Leben mit dem Schmerz

Bericht aus der Schmerzambulanz des BwKrhs Westerstede

Aus dem Bundeswehrkrankenhaus Westerstede (Kommandeurin: Oberstarzt Dr. L. Bartoschek)


Das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede hat seit Beginn der Kooperation vor 10 Jahren eine Schmerzambulanz, die unter der Leitung von Oberfeldarzt a. D. Spiegel und Oberfeldarzt a. D. Wehmeyer vom ersten Tag an die Versorgung des Klinikzentrums Westerstede, der Soldaten aus den umliegenden Versorgungsbereichen und von ambulanten zivilen Patienten im Rahmen einer Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung übernahm.

Aktuell ist die Ambulanz in der Regelarbeitszeit durchgängig besetzt mit zwei Schmerztherapeuten. Beide besitzen seit dem 01. April 2018 eine Ermächtigung für 8 Facharztzuweisergruppen zur Behandlung von kassenärztlich versicherten Patienten. Die Schmerzambulanz Westerstede erfüllt die Qualitätssicherungsvereinbarung der kassenärztlichen Vereinbarung Niedersachsens vollumfänglich und nutzt im Rahmen des Krankenhausinformationssystem Orbis der Fa. Agfa zusätzlich die digitale Auswertung des Deutschen Schmerzfragebogen der DGSS, der standardmäßig als Qualitätstool genutzt wird.

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Acupuncture needles protrude from the ear of a patient (Abb.: Wikipedia)
Seit kurzem besitzen die Verfasser die Weiterbildungsermächtigung über 12 Monate im Bereich der speziellen Schmerztherapie für Anästhesiologie. Im täglichen Arbeitsalltag betreuen die Verfasser zusammen mit ihren 2 „Pain-­Nurses“ pro Jahr durchschnittlich 3975 Patienten (Zahl von 2017 vor der Erteilung der persönlichen Ermächtigung beider oben genannter Kollegen) im Rahmen ambulanter Vorstellungen (Soldaten, zivile KV-Patienten, BG-­Patienten und innerklinische Konsile im gesamten Klinikzentrums Westerstede (Ammerland-­Klinik und Bundeswehrkrankenhaus).

Zusätzlich werden im Rahmen des Akutschmerz­dienstes (ASD) knapp 900 Patienten, die mit regionalen Katheterverfahren versorgt sind, postoperativ im Bundeswehrkrankenhaus Westerstede betreut. Die Katheter liegen durchschnittlich 4 Tage und werden zweimal täglich visitiert. Die Organisation des ASD, die fachliche Aufsicht sowie die pflegerische Visite erfolgt durch das Personal der Schmerzambulanz. Die ärztliche Visite erfolgt durch Assistenzärzte der Klinik für Anästhesie mit einem eigens dafür eingerichteten Dienst. In die postoperative Schmerztherapie der etwa 20 000 Narkosen im Klinikzentrum Westerstede im Aufwachraum ist die Schmerzambulanz ebenfalls involviert.

Durch die Behandlung ambulanter ziviler Patienten aufgrund der KV-Ermächtigung wird ein sehr umfangreiches Spektrum der Schmerzerkrankungen in der täglichen Arbeit abgebildet.

Hiervon profitieren unsere Soldaten, da ein entsprechend hoher fachlicher Standard erreicht wird.

So umfassen unsere Therapiemöglichkeiten

  • die konventionelle medikamentöse Einstellung,
  • der Behandlung von Trigeminusschmerzen mit GLOA (Ganglionäre Lokale Opioid Analgesie),
  • Transcutane Nervenstimulationen (TENS),
  • diagnostische und auch therapeutische ­Blockade­techniken,
  • Sympathikusblockaden (gemeinsam mit der Radiologie des Klinikzentrums),
  • Qutenza-Behandlung,
  • Infiltrationstechniken,
  • Schmerzgruppen bei speziellen Indikationen unter Leitungen eines Psychologen in Zusammenarbeit mit unserer Fachambulanz Psychia­trie.
  • Zusätzlich bieten wir die Therapie
  • mittels kontrolliert gemessener Ohrakupunktur mit Störfelddiagnose gem. DAA (größte deutsche Akupunkturgesellschaft) und
  • der Behandlung von Rücken-Bein- und neuropathischen Schmerzen mit einem Spinal- Chord-Stimulation-System (SCS) in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurochirurgie des Bundeswehrkrankenhauses an.


Die Ohrakupunktur erfolgt mittels Nougierreflex. Damit wird sichergestellt, dass nur aktive und somit auch indizierte Punkte mittels der Akupunktur am Ohr stimuliert werden. Dieses Verfahren ist eine Weiterentwicklung zur traditionellen chinesischen Körperakupunktur, die auch bei Bedarf angewendet wird. Hierzu ist OFA Fischer die Ansprechperson. Zusätzlich darf in unserer Ambulanz aufgrund nachgewiesener zertifizierter Ohrakupunkturkurse Implanta­tionsnadeln verwendet werden, was eine deutliche Reduktion der Belastung der Patienten ­bedeutet. Implantationsnadeln werden unter sterilen Bedingungen eingebracht und werden je nach Material dann 3 oder 12 Monate dort verweilen, bis diese durch den Körper vollständig resorbiert und abgebaut sind. Hierbei handelt es sich um bio-resorbierbare Ohrnadeln die aus dem gleichen Material bestehen, wie chirurgische selbstauflösenden Schrauben im Rahmen der Ostheosynthese.

Besonders erfolgreich wird die Akupunktur bei Migräne, Rückenschmerzen und Gelenksbeschwerden eingesetzt, kann aber auch eine somatoforme Schmerzerkrankung zusätzlich Verbesserungen im Schmerzbild erzielen.

Zukünftig wird angestrebt, zusätzlich die Möglichkeit einer Laserakupunktur anzubieten. Hiervon profitieren besonders Patienten, die sehr ängstlich sind was einen Nadelstich betrifft, da dieser nicht mehr erforderlich ist und somit eine Möglichkeit einer Akupunktur ohne Nadel darstellt.

Die Neurostimulation mittels Spinal-Chord-­Stimulation (SCS) dient der Behandlung von neuropathischen Schmerzen sowie Rücken-­Bein-Schmerzen (z. B. nach Wirbelsäuleneingriffen). Dabei werden Neurostimulationselek­troden epidural, sowie ein Generator gluteal in Vollnarkose implantiert und es erfolgt eine dauerhafte Stimulation mit 10 000Hz. Die Implantation der Systeme erfolgt durch den Verfasser in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurochirurgie. Die Nachsorge der SCS-Systeme erfolgt durch die Schmerzambulanz. Im Durchschnitt wird mit dieser Methode eine Schmerzreduktion von etwa 70 Prozent erreicht, die wir auch in unseren Zahlen finden. Auch Soldaten konnten mit dieser Therapie wieder erfolgreich in den Dienstbetrieb integriert werden. 

Durch die Verknüpfung von schulmedizinischen Therapien, komplementämedizinischen Methoden aus dem Bereich der TCM sowie interventionellen Maßnahmen bietet die Schmerzambulanz des Bundeswehrkrankenhaus Westerstede ein sehr umfangreiches Spektrum für die hier betreuten militärischen und zivilen Patienten.

Besonders herauszuheben ist die enge Kooperation mit dem Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr (Leiter OTA Dr. Lison) in Warendorf im Rahmen der Rehabilitation von körperlichen einsatzversehrten und aus anderen Gründen versehrten Soldaten. Ziel dieser Kooperation die Optimierung der Versorgung unserer körperlich versehrten Kameraden in einem multimodalen Kontext unter Nutzung der Fähigkeiten beider Einrichtungen. Im Rahmen der Auswertung der Schmerzfragebögen und der Schmerzanamnese auf der Grundlage eines biopsychosozialen Schmerzmodells erarbeiten wir mit den Kollegen des Zentrums für Sportmedizin gemeinsame Therapiekonzepte, einschließlich der Zuleitung zur nicht selten notwendigen psychologischen oder psychotherapeutischen Mitbetreuung der Kameraden.

Diese Zusammenarbeit wird neben der täglichen Routine weiter intensiviert und im Rahmen dessen ermöglichen wir auch Soldaten bei uns für einige Tage eine stationäre Aufnahme für eine intensivierte Schmerztherapie.

Es ist im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser sinnvoll, eine zusätzliche Spezialisierung der einzelnen Schmerzambulanzen zu ­fördern. Im Bundeswehrzentralkrankenhaus ­Koblenz beispielsweise liegt ein Schwerpunkt der Schmerztherapie in der stationären multimodalen Therapie sowie der palliativmedizinischen Versorgung von Soldaten. In unserer Schmerzambulanz liegen die Schwerpunkte auf der Akupunktur, SCS-Systemen und der Kooperation mit dem Zentrum für Sportmedizin in der Rehabilitation einsatzversehrter Kameraden. Durch die Spezialisierung der Ambulanzen erhöht sich die fachliche Erfahrung in den entsprechenden Schwerpunktbereichen. Im Rahmen einer Intensivierung der Vernetzung der verschiedenen an der Versorgung unserer Soldaten beteiligten Therapieeinrichtungen wird den Soldaten eine Versorgung auf qualitativ und fachlich hohem Niveau geboten. 

Für die Verf:
Oberfeldarzt Björn Fischer
Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin
Bundeswehrkrankenhaus Westerstede
Lange Str. 38
26655 Westerstede
E-Mail: Bjoern7Fischer@bundeswehr.org 


Datum: 25.02.2019

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2018

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