EINSCHMELZENDE KAVERNÖSE PNEUMONIE BEI EINEM IMMUNKOMPETENTEN PATIENTEN MIT POSITIVEM QUANTIFERON-TEST NACH ISAF-EINSATZ
Ein 26-jähriger Patient stellte sich mit einer kavernösen Pneumonie unklarer Genese zur stationären Abklärung in unserer Klinik vor. Zuvor war er als Soldat im sechsmonatigen Einsatz in Kundus.
Er war in stark reduziertem Allgemeinzustand. Das C-reaktive Protein war mit 120,2 mg/l deutlich erhöht (Norm < 5,0 mg/l). Ein QuantiFERON-Test war positiv. In einer bronchoalveolären Lavage gelang die Anzucht von Mycobacterium intracellulare, bei negativem Nachweis von Mycobacterium tuberculosis sowohl mikroskopisch als auch im direkten Genomnachweis per PCR.
Der klinische Zustand des Patienten, die laborchemischen Entzündungszeichen sowie die bildgebenden Veränderungen zeigten unter der Antibiose mit Clarithromycin und Ceftriaxon eine zeitnahe deutliche Verbesserung, wodurch die Verdachtsdiagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie bestätigt wurde. Die asymptomatische Besiedlung mit Mycobacterium intracellulare war mutmaßlich die Ursache für die mögliche Kreuzreaktion im QuantiFERON- Test. In den folgenden Monaten zeigten sich Verlaufskontrollen unauffällig. Es stellte sich kein angeborener oder erworbener Immundefekt dar. Eine denkbare Doppelinfektion als Ursache der Befundkonstellation wurde nicht nachgewiesen. Der klinische Verdacht auf eine pulmonale Tuberkulose konnte auch bei einem positiven QuantiFERON-Test letztendlich nicht bestätigt werden, bei negativem kulturellen sowie negativem direkten Genomnachweis per PCR aus dem Sputum sowie der bronchoalveolären Lavage. Die Möglichkeit von Kreuzreaktionen im QuantiFERONTest sollte bei den diagnostischen und therapeutischen Überlegungen bei der Verdachtsdiagnose Tuberkulose stets in Betracht gezogen werden. Eine positiver kultureller Befund von Mycobacterium tuberculosis stellt weiterhin den Goldstandard der Diagnostik dar.
Einleitung
Die global auftretende Tuberkulose zählt etwa mit 9 Millionen neuen Fällen pro Jahr sowie etwa 2 Millionen Toten jährlich zu den häufigsten sowie potentiell lebensbedrohlichen Infektionserkrankungen. Die Tuberkulose wird durch drei verschiedene Mykobakterienspezies verursacht: Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium bovis sowie Mycobacterium africanum. Laut der WHO ist ein Drittel der Weltbevölkerung mit Mycobacterium tuberculosis, dem häufigsten Erreger der Tuberkulose, infiziert (1), wobei es aufgrund regionaler sowie schwankender sozioökonomischer Standards starke Unterschiede in der Durchseuchung gibt. Verlässliche Zahlen hinsichtlich der Inzidenz der Tuberkulose in Afghanistan insbesondere der regionalen Verteilung gibt es derzeit nicht, jedoch ist von einer erhöhten Durchseuchung aufgrund der hygienischen Situation und der eingeschränkten medizinischen Betreuung auszugehen. Klinische Symptome einer Tuberkulose können auch durch eine Infektion mit dem Mycobacterium avium und durch eine Infektion mit dem Mycobacterium intracellulare hervorgerufen werden. Jedoch treten diese typischerweise bei Patienten mit einem erworbenen oder angeborenen Immundefizit auf (2). Hier wird ein Fall präsentiert, bei dem differentialdiagnostisch ein hochgradiger Verdacht auf eine Tuberkulose vorlag, gestützt durch eine radiologische sowie immunologische Untersuchung (QuantiFERON-Test).
Kasuistik
Anamnese
Die stationäre Einweisung eines 26jährigen männlichen Patienten erfolgte zur Abklärung einer röntgenologisch neu aufgetretenen kavernösen Verdichtung im apikalen linken Lungenunterlappen, bei seit 1 Woche bestehender progredienter Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Dyspnoe, Orthopnoe und produktivem Husten. Im Vorfeld erfolgte eine kurzzeitige empirische Antibiotikatherapie mittels Clarithromycin. Reiseanamnestisch zeigte sich ein 6-monatiger Auslandsaufenthalt im Rahmen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Kundus, jedoch ohne direkten Kontakt zur örtlichen Bevölkerung. Der Patient verneinte eine B-Symptomatik im Sinne von rezidivierendem Nachtschweiß, subfebrilen
Temperaturen oder Gewichtsverlust.Körperlicher Untersuchungsbefund
Der 26-jährige athletische Patient präsentierte sich in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand und guten Ernährungszustand (BMI: 26,4 kg/m²). Die Atemfrequenz lag bei 30/min, begleitet von einer deutlich ausgeprägten Orthopnoe. In der körperlichen Untersuchung zeigten sich ein deutlich hyposonorer Klopfschall über dem mittleren Drittel der linken Lungen sowie ein verschärftes Atemgeräusch in diesem Areal bei sonst unauffälligem kardiopulmonalen Auskultationsbefund. Die aural ermittelte Körpertemperatur war 37.0 °C .
Klinisch-chemische Untersuchungen
Das C-reaktive Protein war mit 120,2 mg/l deutlich erhöht (Norm <5,0mg/l), bei einem normwertigen Procalcitoninspiegel < 0,09 ng/ml. Die Leukozyten waren erhöht (14,4/nl). Die Blutsenkungsgeschwindigkeit war erhöht 56 n.W. Es bestand eine relative Hypergammaglobulinämie mit 19,3 % (Norm 8,0 – 15,8 %) sowie eine relative Erhöhung der Alpha 1 und Alpha 2 Globuline in der Serum- Elektrophorese (4,3 % [Norm 1,0-3,2 %]; 16,5 % [Norm 7,4-12,6 %]), bei normwertigem Serum-Protein. Ansonsten zeigten sich keine laborchemischen Veränderungen.
Ergänzende Untersuchungen
Therapie und Verlauf
Aufgrund der Arbeitsdiagnose einer einschmelzenden ambulant erwobenen Unterlappenpneumonie wurde die initiale antibiotische Therapie mit Clarithromycin mittels Ceftriaxon erweitert. Differentialdiagnostisch wurde der Patient bis zum Ausschluss einerinfektiösen Lungentuberkulose isoliert. Ein QuantiFERON®-Test war positiv, wiederholt gewonnene Sputumproben waren sowohl mikroskopisch als auch im direkten Genomnachweis per PCR ohne Hinweis auf eine Infektion mit M. tuberculosis . Im Verlauf wurde eine flexible Bronchoskopie zwecks Gewinnung einer bronchoalveolären Lavage durchgeführt. Mikroskopisch zeigte sich auch in dieser kein Nachweis von säurefesten Stäbchen bei negativem genomischen Direktnachweis per PCR. Im Kulturergebnis gelang jedoch eine Anzucht von Mycobacterium intracellulare mit Sensibilität für Clarithromycin, Rifabutin und Ethambutol bzw. Protionamid. Bereits vor dem Erhalt des abschließenden Kultur-Befundes zeigte sich die klinische Symptomatik des Patienten rasch regredient zum Aufnahmebefund unter der begonnenen Antibiose. Bereits am 7. stationären Tag normalisierten sich die laborchemischen Entzündungsmarker, das
C-reaktive Protein betrug 8,4 mg/l (Norm < 5mg/l). Die Leukozytenzahl sowie insbesondere das Differentialblutbild zeigten keine pathologischen Werte. Zum Ausschluss eines erworbenen oder angeborenen Immundefizits wurden weitreichende Untersuchungen durchgeführt, welche allesamt keinen pathologischen Befund zeigten. Eine abschließende Computertomographie des Thorax zeigte etwa 1 Monat nach Therapiebeginn eine deutliche Größenregredienz des Infiltrats sowie der hilären Lymphknoten (Abb. 3).Diskussion
Das Fallbeispiel zeigt die diagnostischen Schwierigkeiten der Interpretation immunologischer Befunde bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer Tuberkulose. Die Diagnose einer floriden oder auch besonders der latenten Tuberkulose wird durch die Nutzung neuer Verfahren (sog. IGRA = Interferon gamma Releasing Assays) erleichtert. Im Vergleich mit dem bereits im Jahre 1910 verwendeten Verfahren des Tuberkulose Haut Test oder Mantoux Test, zeichnet sich der QuantiFERON-Test durch einer deutlich erhöhte Sensitivität (76 %) und insbesondere Spezifität (98%) aus (3). Nichtsdestotrotz zeigt auch dieser Test falsch positive Befunde. Eine Besiedlung mit Mycobacterium intracellulare führte in klinischen Studien bis zu 7 % zu Kreuzreaktionen im QuantiFERON- Test (4). Unser Patient – ohne Immundefekt – zeigte gut mit einer MAI Infektion vereinbare Befunde – unter einer dreiwöchigen Therapie im Verlauf als Monotherapie mit Clarithromyzin durchgeführt, kam es zu einer völligen Heilung.
Fazit
Die Möglichkeit, eines falsch positiven IGRA sollte immer in die differentialdiagnostischen Überlegungen bei dem Verdacht auf eine Tuberkulose eingeschlossen werden. Entscheidend für die Diagnosefindung ist, neben der ausführlichen Anamnese zur Klärung des Risikoprofils und der körperlichen Untersuchung, der direkte Erregernachweis.
- Literatur bei den Verfassern.
Datum: 14.10.2010
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/3