleinen Team, das über mehrere Wochen eng zusammenarbeitet, kennt man sich viel besser und die Wege sind deutlich kürzer. Wenn man eine Fachfrage hat, geht man direkt zu den Kollegen und spricht darüber – nebenbei bekommt man größere Einblicke in andere Fachgebiete. Man sieht im Team Verletzungen und Erkrankungen in einer Ausprägung, die es in Deutschland in dieser Art und Weise einfach so nicht gibt. Denn hier würde viel früher eine Diagnose gestellt und die entsprechenden Therapien eingeleitet. Als Beispiele dafür nennt Dr. Spanagel schlecht bzw. nicht verheilte Knochenbrüche bzw. Infektionen (Tuberkulose, Leishmaniose) oder Erbkrankheiten. Tumore, die seit Jahren unbehandelt geblieben sind, präsentieren sich in einer Form, die vielleicht noch in alten Lehrbüchern abgebildet ist. Das Verletzungsspektrum bei Schuss- und Minenverletzungen ist mit Unfällen in Deutschland kaum vergleichbar.

Man erlebt im Einsatz auch, dass ein gut eingespieltes internationales Team die Versorgung von mehreren Schwerstverletzten parallel bewältigen kann, obwohl nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Hierbei ergänzen sich die unterschiedlichen Nationen (USA, Frankreich, Ungarn und andere) mit verschiedenen medizinischen Ansätzen und Vorgehensweisen gegenseitig sehr gut und effektiv und bereichern so den eigenen Erfahrungsschatz außerordentlich.

 

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Vor dem Christoph 23 in Koblenz.

 

Zurück in Deutschland, profitiert man von diesen Erfahrungen und die Kommunikation mit den Kollegen aus anderen Fachgebieten wird einfacher, da man sich ja aus dem Einsatz kennt und eng zusammengearbeitet hat.
Auf die Frage, ob und warum sie gerne Anästhesistin und Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr ist, lacht die Ärztin. „Ja“, sagt sie, „das hat viele Gründe. Zunächst einmal die Vielfältigkeit. Ich fliege neben meiner Tätigkeit in der Schmerztherapie als Notärztin auf dem Rettungshubschrauber Christoph 23, mache im Dienst Narkosen oder führe die Schockraumversorgung durch. Ein weiterer Grund ist, dass man bei der Bundeswehr noch „ehrliche Medizin machen kann“ und nicht unter einem solchen wirtschaftlichen Druck steht wie in einem zivilen Haus. Wir können uns noch mehr um den Patienten kümmern, daher baue ich derzeit auch die Schmerztherapie weiter aus. Außerdem macht es mir Spaß, immer wieder junge Kollegen anzuleiten und auszubilden.“

 

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Akupunktur als Schmerztherapie.

 

„Die Bundeswehr“, so Dr. Spanagel, “bietet den jungen Sanitätsoffizieren viele Möglichkeiten der fachlichen Aus- und Weiterbildung, zudem können insbesondere im Auslandseinsatz Erfahrungen gesammelt werden, wie es in der zivilen medizinischen Versorgung nicht möglich ist. Auch mit der Einnahme der neuen Bundeswehrstruktur kommen auf die klinisch tätigen Sanitätsoffiziere, neben einer besondern Bedeutung für die Patientenversorgung, weitere Herausforderungen zu, nicht nur im Fachgebiet AINS.“

 

 

 

Datum: 02.10.2012

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/3

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