Analyse von Sturzereignisprotokollen in einem -Bundeswehrkrankenhaus der Schwerpunktversorgung
Aus der Pflegedirektion1 (Pflegedirektor: Dipl.-Pflegewirt (FH) T. Andrée) des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz
(Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Brandenstein) und der Professur für Pflegewissenschaften2 der Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften (Dekan: Prof. Dr. iur. A. Teubner) der Westsächsischen Hochschule Zwickau (Rektor: Prof. Dr. rer. nat. habil. G. Krautheim)
Felix Meyer1, 2, Carsten zu Putlitz1, Jörg Klewer2
Zusammenfassung
Einleitung/Zielstellung: Im Jahr 2006 wurde vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ entwickelt. Dieser zeigt Maßnahmen zur Analyse von Sturzereignissen und zur Sturzvermeidung auf. Ziel der Untersuchung war die Analyse von Sturzereignissen in einem Bundeswehrkrankenhaus.
Methodik:
Insgesamt 411 Sturzereignismeldungen aus den Jahren 2013 bis 2015 wurden mit deskriptiv-statistischen Verfahren aufgearbeitet.
Ergebnisse:
Sturzereignisse betrafen vor allem ältere Patienten; die meisten stürzten in den Patientenzimmern. Jeder fünfte gestürzte Patient erhielt eine Medikation, die ein Sturzereignis begünstigen kann. Die Patienten erlitten mehrheitlich keine beziehungsweise nur leichte sturzbedingte Verletzungen.
Diskussion/Schlussfolgerung:
Im Vergleich zu zivilen Krankenhäusern stürzen weniger Patienten. Die Untersuchung zeigt jedoch noch weitere Optimierungsmöglichkeiten zur Sturzprophylaxe, vor allem hinsichtlich der Einflüsse von Arzneimittelwirkungen.
Schlüsselwörter: Sturz, Pflege, Expertenstandard, Krankenhaus, Bundeswehr
Einleitung
Verletzungen in Folge eines Sturzes führen meist zu ernstzunehmenden Folgen für den gestürzten Patienten [14]. Außerdem werden hierdurch vermeidbare Kosten für das Gesundheitssystem verursacht [23]. Gleichzeitig können die Folgen des Sturzes zur Reduktion der Lebensqualität der Betroffenen führen [19]. Daher wurde im Jahre 2006 der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt, um sturzgefährdete Patienten besser zu schützen und insbesondere auf die Gefahr des Sturzes aufmerksam zu machen [9].
Mit zunehmendem Alter steigt die Anzahl der Menschen, welche ein Sturzereignis aufweisen. Im häuslichen Umfeld stürzen ca. 30 % der über 65-jährigen sowie ca. 60 % der 75-jährigen mindestens einmal im Jahr [12]. Im Krankenhausbereich sind Sturzinzidenzen von 1,29 Stürzen auf 1 000 Patiententage bei der Alterskohorte der 46- bis 55-jährigen sowie 5,61 Stürzen auf 1 000 Patiententage bei den über 85-jährigen ermittelt worden. Hier steigt die Inzidenzrate somit um das Fünffache. Pro Krankenhausbett und Jahr lassen sich zwischen 0,6 bis 2,9 Stürze ermitteln. Geriatrische Kliniken weisen eine Sturzinzidenz von bis zu 9,1/1 000 Krankenhaustage auf. Es stürzen bis zu 17 % der Patienten dieser Kliniken während ihres Krankenhaus-auf-enthaltes [9].
Eine Verpflichtung zur Analyse derartiger Ereignisse und zu deren konsequenter Prophylaxe ergibt sich außerdem durch den Akkreditierungsstandard der Joint Commission International (JCI), wie er im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz Anwendung findet. Dieser verpflichtet teilnehmende Krankenhäuser in Form des Internationalen Patientensicherheitsziel Nr. 6 (IPSG) zu eigenständigen Untersuchungen, um das Verletzungsrisiko der Patienten durch Stürze zu verringern [17].
Zielstellung
Ziel der Untersuchung war eine retrospektive Analyse der Sturzereignisse von Patienten des BwZKrhs Koblenz, um daraus Optionen zur Sturzprophylaxe ableiten zu können.
Methodik
Die Untersuchung fand im BwZKrhs Koblenz statt. Dieses betreibt neben 19 Fachabteilungen weitere 10 medizinische Ambulanzen/Fachuntersuchungsstellen. Mit etwa 1 500 militärischen und zivilen Mitarbeitern leistet es einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sowie der Bevölkerung im Großraum Koblenz. Im Jahre 2009 wurden bei 506 Krankenhaus-Planbetten um die 16 000 stationäre sowie in den Ambulanzen/Fachuntersuchungsstellen etwa 80 000 ambulante Patienten behandelt. Die durchschnittliche Verweildauer auf den Krankenstationen betrug 6,4 Tage pro Patient [7].
Untersuchungsdesign
Die Sturzereignisprotokolle des Zeitraums 01.01.2013 bis 30.06.2015 wurden in Form einer retrospektiven Sekundärdatenanalyse ausgewertet. Die ausgewerteten Daten beinhalteten neben dem Alter des gestürzten Patienten, die Fachabteilung, Datum und Zeitintervall des Sturzes, intrinsische Risikofaktoren (Orientierungsstörung, Unruhe, Verwirrtheit, Schmerzen, Lähmungen/Ausfälle, Schmerzen zum Zeitpunkt des Sturzes), durch den Sturz resultierende Verletzungen sowie die eventuelle Durchführung von Maßnahmen zur Sturzprophylaxe.
Innerhalb einer Qualitätssicherungsmaßnahme wurde ab dem Jahre 2014 das Sturzereignisprotokoll in das krankenhauseigene Krankenhausinformationssystem (KIS) eingepflegt und in Hinblick auf eine differenziertere Auswertungsmöglichkeit verändert: Zum einem wurden die registrierten Zeitintervalle an die Arbeitszeiten der Pflegekräfte auf den Krankenstationen (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) angepasst. Zum anderen erfolgte ab dem zweiten Quartal 2014 die Aufnahme von umgebungsbezogenen Faktoren (barfuß Gehen, ungeeignetes Schuhwerk, Gehen auf Strümpfen, Hindernis auf dem Boden, Nässe, schwache Beleuchtung, Dunkelheit) und die Aufnahme einer sturzbegünstigenden Medikation (Benzodiazepine, Neuroleptika, Antihypertonika, Polypharmazie, Antidepressiva). Darüber hinaus wurden die intrinsischen Risikofaktoren (kognitive Beeinträchtigungen, Kontinenzprobleme, Kreislaufschwäche/Synkope, Schwindel, gestörtes Gangbild, Sehstörungen, reduzierter Allgemeinzustand, Balancestörungen, Depressionen) angepasst. Ergänzt wurden der Ort des Sturzgeschehens, der letzte Kontakt, die Durchführung einer Sturzanamnese, ein erneutes Sturzgeschehen und der Schweregrad der Verletzung (Grad 1: leichte Prellungen, Schürfungen; Grad 2: Platzwunden, Riss-/Quetschwunden; Grad 3: Fraktur, Luxa-tion, SHT I° (Schädelhirntrauma); Grad 4: lebensbedrohliche Verletzung, SHT > I°).
Im Rahmen einer erweiterten hausinternen Sturzrisikoanalyse wurden ferner ab dem Jahre 2015 sturzgefährdete Patienten mit einem „roter Punkt-Aufkleber“ auf den Stationstafeln, der Patiententür sowie im Dokumentationssystem (Optiplan®) gekennzeichnet, zusätzliche Sturzmatten angeschafft und Antirutschsocken für sturzgefährdete Patienten zur Verfügung gestellt. Mit Textil-Befestigungsbändern wurde die Notrufklingel näher am Krankenbett befestigt, damit der Patient leichter Unterstützungsbedarf anfordern kann.
Datenauswertung
Die Datensätze wurde im Vorfeld der Datenauswertung hinsichtlich der Verteilung geprüft und für die Auswertung dichotomisiert [6]. Alle erhobenen Daten wurden mit SPSS® Version 22 für Windows und Excel® Version 2010 für Windows ausgewertet. Als deskriptive Statistik wurden Häufigkeitsverteilungen in Form von Häufigkeits- und Kreuztabellen angelegt. Das Signifikanzniveau (α) wurde auf p < 0,05 festgelegt. Signifikante Unterschiede wurden mit dem Chi²-Test und Mann-Whitney-U-Test ermittelt. Fehlende Werte blieben bei allen statistischen Verfahren unberücksichtigt [5]. Zur Kontrolle der FWER („familywise error rate“) erfolgte bei den Kollektiven mit multiplen Tests eine α-Adjustierung des p-Wertes mittels Bonferroni-Korrektur, um die Irrtumswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Im Text wurden diesbezüglich die p-Werte als adjustiert (adj.) gekennzeichnet [4, 24].
Ergebnisse
Auswertungen über alle Sturzereignisse
Insgesamt wurden im Erfassungszeitraum 411 Sturzereignisse registriert. Am häufigsten (29,9 %, 123/411) ereigneten sich Stürze in der Fachabteilung für Innere Medizin, am zweit häufigsten in der Fachabteilung für Unfallchirurgie (16,5 %, 68/411). Die höchste Sturzrate wies die Fachabteilung für Neurochirurgie (3,46 Stürze pro 1 000 Behandlungstage), die zweithäufigste die Fachabteilung für Urologie (3,04 Stürze pro 1 000 Behandlungstage) auf. In den Jahren 2013 bis 2014 wurden keine Sturzereignisse in der Psychiatrie, der Nuklearmedizin und der Augenheilkunde dokumentiert (Tabelle 1). Meldungen von Sturzereignissen in der Notfallaufnahme lagen nicht vor. Die Anzahl der Sturzereignisse in den Jahren 2013 und 2014 war ungefähr gleich (179 in 2013 versus 183 in 2014).
Innerhalb des Untersuchungszeitraumes wurden 36 531 Patienten (237 527 Belegungstage) im BwZKrhs Koblenz behandelt. Die Sturzinzidenz betrug somit 1,73 Stürze pro 1 000 Belegungstage. Bezogen auf die Gesamtzahl der Patienten stürzten 1,13 % Patienten einmal beziehungsweise mehrfach während ihres Krankenhausaufenthaltes.
Das Alter der gestürzten Patienten betrug durchschnittlich72 Jahre (MW = 72,71 Jahre; SD ± 14,154 Jahre; Median = 77,00 Jahre). Der jüngste gestürzte Patient war 22, der älteste 96 Jahre alt. Am häufigsten (38,2 %, 157/411) stürzten Patienten der Alterskohorte 70 bis 79 Jahre, am zweithäufigsten (30,9 %, 127/411) Patienten im Altersband 80 bis 89 Jahre. In den Alterskohorten jünger als 48 Jahre (7,5 %, 31/411) und älter als 90 Jahre (2,9 %, 12/ 411) war die Zahl der Sturzereignisse geringer.
Auswertungen über verschiedene Sturzereignisprotokolle
Auf Grund der Weiterentwicklung des Sturzereignisprotokolls liegen den folgenden Auswertungen unterschiedliche Gesamtzahlen zu Grunde. Die Basis bezieht sich jeweils auf alle Stürze, die nach dem gleichen Protokoll dokumentiert wurden.
Über die Hälfte (55,9 %, 90/161) der Patienten stürzte im Zeitraum zwischen 20:00 Uhr bis 08:00 Uhr, insbesondere in der Nachtschicht (45,8 %, 99/216)
(Abbildung 2). Bei über einem Drittel (32,8 %, 58/77) der Gestürzten lag die letzte Kontaktaufnahme mit Arzt und / oder Pflegepersonal weniger als 30 Minuten zurück. Auch stürzten 13,5 % (24/187) erneut während des Krankenhausaufenthaltes. Bei mehr als einem Drittel (36,0 %, 64/178) der Patienten erfolgte zuvor die Erhebung einer Sturzanamnese.Die überwiegende Mehrheit (84,5 %, 147/174) der Stürze ereignete sich im Patientenzimmer, am zweithäufigsten (7,5 %, 13/174) ereigneten sie sich im Patientenbad oder der Toilette. Auf den Fluren der Krankenstationen stürzten 5,7 % (10/174).
Bei insgesamt 62,9 % (112/178) der Sturzereignisse lagen extrinsische Risikofaktoren vor. Hier gingen die meisten Patienten barfuß oder (am zweithäufigsten) auf Strümpfen (Tabelle 2). Über die Hälfte (55,7 %, 229/411) aller gestürzten Patienten wiesen intrinsische Risikofaktoren auf, am häufigsten Orientierungsstörungen, kognitive Einschränkungen, Verwirrtheit, Unruhe, ein gestörtes Gangbild und teilweise auch Risikokombinationen (Tabelle 3). Parallel dazu gaben 10,7 % (44/233) Schmerzen und 9,9 % (23/233) Ausfälle / Lähmungen an. Fast die Hälfte (46,1 %, 82/178 n) der gestürzten Patienten wies sowohl extrinsische (1,1 Faktoren pro Patient) als auch intrinsische (1,8 Faktoren pro Patient) Risikofaktoren auf (Tabellen 2 und 3).Mehr als jeder fünfte Patient (20,8 %, 37/178) erhielt zum Zeitpunkt des Sturzes ein beziehungsweise mehrere „sturzfördernde“ Medikamente, am häufigsten Benzodiazepine (Tabelle 4). Bei nahezu allen gestürzten Patienten (99,3 %, 404/407 Sturzereignissen) erfolgte im Vorfeld eine Sturzprophylaxe.
Fast jeder dritte Sturz (29,0 %, 119/401) verursachte Verletzungen. Dabei verletzten sich die Patienten der Fachabteilung für Herzchirurgie (41,2 %, 21/51) signifikant häufiger (X2; p = adj. 0,012) als Patienten der Fachabteilungen für Innere Medizin (37,5 %, 45/120), Neurochirurgie (15,0 %, 6/40) und Unfallchirurgie (21,2 %, 14/66)[1].
Am häufigsten (65,4 %, 34/52) wiesen die Patienten Verletzungen des Schweregrades I (leichte Prellungen, Schürfungen) sowie am zweithäufigsten
(26,9 %, 14/52) Verletzungen mit dem Schweregrad II (Platzwunden, Riss-/Quetschwunden) auf. Verletzung mit Schweregrad III (Frakturen, Luxation, SHT I°) und IV (lebensbedrohliche Verletzung, SHT > I°) erlitten vier Patienten (7,7 %, 4/52). Signifikante Unterschiede zwischen den Schweregrad und den übrigen Variablen fanden sich nicht.Diskussion
Methodenkritik
Ein Confounding (Selektions-Bias [3]) hin zu gestürzten Patienten kann nicht ausgeschlossen werden [13]. Dies schließt jedoch die Auswertbarkeit der Ergebnisse nicht aus. Die Untersuchung ist für das Krankenhaus repräsentativ und könnte gegebenenfalls als Vergleichswert für andere Kliniken – insbesondere BwKrhs – dienen [5]. Im BwZKrhs Koblenz existiert seit Jahren eine einheitliche Sturzdefinition. Diese könnte jedoch unzureichend bekannt sein – mit der Folge, dass nicht alle Sturzereignisse vollumfänglich gemeldet wurden [9].
Sturzhäufigkeiten
Sturzereignisse erhalten in wissenschaftlichen Publikationen kaum Aufmerksamkeit, weshalb gerade im deutschsprachigen Raum wenig über Sturzinzidenzen bekannt ist [18] – und dies, obwohl Folgen eines Sturzereignisses meist zu erhöhten Kosten (erhöhte Verweildauer, behandlungsbedürftige Verletzungen) für Krankenhäuser und Krankenkassen führen [15, 23, 26].
Das BwZKrhs Koblenz weist eine Sturzinzidenz von 1,73 Stürzen pro 1 000 Behandlungstage auf. Es befindet sich somit im unteren Sektor (0,7 bis 41,0 Stürzen pro 1 000 Belegungstage), verglichen mit anderen (zivilen) Krankenhäusern. Im Vergleich zu den Daten einer Universitätsklink (2,2 Stürze pro 1 000 Behandlungstage) ist die Sturzinzidenz ebenfalls geringer [18].
Analog zu zivilen Krankenhäusern stürzen im BwZKrhs Koblenz vor allem ältere Patienten (38,2 %, Alterskohorte: 70 bis 79 Jahre). Somit sollte die Sturzprophylaxe bei älteren Patienten auch besondere Beachtung finden [18, 15, 20, 26].
Die geringen beziehungsweise fehlenden Meldedaten aus den Fachabteilungen für Anästhesie- und Intensivmedizin und Psychiatrie sowie aus der Notfallaufnahme lassen vermuten, dass gestürzte Patienten dort unzureichend erfasst worden sind, da vergleichbare zivile Kliniken und Abteilungen eine entsprechende Anzahl von Sturzereignisse ausweisen [15, 18, 25]. Diesbezüglich könnten Schulungsmaßnahmen unter Verwendung des Expertenstandards „Sturzprophylaxe in der Pflege“ erfolgen, damit auch sicher für jeden gestürzten Patienten ein Sturzereignisprotokoll erstellt wird [2, 9].
Wie auch in anderen Studien beschrieben [18, 20, 25, 26], ereigneten sich die Stürze in der Mehrzahl (84,5 %, 147/174) in den Patientenzimmern. Auch fanden sich die meisten Stürze in der Nachtschicht (45,8 %, 99/216) beziehungsweise zwischen 20:00 Uhr und 08:00 Uhr (55,9 %, 90/161). Dies könnte unter anderem mit der geringeren Personalausstattung sowie einer nicht ausreichenden Beleuchtungssituation in Zusammenhang gebracht werden [1, 20, 25, 26].
Jeweils über die Hälfte der gestürzten Patienten wiesen intrinsische (55,7 %, 229/411) und oder extrinsische (62,9 %, 112/178) Sturzrisikofaktoren auf. Diese erhöhen die Wahrscheinlichkeit, innerhalb des Krankenhausaufenthaltes zu stürzen, und sollten folglich besonders beachtet werden. Insbesondere Patienten mit mehreren Faktoren sind demnach für ein Sturzgeschehen prädestiniert [9, 20]. Bestimmte Arzneimittel können ein Sturzgeschehen begünstigen, insbesondere Opioide, Antidepressiva, Hypertonika und Sedativa. Die Ergebnisse zeigen, dass jeder fünfte Patient (20,8 %, 37/178) eine entsprechende Medikation erhielt. Diese könnte gegebenenfalls kritisch hinterfragt werden mit dem Ziel, sturzfördernde Arzneimittel frühestmöglich abzusetzen [19, 21, 27]. Parallel wäre auch eine interdisziplinäre Vorgehensweise im Rahmen des Sturzmanagements zu prüfen, um die Patienten qualitativ hochwertig zu versorgen [8, 11].
Verletzungshäufigkeiten
Da die Sturzereignisprotokolle unmittelbar nach dem Sturzereignis ausgefüllt wurden, waren gegebenenfalls weitere Sturzfolgen vorhanden, die erst später offenkundig wurden [18]. Die meisten Ereignisse führten zu keinen oder nur zu Verletzungen mit geringem Schweregrad, was sich mit anderen Studien deckt [15, 18, 20, 25, 26]. Gestürzte Patienten der Fachabteilung für Herzchirurgie wiesen im Vergleich zu denen aus den Fachabteilungen für Innere Medizin, Neurochirurgie und Unfallchirurgie eine höhere Verletzungshäufigkeit auf. Dies könnte Anlass geben, die Krankenstationen hinsichtlich der strukturellen und personellen Gegebenheiten weiter zu untersuchen, um die Sturz- und Verletzungshäufigkeit zu reduzieren [9, 16, 22].
Fazit
Die Ergebnisse zeigen beispielhaft die Verteilung von Sturzereignissen in einem BwKrhs. Darauf aufbauend sollten weitere Maßnahmen (z. B. Sensibilisierung des Personals, Dokumentation weiterer Verletzungsfolgen, differenzierte Untersuchungen von Krankenstationen) abgeleitet werden, um die Patientenversorgung auch im Sinne des Expertenstandards „Sturzprophylaxe in der Pflege“ zu optimieren [9]. Hier ist nach den Ergebnissen unserer Auswertung eine interdisziplinäre Vorgehensweise anzustreben. Es bietet sich ferner an, die Implementierung sturzprophylaktischer Maßnahmen mit einer regelmäßigen Auswertung der Sturzereignisprotokolle zu begleiten [9, 10], was auch zur Sensibilisierung des Krankenhauspersonals auf diesem Gebiet beitragen kann [9].
Durch die Verhinderung eines Sturzes im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung wird dem betroffenen Patienten eine mögliche Verletzung erspart und so sein Genesungsprozess nicht vermeidbar beeinträchtigt und verzögert. Dieser „Patientennutzen“ ist verbunden mit einem nicht zu unterschätzenden ökonomischen Nutzen für das Krankenhaus, können doch im Einzelfall die Folgekosten für die Behandlung einer sturzbedingten Verletzung die aus der Einweisungsdiagnose resultierenden Behandlungskosten auch einmal erheblich übersteigen [9, 23].
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Interessenkonflikt:
Es besteht kein Interessenkonflikt.
Manuskriptdaten:
Eingereicht: 26.11.2015
Revidierte Fassung angenommen: 20.02.2016
Zitierweise:
Meyer F, zu Putlitz C, Klewer J: Analyse von Sturzereignisprotokollen in einem Bundeswehrkrankenhaus der Schwerpunktversorgung. Wehrmedizinische Monatsschrift 2016; 60(5): 130-135.
Für die Verfasser:
Bootsmann der Reserve (vorläufig) Felix Meyer, M.Sc. B.Sc.
Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften
Westsächsische Hochschule Zwickau
Dr. Friedrich-Ring 2a, 08056 Zwickau
E-Mail: felix-meyer@gmx.net
Kernaussagen/Fazit
• Sturzereignisse von Patienten stellen ein Problem bei der stationären Krankenhausbehandlung dar.
• Die mittlere Sturzinzidenz im BwZKrhs Koblenz bewegt sich im Vergleich zu anderen Kliniken auf einem eher niedrigen Niveau, allerdings muss die Sturzinzidenz pro Fachabteilung betrachtet werden.
• Die regelmäßige Auswertung standardisierter und konsequent angelegter Sturzprotokolle liefert wichtige Informationen zu Sturzrisiken, denen vielfach durch organisatorische und / oder infrastrukturelle Maßnahmen wirksam begegnet werden kann.
• Pflegerisches wie ärztliches Personal muss sich der Risiken bewusst sein, die durch sturzbegünstigende Arzneimittel bedingt sind.
• Die Umsetzung des Expertenstandards „Sturzprophylaxe in der Pflege“ ist am ehesten durch eine interdisziplinäre Vorgehensweise im Rahmen des Sturzmanagements zu erreichen.
[1]
Aufgrund der jeweils geringen Fallzahl wurden die übrigen Fachabteilungen von der Bewertung ausgeschlossen.
Datum: 14.07.2016
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/5