01.12.2010 •

    TCCC SYMPOSIUM

    Die taktische Verwundetenversorgung gemäß TCCC (Tactical Combat Casualty Care) beschreibt präklinische Vorgehensweisen im Gefecht, welche gleichzeitig den taktischen und medizinischen Erfordernissen Rechnung tragen und das Behandlungsergebnis des Verwundeten und den Erfolg der gesamten Rettungskette im Einsatz verbessern.

    Seit nunmehr fünf Jahren veranstaltet das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen (AusbZSpezlOp) und die Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. das TCCC-Symposium.

    Das AusbZSpezlOp stellt seit Jahren aufgrund der Vorreiterolle des Heeres bezüglich der Umsetzung der TCCC in die nationale Sanitätsausbildung im Zuge der dortigen Sanitätslehrgänge zum Combat First Responder (CFR) für Spezialkräfte und Spezialisierte Kräfte eine Ausnahmenerscheinung in der Bundeswehr dar. Das dort mit hoher fachlicher Expertise und Erfahrung zum CFR qualifizierte Nichtsanitätspersonal der hochspezialisierten "Ausnahmekräfte" der Bundeswehr trägt im Einsatz wesentlich dazu bei, die sanitätsdienstliche Rettungskette möglichst weit vorne schließen zu können und im System mit dem eigenen Truppensanitätsdienst (Ebene 1) eine verzuglose und an der taktischen Lage ausgerichtete präklinische Versorgung zu gewährleisten. Die dann im Rahmen einer Notkompetenz im Einsatz anzuwenden medizinischen Maßnahmen der CFR können aufgrund der fundierten Ausbildung nach Algorithmen und eng verzahnt mit den militärischen Einsatzgrundsätzen sicher angewendet werden.

    Im Fall von Massenanfällen von Verwundeten, der lagebedingten Nichtverfügbarkeit von Sanitätspersonal oder den besonderen taktisch-operativen Besonderheiten geschuldeten "prolongierten präklinischen Versorgungszeiten", kann dies bis zum Erreichen einer Sanitätseinrichtung über Tod oder Leben des Verwundeten im Einsatzgeschehen entscheiden - dies ist typischerweise bei Operationen oder Einsätzen von Spezial- und Spezialisierten Kräften regelmäßig der Fall. Je nach Ausbildungshöhe unterscheidet man die abgestuften Qualifikationen Combat First Responder (CFR) A, B und - als höchste Stufe - C, welche für ihre Einsatzreife einen zeitintensiven und lückenlosen Kompetenzerhalt nachweisen müssen.

    Außerhalb der Spezial- und Spezialisierten Kräfte werden seit Anfang 2010 nach neuen Vorgaben für die sanitätsdienstliche Ausbildung von Nichtsanitätspersonal auch andere Soldaten der Bundeswehr entsprechend den Erstmaßnahmen der drei Phasen des TCCC (Care under Fire; Tactical Field Care und Combat Casualty Evacuation Care) und damit nach den sanitätsdienstlichen Erfordernissen der aktuellen Einsatzrealität zum Einsatzersthelfer A (EH-A) ausgebildet. Ausgewähltes Einzelpersonal der Truppe wird darüber hinaus zum Einsatzersthelfer B (EH-B) befähigt - welcher invasive Maßnahmen (Punktion des Spannungspneumothorax, Infusionen) im Rahmen der Notkompetenz, erweiterte Fähigkeiten in der Erstuntersuchung und die Anforderung eines qualifizierten Verwundetenlufttransportes (AIRMEDEVAC) durchführen kann und nach dem Prinzip des TCCC an den Fachschulen für Rettungsdienst der Bundeswehr ausgebildet wird. Die bisherige querschnittliche Ausbildung in Selbst- und Kameradenhilfe wurde damit elementar neu ausgerichtet und an die Erkenntnisse aus dem ISAF-Einsatz angepasst. Berücksichtigt wird vor allem die Erstversorgung innerhalb der "platin 10 minutes" von potentiell unversorgt tödlich endenden Verletzungsmustern des Gefechtsfeldes sowie ballistischer und Blastverwundungen.

    Dies soll und kann die qualifizierte Versorgung durch Sanitätspersonal nicht ersetzen, sondern die im Einsatz erforderliche Rettungskette zielgerichtet nach taktischen Erfordernissen schon ab dem Zeitpunkt der Verwundung mit Einsetzen der Selbst - und Kameradenhilfe zum Wohle des verwundeten Kameraden im Ergebnis verbessern.

    Feste

    Größe Vor fünf Jahren auf den Weg gebracht, hat sich das TCCC-Symposium unterdessen zu einer festen Größe für den internationalen Erfahrungsaustausch von Nichtsanitätspersonal und Sanitätspersonal entwickelt. Ein Merkmal ist damit der interdisziplinäre Ansatz sowie das breite Spektrum der Anwender. In Pfullendorf treffen sowohl Führungspersonal und Konzeptionäre aus dem Sanitätsdienst und der Truppe, medizinische Experten aus den Bundeswehrkrankenhäusern und natürlich die Anwender aus den deutschen und internationalen Streitkräften, Spezialkräften der Polizei und interessierten zivilen Rettungsdiensten, die Anbieter der Industrie und Vertreter der Fachpresse zusammen. Mit Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, der Schweiz, Ungarn sowie den USA waren dieses Jahr neun Nationen mit teils hochkarätigem Personal vertreten.

    In den sechs theoretischen Abschnitten standen konzeptionelle Ansätze - Sanitätsausbildung von Nicht-Sanitätspersonal, jüngste Entwicklungen bezüglich TCCC im In- und Ausland - ebenso auf der Agenda, wie medizinische Behandlungskonzepte: Intraossäre (i. o.) Zugänge als Alternative respektive Ergänzung intravenöser (i. v.) Zugänge, pharmakologische Besonderheiten bei der Versorgung in Höhe und bei Kälte, Möglichkeiten und Gefahren der Analgesie (Schmerzbehandlung), Erstmaßnahmen bei Wirbelsäulenverletzungen oder Wundtamponade als Alternative zu konventionellen Verbänden in der präklinischen Erstversorgung auf dem Gefechtsfeld.

     

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    Abb. 1: Combat First Responder im Einsatz (TCCC-Symposium 2008)

     

    Workshops und Vorführung

    Neben den Vorträgen bot eine Industrieausstellung Einblicke in neue medizinische, sanitätsdienstliche und taktische Einsatzmittel. Darüber hinaus bestand im Rahmen aufwendiger Workshops - in Zusammenarbeit mit der TREMA e. V. (Tactical Rescue& Emergency Medical Association; www.tremaonline.info) - Gelegenheit, einige der Behandlungs- und Anwendungskonzepte unter Anwendung bestimmter Ausrüstung oder von medizinischem Material praktisch zu erproben, etwa bei der Blutstillung und Wundversorgung, dem Atemwegsmanagement durch Koniotomie oder Intubation, dem Legen intraossärer Zugänge oder der Erstversorgung von Wirbelsäulenverletzungen.

    Wie eng die Anwendung des Konzeptes TCCC mit den taktischen Einsatzgrundsätzen der jeweiligen Truppe verbunden sein muß, kam in einer Vorführung der Spezialisierten Kräfte mit Erweiterter Grundbefähigung (SpezlKr EGB) der Division Spezielle Operationen (DSO) zum Ausdruck. Der EGB-Zug der 3./Fallschirmjägerbataillon 263 demonstrierte seine Fähigkeiten während einer Zugriffsoperation auf ein Objekt im Szenar Speziellen Operation, in deren Verlauf es zu einem Feuergefecht mit Irregulären Kräften und dem Ausfall von eigenen Kräften kam. Beim Kampf in einem Gebäude wurden zwei Soldaten verwundet. Während der Phase "Care under Fire" versorgten die CFR noch im Gebäude mit Tourniquets die Blutungen und nahmen dann außerhalb der Gefahrenzone die "Tactical Field Care" vor, untersuchten mit bestimmten Untersuchungsschemata, versorgten die Wunden, legten i. v.-Zugänge, gaben Schmerzmittel und bereiteten die Verwundeten für den Transport und die Übergabe an Sanitätspersonal vor. Parallel dazu forderte der Zugführer nach dem Meldeschema des "9-Liners" die Medical Evacuation (MEDEVAC) mit einem Drehflügler an. Anschließend übernahm das Sanitätspersonal an Bord des Transporthubschraubers CH 53 die Verwundetenversorgung und den weiteren Transport unter intensivmedizinischer Behandlung, der EGB-Zug setzte seinen Auftrag weiter fort.

     

     

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    Abb.2: Workshop-Teilnehmer bei der Verwundetenversorgung

     

    Erfahrungsaustausch

    Wie in den letzten Jahren auch bildete der Erfahrungsaustausch einen weiteren Schwerpunkt, wobei auch der "Blick über den Tellerrand" zu anderen Nationen und Organisationen gewahrt blieb. Angehörige von Spezialkräften und dem Sanitätsdienst Dänemarks, der US Air Force und Polizei-Spezialeinsatzkommandos berichteten über ihre Ausbildungen und Einsatzerfahrungen. Unstrittig ist, dass TCCC sich im Einsatz als Konzept der Anwendung bewährt hat und durch die Ausrichtung der Ausbildung und Ausrüstung Leben retten kann - sowohl des Verwundeten wie auch des taktisch befähigten Anwenders. Daher soll auch im nächsten Jahr das in Deutschland einzigartige Symposium fortgesetzt werden.

    Datum: 01.12.2010

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/4

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