01.01.2006 •

DAS NEUE RÜSTUNGSVERFAHREN CPM AM BEISPIEL AUSGEWÄHLTER PROJEKTE

Dem veränderten sicherheitspolitischen Umfeld Rechnung tragend, hat die notwendige streitkräftegemeinsame und fähigkeitsorientierte Ausrichtung der Bundeswehr auch im Bereich der Rüstung zu einer entsprechenden Neuorientierung geführt. So wurden bereits im Dezember 2001 die rahmengebenden Verfahrensbestimmungen "Customer Product Management (CPM)" zur Bedarfsermittlung und Bedarfsdeckung in Kraft gesetzt. Ziel des im Mai 2004 in einer überarbeiteten Fassung erlassenen CPM ist es, notwendige Fähigkeiten durch zeitgerechte, wirtschaftliche und einsatzreife Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zu erlangen. Dabei sind Leistung, Zeit und Kosten stets als Ganzes zu betrachten. Fähigkeiten sind mit dem Ziel zu bewerten, eine nachhaltige Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erreichen. Der nachfolgende Artikel soll die Philosophie des organisationsbereichs- und aufgabenübergreifenden Ansatzes verdeutlichen und den in verschiedene Phasen gegliederten Ablauf des CPM kurz darstellen. Dabei soll am Beispiel des Projektes Luftverlegbare Sanitätseinrichtungen (LSE) sowie ausgewählter Projekte des landgebundenen Verwundetentransportes gezeigt werden, dass der CPM auch in der Rüstung des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZSanDstBw) längst Einzug gehalten hat und mit reichlich Leben gefüllt wird.

Der Phasenablauf des CPM

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Der Ablauf der Bedarfsermittlung und Bedarfsdeckung in der Bundeswehr ist in drei Phasen Analyse, Projektierung und Einführung gegliedert. Jede Phase wird durch ein Phasen-dokument abgeschlossen.(Abb. 1)

Analysephase

In der Verantwortung des Generalinspekteurs der Bundeswehr wird in der Analysephase eine Bundeswehr-übergreifende Fähigkeitsanalyse durchgeführt. In entsprechenden Initiativen, die von jedermann vorgebracht werden können, werden Fähigkeitslücken aufgezeigt. Lösungsmöglichkeiten zum Schließen anerkannter Fähigkeitslücken sind in allen Planungskategorien zu untersuchen; dies können auch organisatorische Änderungen, ein geänderter Personalansatz oder Ähnliches mehr sein. Erforderliche Fähigkeiten werden in einer Stufenentscheidung, der Systemfähigkeitsforderung (SFF) festgeschrieben. Grundlage sind konzeptionelle Vorgaben sowie Erfahrungen aus Einsatz und Betrieb. Kann die damit anerkannte Fähigkeitslücke nur in der Planungskategorie Rüstung geschlossen werden, „rollt der CPM weiter an“. Der Lösungsweg wird in einer oder mehreren Abschließenden funktionalen Forderung(en) (AF) festgelegt. Bei handelsüblichen Produkten folgt der Analysephase unmittelbar die Einführung. In diesem Fall ist als bedarfs- und haushaltsbegründende Unterlage nur ein zusammengefasstes Phasendokument, die Abschließende funktionale Forderung und gleichzeitig die Realisierungsgenehmigung (AF/ReG) erforderlich.
Sollen neue Produkte in die Bundeswehr eingeführt werden, weil auf dem Markt keine handelsüblichen Lösungen verfügbar sind, wird die Analysephase mit dem Phasendokument AF abgeschlossen. In diesem sind die funktionalen Forderungen zu beschreiben, die für das Schließen der Fähigkeitslücke maßgeblich sind. Verfügbare Komponenten sind zu verwenden.
Die Analysephase liegt ausschließlich in der Verantwortung des militärischen Bedarfsträgers.

Projektierungsphase

Nur für neue Produkte, die nicht handelsüblich verfügbar sind, ist im Anschluss eine Projektierungsphase durchzuführen, um Realisierungsrisiken hinsichtlich Leistung, Zeit und Kosten weitestgehend auszuschließen. Zur Minderung des Risikos ist die Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Lösungen aufzuzeigen. Hierzu dienen u.a. Bau und Test von Demonstratoren sowie entsprechende Prüfungen. Die Projektierungsphase endet mit einer Realisierungsgenehmigung (ReG); diese ist als beschaffungsbegründende Unterlage Voraussetzung für die Freigabe von Haushaltsmitteln für die Einführung.

Einführungsphase

Ziel der Einführungsphase ist es, verfügbare Produkte (falls erforderlich, mit Anpassungen) zu beschaffen oder Dienstleistungen bereitzustellen. Auf Basis der Auftragnehmernachweise und der Einsatzprüfung wird die Stufenentscheidung Genehmigung zur Nutzung (GeNu) getroffen. Mit ihr wird die Eignung des Produktes im Sinne der Zweckbestimmung unter einsatznahen Bedingungen festgestellt. Sie ist die Voraussetzung für die Übergabe an den Nutzer und für die Beauftragung weiterer Lose. Werden verfügbare Produkte unverändert beschafft, sind erforderliche Maßnahmen bereits in der Analysephase so einzubringen, dass die GeNu Bestandteil der AF/ReG werden kann.
Das Projekt endet mit Auslieferung des letzten Stücks bzw. Teilschrittes oder bei Abbruch. Am Ende der Einführungsphase steht das Phasendokument Abschlussbericht (ASB).
In der Nutzung wird das eingeführte Produkt unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit in einsatzreifem Zustand gehalten.
Auf die Verfahrensbestimmungen zu den Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der Nutzung
wird hierbei nicht näher eingegangen.

Der Primärauftrag des Sanitätsdienstes ist die sanitätsdienstliche Einsatzversorgung einschließlich präventivmedizinischer Maßnahmen, der Rettung und des qualifizierten Verwundetentransportes mit dem Ziel eines qualitativ dem fachlichen Standard in Deutschland entsprechenden Behandlungsergebnisses.
In den nun folgenden Beispielen werden ausgewählte Projekte des Sanitätsdienstes angesprochen, die federführend in der Gruppe Rüstung des Sanitätsamtes der Bundeswehr bearbeitet werden und für die bereits die neuen Verfahrensbestimmungen zur Anwendung kommen.

Die Luftverlegbaren Sanitätseinrichtungen (LSE)

Die Luftverlegbaren Sanitätseinrichtungen sind das erste Großprojekt des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, das nach den neuen Verfahrensbestimmungen des CPM eingeführt wird. Die LSE stellen zeltgestützte Systeme dar, die der Unterstützung von schnellen Anfangs- und Evakuierungsoperationen dienen.
(Abb. 2)
Mit der Systemfähigkeitsforderung für die LSE, unterzeichnet am 21. Februar 2003 durch den Generalinspekteur der Bundeswehr, wurde die Fähigkeitslücke im Bereich mobiler Systeme für den Sanitätsdienst der Bundeswehr festgestellt und dokumentiert. Gemäß CPM wurde der materielle Lösungsweg in der Planungskategorie Rüstung durch Beschluss der Integrierten Arbeitsgruppe Fähigkeitsanalyse (IAGFA) verfügt, indem die zeitgleiche Beauftragung zur Erarbeitung von drei separaten Phasendokumenten auf Ämterebene erging.
Für die Luftlanderettungsstation (LLRS), das Luftlanderettungszentrum, leicht (LLRZ, le) und das Luftlanderettungszentrum (LLRZ) wurden federführend durch die Gruppe Rüstung im Sanitätsamt der Bundeswehr Abschließende funktionale Forderungen mit Realisierungsgenehmigung (AF/ReG) als Voraussetzung für die Freigabe von Haushaltsmitteln für die Einführungsphase erarbeitet.

Mit Unterzeichnung dieser genannten Dokumente am 25. Juli 2003 ging die Verantwortung für die Realisierung auf den Projektleiter im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) über. Anhand der in den Dokumenten geforderten Funktionen wurden in einer Einsatzprüfung Eignung und Leistungsfähigkeit des künftigen Produktes entsprechend seinem Verwendungszweck unter Einsatzbedingungen und unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit sowie der Sicherheitsvorgaben untersucht. Diese Einsatzprüfung war in mehrere Abschnitte (Kälte und Hitzeerprobung, diverse Verpackungs- und Beladeversuche) gegliedert und diente einerseits der Ermittlung der technischen Betriebsparameter und Funktionsgrenzen sowie andererseits einer Eignungsfeststellung durch die militärische Seite unter einsatznahen Bedingungen.
Eine Kälteerprobung der Zelte wurde im Frühjahr 2004 bei der Wehrtechnischen Dienststelle in Oberjettenberg durchgeführt; eine Erprobung der Komplettsysteme im Heizfall (bei etwa minus 15°C) fand im Januar 2006 im Raum Kaufbeuren statt.
Im Juli 2004 hatte das Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst (Kdo SES) den Auftrag, ein LLRZ, le plus den Funktionsanteil Sterilisation (der nur für das LLRZ konzipiert ist) in Sardinien beim Deutschen Luftwaffenausbildungskommando zu erproben. Hier zeigte sich bereits, dass das System insgesamt positiv bewertet werden kann, jedoch weitere Verbesserungen überwiegend an Peripherieanteilen nötig sind. Es wurde festgestellt, dass alle Zeltreißverschlüsse aus Kunststoff ungeeignet sind, sie verformen sich nach kurzer Zeit bei Hitzeeinwirkung von ca. 40°C und reißen; sie sind bereits im Rahmen der Gewährleistung der Herstellerfirma gegen Metallreißverschlüsse ausgetauscht worden.
Im Rahmen der Sommerreise des Bundesministers der Verteidigung wurde im August 2004 im Raum Leipzig/Weißenfels die trinationale Zertifizierungsübung WHITE ROCK im Auftrag der NATO mit großem Erfolg abgeschlossen und das LLRZ, le dem Bundesminister und der Bundespresse vorgestellt.
(Abb.3)
Auf der Basis der überwiegend positiven Ergebnisse der Einsatzprüfung werden nunmehr bis voraussichtlich Ende 2006 die Stufenentscheidungen „Genehmigung zur Nutzung“ in der Federführung des BWB erstellt.

Im Jahr 2003 wurde der Gesamtbedarf nach konzeptionellen Vorgaben in den entsprechenden Phasendokumenten (AF/ReG) festgelegt. Diesbezüglich ist der ZSanDstBw dahingehend zu optimieren, dass nach den vorgegebenen Einsatzoptionen eine entsprechende Anzahl von LLRS, LLRZ, le und LLRZ mit einer hinreichenden Umlaufreserve für anstehende besondere Aufgaben des ZSanDstBw und zudem der Division Spezielle Operationen (DSO) beschafft werden.
Die LLRS soll für die sanitätsdienstliche Schwerpunktbildung und zur sanitätsdienstlichen Unterstützung kleinerer Einsätze bzw. abgesetzt eingesetzter Truppenteile in der Ebene 1 eingesetzt werden.
Das LLRZ, le als notfallchirurgische Behandlungseinrichtung stellt die sanitätsdienstliche Versorgung so lange sicher, bis durchhaltefähigere Einrichtungen einsatzbereit sind.
(Abb. 4)
Das LLRZ verfügt über die notwendigen Fähigkeiten zur weitergehenden notfallmedizinischen und chirurgischen Versorgung bei erweiterten diagnostischen Fähigkeiten sowie der Möglichkeit zur Sterilisation von Medizinprodukten.

Insgesamt wurden vier LLRZ, sechs LLRZ, le und zehn LLRS gefordert.

Im II. Quartal 2005 ergab sich eine Änderung des damals festgestellten Bedarfs bzgl. der Anzahl der zu beschaffenden LLRZ, le. Per Zwischenentscheidung wurde eine Erhöhung der Anzahl um zwei weitere Systeme festgelegt, um zusätzlich Einsätze mechanisierter Kräfte in einem hochmobilen Gefecht mit großem Raumgewinn und hoher Gefechtsintensität unterstützen zu können.
Abb. 5
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Projekte der „Luftverlegbaren Sanitätseinrichtungen“, mit denen die Fähigkeitslücke im Bereich der sanitätsdienstlichen Versorgung hochmobiler Kräfte geschlossen wird, deutlich fortgeschritten sind; Detailprobleme müssen noch im Rahmen der Erarbeitung der Genehmigungen zur Nutzung sowohl für die Anteile der Peripherie als auch der Sanitätsausstattungen gelöst werden. Die vollständige Übergabe an die Nutzer im ZSanDstBw bzw. im Heer kann jedoch nach Erteilung aller GeNu erfolgen. Erst nach Erstellung eines Abschlussberichtes ist die Entscheidungsdokumentation für das Sanitätsmaterial durch den Nutzungsleiter im Sanitätsamt der Bundeswehr weiterzuführen.

Geschützter Verwundetentransport

Die sanitätsdienstliche Versorgung verwundeter, unfallverletzter und kranker Soldaten entspricht einem Behandlungskontinuum, das insbesondere den qualifizierten Verwundetentransport (VwuTrsp) mit einbezieht und stets mit der bestmöglichen Rekonvaleszenz der Patienten abgeschlossen werden soll. Gemäß der SFF für den „Verwundetentransport in den Streitkräften“, unterzeichnet am 16.06.2005 durch den Generalinspekteur der Bundeswehr, ist der VwuTrsp als die zielgerichtete, angemessene sowie den medizinischen Erfordernissen angepasste Beförderung von Verwundeten, Unfallverletzten und Kranken (VUK) mit adäquaten Transportmitteln definiert.

Um den Forderungen der SFF „Verwundetentransport in den Streitkräften“ gerecht zu werden, stehen dem Sanitätsdienst derzeit an landgebundenen geschützten Verwundetentransportmitteln (VwuTrspM) u.a. das VwuTrsp Kfz Wiesel 2 SanTrp, der BV206S SanTrp, der MTW M113 als Variante KrKw, der TPz Fuchs BAT und der DURO 3 BAT zur Verfügung.
(Abb. 6)

Das luftverladbare, geländegängige, leicht gepanzerte VwuTrsp Kfz Wiesel 2 Sanitätstrupp (SanTrp) ermöglicht den Sanitätstrupps den weiträumigen Bewegungen schnell verlegbarer, leichter Kräfte in schwierigem Gelände zu folgen und dementsprechend die sanitätsdienstliche Versorgung über eine rasche Schwerpunktbildung im beweglich geführten Gefecht sicherzustellen. Jedoch müssen bei diesem VwuTrsp Kfz Einschränkungen beim Minenschutz aus Systemfähigkeitsgründen (Lufttransportfähigkeit) und darüber hinaus erhebliche Einschränkungen bezüglich der Ergonomie hingenommen werden.
Des Weiteren steht für die DSO und die Gebirgsjägertruppe der BV206S SanTrp mit vergleichbarem Schutzniveau wie der Wiesel 2 zur Verfügung. Der BV206S SanTrp besteht aus einem Vorder- und Hinterwagen, die über ein Knickgelenk miteinander verbunden sind und damit insgesamt gelenkt werden. Durch dieses Prinzip und die breiten Gummibandketten, die einen sehr niedrigen Bodendruck bewirken, weist das Fahrzeug auch in schwierigstem Gelände eine sehr hohe Mobilität auf. Das leicht gepanzerte Fahrzeug verfügt wie der Wiesel 2 über eine ABC-Schutz-Anlage und ermöglicht im Hinterwagen die Aufnahme von wahlweise zwei liegenden oder einem liegendem und drei sitzenden Verwundeten.
Als ein leicht gepanzertes Vollkettenfahrzeug wird im Sanitätsdienst der Bw derzeit noch der MTW M113 als Variante KrKw genutzt. Er erfüllt keine der aktuellen Forderungen an Mobilität, Schutz und sanitätsdienstliche Funktionalität. Mit dem TPz Fuchs (mit Zusatzpanzerung) steht dem SanDstBw ein VwuTrspM mit Schutz Level 1 gegen Minen und Level 3 gegen ballistische Bedrohung gemäß STANAG 4569 zur Verfügung. Hiermit kann zwar ein hinreichender Schutz gegen ballistischen Beschuss, derzeit jedoch nur ein eingeschränkter Schutz gegen Minen, erreicht werden. Die Verwundetentransportkapazität umfasst beim BAT einen intensiv zu betreuenden Verwundeten oder alternativ zwei leicht verwundete Soldaten. Wegen des äußerst beengten Innenraums genügt das Fahrzeug den gegenwärtigen fachlichen Anforderungen nur sehr eingeschränkt.
In besonderer Weise entspricht der DURO 3 BAT den aktuellen sanitätsdienstlichen Anforderungen an Mobilität und Funktionalität im Rahmen des neuen Aufgabenspektrums der Bundeswehr. Dieses moderne VwuTrspM verfügt über ein sog. „Mittleres Schutzniveau“ (Level 2 ballistischer Schutz und Level 1 Minenschutz). Damit steht dem ZSanDstBw ein VwuTrspM mit der Fähigkeit zum VwuTrsp und zur notfallmedizinischen Erstversorgung von einem schwer und zwei leicht verletzten Soldaten in einem gegen Anti-Personenminen und Hartkernmunition geschützten Transportraum für Einsätze mit niedriger bis mittlerer Intensität zur Verfügung.
(Abb. 7)

Neben Einsätzen zur Stabilisierung gilt es darüber hinaus, Operationen mit hoher Gefechtsintensität gegen einen militärisch organisierten Gegner sowie gegen asymmetrisch kämpfende Kräfte durchsetzungsfähig durchzuführen. Um im Einsatzraum operative Wirkung zu erzielen, sind hohe taktische Beweglichkeit und Wirksamkeit unter gleichzeitig bedrohungsgerechtem Schutz unverzichtbare Fähigkeiten. Die dabei eingesetzten sanitätsdienstlichen Kräfte müssen daher insbesondere über geschützte Sanitätskraftfahrzeuge mit einem den zu versorgenden schweren mechanisierten Kräften entsprechenden Schutzniveau und einer dementsprechenden Mobilität verfügen.
Der DURO 3 BAT ist für die sanitätsdienstliche Unterstützung gepanzerter Kräfte im Gefecht nur eingeschränkt geeignet.
Unter Berücksichtigung der funktionalen Forderungen, die bei diesen Einsätzen schwerer mechanisierter Kräfte berücksichtigt werden müssen, verfügt die Bundeswehr derzeit über kein geeignetes VwuTrspM, das den Ansprüchen an die fachlichen sanitätsdienstlichen Forderungen, Kommunikations- und Führungsfähigkeit, taktische Beweglichkeit und den Schutz gegen unmittelbare Gefechtseinwirkungen gleichermaßen erfüllt.

Durch Beschluss der Integrierten Arbeitsgruppe Fähigkeitsanalyse -Unterstützung Durchhaltefähigkeit Mobilität- (IAGFA UDM) wurde verfügt, diese Fähigkeitslücke im Bereich des landgestützten geschützten Verwundetentransports zu schließen. Das Realisierungsrisiko eines sog. „Schweren Geschützten Sanitätskraftfahrzeuges“ (SGSanKfz) wurde nach erster Prüfung durch die IAGFA UDM sowohl technisch, zeitlich als auch finanziell als „nicht unerheblich“ bewertet. Um diesem Realisierungsrisiko und einer ergebnisoffenen Analysephase Rechnung zu tragen, wurde als Phasendokument eine Abschließende Funktionale Forderung (AF) beauftragt.
Eine auf Ämterebene konstituierte „Studienarbeitsgruppe Analysephase“ (SAGA), zuständig für die Erarbeitung des Phasendokumentes, kam zu dem Ergebnis, dass das „Gepanzerte Transport Kraftfahrzeug (GTK) BOXER“ derzeit das einzige verfügbare Fahrzeugkonzept ist, welches den funktionalen Forderungen hinsichtlich Mobilität, Nutzlast- und Nutzvolumen an ein SGSanKfz genügt.
(Abb. 8)
Hinsichtlich des Schutzniveaus ist es derzeit das einzige Radfahrzeug, das die Forderungen weitgehend erfüllt. Darüber hinaus wurde bereits durch die niederländischen Streitkräfte ein Prototyp für ein Ambulanzfahrzeug GTK BOXER entwickelt.
(Abb. 9)
Dieses niederländische Ambulanzfahrzeug deckt hinsichtlich des Raumkonzeptes (Rüstkonfigurationen VwuTrsp) im Bereich des Missionsmoduls bereits überwiegend die sanitätsdienstlichen Forderungen an ein SGSanKfz ab.
(Abb. 10)
Die erforderlichen Anpassungen beschränken sich nach erster Prüfung im Wesentlichen noch auf folgende Bereiche:
- Modifikation und Integration der Kommunikations- und Sanitätsausstattungen
- Optimierung des Stretchersystems (Tragensystem) bzgl. Rückhalteeinrichtung, Liegepositionen und Handhabung
- Schaffung einer geschützten Beifahrerposition mit ausreichendem Sichtfeld
- Integration einer Waffenstation

Da lediglich Änderungen an der äußeren Missionsmodulhülle zur Schaffung der Beifahrerposition und der Waffenstation zu erwarten sind, bietet die bestehende niederländische Variante eine hervorragende Ausgangsbasis für weiterführende Arbeiten. Zudem ist ein SGSanKfz auf Basis eines Fahrzeugkonzeptes des GTK BOXER innerhalb der Bundeswehr auch aus logistischer und wirtschaftlicher Sicht keine Insellösung, da im Bereich der TSK Heer das GTK BOXER bereits als Führungsfahrzeug und als Gruppen-Transporter qualifiziert wird. Insofern könnte das Fahrmodul eines SGSanKfz auf Boxerbasis entsprechend der Entwicklung des deutschen GTK BOXER (Gruppen-Transporter bzw. Führungsfahrzeug) übernommen werden.
Da die aufgezeigten Modifikationen ein beherrschbares Realisierungsrisiko beinhalten, wurde insbesondere aus funktionalen sowie rüstungswirtschaftlichen Gründen auf die Durchführung einer Projektierungsphase zugunsten einer sog. „Kauflösung“ verzichtet.
Eine Änderung der Beauftragung in eine AF/ReG erfolgte daher im schriftlichen Verfahren durch BMVg Fü S VI 3 vom 15.07.2005. Durch Umwidmung der AF in eine AF/ReG resultiert ein erheblicher Zeitgewinn im Hinblick auf die Realisierung der ersten Serienfahrzeuge, die nun beginnend ab 2009 dem Nutzer zur Verfügung stehen sollen.
Mit dem SGSanKfz trägt der Sanitätsdienst wesentlich dem Ziel einer gesicherten Verfügbarkeit eines Dispositives an geeigneten VwuTrspM, die sowohl den fachlichen funktionalen Bedarfs- als auch den einsatzorientierten und bedrohungsgerechten Schutzforderungen gleichermaßen entsprechen, erstmals im Bereich der schwer mechanisierten, gepanzerten Kräfte adäquat Rechnung.

Fazit und Ausblick

Die im Artikel beschriebenen Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie der fähigkeitsbezogene An-satz des CPM in wichtigen Projekten des Sanitätsdienstes zur Anwendung kommt und wie das schrittweise Vorgehen hilft, das Realisierungsrisiko zu minimieren und gleichzeitig die bestmögliche Lösung zur Schließung der anerkannten Fähigkeitslücke zu erreichen.
Mit der Vorgabe des Erlasshalters im BMVg (Org 1), nunmehr auch das krankenhaus- und institutsspezifische Material nach den Regeln des CPM einzuführen, wird auch das Material der Bundeswehrkrankenhäuser und Institute in die fähigkeitsbezogene Standardisierung der Sanitätsausstattung mit einbezogen, freilich unter angemessener Berücksichtigung der verschiedenen Aufgabenschwerpunkte. Dies geschieht jedoch auf Kosten eines deutlich gestiegenen Aufwandes für die Erstellung einer großen Anzahl zusätzlicher Phasendokumente und Stufenentscheidungen. Diesem durch die zwingend einzuhaltende CPM-Konformität bedingten Mehraufwand muss durch entsprechende personelle Anpassungen Rechnung getragen werden. Der Gewinnung fachlich versierten Personals für diese durchaus fordernde, aber auch überaus interessante und wichtige Aufgabe kommt dabei besondere Bedeutung zu, um dem Sanitätsdienst der Bundeswehr auch künftig das zur Erfüllung seines Auftrages notwendige Material zeitgerecht und in erforderlichem Umfang zur Verfügung stellen zu können.
 

Datum: 01.01.2006

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2006/1

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