29.11.2021 •

Der Umgang der deutschen Streitkräfte mit Kriegs- und Einsatzgeschädigten in Geschichte und Gegenwart

Eine Konferenz am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

ZMSBw

Nach der viel beachteten erstmaligen Teilnahme am Diversity Day 2019 zum Thema „Soldaten muslimischen Glaubens in Geschichte und Gegenwart“ war das Zentrum für Militärgeschichte und Sozial­wissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) auch 2021 wieder mit einer Veranstaltung beim Diversity Day dabei. Dieses Jahr widmete sich das ZMSBw dem „Umgang der deutschen Streitkräfte mit Kriegs- und ­Einsatzgeschädigten in Geschichte und Gegenwart“. Die Veranstaltung begann mit einem Blick zurück in die Historie, der Umgang mit Versehrten, Verwundeten und Traumatisierten ist bei Leibe kein neues Problem für Streitkräfte.

Dazu trug einleitend Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth, Beauftragte des Inspekteurs des Sanitätsdienstes für Geschichte, Theorie und Ethik der Wehrmedizin am ZMSBw, vor. Sein Vortrag blickte auf die Zeit des Ersten Weltkrieges und die Nachkriegsjahre. Der Referent gab Impulse für den medizinischen und technischen Fortschritt, auch im Bereich der Versorgung von Kriegsversehrten, und diskutierte die Frage, ob beziehungsweise inwieweit Krieg tatsächlich als ein „Motor des medizinischen Fortschritts“ gesehen werden kann. Zudem wurde beleuchtet, welche Rolle die Kriegsversehrten des Ersten Weltkrieges im Bewusstsein der Gesellschaft und des Staates spielten. Abschließend schlug er kurz die Brücke zum Zweiten Weltkrieg und zur Kriegsopferversorgung in der jungen Bundesrepublik Deutschland und schließlich zum Umgang mit einsatzgeschädigten Soldaten der Bundeswehr. 

Wie sich Einsätze auf das Leben von Soldat*innen längerfristig auswirken, ist – abgesehen von psychischen Einsatzfolgen – noch wenig für die Bundeswehr erforscht. Der Fragehorizont hierfür ist weit gefasst: Wie nehmen Soldat*innen die Rückkehr aus dem Einsatz in das Alltagsleben selber wahr, wie gehen sie mit ihren Erlebnissen aber auch mit möglichen bleibenden Folgen um, mit welchen Problemen sind sie und ihre Familien unmittelbar nach der Rückkehr oder auch langfristig konfrontiert und wie verändert sich ihr Leben durch diese Erfahrungen? Der Vortrag von Frau Dr. Anja Seiffert (Projektbereichsleiterin Einsatzbegleitung und -dokumentation am ZMSBw) griff dieses Themenspektrum auf und skizzierte auf verschiedenen Ebenen wichtige Aspekte des Integrationsprozesses von Einsatzrückkehren der Bundeswehr, wobei der Fokus auf der gesellschaftlichen Wiedereingliederung lag. Ihre Ausführungen basierten dabei auf Erkenntnissen, die im Rahmen einer ersten sozialwissenschaftlichen Langzeitbegleitung von Einsatzsoldaten und Veteranen der Bundeswehr gewonnen wurden. 

Der dritte Referent war Generalarzt Dr. Ralf Hoffmann aus dem Bundesministerium der Verteidigung. Er ist seit 01.02.2020 der Beauftragte für einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatztraumatisierte. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass durch die Intensivierung der Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen zur Stabilisierung und Bewältigung von Konflikten weltweit, die Zahl derjenigen zugenommen hat, die im Einsatz eine physische oder psychische Schädigung erlitten haben. Dabei sind die einsatzbedingten Traumafolgestörungen, insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung, immer weiter in den Vordergrund gerückt. Langfristige Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, insbesondere bei chronischen ­Verläufen, können dabei zu langwierigen Wiedereingliederungsprozessen führen. Vor diesem Hintergrund verwies er auf Entscheidungsträger in Politik, Gesellschaft und Bundeswehr, die unter anderem mit der Einführung des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes grundsätzlich entschieden haben, die Betroffenen wann immer möglich beruflich beziehungsweise dienstlich aufzufangen, sie medizinisch zu stabilisieren und alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um sie zu rehabilitieren. 

Als Teil des Schwerpunktes „Kriegs- und Einsatzversehrte in der Bundeswehr“ werden die Referate im Heft 1/2022 der Zeitschrift Wehrmedizin und Wehrpharmazie publiziert


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