21.10.2024 •

Wirkstoffe in Zahnpasta – ein Update

Christian Justenhoven

Die Mundhygiene spielt eine entscheidende Rolle für die körperliche Gesundheit. Zahnpasta ist ein zentraler Bestandteil der täglichen Körperpflege, dessen Inhaltsstoffe signifikante Auswirkungen auf das orale Mikrobiom, die Entstehung und den Verlauf von Karies sowie auf andere physiologische Parameter wie Speichel und Blutplasma haben können. Seit ihrer Einführung vor mehreren tausend Jahren haben sich die Rezepturen von Zahnpasta erheblich weiterentwickelt - von Suspensionen aus zerstoßenen Eierschalen oder Asche bis hin zu komplexen Hochleistungs-Formulierungen mit oft mehr als 20 Inhaltsstoffen [1].

Darunter befinden sich Verbindungen zur Bekämpfung von Karies, Zahnfleischerkrankungen, Geruchsbildung, Zahnstein, Erosionen und Dentinüberempfindlichkeit. Darüber hinaus enthalten Zahnpasten Schleifmittel zur Politur und Aufhellung der Zähne, Aromastoffe zur Erfrischung des Atems und Farbstoffe für eine bessere Optik. Wirksame Zahnpasten sind solche, die für eine maximale Bioverfügbarkeit ihrer Wirkstoffe formuliert sind. Das bedeutet, die Wirkstoffe werden besonders gut freigesetzt und vom Körper resorbiert. Die Herausforderung ist, viele verschiedene Wirkstoffe in einer pastösen Phase zu formulieren. Die Weiterentwicklung von Zahnpasten ist fortlaufend, da insbesondere die schwierige orale Substantivität der meisten Wirkstoffe, also das Vermögen, eine gewisse Zeit am Wirkort zu verbleiben, noch nicht überwunden ist. 

Wirkstoffe in Zahnpasta – ein Update
Quelle: Shutterstock

Insgesamt ist die Wahl der Zahnpasta entscheidend für die Mundgesundheit und kann direkte Auswirkungen auf das orale Mikrobiom und die Entstehung von Karies haben. Verbraucher achten bei der Auswahl ihrer Mundpflege vermehrt auf Inhaltsstoffe, können mögliche Nebenwirkungen der täglichen Zahnpasta Nutzung jedoch nicht in vollem Umfang abschätzen [2]. Dokumentierte Einzelfälle starker allergischer Reaktionen oder Entzündungen aufgrund der Nutzung von allergisch oder kanzerogen wirkenden Inhaltsstoffen in Mundpflegeprodukten [3] reichen nicht aus, die Industrie zu einem Wandel zu Inhaltsstoffen mit geringerem Nebenwirkungsprofil zu bewegen. Es wird empfohlen, die Zutaten sorgfältig zu prüfen, um potenziell unerwünschte Wirkungen zu vermeiden und die Mundpflege zu optimieren. 

Gut wissenschaftlich untersucht und belegt sind Fluoride für ihre kariesvorbeugenden Eigenschaften [4]. Sie unterstützen die Remineralisierung des Zahnschmelzes und tragen somit zur Verringerung der Kariesgefahr bei. Antibakterielle Wirkstoffe wie Chlorhexidin haben sich als wirksam erwiesen, indem sie die Bildung von Bakterienkolonien auf Zahnschmelz hemmen [5]. Seit 1994 ist der Einsatz von Chlorhexidin in Zahnpasten erfolgreich erprobt [6]. Die Verwendung von Melatonin in der Mundpflege hat ebenfalls an Bedeutung gewonnen, da es entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften besitzt, die dazu beitragen können, die Mundgesundheit zu fördern und parodontalen Erkrankungen entgegenzuwirken [7-9]. 

Zahnpasten, die mit der semi-essenziellen Aminosäure Arginin angereichert wurden, zeigen vielversprechende Effekte zur Linderung von Dentinhypersensitivität [10]. Zudem unterstützen sie bei der Stabilisierung des pH-Gleichgewichts im Mundraum und der Regulierung der kariogenen Flora [11]. Auch der für eine verlängerte Haltbarkeit zugesetzte Stoff Kaliumnitrat hat sich in der jüngeren Forschung als Dentin-hypersensivitätslindernd herausgestellt. Pasten, die mit 5% Kaliumnitrat angereichert wurden, konnten innerhalb weniger Wochen das Gefühl schmerzhafter Zahnhälse signifikant senken [12]. 

Vitamin B12-angereicherte Zahnpasta hat in Studien von 2018 und 2019 die Erwartungen übertroffen und das Vitamin B12-Level älterer Menschen mit einer Mangelerscheinung nach 3 Monaten nachweislich im Blutplasma anheben können [13, 14]. Eine derart angereicherte Zahnpasta könnte den Forschungsergebnissen nach als Mittel gegen Vitamin-B12-Mangel bei Seniorinnen und Senioren sowie vegan lebenden Menschen angewendet werden. 

In der heutigen Zeit gewinnen Aspekte der Nachhaltigkeit und der Umweltauswirkungen von Zahnpflegeprodukten zunehmend an Bedeutung. Mit der wachsenden Beliebtheit von biologisch basierten Produkten wenden sich Forschende wie die Verbraucherschaft vermehrt pflanzlichen Zahnpasten zu. Traditionell werden Extrakte aus Nelken und Kamille wegen ihrer potenziellen Vorteile für die Mundgesundheit eingesetzt [15, 16]. Glycyrrhizin, ein pflanzlicher Wirkstoff und der Hauptbestandteil der Süßholzwurzel, zeigt in mehreren jüngeren Studien interessantes Potenzial, da es virostatisch gegen das Herpes-Simplex-Virus und gegen SARS-CoV2 wirkt sowie entzündungshemmende Eigenschaften besitzt [17-19]. 

Formulierungen, welche mit piperin-, ingwer-, gagel- und kamillehaltigen Pflanzenextrakten angereichert sind, haben nachweislich vermehrte antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften, die das Wachstum pathogener Bakterien und Pilze hemmen und die Mundflora unterstützen [20, 21]. Auch die Verwendung von Zahnpasta mit Kräuterextrakten kann zur Verbesserung der Mundgesundheit beitragen [22-24]. Solche Produkte erhöhen nachweislich den pH-Wert des Speichels in Richtung neutral, reduzieren Plaque und verbessern die antioxidative Abwehrkraft des Speichels, also die Fähigkeit, freie Radikale zu binden. Der Wirkstoff Theobromin ist ein mit dem Koffein strukturverwandtes Stimulanz aus der Kakaobohne. 

Die remineralisierende Wirkung von Theobromin hat in der Prävention und Behandlung von frühkindlicher Karies Beachtung gefunden [25]. Produkte, die Theobromin enthalten, haben positive Effekte auf die Remineralisierung von Zahnschmelzläsionen gezeigt, einen neutralisierenden Effekt auf den Speichel-pH-Wert und eine Senkung der Werte des Bakterienstamms Streptococcus mutans, dem Leitkeim der Kariesentstehung [26]. Überraschenderweise hat derselbe Forschungszweig herausgefunden, dass auch Kaffeebohnenextrakte in der Mundhöhle antiinflammatorisch wirken [27]. Neuere Forschungszweige der Zahnmedizin untersuchen die Nutzung von Cannabinoiden zur Behandlung von Parodontalerkrankungen [28]. Diese pflanzlichen Inhaltsstoffe zeigen nicht nur antibakterielle Eigenschaften, sondern könnten den Forschungsergebnissen zufolge sogar eine Alternative zu synthetischen Antibiotika darstellen [29]. 

Wir befinden uns die Mundpflege betreffend derzeit in einer Phase des Umbruchs. Das Bewusstsein über negative Folgen auf den Körper bei mangelnder Mundhygiene steigt in der Bevölkerung an [30], ebenso der Bedarf an individualisierten Mundpflegeprodukten, angepasst an die eigenen Anforderungen und Bedürfnisse. Die jüngsten Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Prävention auch mithilfe aus der Natur stammender Inhaltsstoffe suffizient durchführen lässt. Nun bedarf es mehr solcher Produkte aus der Industrie. 



  1. Lippert, F., An introduction to toothpaste-its purpose, history and ingredients, in Toothpastes. 2013, Karger Publishers. p. 1-14. 
  2. Mazur, M., et al., Green dentistry: Organic toothpaste formulations. A literature review. Dental and Medical Problems, 2022. 59(3): p. 461-474. 
  3. Siqueira, A.P.L., et al., PLASMA CELL GINGIVITIS TRIGGERED BY TOOTHPASTE. Oral Surgery, Oral Medicine, Oral Pathology and Oral Radiology, 2023. 136(1): p. e47. 
  4. Wong, M., et al., Cochrane reviews on the benefits/risks of fluoride toothpastes. Journal of dental research, 2011. 90(5): p. 573-579. 
  5. De Andrade Meyer, A.C., et al., Clinical and microbiological evaluation of the use of toothpaste containing 1% chlorhexidine and the influence of motivation on oral hygiene in patients with motor deficiency. Special Care in Dentistry, 2010. 30(4): p. 140-145. 
  6. Zampatti, O., C. Roques, and G. Michel, An in vitro mouth model to test antiplaque agents: preliminary studies using a toothpaste containing chlorhexidine. Caries research, 1994. 28(1): p. 35-42. 
  7. Choudhari, S. and M. Sankari, Role of melatonin in oral cavity: A review. Drug Invention Today, 2019. 11(11). 
  8. Purpura, S., et al., Effects of Melatonin in the Non-Surgical Treatment of Periodontitis: A Systematic Review. Applied Sciences, 2022. 12(22): p. 11698. 
  9. Reiter, R., et al., Melatonin in the oral cavity: physiological and pathological implications. Journal of periodontal research, 2015. 50(1): p. 9-17. 
  10. Yan, B., et al., Arginine-containing toothpastes for dentin hypersensitivity: systematic review and meta-analysis. Quintessence International, 2013. 44(9). 
  11. Koopman, J.E., et al., Changes in the oral ecosystem induced by the use of 8% arginine toothpaste. Archives of Oral Biology, 2017. 73: p. 79-87. 
  12. Rahardjo, A., et al., Efficacy of a toothpaste containing 5% potassium nitrate in desensitizing dentin hypersensitivity. Asian J Pharm Clin Res, 2016. 9(2): p. 345-347. 
  13. Zant, A., Auswirkung einer mit Vitamin B12 angereicherten Zahncreme auf Plasma-Vitamin-B12. 2018. 
  14. Zant, A., et al., Vitamin B12-fortified toothpaste improves vitamin status in elderly people: A randomized, double-blind, placebo-controlled study. Aging Clinical and Experimental Research, 2019. 31: p. 1817-1825. 
  15. Paramawidhita, R.Y. and R.A. Safitri, Formulation and Evaluation of Toothpaste Combining Clove Flower Extract (Syzygium aromaticum L.) and Chamomile Flower Essential Oil (Matricaria chamomilla). Crown: Journal of Dentistry and Health Research, 2024. 2(2): p. 93-102. 
  16. Pourabbas, R., A. Delazar, and M. Chitsazi, The effect of German chamomile mouthwash on dental plaque and gingival inflammation. 2005. 
  17. Cinatl, J., et al., Glycyrrhizin, an active component of liquorice roots, and replication of SARS-associated coronavirus. The lancet, 2003. 361(9374): p. 2045-2046. 
  18. Huang, W., et al., Inhibition of intercellular adhesion in herpex simplex virus infection by glycyrrhizin. Cell biochemistry and biophysics, 2012. 62: p. 137-140. 
  19. van de Sand, L., et al., Glycyrrhizin effectively inhibits SARS-CoV-2 replication by inhibiting the viral main protease. Viruses, 2021. 13(4): p. 609. 
  20. Hegde, M.N., et al., Six-month follow-up of salivary antioxidant defense outcomes of individuals using medicated toothpaste. Journal of Conservative Dentistry and Endodontics, 2023. 26(2): p. 150-159. 
  21. Braga, A.S., et al., The effect of toothpastes containing natural extracts on bacterial species of a microcosm biofilm and on enamel caries development. Antibiotics, 2022. 11(3): p. 414. 
  22. Chaithra, L., Evaluation of redox potential of herbal toothpastes: An in-vitro study. J Dental Health Oral Res, 2021. 2(1): p. 1-9. 
  23. Kharaeva, Z.F., et al., Anti-bacterial and anti-inflammatory effects of toothpaste with Swiss medicinal herbs towards patients suffering from gingivitis and initial stage of periodontitis: from clinical efficacy to mechanisms. Dentistry Journal, 2020. 8(1): p. 10. 
  24. Rossi, A.D., et al., Antimicrobial activity of toothpastes containing natural extracts, chlorhexidine or triclosan. Brazilian dental journal, 2014. 25(3): p. 186-190. 
  25. Durhan, M.A., et al., Caries Preventive Effects of Theobromine Containing Toothpaste on Early Childhood Caries: Preliminary Results. Acta Stomatologica Croatica, 2021. 55(1). 
  26. Nakamoto, T., A.U. Falster, and W.B. Simmons Jr, The Contrasting Effects between Caffeine and Theobromine on Crystallization: How the Non-fluoride Dentifrice Was Developed. 2021. 
  27. Pujiastuti, P., et al., The potential of toothpaste containing Robusta coffee bean extract in reducing gingival inflammation and dental plaque formation. Majalah Kedokteran Gigi, 2023. 56(2): p. 109-114. 
  28. Jirasek, P., et al., Phytocannabinoids and gingival inflammation: Preclinical findings and a placebo‐controlled double‐blind randomized clinical trial with cannabidiol. Journal of Periodontal Research, 2024. 
  29. Stahl, V. and K. Vasudevan, Comparison of efficacy of cannabinoids versus commercial oral care products in reducing bacterial content from dental plaque: A preliminary observation. Cureus, 2020. 12(1). 
  30. Jordan, A.R. and W. Micheelis, Fünfte deutsche mundgesundheitsstudie-(DMS V). Vol. 35. 2016: Deutscher Zahnärzte Verlag DÄV Köln.


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