27.12.2018 •

    Ausgeprägte nekrotisierende Vaskulitis mit ausgedehntem Gewebsverlust

    Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

    Einleitung

    Vaskulitiden umfassen eine ätiopathogenetisch heterogene Gruppe von Entzündungen von Gefäßen im weiteren Sinne. Immunkomplexvaskulitiden sind hierbei eine Gruppe von Erkrankungen, denen eine Ablagerung von Immunkomplexen an den Endothelien postkapillärer Venolen aus unterschiedlichen Gründen gemeinsam ist. Es handelt sich um eine Systemerkrankung, die mit Beteiligung der Haut abläuft. Kennzeichen ist dabei die palpable Purpura.

    Fallbeschreibung

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    Abb. 1: Befund 1 Woche nach Aufnahme (Bild: Klinik für Dermatologie und Venerologie, BwZKrhs Koblenz)
    Wir berichten über den Fall eines 46-jährigen Patienten, der vor Aufnahme bei uns in einer Koblenzer Klinik wegen eines Erysipels am Unterschenkel zunächst stationär mit Ampicillin/Sulbactam behandelt wurde. Nach der Entlassung aus der Klinik erfolgte eine Umstellung auf Sultamicillin Tabletten. Bereits am Folgetag kam es zum Auftreten von Petechien an den Beinen beidseits, sodass eine erneute stationäre Aufnahme in der erstbehandelnden Klinik erfolgte, von wo er dann nach 4 Tagen zu uns verlegt wurde.

    Befunde

    Bei Aufnahme zeigte sich das klassische Bild einer Vaskulitis mit palpabler Purpura und Petechien an Beinen und Rumpf sowie großen Blasen und lividen Verfärbungen an den Unterschenkeln. Zusätzlich klagte der Patient über Muskelschmerzen, v. a. an den Beinen. Im Labor zeigte sich eine deutliche Erhöhung der Kreatinkinase. Eine Nierenbeteiligung konnte ausgeschlossen werden.

    Im weiteren Verlauf kam es zu einer nekrotischen Umwandlung der livide verfärbten Haut an den Unterschenkeln und Füßen beidseits. Histologisch bestätigte sich in einer Biopsie von der Haut an der Flanke der Verdacht auf eine leukozytoklastische Vaskulitis.

    Laborchemisch fand sich kein Hinweis auf eine mit antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) assoziierte Vaskulitis oder eine Kryoglobulinämie; ebenfalls konnten Kollagenosen ausgeschlossen werden.

    Therapie

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    Abb. 2: Befund nach chirurgischem Debridement nach 4 Wochen (Bild: Klinik für Dermatologie und Venerologie, BwZKrhs Koblenz)
    Nach Aufnahme erfolgte der Therapiebeginn mit 100 mg Methyprednisolon, auf Grund der Progredienz wurde die Dosis auf 150 mg erhöht. Nach anfänglicher Stabilisierung kam es jedoch im weiteren Verlauf nach geringer Reduktion der Steroiddosis rezidivierend zum erneuten Auftreten von Petechien an Unterschenkeln und Rumpf. Daraufhin erfolgte eine Stoßtherapie mit 1000 mg Methylprednisolon, die ebenfalls nur kurzfristig zu einem stabilen Zustand führte. Wir entschlossen uns daher zu einer Therapie mit Cyclophosphamid. Darunter kam es zu einer Remission, die auch bei deutlicher Reduktion des Steroids nach der Entlassung anhielt.

    Eine antibiotische Therapie wurde zunächst mit Clindamycin begonnen. Bei klinischer Persistenz des Befundes erfolgte die Umstellung auf Piperacillin/Tazobactam. Nach erfolgtem Antibiogramm wurde das Antibiotikum dann auf Ciprofloxacin 400 mg (2 x tgl. i.v.) gewechselt. Tägliche Verbandswechsel erfolgten mit Hydrogel und Mepitel®, später dann mit Cutimed® Sorbact® Gel und Solvaline® Kompressen.

    Zusätzlich zur einer Lokaltherapie mit desinfizierenden Maßnahmen erfolgten mehrfach Nekrosenabtragungen in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Unfallchirurgie, wobei im Verlauf bei tiefgehenden Nekrosen auch Sehnenanteile entfernt werden mussten. Die Wunden wurden während des Aufenthaltes mittels Vakuumversiegelung versorgt. Nach der Entlassung erfolgte die Versorgung durch einen Pflegedienst.

    Im weiteren Verlauf war eine Defektdeckung mittels Hauttransplantationen nach Abschluss der Steroidtherapie geplant. Nach telefonischer Auskunft des Patienten ist dies inzwischen geschehen und die Transplantate sind gut eingeheilt.

    Diskussion

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    Abb. 3: Befund kurz vor der Entlassung nach Therapie mit Cyclophosphamid (Bild: Klinik für Dermatologie und Venerologie, BwZKrhs Koblenz)
    Wir gehen davon aus, dass es bei unserem Patienten zur Bildung von zirkulierenden Immunkomplexen gekommen ist. Hierdurch kommt es über eine Komplementaktivierung zur Gefäßpermeabilität, sodass die Immunkomplexe ins Gewebe gelangen. Thrombozyten lagern sich ab und neutrophile Leukozyten werden „angelockt“ und aktiviert. Unter dem Einfluss von proinflammatorischen Mediatoren kommt es zur Freisetzung von Proteasen und freien Sauerstoffradikalen, die dann die massive Gewebsschädigung verursachen. In diesem Fall vermuten wir, dass durch das Erysipel persistierende bakterielle Antigene in die Blutbahn abgegeben wurden, die dann als Auslöser der Vaskulitis fungierten.

    Die Therapie besteht neben einer Behandlung der möglichen Auslöser, wie Infekte oder Malignomen, und dem Absetzen möglicher auslösender Medikamente in der Systemtherapie mit Steroiden. Bei therapierefraktären Fällen – wie bei unserem Patienten – kann Cyclophosphamid gegeben werden.


    Literatur

    1. de Groot K, Adu D, Savage CO, EUVAS (European vasculitis study group): The value of pulse cyclophosphamide in ANCA-associated vasculitis: meta-analysis and critical review. Nephrol Dial Transplant 2001; 16: 2018 - 2027.
    2. Fauci AS, Katz P, Haynes BF, Wolff SM: Cyclophosphamide therapy of severe systemic necrotizing vasculitis. N Engl J Med 1979; 301: 235 - 238.
    3. Fritsch P (Hrsg.): Dermatologie – Venerologie, 2. Auflage, Heidelberg: Springer Verlag 2004.


    Oberfeldarzt Svenja Grove
    E-Mail: svenjagrove@bundeswehr.org 

    Datum: 27.12.2018

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