Sanitätsmaterial für den Einsatz

Voraussetzung für die Durchhaltefähigkeit

Rainer Krug

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr genießt zu Recht einen ausgezeichneten Ruf im In- und Ausland. Dieser ist jedoch ohne eine hochwertige Ausrüstung nicht erreichbar. Beschaffungen von Sanitätsmaterial erfolgen seit vielen Jahren über das in der Abteilung U des BAAINBw eingerichtete Element Beschaffung von Sanitätsmaterial (seit 2018 Gruppe U7). 

Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine und den daran anschließenden hochintensiven Gefechten symmetrischer Verbände wurde deutlich, welchen Stellenwert eine gute materielle Ausstattung und eine hochwertige Ausrüstung auch im Sanitätsdienstlichen Bereich besitzt. Die Entwicklung der zurückliegenden Jahre im investiven Kapitel/Titel für Sanitätsmaterial zeigt auf, dass Sanitätsmaterial nicht nur ein sehr bedeutendes, sondern unter den aktuellen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen auch ein ganz spannendes Thema darstellt. 

Den Sanitätstitel zeichnet eine besondere Dynamik aus, die in einer signifikanten Steigerung des Titels von etwa 60- 70 Mio über die Corona Pandemie bis jetzt in den Ukraine Konflikt hinein zum Ausdruck kommt. So liegen auch die Jahre 2022 und 2023 deutlich über dem Schnitt der Jahre vor der Pandemie. 

Dabei liegt der Fokus aufgrund der Veränderungen in der sicherheitpolitischen Lage neben der Beschaffung neuen Materials vor allem auf den Einsatzvorräten. Diese ermöglichen dem Sanitätsdienst der Bundeswehr eine durchgängige Einsatzbereitschaft, egal ob Arzneimittel oder Sanitätsgeräte benötigt werden.

Zur Deckung des Einsatzvorrates an EVGSan (Einzelverbrauchsgüter Sanitätsmaterial) z.B. für die VJTF-Kräfte des Jahres 2023 wurde ein Artikelspektrum von ca. 1.200 Arzneimitteln und Medizinprodukten bearbeitet, welches sich im dreistelligen Millionenbereich bewegt. Auch die Beschaffung des Einsatzaustauschvorrates an Medizingeräten hatte einen positiven Verlauf bei dem wichtiges Sanitätsgerät, das der Rettungskette der Bundeswehr zugeordnet wird, der Sanität zur Verfügung gestellt werden konnte.

Rohstoffknappheit und begrenzte Industriekapazitäten führen jedoch immer wieder zu Herausforderungen hinsichtlich der rechtzeitigen Umsetzung der Beschaffungen.

Beschaffungen einsatzwichtiger Behandlungseinrichtungen

Das Luftlanderettungszentrum Spezialeinsatz ist die kleinste und leichteste der drei Behandlungseinrichtungen. Eingesetzt wird sie vor allem in Insellagen oder bei der sanitätsdienstlichen Unterstützung der Spezialkräfte und spezialisierten Kräften der Bundeswehr.

Bereits 2016 wurde das Basismodul – ein integraler Bestandteil des Luftlanderettungszentrums Spezialeinsatz – realisiert und an die Truppe übergeben. Dieser autark betreibbare Bestandteil wird bereits intensiv genutzt. 

Das LLRZ, le besteht aus aufblasbaren Zelten und dient zur ersten...
Das LLRZ, le besteht aus aufblasbaren Zelten und dient zur ersten notfallchirurgischen Versorgung von Verwundeten. Es kann schnell & platzsparend aufgebaut werden und ist damit für weltweite Hilfseinsätze als auch für ein hochdynamisches Gefecht geeignet.
Quelle: Bundeswehr/Patrick Grüterich

Im Februar 2023 hat das BAAINBw acht "Luftlanderettungszentren, leicht (LLRZ, le)" beauftragt und bereits im Dezember konnte das erste System inklusive der medizinischen Geräteausstattung, damit deutlich früher als geplant, an die Truppe übergeben werden. 

Diese mobilen, zeltbasierten Sanitätseinrichtungen ermöglichen auch im Einsatz eine notfallchirurgische Erstversorgung nach deutschem Standard. Dazu verfügt das LLRZ, le unter anderem über eine Ambulanz, einen Notfalleingriffsraum, ähnlich einem OP, und intensivmedizinischer Pflegekapazitäten, alles untergebracht in insgesamt neun Zelten. Das System kann per Hubschrauber oder Transportflugzeug in ein Einsatzgebiet gebracht werden und ist in wenigen Stunden einsatzbereit. Als erster Truppenteil wurden die Schnellen Einsatzkräfte des Sanitätsdienstes aus Leer mit dem LLRZ, le ausgestattet. 

Mit den neuen leichten Luftlanderettungszentren werden die seit 2003 in der Nutzung befindlichen Systeme regeneriert. Die jetzt verfügbare Sanitätsausstattung stellt den neuesten Stand der Medizinischen Versorgung dar und sorgt für verbesserte Behandlungsmöglichkeiten verwundeter Soldatinnen und Soldaten, ein Sachverhalt, der gerade in der aktuellen weltpolitischen Lage von besonderer Bedeutung ist. Die extrem schnelle Bereitstellung des ersten Systems nur 10 Monate nach Beauftragung zeigt, dass es tatsächlich möglich, der Truppe schnell das Material zukommen zu lassen, was sie für die Aufträge und Einsätze braucht. 

Ein Abschluss der Beschaffung ist mit der Lieferung des letzten Systems bis zum Jahresende 2024 vorgesehen. 

Modulare Sanitätseinrichtungen (MSE)

Rund dreißig Jahre nach ihrer Einführung bedürfen die Komponenten der modularen Sanitätseinrichtungen (MSE) einer umfassenden Regeneration. Die MSE besteht aus unterschiedlichen Komponenten wie Rettungszentren und Einsatzlazaretten, die mittels Funktionscontainern zusammengestellt sind. Diese sind hinsichtlich der Ausstattung zu regenerieren und teils umzubauen. 

Die seit den 1990er Jahren hergestellten Einheiten sind in unterschiedlichen Varianten beschafft worden. Aktuell steht vor allem die Regeneration der Container Röntgen im Vordergrund.  Die derzeit verwendeten Röntgenausstattungen entsprechen nicht mehr den aktuellen technischen Standards und müssen daher ersetzt bzw. regeneriert werden. Dies ist nunmehr der fünfte Auftrag im Bereich des Gesamtsystems MSE, weitere werden erwartet.

Die bis hierhin vorgestellten zeltbasierten Einsatzsysteme sind zwar hochmobil, bieten aber keinen Schutz gegen Feindfeuer.

 Die geschützte hochmobile Sanitätseinrichtung Rolle 2B ist das containerbasierte Pendant zum Luftlanderettungszentrum, leicht.

Diese hochmobile und zudem ballistisch geschützte Behandlungseinrichtung soll zukünftig die Lücke zwischen den Systemen der LSE (Luftverlegbare Sanitätseinrichtung) und MSE (Modulare Sanitätseinrichtung) schließen. Dazu ist vorgesehen, die Behandlungsmodule auf geländegängigen Lkw zu verlasten und am Zielpunkt zu einer stationären Behandlungseinrichtung zusammenzufahren und zu koppeln. Auch hier werden keine Patienten transportiert. Im Betrieb handelt es sich um eine stationäre Behandlungseinrichtung.

Einsatzwichtige Vorhaben zum Verwundetentransport

Geschützter Verwundetentransport

Zunächst einige grundsätzliche Ausführungen: Transportmittel für den landgebundenen, geschützten qualifizierten Verwundetentransport im Einsatz werden konzeptionell in schwere, mittlere und leichte geschützte Sanitätskraftfahrzeuge mit einer Transportkapazität von einem, zwei bzw. drei liegenden Verwundeten klassifiziert. Die SanKfz unterscheiden sich demzufolge hinsichtlich der taktischen Mobilität, des einsatzoptimierten und bedrohungsgerechten Schutzes, der Nutzlast bzw. des Nutzvolumens sowie der strategischen und operativen Verlegefähigkeit. 

Das schwere geschützte SanKfz GTK Boxer ist realisiert und erfüllt die Forderungen an den qualifizierten Verwundetentransport von bis zu drei Verwundeten, Unfallverletzten und Kranken liegend. Das Geschützte Führungs- und Funktionsfahrzeug der Klasse 2 EAGLE IV BAT ist beschafft und erfüllt die funktionalen Forderungen eines leichten SanKfz. Es gewährleistet den qualifizierten Transport von einem liegenden Verwundeten.

Im Rahmen des Projektes mittleres geschütztes SanKfz wird ein System zur Schließung der Fähigkeitslücke, zwei Verwundete, Unfallverletzte oder Kranke liegend zu transportieren, umgesetzt. Das Projekt schließt hinsichtlich Schutzniveau, Mobilitäts- und sanitätsdienstlichen Eigenschaften die Lücke zwischen dem leichten SanKfz (EAGLE IV BAT) und dem schweren SanKfz (GTK BOXER BAT/ Alternativsystem TPz FUCHS 1A8).

Der Vertrag über die Herstellung und Lieferung von 80 mittleren SanKfz wurde im März 2020 geschlossen. Nach einer zweijährigen Entwicklungs- und Produktionsphase wurden die ersten beiden Fahrzeuge im Juli 2022 an die Bundeswehr geliefert und einer „Integrierten Nachweisführung“ unterzogen. 

Formal ist die integrierte Nachweisführung die Verknüpfung von Leistungsnachweisen des Auftragnehmers, der Einsatzprüfung des Nutzers und von Betriebstests des Auftraggebers zur Feststellung der Eignung und Vertragskonformität des Produkts. 

Praktisch werden im Rahmen der Integrierten Nachweisführung entscheidende Forderungen aus den Bereichen Mobilität, Schutz, Elektrik, EMV, Ergonomie, Arbeitsschutz usw. an den verschiedenen Wehrtechnischen Dienststellen und Wehrwissenschaftlichen Instituten der Bundeswehr überprüft. Die Integrierte Nachweisführung schließt mit der Einsatzprüfung des Nutzers ab.

Nach Erteilung der Genehmigung zur Nutzung (GeNu) Mitte letzten Jahres erfolgt aktuell die Produktion und Auslieferung der insgesamt 80 beauftragten mittleren geschützten SanKfz. 

Ungeschützter Verwundetentransport

Beim ungeschützten Verwundetentransport handelt sich um ein ungeschütztes, geländegängiges Fahrzeug zur notfallmedizinischen Versorgung sowie zum Transport eines Verwundeten oder Kranken. Der Lkw basiert auf einem handelsüblichen Fahrgestell und wird durch einen Kofferaufbau mit integrierter Sanitätsausstattung ergänzt. Der Beschaffungsrahmenvertrag sieht die Lieferung von 500 Fahrzeugen vor, von denen 294 bereits bestellt wurden. 

Am 20. Dezember 2022 wurde im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz dieses Fahrzeug vorgestellt, das in anderer Ausführung sich als ziviler Intensivtransportwagen bereits im Sanitätsdienst bewährt.  

Das Fahrzeug ist für eine Besatzung von drei Personen ausgelegt und soll die bisherigen Krankenkraftwagen und Beweglichen Arzttrupps auf Basis des Zwei-Tonner-Unimogs ablösen.

Mit einer zulässigen Gesamtmasse von 15.000 kg und einer Leistung von 280 PS kann das Fahrzeug auch schwieriges Gelände bewältigen und schnelle Transporte ermöglichen. Es bietet somit eine wertvolle Unterstützung in den verschiedenen Einsätzen der Bundeswehr.

Das neue Fahrzeug zeichnet sich vor allem durch seinen modernen Kofferaufbau aus. Vom Defibrillator über Notfallbeatmungsgeräte bis hin zum mobilen tragbaren Ultraschallgerät ist alles vorhanden, was für die Versorgung von Patientinnen und Patienten benötigt wird. 

Darüber hinaus ist das Fahrzeug mit einer breiten Palette an Kommunikationsmöglichkeiten ausgestattet. Dazu gehören der BOS-Behördenfunk zur Kommunikation mit zivilen Rettungs- und Katastrophenhilfskräften sowie der Polizei, militärische Funk- und Führungsmittel wie Tetrapol, das Führungsinformationssystem Heer und Satellitentelefone. 

In diesem Zusammenhang wurden auch zwei Verträge über neue Medizinprodukte für den Sanitätsdienst geschlossen.

Die neuen Fahrtragen werden für das Projekt der neuen geländegängigen...
Die neuen Fahrtragen werden für das Projekt der neuen geländegängigen Verwundetentransportfahrzeuge beschafft. Die Tragen können auch auf zivilen Fahrzeugen des Sanitätsdienstes eingesetzt werden.
Quelle: Bundeswehr/Michael Laymann

Für das Projekt der neuen ungeschützten Verwundetentransportfahrzeuge wurden 294 fahrbare Krankentragen fest beauftragt. Neben dem Einsatz auf militärischen können die modernen Tragen auch auf zivilen Fahrzeugen des Sanitätsdienstes eingesetzt werden. Außerdem sind sie für die Notfallversorgung in den Krankenhäusern und den beweglichen Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr vorgesehen. Die ersten Auslieferungen haben bereits begonnen und werden im Jahr 2027 abgeschlossen werden. 

Ein weiterer neu geschlossener Rahmenvertrag umfasst die Beschaffung von bis zu 1.733 Infusionsspritzenpumpen. Auch hier konnte eine Vergabe schnell innerhalb von vier Monaten durchgeführt werden. Die Auslieferung von 533 Geräten sollte noch im vergangenen Jahr erfolgen. Mit den Spritzenpumpen können Medikamente, Injektionen und Infusionen konstant dosiert und automatisiert an eine Patientin oder einen Patienten verabreicht werden und entlasten so die Rettungskräfte. Eingesetzt werden die neu beschafften Spritzenpumpen in den geschützten und ungeschützten Sanitätsfahrzeugen der Bundeswehr. 

Der Abteilungsleiter „Land-Unterstützung“, Jan Gesau, sowie Vertreter des...
Der Abteilungsleiter „Land-Unterstützung“, Jan Gesau, sowie Vertreter des Projektreferates aus
dem BAAINBw und Vertretende des Auftragnehmers trafen sich zum Vertragsschluss.
Quelle: Bundeswehr/Dirk Bannert

Neubau Multifunktionsgebäude BwZKrhs Koblenz

Das am BwZKrhs in Koblenz aktuell gebaute Multifunktionsgebäude ist eines von vielen Projekten, die dem Grundbetrieb zugeordnet werden können.  Kürzlich unterzeichnete das BAAINBw einen Vertrag zur Ausstattung dieses Multifunktionsgebäudes mit dem notwendigen medizinischen Gerät. 

Eingebettet in die eigentliche Infrastrukturmaßnahme, den Neubau des Gebäudekomplexes, soll der jetzige Vertrag die Ausstattung mit modernster Medizintechnik sicherstellen. 

Insgesamt ist Medizingerät für 8 Standard-OP-Säle, 4 Hybrid-OP-Säle, 4 Eingriffsräume, Stroke-Unit, 2 Intensivstationen, Intermediate-Care-Station, Notfallaufnahme, Chest-Pain-Unit, 3 Ambulanzen, Radiologie, Apotheke und Pathologie zu realisieren. Damit stellt dieser Auftrag einen fast vollständigen Krankenhausneubau dar, wenn man von der Bettenstation einmal absieht. 

Herausfordernd an der Aufgabe ist, den Neubau abgestimmt auf den Bauzeitenplan mit Sanitätsgerät auszustatten. Dieses Vorhaben eröffnet aber auch die Möglichkeit, die Verträge so auszugestalten, dass ein Großteil des in allen Bundeswehrkrankenhäusern verwendeten Sanitätsgerätes in den nächsten Jahren aus diesen Verträgen abgerufen werden kann.

Bis voraussichtlich 2028 soll das Multifunktionsgebäude in Koblenz dem Sanitätsdienst der Bundeswehr voll ausgestattet zur Verfügung stehen.



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