Das Hämangioperizytom – die etwas andere Raumforderung im -Abdomen Ein interdisziplinärer Fallbericht

Hemangiopericytoma – a diffent type of expanding lesion in the abdomen
Interdisciplinary case report

Aus der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie¹ (Leiter: Oberstarzt Professor Dr. R. Schmidt) des Bundeswehrkrankenhauses Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) und der Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin Dres. Joachim und Stefan Rauh in Dornstadt²

Sophia Volz¹, Joachim Rauh², Stefan Meiners¹, Roland Schmidt¹

WMM, 59. Jahrgang (Ausgabe 6-7/2015; S. 197-198)

Zusammenfassung

Etwa 1 % aller malignen Tumoren im Erwachsenenalter sind Weichteilsarkome, davon wiederum sind ebenfalls nur 1 % Hämangioperizytome. Deren abdominelle Lokalisation ist dabei eine absolute Rarität.

In diesem Fallbericht wird über eine 55-jährige Patientin mit einem abdominalen Hämangioperizytom berichtet, die im Bundeswehrkrankenhaus Ulm erfolgreich operiert wurde.

Schlüsselworte: Weichteiltumor, Hämangioperizytom, Fibröser Tumor, Abdominaltumor

Summary

About 1 % of all cancers in adult patients are soft tissue sarcoma, among those about 1 % are haemangiopericytoma. An abdominal location of this tumor is absolutely rare. This report describes a case of a 55 years old femal patient suffering from an abdominal haemangiopericytoma who was treated successfully in the German Military Hospital in Ulm.

Keywords: soft tissue sarcoma, haemangiopericytoma, solitary fibrous tumor, abdominal tumor

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Abbildung 1: Intraoperativer Befund: Stark gefäß-injizierter Tumor mit Anhaftung an das Colon sigmoideum.

Fallbericht

Eine 55-jährige Frau stellte sich im Jahre 2013 zum jährlichen Gesundheitscheck bei ihrem Hausarzt vor. Bei der Sonographie des Abdomens fiel ein etwa faustgroßer Tumor im linken kleinen Becken auf. Unter der Verdachtsdiagnose „Ovarialtumor“ wurde die Patientin zu ihrem Gynäkologen überwiesen. Auch hier bestätigte sich im vaginalen Ultraschall die Diagnose eines zystischen Tumors (DD: Teratom?), so dass bei Patientin durch die gynäkologischen Kollegen eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt wurde. Intraoperativ fand sich ein hochgradig vaskularisierter Tumor mit glatter Oberfläche und einem Ausmaß von etwa 8 x 5 x 4 cm. Bei der weiteren Exploration zeigte sich, dass dieser Anschluss zum Colon sigmoideum hatte.

Die Patientin wurde daraufhin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm vorstellig. Zur Einschätzung der Infiltrationstiefe und Ausdehnung des Tumors erfolgte zunächst eine Koloskopie. Hierbei fielen ein stark verdrehtes Sigma und einzelne Divertikel auf, ein Anhalt auf eine Infiltration des Darms bot sich jedoch nicht.

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Abbildung 1: Intraoperativer Befund: Stark gefäß-injizierter Tumor mit Anhaftung an das Colon sigmoideum.
Auf Grund der ausgeprägten Vaskularisation und unklaren Dignität des Tumors entschieden wir uns daher für eine laparoskopische, onkologische Sigma-Resektion. Intraoperativ zeigten sich mehrere große Gefäßstrukturen, die in Richtung des tumortragenden Darmabschnittes zogen. Sie wurden einzeln frei präpariert und nach Clip-Ligatur durchtrennt. Der Tumor konnte, zusammen mit dem Colon Sigmoideum, in toto geborgen werden (siehe Abbildung 1).

In der Schnellschnitt-Diagnostik ergab sich zunächst der Verdacht auf eine akzessorische Niere. Die aufwendige, histologische Aufarbeitung in einem pathologischen Speziallabor in Konstanz erbrachte später die Diagnose eines Hämangio-peri-zytoms.

Die Patientin konnte am vierten postoperativen Tag entlassen werden und ist bisher beschwerde- und rezidivfrei.

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Abbildung 1: Intraoperativer Befund: Stark gefäß-injizierter Tumor mit Anhaftung an das Colon sigmoideum.

Weichteilsarkome

Die Häufigkeit der Weichteilsarkome beträgt etwa 1 % aller malignen Tumoren des Erwachsenen. Unter ihnen ist das Hämangioperizytom (HPC) - oder der solitär Fibroblastische Tumor (SFT) - anteilig mit 1 % vertreten. Seit der erstmaligen Beschreibung des Tumors zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts sind bis heute etwa 900 Fälle in der Literatur beschrieben worden. Gemäß der WHO Klassifikation von 2002 handelt es sich beim HPC um einen Tumor mittlerer Malignität [1, 2]. Er tritt vornehmlich in der Pleura auf, kann aber auch in extrapleuralen Organen vorkommen. Das vielseitige histologische und immunchemische Profil lassen ihn zwar charakterisieren, bereiten jedoch auch differentialdiagnostische Schwierigkeiten. Die Symptome des HPC sind häufig unspezifisch und meist mechanisch bedingt. So können zum Beispiel Bauchschmerzen bei einer Peritonitis auf Grund rupturierter Gefäße auftreten. Auf Grund des Gefäßreichtums eines HPC sind Biopsien als Diagnostikum kontraindiziert [3]. Kürzlich veröffentlichte Studien berichten über eine 5- und 10-Jahres-Überlebensrate von 89 % beziehungsweise 73 %, wobei die Mitoserate als wichtigster Prädiktor herangezogen werden kann [4].

Diskussion und Folgerung

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Abbildung 1: Intraoperativer Befund: Stark gefäß-injizierter Tumor mit Anhaftung an das Colon sigmoideum.
Bei dem vorgestellten Fall handelt sich um eine kasuistische Rarität, da vor allem das Vorkommen intraabdominell eine absolute Seltenheit darstellt. Charakteristisch für einen solch seltenen Befund ist die Anzahl der zuvor gestellten Verdachtsdiagnosen aus verschiedenen Fachbereichen. Hinzu kommt eine sehr aufwändige und schwierige Diagnosestellung aus den histologischen Befunden. Auch für den Operateur birgt ein Eingriff bei unklarer Ätiologie Risiken, die es im Vorfeld sorgfältig abzuwägen gilt.

Dieser Fall zeigt einmal mehr die Bedeutung des reibungslosen Zusammenwirkens von Hausarzt und klinischen Fachabteilungen, um eine solch komplexe Kasuistik diagnostizieren und erfolgreich behandeln zu können.

Literatur

  1. Katenkamp, K, Katenkamp, D: Soft Tissue Tumors – New Perspectives on Classification and Diagnosis; Dtsch Arztebl Int 2009; 106(39): 632-636.
  2. Guillou L, Fletcher JA, Fletcher CDM, et al. Extrapleural solitary fibrous tumor and haemangiopericytoma. In: Fletcher CDM, Unni KK, Mertens F (eds): World Health Organization Classification of Tumours. Pathology and Genetics of Tumours of Soft Tissue and Bone; IARC Press, Lyon, 2002: 86-90.
  3. Morris-Stiff G, Falk GA, Joyce D, Rubin B, Chalikonda S. Primary omental haemangiopericytoma. BMJ Case Rep 2011; Published online 2011 May 24.
  4. Elizabeth G Demicco, Min S Park, Dejka M Araujo, et al.: Solitary fibrous tumor: a clinicopathological study of 110 cases and proposed risk assessment model. Modern Pathology (2012); 25: 1298-1306.

Bildquelle: Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Datum: 30.07.2015

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2015/6-7

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