TESTEN DES INDIVIDUELLEN HÖHENKRANKHEITSRISIKOS VOR MILITÄRISCHEN EINSÄTZEN IN GRÖSSERER HÖHE

Aus der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie¹ (Ltd. Arzt: Oberstarzt Priv.-Doz. Dr. R. Schmidt) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Chefarzt: Generalarzt Prof. Dr. Dr. E. Grunwald), der Abteilung für Sportmedizin2, Prävention und Rehabilitation² (Leiter: Prof. Dr. Dr. S. Perikles) des Instituts für Sportwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Institutsleiter: Prof. Dr. W. Schöllhorn), der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin³ (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. T. Dietze) am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz (Chefarzt: Generalarzt Dr. T. Sohns) und der Abteilung für Gefäßchirurgie⁴ (Ltd. Arzt: Oberstarzt Dr. M. Engelhardt) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Markus Tannheimer¹, Nadine Albertini², Hans-Volkhardt Ulmer² Alfred Thomas³, Michael Engelhardt⁴ und Roland Schmidt¹

Zusammenfassung 

Hintergrund: 

Die Beurteilung des individuellen Akklimatisationszustandes ist schwierig. Dies gilt insbesondere für militärische Einsätze in der Höhe.Diese Studie stellt ein neues und einfaches Testverfahren vor, welches die Beurteilung des individuellen Risikos ermöglicht, in größerer Höhe höhenkrank zu werden.

Methoden:

Diese Vorhersage basiert auf der tiefsten Sauerstoffsättigung (SaO2), welche bei einem Bergaufsprint in einer Höhenexposition von 3 371 m gemessen wurde und der dafür benötigten Zeit. Dieses Testergebnis wurde der Ausprägung der Höhensymptomatik auf dem Gipfel des Mont Blanc (4 808 m) gegenübergestellt.

Ergebnisse:

Es zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen der bei dem Test erzielten Zeit sowie der SaO2 und dem Schweregrad der Höhenkrankheit auf dem Gipfel des Mont Blanc.

Schlussfolgerungen:

Der neu entwickelte Leistungstest erlaubt in noch „sicherer“ Höhe die Vorhersage des individuellen Risikos, bei einem weiteren Aufstieg höhenkrank zu werden. Er ermöglicht es, innerhalb einer Gruppe die bereits am besten akklimatisierten Personen zu erkennen, zum Beispiel im Vorfeld eines geplanten militärischen Einsatzes in der Höhe.

Testing the individuals’ risk of AMS ahead of military missions at greater altitudes

Summary 

Background:

The assessment of an individual’s degree of acclimatization to altitude is difficult. This is particularly applicable to military operations that have to be performed at altitude.

Method:

This study describes a new and simple test that allows to determine the individual’s risk for the high-altitude illness at higher altitudes. The prediction is based on the lowest oxygen saturation (SaO2) found during an uphill run at high altitude (3 371 m), combined with the time needed to complete the run.

Results:

The test results were compared against the severity of high-altitude symptoms on the summit of Mont Blanc (4 808 m). The main outcome was the significant correlation between time as well as SaO2 and the severity of high-altitude symptoms on the summit of Mont Blanc.

Conclusions:

The newly developed Performance Test allows, at a “safe” altitude, the prediction of an individual’s risk of developing high altitude illness if the ascent is continued. It allows the determination of the best acclimatized subjects within a group for example prior to a military mission at greater altitude.

1. Einleitung

Die akute Höhenkrankheit (acute mountain sickness: AMS) tritt vornehmlich bei Aufenthalten in einer Höhe über 2 500 m (4) auf. Es sind sogar Fälle des akut lebensbedrohlichen Höhenlungenödems (high altitude pulmonary edema: HAPE) bereits in einer Höhe von 2 500 m beschrieben (5,7). Wegen der Latenz von 12 Stunden bis zu 3 Tagen ist die Früherkennung der AMS schwierig und gefährdet Bergsteiger bei weiterem Aufstieg. Die objektive Beurteilung, ob eine spezielle Person gefährdet ist, bei einem weiteren Aufstieg an AMS zu erkranken, ist problematisch.

Dies gilt insbesondere für militärische Einsätze, da betroffene Soldaten in der neuen Höhe verbleiben müssen, selbst bei zunehmenden Symptomen. Mehrere Studien belegen eine hohe Inzidenz bei Soldaten für AMS von 1,4 % in 2 000 bis 2 500 m Höhe bis 8,3 % in 3 350 bis 5 500 m Höhe (15,22). Die eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit und psychische Belastbarkeit in der Höhe sowie die Bedeutung der Akklimatisation waren Gegenstand zahlreicher wehrmedizinischer Forschungsvorhaben der US-amerikanischen und chinesischen Armee (8, 14, 24, 30). Aktuelle Daten während der ersten 9 Monate der Operation ENDURING FREEDOM in Afghanistan und der Operation ANACONDA zeigen, dass 8 % aller Ausfälle durch die Höhenkrankheit bedingt waren (13).

Ein einfaches Testverfahren wäre daher wünschenswert, um in noch „sicherer“ Höhe entscheiden zu können, ob eine bestimmte Person bereits in größerer Höhe eingesetzt werden kann, eine weitere Akklimatisationsphase eingelegt werden muss oder sogar ein Abstieg erforderlich ist. Pulsoxymetrische Bestimmungen der arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) wurden von mehreren Autoren zur Beurteilung der Höhenakklimatisation genutzt (18, 21, 26). Unsere eigenen Untersuchungen zeigten einen erheblichen Abfall der SaO2 unter körperlicher Belastung (26). Roach et al. (19) konnten zeigen, dass körperliche Betätigung eine AMS hervorruft. Bezug nehmend auf diese Beobachtungen denken wir, dass ein Testverfahren zur Beurteilung des individuellen Akklimatisationsgrades den gesamten Organismus analog einer kardiologischen Stufenergometrie belasten muss.

Das Ziel dieser Studie war es, ein Testverfahren zu entwickeln, das aus einer Kombination von körperlicher Belastung und physiologischem Monitoring besteht, um eine ungenügende Akklimatisation möglichst sensitiv aufzudecken. Es soll in sicherer Höhe die Beurteilung des individuellen Akklimatisationsgrades ermöglichen und daraus abgeleitet eine objektive Entscheidung erlauben, ob eine bestimmte Person weiter aufsteigen darf oder nicht.

2. Methoden

2.1 Probandenkollektive

Um eine möglichst homogene Gruppe mit gleichem Akklimatisationszustand, Geschlecht und körperlicher Fitness untersuchen zu können, wurde der Heeresbergführerlehrgang der Bundeswehr ausgewählt. Neben deutschen Gebirgsjägern und Kommandosoldaten waren Soldaten aus Großbritannien, den USA und den Niederlanden unter den 36 männlichen Lehrgangsteilnehmern (Alter 28,3 ± 5,4 Jahre). Alle waren Nichtraucher und hatten keine relevanten Erkrankungen. Nach einer medizinischen Eignungsfeststellung musste sich jeder Teilnehmer in einem einwöchigen fordernden Eingangstest (Berglauf auf Zeit, Klettertouren, Skifahren) für diesen Lehrgang qualifizieren.

Anschließend folgten ein fünfwöchiger Kletterlehrgang in 1 500 m, ein siebentägiger Hochgebirgsinfanterielehrgang in 1 800 m bis 2 500 m Höhe sowie eine elftägige Eis- und Gletscherausbildung in den Ötztaler Alpen (Übernachtungshöhe 1 925 m; tagsüber bis 3 300 m). Nach drei Tagen an den Heimatstandorten (Höhe unter 950 m) wurde die Turiner Hütte (3 372 m) in den Westalpen als Ausbildungsstützpunkt aufgesucht. Der Aufstieg dorthin erfolgte per Seilbahn. Während dieses Ausbildungsabschnitts betrug die Schlafhöhe immer 3 372 m, tagsüber wurden Höhen bis 4 187 m erreicht (siehe Abb 1). Am siebten Tag des Aufenthalts wurde der Mont Blanc (4 808 m) bestiegen. Alle Probanden nahmen freiwillig an dem nicht-invasiven Test teil. Bei dem Test handelt es sich um eine zusätzliche standardisierte körperliche Belastung. Er ist dabei von Umfang und Intensität geringer als die sonst auf dem Heeresbergführerlehrgang von den Teilnehmern abverlangten Leistungstests/Prüfungen, zum Beispiel Selbstrettung aus einer Gletscherspalte auf Zeit oder schwere Hochgebirgstouren als Führer einer Gruppe, welche allesamt benotet werden und für das Bestehen relevant sind.

Ein Votum der zuständigen Ethikkommission war nicht erforderlich, da im Vergleich zu den üblichen Belastungen des Lehrgangs die Zusatzbelastung durch den neuen Leistungstest unbedeutend war. Die Probanden waren durch diese Studie keiner zusätzlichen Gefährdung ausgesetzt und führten die Ausbildung sogar unter erhöhten Sicherheitsbedingungen durch, da ein Arzt ständig anwesend war und ein permanentes AMS-Screening sowie SaO2-Monitorings erfolgten.

2.2 Leistungstest

Der neu entwickelte Leistungstest wurde am Abend des Ankunftstages (Umgebungsluftdruck: 680 mbar) im Hüttenbereich durchgeführt (Abb 1). Hier befindet sich eine überdachte Treppe von 46 m Höhendifferenz und 90 m Länge (Abb 2), so dass die Testdurchführung wetterunabhängig durchgeführt werden kann. Aufgabe war es, diese Treppe möglichst schnell hoch zu rennen, wobei die dafür benötigte Zeit gestoppt und die arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) bestimmt wurden. Hierfür wurde dasselbe Pulsoxymeter (Pulsoxymeter N-20 von Nellcor®) wie für die Messungen auf dem Mont Blanc benutzt. Nach Anlegen des Fingersensors im Zielbereich (Treppenende), wurde in stehender Position abgewartet, bis sich die SaO2 und die Pulsfrequenz stabilisiert hatten. Diese Werte (SaO2 Beginn und Puls Beginn) wurden in vorgefertigten Listen notiert. Begonnen wurde dann mit einem langsamen Abstieg zum Start der Teststrecke am Fuß der Treppe. Den dortigen Sättigungswert (SaO2 Start) mussten sich die Probanden merken. Unmittelbar danach erfolgte der Testlauf, ein maximal schneller Bergaufsprint (Abb 2). Die dafür benötigte Zeit wurde mit einer Handstoppuhr gemessen. Der Untersucher im Ziel notierte den tiefsten Sättigungs- und den höchsten Pulsfrequenzwert, der nach Ankunft innerhalb der folgenden 2 min vom Pulsoxymeter angezeigt wurde (SaO 2 Leistung, Puls Leistung). Der Proband verharrte dabei in stehender Position.

In einer Vorstudie konnten wir zeigen, dass die tiefste Sauerstoffsättigung meist 45 sec bis 75 sec nach Ankunft im Ziel beobachtet wird. Sie fiel auch in der Regel nach Zielankunft noch weiter ab. Zielgrößen waren die benötigte Zeit und die niedrigste SaO2 Leistung, die nach Absolvierung der Teststrecke in den folgenden 2 min auftrat. Die simultan gemessene maximale Pulsfrequenz diente als Parameter für die jeweilige Intensität.

2.3 Messung auf dem Mont Blanc

Auf dem Gipfel des Mont Blanc (4 808 m; Umgebungsluftdruck 578 mbar) wurde die Ausprägung der Höhensymptomatik mit einem Höhenkrankheitsfragebogen quantifiziert. Wir benutzten den in der Bundeswehr üblichen Höhensymptomatik-Test (Abb 3) (27). Dieser Fragebogentest ist dem Lake Louise Score (17, 25) sehr ähnlich und fragt 10 Symptome mit jeweils 4 möglichen Schweregraden (0 = nicht vorhanden, 1 = gering, 2 = mittel, 3 = stark) ab. Die Summe dieser Schweregrade wird als Individual-Score (I.S.) bezeichnet, der das Ausmaß der Höhensymptomatik (I.S.Mt.Blanc) quantifiziert. Bei einem I.S. > 15 besteht sowohl ein erhöhtes HAPEals auch Höhenhirnödem (HACE)-Risiko (27).

Parallel zum Fragebogentest wurde die Sauerstoffsättigung (SaO 2 Mt.Blanc) mit dem Pulsoxymeter N-20 am Zeigefinger gemessen. Um die Finger warm zu halten und Lichtinterferenzen zu vermeiden, wurde die entsprechende Hand unter dem Anorak gehalten. Der Untersucher achtete darauf, dass nicht hyperventiliert wurde. Diese Messungen erfolgten im Dauermodus des Pulsoxymeters. Der pulssynchrone Piepton war ausgeschaltet und die Anzeige war für den Probanden nicht einsehbar, um eine Beeinflussung zu minimieren.

Grundsätzlich sind pulsoxymetrische Messungen in der Höhe nicht so einfach durchführbar wie in Meereshöhe. Die höheninduzierte periodische Atmung ist der Grund für die typischen zyklischen Schwankungen der SaO2, welche die Berechnung eines Mittelwertes der über die Messperiode angezeigten SaO2- Werte erforderlich macht (1, 2). Jede Messung erfolgte über einen etwa zweiminütigen Zeitraum (5 Zyklen), wobei der Untersucher unter Beachtung des Minimal- und Maximalwerts den repräsentativen Wert dieser Messperiode festlegte und notierte. Daher erfordern solche Messungen in der Höhe einen erfahrenen Untersucher sowie eine relativ lange Zeitdauer (Einzelmessung 120 bis 150 Sekunden). Werden pulsoxymetrische Messungen allerdings in dieser Art und Weise durchgeführt, besteht eine reproduzierbare signifikante Korrelation zum Schweregrad der Höhenkrankheit (6, 12, 18, 26).

2.4 Statistik

Alle Ergebnisse wurden als Median (Minimum - Maximum) dargestellt. Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Zeit Leistung, SaO 2 Leistung und I.S.Mt.Blanc wurden Verfahren der statistischen Analyse nicht-parametrischer Daten mit Hilfe des Spearmen-Rang- Korrelations- Koeffizienten unter Verwendung von Stat View® angewendet. Wir akzeptierten einen p-Wert kleiner als 0,05 als Indikator statistischer Signifikanz.

3. Ergebnisse

Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist die signifikante Korrelation zwischen der erzielten Zeit (r = 0,48; p = 0,006) (Abb 4) sowie der SaO2 Leistung (r = -0,3; p = 0,04) (Abb 5) und der Ausprägung der Höhensymptomatik auf dem Gipfel des Mont Blanc. Vergibt man innerhalb des untersuchten Kollektivs Ränge für Zeit (schnellste Zeit = Rang 1) und SaO2 Leistung (höchster Sättigungswert = Rang 1) und bildet hieraus die Rangsumme, so korreliert diese hochsignifikant (r = 0,56; p = 0,001) mit I.S.Mt.Blanc (Abb 6). Außerdem besteht eine signifikante Korrelation (r = 0,33; p = 0,05) zwischen SaO 2 Leistung und SaO 2 Mt.Blanc (Abb 7)

3.1 Leistungstest

Beim Leistungstest fallen die Werte für die SaO 2 Leistung erwartungsgemäß bei allen Probanden unter den Ausgangswert der SaO 2 Beginn (Abb 8). Teilweise ist der Abfall erheblich und liegt im Median bei 11 %-Punkten (4 % - 29 %). Im Vergleich zur SaO 2 Beginn zeigt die SaO 2 Start keinen signifikanten Zusammenhang. 17 Probanden hatten einen niedrigeren, 14 einen höheren und 5 einen identischen SaO 2 Start-Wert (delta: Median 0 (-5 bis +8). Auffällig ist, dass Proband Nr. 9 mit dem höchsten Abfall der SaO2 unter maximaler Belastung (SaO 2 Leistung: -29 %-Punkte) auch den höchsten SaO 2-Abfall bei moderater Belastung hatte (SaO 2 Beginn: -8 %-Punkte).

Diese Person ist eine der drei Probanden mit der am stärksten ausgeprägten Höhensymptomatik auf dem Gipfel des Mont Blanc. Hingegen zeigten die Probanden Nr. 27 und 35 mit dem geringsten Abfall von SaO   (- 4 % und -5 %-Punkte) sogar einen Anstieg von SaO 2 Start (jeweils 3 %-Punkte). Beide wiesen auf dem Gipfel des Mont Blanc nur eine unbedeutende Höhensymptomatik I.S.Mt.Blanc von 1 beziehungsweise 2 auf. Innerhalb der gesamten Gruppe vergrößerte sich die Spanne zwischen beobachtetem Minimal- und Maximalwert mit zunehmender Belastung: delta SaO 2 Beginn: 9 %-Punkte (88 % – 97 %), delta SaO 2 Start: 11 %-Punkte (85 % – 96 %) und delta SaO2 Leistung: 26 %- Punkte (64 % – 90 %). Der Median von Puls Leistung war 167 /min (109 /min – 183 /min). Vier Probanden hatten eine Pulsfrequenz < 140 /min. Der mediane Anstieg von Puls Leistung im Vergleich zu Puls Beginn betrug 91,5 /min (23 /min – 116 /min).

3.2 Mont Blanc

Die SaO 2 Mt.Blanc lag im Median bei 79 % (61 % - 90 %). Auffällig war die breite Spanne zwischen beobachteten Minimal- und Maximalwerten von 29 % innerhalb der Gruppe. So wiesen zwei Probanden Werte von 90 % und sieben weitere Probanden Werte 85 % auf. Bei sechs Probanden lagen die Werte unter 70 %.

Insgesamt war die Ausprägung der Höhensymptomatik auf dem Gipfel des Mont Blanc mit einem Median 3 (0 - 9). relativ gering. Drei Probanden (Nr. 4, 9, 26) wiesen eine mittelschwere Höhensymptomatik mit I.S.Mt.Blanc von > 8 auf. Der Proband Nr. 14 konnte höhenkrankheitsbedingt nicht mit auf den Gipfel des Mont Blanc aufsteigen. Für die statistische Berechnung mittels Spearman-Rang-Korrelations-Koeffizient erhielt er daher den höchsten Rang (= 36) und es wurden fiktive Werte (SaO 2 Mt.Blanc: 60 %; I.S.Mt.Blanc: 15) herangezogen. Für die Median-Berechnung wurden dieseWerte nicht berücksichtigt.

3.3 Grenzwerte

Um alle Personen (Nr. 4, 9, 26), die auf dem Gipfel des Mont Blanc eine mittlere bis schwere Höhensymptomatik (I.S.Mt.Blanc > 7) (27) aufwiesen, zu erkennen, ergeben sich für den Test bei Durchführung auf der Turiner Hütte folgende Grenzwerte: Laufzeit über 75 Sekunden beziehungsweise Sättigung kleiner 65 %. Mit diesen Grenzwerten sind die Sensitivität des Leistungstest 1,0 und die Spezifität 0,97. Proband Nr. 14, welcher höhenkrankheitsbedingt nicht in der Lage war den Mont Blanc zu besteigen, wäre ebenfalls erkannt worden. Nur ein Proband (Nr. 5) wäre falsch positiv getestet worden. Seine benötigte Zeit betrug 75 Sekunden und die SaO 2 Leistung 84 %, aber sein I.S.Mt.Blanc war mit 2 vernachlässigbar niedrig.

4. Diskussion

4.1 Leistungstest Theorie des Leistungstests

Der grundsätzliche Unterschied zu einem Test in Meereshöhe besteht darin, dass der eigentliche Stress für den Organismus nicht der Leistungstest an sich sondern die permanente hypobare Höhenhypoxie darstellt. Der Organismus wird hierbei einer kurzzeitigen Zusatzbelastung oberhalb der anaeroben Schwelle ausgesetzt, welche die Hypoxämie weiter verschärft, vergleichbar einem Zwischensprint bei einem Marathon. Allerdings ist eine schnelle, laktatabhängige Energiebereitstellung in der Höhe nur ungenügend möglich (26, 28). Das von den verfügbaren Energiereserven abhängige Testergebnis erlaubt Rückschlüsse auf die aktuelle physische Verfassung, insbesondere die Adaptation an die Hypoxie.

Aus diesem Grund denken wir, dass es legitim ist, aus dem Testergebnis den individuellen Akklimatisationszustand und damit die Verträglichkeit größerer Höhen abzuleiten. So kann der individuelle Akklimatisationsgrad beurteilt und die Höhenleistungsfähigkeit in der nahen Zukunft vorhergesagt werden. Die Idee der Bildung einer Rangsumme aus SaO 2 Leistung und der benötigten Zeit für den Testlauf basiert auf der Annahme, dass sich beide gegenläufig verhalten. Eine schnelle Zeit führt möglicherweise zu einer niedrigeren Sättigung und umgekehrt. Die einfache Addition der Ränge (schnellste Zeit: Rang 1; höchste Sättigung: Rang 1) innerhalb der Gruppe berücksichtigt beides. Allerdings können wir mit der Fallzahl von 36 nicht überprüfen, ob die einfache Addition ausreicht oder ob andere arithmetische Methoden mit unterschiedlicher Gewichtung von Sättigung und Zeit noch aussagekräftiger wären.

Durch den Wettkampfcharakter des Leistungstests wird eine gut standardisierte Testsituation geschaffen und eine hohe Motivation der Teilnehmer gesichert. Der Maximalpuls nimmt mit zunehmender Höhe ab (16). Der gemessene Puls Leistung von im Median 167 /min (109 /min – 183 /min) entspricht dem erwarteten Maximalpuls in dieser Höhe und belegt die maximale Intensität bei diesem Test (28). Die vier Werte der Puls Leistung, welche unterhalb 140 /min lagen, bedürfen der Diskussion. Die Pulsbestimmung mittels Pulsoxymetrie ist abhängig vom pulssynchronen Einstrom oxygenierten Blutes in die Fingerkuppe. Kann dieser Einstrom nicht erkannt werden, zum Beispiel wegen Bewegungsartefakten, wird die Pulsfrequenz fälschlich zu niedrig bestimmt. Die korrekte Messung der SaO2 ist dabei dennoch gesichert, denn diese basiert auf der Lichtabsorption des Gewebes (11, 29).

Möglicherweise ist Proband Nr. 6, welcher den geringsten Puls Leistung von 109 /min aufwies, nicht mit maximaler Intensität gelaufen, denn seine Zeit ist mit 74 Sekunden langsam und die SaO  mit 84 % relativ hoch. Ähnlich liegt der Fall bei Proband Nr. 31 (Puls Leistung: 131 /min; 65 Sekunden, SaO2 Leistung: 86 %). Bei Proband Nr. 15 mit dem zweitniedrigsten Puls Leistung (122 /min) ist hingegen eine Fehlmessung am wahrscheinlichsten, denn mit 54 sec war die Laufzeit gering und die SaO2 Leistung zeigte mit 78 % einen entsprechenden Sättigungsabfall von 11 %-Punkten (delta SaO 2 Start – SaO 2 Leistung). Das Gleiche ist am wahrscheinlichsten bei Proband Nr. 29 (Puls Leistung: 135 /min, 61 Sekunden, SaO 2 Leistung: 78 %, delta: 15 %-Punkte). Wir konnten dies aber ohne zusätzliche Messung der Herzfrequenz nicht beweisen.

Anhand der vorgelegten Ergebnisse scheint die SaO 2 Start keine weitere diagnostische Relevanz zu besitzen, denn sie verhielt sich unterschiedlich. Roach et al. (19) zeigten, dass eine Intensität von 50 % des höhenkorrigierten maximalen Leistungsvermögens die SaO2 signifikant um mehr als 5 %- Punkte senkt. Saito et al. (20) fanden bei Treckern, dass Arbeit geringer Intensität (10 Kniebeugen) einen akuten Abfall der SaO2 bewirkt. Dieser Effekt war nicht mehr nachweisbar, als sich die Probanden an die Höhe akklimatisiert hatten. Die Autoren schlossen daraus, dass dieser simple Test ein einfach anzuwendendes Verfahren zur Beurteilung der Höhenakklimatisation bei gesunden Personen sein könnte. In unserem Fall ist die Intensität des langsamen Treppabsteigens sicherlich geringer als 50 % des höhenkorrigierten maximalen Leistungsvermögens (19), aber mit der Intensität in der Studie von Saito et al. vergleichbar (19, 20).

Allerdings ist die identische oder sogar höhere SaO2 (Vergleich SaO2 Start zu SaO 2 Beginn) in 19 Fällen (53 %) bemerkenswert (Abb 8). Der relativ gute Akklimatisationszustand der Soldaten nach der Eis- und Gletscherausbildung ist eine mögliche Erklärung dafür. Der vermutete hohe Anteil an Vagotonie in dieser Gruppe von Ausdauersportlern spielt möglicherweise eine weitere wichtige Rolle. Anscheinend erhöht bei einzelnen Personen eine moderate Belastung den Atemantrieb beziehungsweise wird dieser im Umkehrschluss durch Passivität gehemmt. Bekannt ist in diesem Zusammenhang der erhebliche Sättigungsabfall im Schlaf (26). Die individuell unterschiedlich lebhafte Hypoxic Ventilatory Response spielt hierbei eine bedeutende Rolle (3, 23, 28), die in dem untersuchten Kollektiv jedoch nicht bestimmt wurde.

Die Zunahme der SaO 2 (im Einzelfall bis zu 8 %-Punkte) durch moderate körperliche Betätigung ist enorm und in dieser Dimension nicht erwartet worden (Abb 8). Diese Erkenntnis hat Auswirkungen auf SaO2-Messungen in Ruhe bzw. auf deren Interpretation. Bei Ruhemessungen, die dem klinischen Bild nicht entsprechende niedrige Sättigungswerte ergeben, ist es sinnvoll, eine Kontrollmessung nach kurzer, moderater körperlicher Betätigung, zum Beispiel Herumlaufen, durchzuführen.

Zusammenfassend scheint die SaO2- Messung unter Belastung sensitiver zur Beurteilung des individuellen Akklimatisationszustandes zu sein als die Messung in Ruhe. Während die gruppeninterne Differenz (Maximalwert – Minimalwert) der SaO2 in Ruhe (SaO2 Beginn: 9 %-Punkte) und bei niedriger Intensität (SaO2 Start: 11 %-Punkte) noch relativ gering ist, steigt sie bei hoher Intensität (SaO 2 Leistung: 26 %- Punkte) deutlich an. Offensichtlich wirkt sich der individuell unterschiedliche Grad der Akklimatisation unter maximaler Belastung viel deutlicher aus als in Ruhe. So lässt sich die mit zunehmender Intensität zunehmende inter-individuelle Spanne innerhalb der Gruppe zwischen den Minimal- und Maximalwerten der SaOerklären. 

4.2 Mont Blanc

Unsere Ergebnisse, insbesondere die erhebliche Zunahme der inter-individuellen Spanne der SaO 2 Mt.Blanc von 29 %-Punkten (Min 61 % - Max 90 %) verdeutlichen, wie individuell unterschiedlich die benötigte Akklimatisationszeit ist. Deshalb wird ein Testverfahren benötigt, das den individuellen Akklimatisationsgrad prüft – besonders im Falle militärischer Einsätze in Hochlagen (20). Wir hatten keinen so deutlichen Zusammenhang zwischen dem Ergebnis des Leistungstest und der SaO 2 Mt.Blanc erwartet. Auf dem Gipfel spiegelt die insgesamt relativ gering ausgeprägte Höhensymptomatik auf der einen Seite den relativ guten Akklimatisationsgrad aller Soldaten wieder. Beleg dafür ist neben der schnellen Zeit für den Aufstieg (unter 6 Stunden ab der Turiner Hütte) die Tatsache, dass alle bis auf eine Person den Gipfel erreichten.

Auf der anderen Seite ist die geringe Höhensymptomatik aber auch durch die kurze Verweilzeit auf dem Gipfel (1 Stunde) und die Latenz der Höhenkrankheit bedingt (9). Hinzu kommt, dass einzelne Punkte des Fragebogentests, wie zum Beispiel die Frage nach der Qualität des Schlafs nicht zum I.S.Mt.Blanc zählten, da niemand übernachtete. Im Median lag die SaO 2 Mt.Blanc bei 79 % (61 % - 90 %) und der Ruhepuls bei 95 /min (75 /min – 128 /min). Dies belegt jedoch, dass noch keine vollständige Akklimatisation an diese Höhe vorlag. Für die neun Personen mit einer hohen SaO 2 Mt.Blanc (>85 %) wäre ein längerer Aufenthalt möglich gewesen. Bei sechs Personen mit niedriger SaO 2 Mt.Blanc (< 70 %) war der Abstieg wegen der Gefahr, eine schwere Form der Höhenkrankheit, zum Beispiel HAPE, zu entwickeln (2) absolut notwendig. Zum Vergleich: Während der deutsch-pakistanischen Forschungsexpedition zum Broad Peak in entsprechender Höhe (4 850 m) betrug die mediane SaObei Ankunft 86 % (77 % - 89 %) und nach einer weiteren Akklimatisierungsperiode 89 % (82 % - 93 %) (26).

Der Anmarsch in das Basislager dauerte 20 Tage. Im Gegensatz dazu ist das zivile Bergsteigen in den Alpen durch einen raschen Aufstieg zum Gipfel, eine kurze Verweilzeit dort und einen nachfolgenden schnellen Abstieg charakterisiert. In den meisten Fällen ist der Bergsteiger der hypobaren Hypoxie nicht lange genug ausgesetzt, um an der Höhenkrankheit wegen deren Latenz zu erkranken. Insofern ist es vertretbar, dass die meisten Bergsteiger einen Berg, wie den Mont Blanc, rasch vom Tal aus innerhalb von 2 bis 3 Tagen besteigen. Von einer Akklimatisation an die Höhe kann dann allerdings keine Rede sein (9, 10). Grundsätzlich anders ist es, wenn Soldaten in der Höhe verbleiben und dort voll einsatzfähig sein müssen. Der neu entwickelte Leistungstest dient diesem Zweck, da mit ihm diejenigen Soldaten identifiziert werden können, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, bei einem weiteren Aufstieg höhenkrank zu werden.

4.3 Grenzwerte

Um alle Soldaten mit mittlerer bis schwerer Höhensymptomatik (I.S.Mt.Blanc > 7) (27) und diejenigen, welche höhenkrankheitsbedingt den Gipfel nicht erreichen, zu erfassen, schlagen wir für den Leistungstest am Standort Turiner Hütte folgende Grenzwerte vor: Laufzeit über 75 Sekunden beziehungsweise eine Sättigung kleiner 65 %. Damit wäre der Proband Nr. 5 falsch positiv bestimmt worden (Laufzeit: 75 Sekunden, SaO 2 Leistung: 84 %), denn sein I.S.Mt.Blanc von 2 war vernachlässigbar. Betrachtet man seinen hohen Sättigungswert, wäre er möglicherweise in der Lage gewesen, 1 Sekunde schneller zu laufen. Auf der anderen Seite bestand besonders für Teilnehmer befreundeter Streitkräfte ein großer psychischer Leistungsdruck, der unter Umständen zu einer subjektiven Unterbewertung der Höhensymptomatik führte. Tatsache ist, dass dieser Proband den Lehrgangsteil „Turiner Hütte“ wegen ungenügender Leistungsfähigkeit nicht bestanden hat, jedoch zuvor in deutlich geringerer Höhe hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit nie auffällig gewesen war. Dies macht AMS als Ursache für seinen offensichtlichen Leistungsabfall wahrscheinlich.

Wegen der geringen Anzahl von 36 Probanden dienen diese Grenzwerte derzeit nur als Orientierungshilfe. Unter Umständen wäre ein kombinierter Grenzwert mit fließenden Übergängen sinnvoller. Eine langsame Laufzeit könnte beispielsweise durch eine höhere Sättigung kompensiert werden und auch umgekehrt. Für diese kombinierte Betrachtung beider Zielgrößen spricht die hochsignifikante Korrelation ihrer Rangsumme zur Ausprägung der Höhenkrankheit auf dem Gipfel des Mont Blanc.

5. Schlussfolgerungen

Der vorgestellte Leistungstest erlaubt vor Ort in noch „sicherer“ Höhe eine zuverlässige Abschätzung des individuellen Akklimatisationszustandes und damit eine Risikobeurteilung für das Auftreten von AMS in größerer Höhe. Bei der noch geringen Fallzahl eignet er sich derzeit vor allem zur Identifizierung bereits gut akklimatisierter Personen, zum Beispiel für ein Kommandounternehmen oder eine Rettungsaktion in größerer Höhe. Geeignete Personen können anhand des Testergebnisses (Abb 6) aus einer größeren Gruppe ausgewählt werden. Darüber hinaus kann nach „Kalibrierung“ eines entsprechenden Anstiegs, um Referenzwerte zu erhalten, der Leistungstest überall in großer Höhe durchgeführt werden.

Je häufiger er an einem Ort durchgeführt wird und je mehr Messungen mit dem jeweiligen Feedback aus größerer Höhe vorliegen, desto einfacher ist die Beurteilung und Interpretation. Wenn höhere Fallzahlen vorliegen, sollten idealerweise Grenzwerte mit dazugehöriger Verhaltensempfehlung (weiterer Aufstieg möglich; weitere Akklimatisation auf gleicher Höhe nötig; Abstieg erforderlich) definiert werden. Ist dies der Fall, kann der Leistungstest auch von nicht-ärztlichem Personal durchgeführt werden. Allerdings erfordert die Einbeziehung von Fragebogenergebnis, Ruhe-SaO2, Ruhepuls und Berücksichtigung des körperlichen Untersuchungsbefundes einen höhenmedizinisch erfahrenen Arzt.

Danksagung

Die Autoren möchten den Teilnehmern des Heeresbergführerlehrgangs der Bundeswehr und besonders dem Lehrgangsleiter Oberstleutnant Lösl und Stabsfeldwebel Schilling für ihre Unterstützung danken.

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Datum: 09.05.2011

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