ZWEI JAHRE PSYCHOSOZIALE VERSORGUNG UND FORSCHUNG - ERGEBNISSE UND PERSPEKTIVEN DES PSYCHOTRAUMAZENTRUMS DES BUNDESWEHR

Aus der Abteilung VIB – Psychotraumazentrum (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. P.

Zimmermann) am Bundeswehrkrankenhaus Berlin (Chefarzt: Flottenarzt Dr. W. Titius,

MBA)



von Peter Zimmermann und Jens T. Kowalski

Mit Wirkung vom 5. Mai 2010 wurde am Bundeswehrkrankenhaus Berlin das Psychotraumazentrum der Bundeswehr etabliert. Seit mehr als einem Jahr wird nun in dieser in der Bundeswehr einmaligen vernetzten Struktur aus klinischer psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung und psychosozialer Ressortforschung an wissenschaftlichen Projekten gearbeitet.

Die hier vorgelegte Zusammenstellung abgeschlossener und laufender wissenschaftlicher Projekte zeigt aus Sicht der Autoren, dass sich das Kooperationsmodell bewährt hat. Die Perspektiven zukünftiger Arbeit sollten auf eine ausgewogene Mischung aus innovativer klinischer Versorgung, anwendungsorientierter Ressortforschung sowie Lehrtätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit ausgerichtet sein

Two years of psycho-social activities – results and perspectives of the Bundeswehr Center of Mental Health

Summary

In May 2010 the Bundeswehr Center of Mental Health was founded associated with the Bundeswehr Hospital in Berlin. Since more than a year the activities are driven by a close clinical and scientific collaboration. The presented data and current projects illustrate the effectiveness of these structures. Future perspectives should be formed by innovative clinical practice, clinical and preventive research, good teaching and public representation.

1. Einleitung

Basierend auf dem Forschungskonzept „Psychische Gesundheit“ vom 23. Juni 2008 wurde zum 1. Mai 2009 der Fachbereich Psychische Gesundheit in der vorhandenen Infrastruktur des Instituts für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr in Berlin aufgestellt. Im Rahmen der Etablierung des Fachbereiches wurde immer mehr die Notwendigkeit einer engen klinischwissenschaftlichen Vernetzung deutlich. Daher wurde mit Wirkung vom 5. Mai 2010 der Fachbereich Psychische Gesundheit organisatorisch mit der Abteilung Psychiatrie des BwKrhs Berlin zum Forschungs- und Behandlungszentrum für Psychotraumatologie und Posttraumatische Belastungsstörungen am BwKrhs Berlin/„Psychotraumazentrum“ zusammengeführt.

Seitdem haben sich die Arbeitsabläufe konstituiert und verstärkt Forschungsschwerpunkte herausgebildet. Erste Ansätze dieser Entwicklung wurden bereits in einem vorherigen Themenheft der Wehrmedizinischen Monatsschrift skizziert [1]. Mit der Entwicklung der Abläufe ging auch ein Prozess zunehmender Orientierung an den Vorgaben des Wissenschaftsrates an Ressortforschungseinrichtungen einher. Neben der Durchführung wissenschaftlicher Projekte und der Publikation der Ergebnisse durch Originalarbeiten in nationalen und internationalen Journalen mit einem Peer Review-Verfahren wird dabei von forschenden Einrichtungen auch eine Vertretung und Mitarbeit in den Gremien der jeweiligen Fachgesellschaften, die Vernetzung in Forschungsverbünden, die angemessene Präsentation der Forschungsthemen auf Kongressen sowie die Betreuung von Qualifikationsarbeiten wie Promotionen, Masterarbeiten etc. erwartet.

Dementsprechend hat das Psychotraumazentrum seine Kooperationsprojekte, insbesondere mit der Charité Berlin, der Universität der Bundeswehr Hamburg, der Technischen Universität Dresden, dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, der Medizinischen Hochschule Hannover, mit dem Psychologischen Dienst der Bundeswehr, dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr sowie der Militärseelsorge vertieft. Mitarbeiter des Zentrums arbeiten regelmäßig in der Konsiliargruppe Psychiatrie, der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) PTBS, der Arbeitsgruppe Neuordnung des Rahmenkonzeptes sowie in der Arbeitsgemeinschaft Psychotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Psychotherapie und Neurologie (DGPPN) mit. Zusätzlich besteht eine internationale Zusammenarbeit in einer NATO-Arbeitsgruppe, in der es sowohl um die Vereinheitlichung als auch die Optimierung der psychischen und physischen Eignungsfeststellung von Spezialkräften geht.

Durch den wissenschaftlichen Beirat für das Sanitäts- und Gesundheitswesen beim Bundesminister der Verteidigung wurde im Sommer 2011 nach der Vorstellung aktueller Forschungsvorhaben des Zentrums die Relevanz der Präventionsforschung bestätigt. Neben der wissenschaftlichen Arbeit im engeren Sinne ist für eine erfolgreiche Kommunikation der Arbeitsergebnisse auch eine angemessene Lehr- und Kongressaktivität von Bedeutung. Wichtige Foren für die psychotherapeutische/ psychotraumatologische Arbeit sind die Jahreskongresse der deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT), des Vereins Deutscher Sanitätsoffiziere sowie der DGPPN, bei denen das Psychotraumazentrum, meist gemeinsam mit den anderen Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs), mit wissenschaftlichen Vorträgen präsent ist.

Wichtig sind aber auch Fortbildungsveranstaltungen an der Sanitätsakademie der Bundeswehr und in der Truppe, um die Einbindung der Arbeit des Zentrums in die Aktivitäten und Erfordernisse des Sanitätsdienstes sowie andere Teilstreitkräfte sicher zu stellen, nicht zuletzt auch im Sinne einer Akzeptanz als Partner zur Bewältigung der Herausforderungen der Auslandseinsätze.

Abgeschlossene Studien und Projekte

Die im letzten Themenheft der wehrmedizinischen Monatsschrift erwähnten Projekte [1] sind nunmehr in einer ausführlichen Fassung im Jahrbuch des Psychotraumazentrums 2009/2010 verfügbar (anzufordern unter BwKrhsBerlinPsychotraumazentrum@ Bundeswehr.org). Zusätzlich konnten weitere wissenschaftliche Vorhaben zum Abschluss gebracht werden, deren Ergebnisse nun vorliegen und zum Teil auch schon publiziert wurden. Suizidales Verhalten von Bundeswehrsoldaten ist zwar - gemessen an der Gesamtzahl der Soldaten beziehungsweise auch der Einsatzsoldaten - kein häufiges Phänomen, stellt aber für die betroffenen Truppenteile stets eine besondere Belastung dar und unterliegt einer hohen öffentlichen Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund wurden stationäre Patienten der psychiatrischen Abteilungen der BwKrhs Hamburg und Berlin mit und ohne Suizidalität im Hinblick auf psychosoziale Risikofaktoren verglichen. Dabei ergaben sich Hinweise, dass insbesondere junge Soldaten in der Grundausbildungssituation mit problematischer Familienanamnese oder vorherigen Anpassungsschwierigkeiten (nicht absolvierte Lehre) eine erhöhte Vulnerabilität zu haben scheinen [2].

Eine zweite Erkrankungsgruppe mit stärkeren Auswirkungen auf den Truppenalltag stellt der Alkoholismus dar. Diesbezüglich wurde das stationäre Programm „Qualifizierter Entzug“ des BwKrhs Berlin exemplarisch als Ansatz einer stationären Kurztherapie (3 Wochen) evaluiert. Dabei wurde eine signifikante Wirksamkeit auf den Suchtdruck („Craving“) und die allgemeine psychiatrische Symptombelastung festgestellt, die auch katamnestisch noch nachweisbar war. Auffällig war zudem, dass die stationär behandelten alkoholkranken Soldaten gegenüber einer zeitgleich behandelten zivilen Vergleichsgruppe signifikant geringere Trinkmengen und eine signifikant kürzere Trinkdauer aufwiesen.

Ebenfalls im Sinne einer primär klinischen Fragestellung wurden zwei testdiagnostische Validierungsinstrumente im Hinblick auf ihre Eignung für die Begutachtung der Verwendungsfähigkeit in der Bundeswehr überprüft. Eine aussagekräftige und auch abgesicherte glaubwürdige Diagnostik ist eine unentbehrliche Grundlage psychiatrischer Begutachtung. Dabei handelte es sich um den `Morel Emotional Numbing Test (MENT)’?? und das `Structured Inventory of Malingered Symptomatology (SIMS)’?? in ihren deutschen Übersetzungen. Beide Verfahren erreichten eine hohe Sensitivität und Spezifität. Der MENT war spezifischer, der SIMS eher sensitiver, sodass eine Kombination beider Testungen mit einer hohen diagnostischen Aussagekraft einherzugehen scheint.

Neben diesen klinisch orientierten Studien hat das Psychotraumazentrum die Prävalenzstudie psychischer Erkrankungen und Belastungen im Zusammenhang mit einem ISAF-Einsatz gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden durchgeführt, bei der die Federführung des Projektes liegt. Im Anfang 2011 abgeschlossenen Querschnittsteil der Studie wurden circa 2 400 Bundeswehrsoldaten mit und ohne Auslandseinsatz mit einem standardisierten diagnostischen Interview (CIDI-MI) befragt. Die Prävalenz der posttraumatischen Belastungsstörung in den letzten 12 Monaten vor Befragung war mit knapp 2 % in der ISAF-Gruppe 6 – 7 x höher als in der Kontrollgruppe ohne Auslandseinsatz (0,3 %). Die Dunkelziffer, das heißt, der Anteil der Soldaten, der sich trotz bestehender psychischer Problematik noch nicht in die Betreuung des psychosozialen Netzwerkes begeben hatten, lag bei etwa 50 %. Derzeit wird im Rahmen dieses Projektes der zweite longitudinale Studienabschnitt mit Befragungen vor und nach einem Auslandseinsatz durchgeführt.

Das Spektrum abgeschlossener Projekte wird abgerundet durch ein kürzlich erschienenes Taschenbuch zum Thema Umgang mit psychosozialen Belastungen in der Bundeswehr, „Psychosoziale Belastungen - eine Orientierungshilfe für Mitarbeiter im psychosozialen Netzwerk“, kostenfrei erhältlich im Psychotraumazentrum. Darin werden zentrale Themen aus dem psychosozialen Versorgungsalltag von Soldaten herausgegriffen und als kurze Abhandlungen zusammengefasst. Ziel soll es sein, insbesondere neuen Mitarbeitern in den psychosozialen Netzwerken den Einstieg in ihre Tätigkeit zu erleichtern und ihre Handlungssicherheit zu erhöhen (Abb 1).

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Abb 1: Hinweise zu psychiatrisch-psychotherapeutischen Aspekten für die Arbeit in den psychosozialen Netzwerken

Dazu kommen mehrere Buchkapitel und Kasuistiken zu aktuellen Fragestellungen der Wehrpsychiatrie. Diese verfolgen insbesondere das Ziel, die Thematik psychischer Erkrankungen von Soldaten auch über einen wissenschaftlichen Leserkreis hinaus bekannt zu machen. Dabei sind insbesondere auch militärische Führungskräfte eine wichtige Zielgruppe. So wurden beispielsweise in den Jahrbüchern für innere Führung der Jahrgänge 2010 und 2011 jeweils Darstellungen des Psychotraumazentrums veröffentlicht, unter anderem zum Thema ethisch-normative Veränderungen nach Auslandseinsätzen.

Aktuelle Projekte

Die aktuelle wissenschaftliche Aktivität der Forschungssektion des Psychotraumazentrums lässt sich zu mehreren Schwerpunkten zusammenfassen und kann in dem hier gegebenen Rahmen nur verkürzt und exemplarisch wiedergegeben werden. Primär- und Sekundärprävention psychischer Erkrankungen erlangen in der Bundeswehr derzeit einen zunehmenden Stellenwert. Insbesondere auch militärische Vorgesetzte sind an einer wirksamen Vorbeugung bei ihren unterstellten Soldaten aus Fürsorgegründen interessiert. Aus diesem Grund wird nach Wegen gesucht, die bisherige, eher kurz gefasste und wenig systematisierte, psychische Einsatzvorbereitung durch intensivierte Verfahren zu ergänzen.

Erwähnenswert ist für die Primärprävention vor Auslandseinsätzen das Computerprogramm CHARLY, dessen Evaluation für Sanitätskräfte bereits begonnen wurde. Ein weiteres Forschungsgebiet stellt ein Trainingsprogramm für Gruppen von Paaren dar, „Ein Partnerschaftliches Lernprogramm“ (EPL), die aus jeweils 5 bis 10 dazugehörigen Einsatzsoldaten und den jeweiligen Lebenspartnern bestehen. Dieses wird gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig an mehreren Standorten erprobt und soll, sofern es sich bewährt, perspektivisch in der Bundeswehr zu einem breiten Einsatz kommen. Dieser Ansatz wird ergänzt durch ein Wochenendseminar für die Angehörigen psychisch traumatisierter Soldaten, das im November 2011 erstmals gemeinsam mit der evangelischen Militärseelsorge in Berlin veranstaltet wird.

Folgen der Konfrontation mit hoher psychischer Belastung, wie sie durch die Mitarbeiter des Psychosozialen Netzwerkes der Bundeswehr erfahren werden, können zu sogenannten sekundären Traumatisierungen führen. Diesen vorzubeugen und die Effekte wissenschaftlich zu evaluieren, ist Ziel einer durch den Psychischen Dienst der Bundeswehr geförderten Forschungsaktivität mit der Universität Freiburg und der Klinik Bad Pyrmont.

Hinzuweisen ist auch auf Pilotprojekte zur Prävention einsatzbezogener psychischer Erkrankungen, beispielsweise bei Soldaten, die für einen Sudaneinsatz vorgesehen sind oder mit Sanitätsoffizieren aus dem BAT-Pool in Berlin. Im Bereich der Sekundärprävention sind die Zahlen der in Anspruch genommenen Präventivkuren in den letzten Jahren stark angestiegen. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, die Zufriedenheit mit den angebotenen Programmen zu evaluieren, um daraus gegebenenfalls Ansätze für Veränderungen abzuleiten. Eine entsprechende Studie wird derzeit vom Psychotraumazentrum in Kooperation mit dem Sanitätsamt der Bundeswehr durchgeführt. Ein für den Soldaten besonders naheliegender Nutzen ist bei Untersuchungen klinisch-psychiatrischer Behandlungsverfahren erkennbar. Das Bundeswehrkrankenhaus Berlin hat eine supportive Gruppentherapie für einsatztraumatisierte Soldaten entwickelt, deren Wirksamkeit in einer kurz vor dem Abschluss stehenden klinischen Studie statistisch nachgewiesen werden konnte. Das Gruppenkonzept wurde bereits publiziert [3].

Seit einigen Jahren wird übergreifend in allen Bundeswehrkrankenhäusern und Fachsanitätszentren eine Statistik einsatzbedingter psychischer Störungen geführt. Diese steht in einem hohen öffentlichen Fokus, da sie als Maßstab der psychischen Gesundheit von Einsatzsoldaten aufgefasst wird. Daher war es dem Psychotraumazentrum wichtig, eine fundierte und differenzierte Auswertung dieser Statistik vorzunehmen. Diese steht kurz vor dem Abschluss und der Publikation.

Eine für den klinischen Alltag wichtige Patientengruppe bilden Soldaten, die aufgrund psychischer Störungen vorzeitig aus dem Einsatz repatriiert werden mussten. Derzeit werden in Kooperation mit den anderen Bundeswehrkrankenhäusern Gründe und Risikokonstellationen für Repatriierungen zusammengestellt und die weiteren ambulanten sowie stationären klinischen Verläufe ausgewertet. Ziel soll es sein, Anregungen für eine Vorbeugung von Repatriierungen zu gewinnen.

Im Bereich der Ressortforschung befinden sich mehrere Studien mit verschiedenen Kooperationspartnern in der Vorbereitung beziehungsweise Durchführung. Im Fokus stehen Erhebungen zu physiologischen Veränderungen bei Exposition von Soldaten mit Stressoren verschiedenen Ausmaßes, unter anderem in der hormonellen Homöostase, im fMRT oder in der Proteinausstattung des Körpers.

Daneben werden auch Auswirkungen von Einsätzen auf das Schlaf- und Sportverhalten sowie den Nikotinkonsum von Soldaten untersucht. Prädiktoren für Dienstunfähigkeitsverfahren sind ebenso Thema wie Einflussfaktoren auf den Grad und die Ausgestaltung der klinischen Symptomatik nach Traumatisierungen.

Klinische Versorgung

Das Psychotraumazentrum der Bundeswehr in Berlin bietet, ebenso wie auch die psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilungen der anderen Bundeswehrkrankenhäuser, ein integratives therapeutisches Programm zu verschiedenen bedeutenden wehrpsychiatrischen Erkrankungen. Die therapeutischen Elemente im Einzelnen sowie die Schwerpunktbildungen unterscheiden sich dabei zwischen den Kliniken.

Gemeinsam ist jedoch die Erfahrung, dass die Akzeptanz psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr zu wachsen scheint, was unter anderem mit umfangreicher Aufklärungsarbeit auf verschiedenen Ebenen in den letzten Jahren zusammenhängt. Damit geht jedoch eine steigende Nutzung wehrpsychiatrischer Angebote einher [4]. Diese Entwicklung hängt auch damit zusammen, dass eine Verlagerung akuter psychiatrisch- psychotherapeutischer Behandlung in den zivilen Bereich von den militärischen Patienten im Allgemeinen nicht bevorzugt wird. Eine Vernetzung bietet sich allerdings in der Phase der rehabilitativen und ambulanten Nachbetreuung an. Hier bestehen bewährte Kooperationen mit zivilen Partnern.

Militärbezogene psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgungsstrukturen unterliegen notwendigerweise einer stetigen Adaptation an unterschiedliche Rahmenbedingungen und Bedürfnisse der Patienten. So haben sich beispielsweise insbesondere auch in den BwKrhs Berlin und Koblenz tagesklinische Behandlungsangebote bewährt. Dazu kommen Spezialangebote wie die bereits erwähnte Traumagruppe beziehungsweise eine ambulante Traumasprechstunde.

Ebenfalls sehr positiv angenommen wurde die beginnende Ausstattung der Fachabteilungen mit Ruheräumen, die den Patienten zusätzlich zur fachgerechten klinisch-stationären Behandlung auch Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten einräumen.

Perspektiven psychiatrischpsychotherapeutischer Arbeit in der Bundeswehr

Aus den bisherigen Erfahrungen der klinisch-wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Berlin lässt sich aus Sicht der Autoren ableiten, dass sich das Modell der Vernetzung bewährt. Die bereits entstandenen Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen sowohl innerhalb der Bundeswehr als auch im zivilen Bereich haben Impulse gesetzt, die Expertise bereichert und zu neuen Forschungsthemen angeregt. Erstere sollten gepflegt und erweitert werden. Insbesondere die Abstimmung und Koordination von Forschungsaktivitäten innerhalb der klinisch tätigen Institutionen bietet Potenzial für eine künftige, noch effektivere Nutzung vorhandener Ressourcen. Ein wichtiges Element der wissenschaftlichen Qualitätssicherung ist die Gründung eines wissenschaftlichen Beirates, der die Arbeit des Zentrums regelmäßig begleitet.

Die Repräsentanz des Psychotraumazentrums auf Tagungen und Kongressen ist ein unverzichtbares Element der Vernetzung. Im Dezember 2011 wird daher vom Psychotraumazentrum in Zusammenarbeit mit dem VDSO ein internationaler Kongress zu militärbezogenen psychischen Erkrankungen veranstaltet (www.14IMMHC.de).

Schlussfolgerungen

Die Entwicklung der Wehrpsychiatrie sollte auch zukünftig durch das Psychotraumazentrum wesentlich mitgeprägt werden. Eine intensivere Entwicklung und Evaluation präventiver Verfahren soll dabei ebenso einen hohen Stellenwert erhalten wie das Nutzbarmachen neuer therapeutischer Ansätze. Vorstellbar sind beispielsweise computerbasierte Behandlungstechniken, die in anderen Armeen eine zunehmende Bedeutung haben, zum Beispiel „Virtual Iraq“. Die Berührung von Randgebieten der Medizin in ersten wissenschaftlichen Impulsen wie etwa Fragestellungen zur Ethik, Wert- und Normveränderung sowie gesellschaftlichen Stigmatisierung psychischer Erkrankungen wurde in der Bundeswehr positiv aufgenommen. Dies sollte als Ermutigung verstanden werden, weitere Aktivitäten in diesen Bereichen voranzubringen.

Danksagung

Die Autoren danken allen Mitarbeitern des Psychotraumazentrums für ihre Kreativität und ihr herausragendes Engagement.

Literatur:

  1. Zimmermann P, Eisenlohr V, Jacobs H, Barnett W, Düsel W: Psychosoziale Forschung und Klinik im Verbund am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Wehrmedizinische Monatsschrift 2010; 54(6-7): 1-4.
  2. Zimmermann P, Höllmer H, Guhn A, Ströhle A: Prädiktoren suizidalen Verhaltens bei Bundeswehrsoldaten. Nervenarzt 2010: DOI 10.1007/s00115-010-3243-x.
  3. Alliger-Horn C, Zimmermann P: Komorbidität einsatzbedingter psychischer Traumastörungen und ihre Behandlung durch kognitiv-behaviorale Gruppentherapie im Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Wehrmedizinische Monatsschrift 2010; 54(6-7): 5-9.
  4. Zimmermann P, Hahne, Ströhle A: Psychiatrische Erkrankungen bei Bundeswehrsoldaten – Veränderungen in der Inanspruchnahme psychiatrischer Versorgungssysteme im Vergleich der Jahre 2000 und 2006, Trauma und Gewalt 2009; 3(4): 316-327.

Datum: 19.01.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2011/10

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