TÄTIGKEIT UND BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN EINES TRUPPENARZTES IM AUSLAND

Fremdsprachliche Umgebung, erweitertes Patientenklientel, Horizonterweiterung und internationale Kooperation sind nur wenige von vielen möglichen Schlagworten, die eine solche Verwendung in der Deutschen Sanitätsstaffel in SHAPE beschreiben können.

Als deutscher Truppenarzt Teil eines internationalen Teams in einer Art „Ärztehaus“ mit vielfältigen Aufgaben und ebenso vielfältigen Möglichkeiten zu sein, gehört hier zur Dienstpostenbeschreibung.

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Abb. 1: Geographische Lage SHAPE.

Die Deutsche Sanitätsstaffel in SHAPE

SHAPE (Supreme Headquarter Allied Powers Europe) befindet sich als oberstes militärisches Hauptquartier der NATO ca. 60 km westlich von Brüssel im wallonischen und damit französischsprachigen Teil Belgiens.
SHAPE verfügt über eine eigene Postleitzahl, eigene Kfz-Kennzeichen sowie über eine eigene Internationale Schule mit verschiedenen nationalen Abteilungen und einem Kindergarten. Der Standort entspricht in der Infrastruktur einer großen amerikanischen „Garrison“, d. h., auch Supermarkt, Bücherei, Sportstätten, Kino, Restaurants und Bowlingbahn befinden sich vor Ort.
Neben den verschiedenen Dienststellen auf SHAPE (z. B. HQ SHAPE, ACT SEE, NCIA, NSHQ, NAEW&C FC) wird Deutschland - wie alle anderen NATO-Mitglieder auch - durch ein nationales Element, den National Military Representative NMR (DEU), vor Ort vertreten. Die deutsche Interessenvertretung bei SHAPE sowie das Informationsmanagement zwischen den Dienststellen am Standort SHAPE und dem BMVg kennzeichnet das Aufgabengebiet des NMR.
Er ist außerdem zuständig für die truppendienstliche Führung aller Soldatinnen und Soldaten und die Betreuung der Angehörigen aller Dienststellen bei SHAPE sowie deren Familien. Dazu steht ihm ein Stab zur Verfügung, welcher durch eine Stabsgruppe bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben unterstützt wird. Innerhalb dieses Stabes finden sich die Dienstposten für einen deutschen Truppenarzt und einen Truppenzahnarzt mit truppendienstlicher Unterstellung unter den Chef des Stabes NMR (DEU). Fachdienstlich wird die Deutsche Sanitätsstaffel durch den Leitenden Sanitätsoffizier beim Streitkräfteamt (LSO SKA) geführt.
In SHAPE und den angeschlossenen Standorten in Brüssel, Lille und Ostende sind derzeit insgesamt ca. 500 Soldatinnen und Soldaten truppenärztlich zu versorgen. Dazu kommen weitere ca. 1000 Angehörige, Angestellte, NATO-Zivilisten sowie Angehörige anderer Nationen, welche gemäß bestehender Verträge und Vereinbarungen durch die deutsche Sanitätsstaffel mitversorgt werden (so z. B. Österreich, Schweiz im Rahmen „Partnership for Peace PfP“ etc.).
Die Deutsche Sanitätsstaffel befindet sich im ehemaligen Standort-Hospital auf SHAPE, der nunmehr SHAPE Healthcare Facility (SHF) genannten Einrichtung und genießt dort einen Gast-Status (co-Located, d. h. ohne truppendienstliche Stellung unter die US-amerikanische Leitung des Hospitals).
Innerhalb der SHF befolgt jede Nation zunächst einmal ihre eigenen gesundheitspolitischen, medizinischen und sanitätsdienstlichen Bestimmungen und Richtlinien. Allerdings müssen Angehörige des U.S.-amerikanisch geführten Anteils der SHF sowie alle nationalen Provider (also auch deutscher Truppenarzt und Truppenzahnarzt) den Akkreditierungskriterien der U.S. Army entsprechen.
Die SHF bietet zwar nicht die Möglichkeit einer stationären Patientenversorgung ( = „Walk-in“ - Clinic), es sind aber aufgrund der Akkreditierung für die Deutsche Sanitätsstaffel eine Reihe wertvoller diagnostischer und logistischer Leistungen abrufbar. So stehen in der Einrichtung unter anderem eine Radiologische Abteilung, eine große physiotherapeutische Abteilung sowie eine Labormedizinische Abteilung zur Verfügung. Mit den abteilungseigenen Möglichkeiten der Deutschen Sanitätsstaffel kann somit ein erweitertes allgemeinmedizinisches Spektrum angeboten werden. Weiterhin stellt die SHF aber auch - in Deutschland eher unterrepräsentierte - Fachabteilungen bereit, wie z. B. die „Preventive Medicine“ und die „Behavioural Medicine“. Darin integrierte Bereiche wie die Psychotherapie, Psychologie, Sozial- und Arbeitsmedizin und die allgemeine Gesundheitserziehung setzen jedoch eine hohe englische Sprachqualifizierung von Seiten des Patienten voraus.
Dennoch: eine umfangreiche allgemeinmedizinische Versorgung ist am Standort SHAPE nicht zuletzt im Rahmen der Angehörigenbetreuung unabdingbar; denn diese ist durchaus mit jener einer Landarztpraxis in Deutschland vergleichbar. Natürlich ist SHAPE nicht Lambarene – der Hauptgrund für das benötigte erweiterte Praxisspektrum ist auch weniger in einer eingeschränkten Versorgungsmöglichkeit seitens des belgischen Gesundheitssystems zu sehen, als vielmehr in der fremdsprachlichen Umgebung, die insbesondere für die Angehörigen der deutschen Soldatinnen und Soldaten als Hindernis wahrgenommen wird.

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Abb. 2: SHF, Luftbild (© Helmut Schneider, für weitere Verwendung freigegeben)
Das Patientenklientel erstreckt sich nahezu über die gesamte Bandbreite, nämlich vom Säugling bis zum Rentner. Das vornehmlich internistische, orthopädische und allgemeinmedizinische Behandlungsspektrum reicht dabei von der U3-Untersuchung beim Säugling über präventivmedizinische Leistungen (die DtSanStff SHAPE ist z. B. akkreditierte Gelbfieber-Impfstelle) bis hin zur Versorgung chronischer Krankheiten, insbesondere bei den meist lebensälteren Patienten. In Nebenfunktion sind Truppenarzt und Truppenzahnarzt zudem gleichzeitig Schulärzte der Deutschen Abteilung der „SHAPE International School“.
Für diese Aufgaben steht der Deutschen Sanitätsstaffel SHAPE ein Personalumfang von zwei Sanitätsoffizieren (Truppenarzt, Truppenzahnarzt), zwei Feldwebeln (Heilfürsorge, Sanitätsmaterial), vier Unteroffizieren (2 x ArztHlf, 1 x ZArztHlf, 1 x SanMat) sowie zwei zivilen belgischen Ortskräften (ArztHlf, ZArztHlf) zur Verfügung:
Personal DtSanStff SHAPE: 2 / 6 / 1 (9) + 2 Ziv

Die Anbindung an das belgische Gesundheitssystem ist eine weitere Besonderheit dieser Truppenarztverwendung. Naturgemäß sind hierbei insbesondere die beiden zivilen Dienstposten der Arzthelferin und der Zahnarzthelferin von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da über sie der wesentliche Anteil der Koordination des Patientenbetriebes mit den örtlichen Gesundheitseinrichtungen unterstützt wird. Die Zulassung als belgischer Hausarzt erfolgt durch die Erteilung einer sog. INAMI-Nummer durch die staatliche belgische Gesundheitskasse, was den Kontakt zu örtlichen Institutionen des Gesundheitssystems (Kollegen, Krankenhäuser, Apotheken, Physiotherapeuten etc.) erleichtert.

Fazit

Herausforderungen einer Auslandsverwendung, lediglich 170 Kilometer von der deutschen Landesgrenze entfernt? Durchaus, denn bedingt durch die fremdsprachliche Umgebung, die internationale Integration, das umfangreiche Patienten- und Behandlungsspektrum sowie eine besondere Infrastruktur weist die truppenärztliche Tätigkeit bei SHAPE doch eine Reihe von Besonderheiten auf, welche jede für sich gleichzeitig Anspruch und Chance darstellen.

Vielleicht wäre die Erweiterung des Patienten- und Behandlungsspektrums – insbesondere im Hinblick auf den gerne gebrauchten Begriff „Attraktivitätssteigerung“ – ja sogar eine Ausgestaltungsform des Truppensanitätsdienstes im Inland für die Zukunft? Könnte eine analoge Verzahnung des zivilärztlichen und militärärztlichen Bereiches in Deutschland hinsichtlich Demographie und Kompetenzerhalt nicht für beide Bereiche fruchtbar sein? Auf der Arbeitsebene ist die Antwort eindeutig.

Datum: 05.12.2014

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/3

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