In den Einsätzen der Bundeswehr gehören tropenmedizinische Erkrankungen zu den wichtigsten Gesundheitsgefährdungen. Aktuelle (z. B. in Mali) und ehemalige (u. a. Afghanistan und Somalia) finden bzw. fanden in Regionen mit derartigen Erkrankungen statt. Typische Tropenkrankheiten werden auf vielfältige Weise übertragen, doch zwei wichtige Wege sind Vektoren (Insekten- oder Zeckenstiche) sowie direkter Hautkontakt mit Süßwasser oder dem Erdboden.
Bei der Vektorübertragung erfolgt die Infektion durch Übertragung der Erreger von einem Wirt (Mensch und/oder Tier) auf den nächsten durch verschiedene Insekten oder Zecken. Die Malaria (übertragen durch Stechmücken der Gattung Anopheles) ist das bekannteste Beispiel. Sie stellt aufgrund ihrer großen Verbreitung mit weltweit aktuell ca. 241 Millionen Fällen und 627 000 Toten neben der individuellen Gefährdung in Subsahara-Afrika (90 % der weltweiten Fälle) auch eine der großen Public Health Herausforderungen dar, mit der sich auch hier eingesetzte Soldaten auseinandersetzen müssen. Durch die tropenmedizinischen Experten wird für jeden Einsatz individuell untersucht, festgelegt und regelmäßig überprüft, ob eine medikamentöse Prophylaxe notwendig ist.
Untrennbar verknüpft mit der Tropenmedizin ist die medizinische Entomologie (Insektenkunde). Von den vektorübertragenen Tropenerkrankungen sind nur Gelbfieber und Japanische Enzephalitis impfpräventabel, so dass dem Schutz vor infektiösen Stichen eine zentrale Bedeutung zukommt. Dies umfasst die – durch die Disziplinarvorgesetzten zu überwachende – Nutzung von Repellentien, imprägnierter Bekleidung und Insektennetzen. Je nach Erkrankung können auch andere Maßnahmen zum Erfolg führen – bei der Leishmaniasis in Mazar-e Sharif führte z. B. eine gründliche Analyse von Tropenmedizinern und Entomologen zu Empfehlungen, wodurch das zu bauende Lager „Leishmanien-sicher“ errichtet werden konnte und die Inzidenz von Leishmaniasiserkrankungen im Lagerbereich im Vergleich zur Umgebung auf nahezu null sank. Dies zeigt, wie die genaue Kenntnis der Umweltansprüche und Lebensweise der Vektoren es Entomologen ermöglicht, zusammen mit Tropenmedizinern optimale Empfehlungen zum Schutz der eingesetzten Truppe zu erarbeiten.
Auch das im Zusammenhang mit den Wanderungsbewegungen von Viehherden in Westafrika erwähnte Rift Valley Fieber wird durch Stechmücken übertragen. Hierbei sind andere Arten beteiligt als jene, die Malaria übertragen. Sie haben unterschiedliche Verhaltensweisen und Ansprüche an ihre Umwelt, was auch hier die Bedeutung von Fachexperten unterstreicht, die all diese Spezifika der Vektoren analysieren und im Verbund mit anderen Spezialisten entsprechende Gegenmaßnahmen erarbeiten können.
Die entomologische Expertise wird neben dem (sub-)tropischen Schwerpunkt auch in Europa benötigt. Frühsommermeningoenzephalitis und besonders Borreliose sind hier weitverbreitete vektorübertragene Erkrankungen und stellen für den Inlandsbetrieb, Übungen und andere Missionen in Europa ähnliche Anforderungen an den Schutz vor infektiösen Stichen wie Einsätze in Afrika. In den letzten Jahren hat es in Deutschland zunehmende Nachweise des ebenfalls durch Stechmücken übertragenen West-Nil-Virus gegeben und der Sanitätsdienst analysiert diese Entwicklung fortwährend. Daneben behalten die entomologischen Experten auch den Klimawandel im Blick, in dessen Folge sich in Deutschland zunehmend tropische Stechmücken ausbreiten, die geeignet sind Erkrankungen wie das Dengue-Fieber zu übertragen.
Nicht immer müssen weitere Spezies an einer Übertragung tropischer Erkrankungen beteiligt sein. Der direkte Kontakt ungeschützter Haut mit Süßwasser (z. B. in Seen oder Flüssen) birgt insbesondere in Subsahara-Afrika das Risiko einer Schistosomiasis, bei der sich die mikroskopisch kleinen Larven der Erreger (Würmer der Gattung Schistosoma) durch die intakte Haut bohren, um sich letztendlich als fertige Würmer in den Mesenterien der Blase bzw. des Darmes anzusiedeln. In ähnlicher Weise kann dort der Kontakt mit Erdreich (wie beim Barfußlaufen) zu Kontakt mit Larven von Hakenwürmern führen, die sich ebenfalls innerhalb weniger Minuten durch die Haut bohren. Beide Beispiele verdeutlichen die Rolle der Verhaltensanpassung jedes Einzelnen und die Notwendigkeit tropenmedizinischer Expertise in der Einsatzvorbereitung.
Die Bandbreite der Klinik und Inkubationszeiten verschiedener tropischer Erkrankungen ist groß und erfordert sowohl in der direkten Versorgung vor Ort als auch in der Untersuchung nach Rückkehr geschultes Personal. Im letzteren Fall kommt den SoldatInnen eine wichtige Rolle zu, indem sie bei Krankheitssymptomen immer auf den vorausgegangenen Tropenaufenthalt hinweisen, damit eine adäquate Diagnostik durchgeführt werden kann. Die Kooperation des Fachbereichs Tropenmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ermöglicht dem Sanitätsdienst einen unmittelbaren Kontakt und engen Austausch mit der dem nationalen Referenzinstitut für Tropenmedizin und optimale Versorgung tropenmedizinischer Verdachtsfälle.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2022
Regierungsdirektor Dr. T. Morwinsky
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Dachauer Straße 128
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ThomasMorwinsky@bundeswehr.org