06.07.2023 •

30 Jahre institutionalisierte Sportmedizin in der Bundeswehr

Zur Geschichte des Zentrums für Sportmedizin der Bundeswehr und seiner Vorgängerdienststellen

A. Müllerschön

Seit jeher werden an Soldaten besondere Anforderungen im Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit gestellt. Um diese physische Belastbarkeit im täglichen Dienstalltag aber auch während der besonderen Auslandsverwendungen oder möglichen Einsätze im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung zu gewährleisten, fällt dem (Dienst-)Sport eine wichtige Rolle zu. Neben der generellen Gesundheitsvorsorge dient er zur Verbesserung der Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit bei jungen Soldaten sowie dem Erhalt dieser Fähigkeiten bei älteren Militärangehörigen.

Zum besseren Verständnis der physiologischen Vorgänge im Körper sowie des Einflusses von Sport auf den Organismus als Ganzes begann sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Sportmedizin in Deutschland zu entwickeln. In den folgenden Jahrzehnten veränderte sich der Fokus dieses medizinischen Spezialfachs immer wieder. Während des Ersten Weltkrieges stand zunächst die Bewegungstherapie zur Rehabilitation von Verwundeten und Kriegsbeschädigten im Vordergrund. Als Folge des Versailler Vertrages und des u. a. damit einhergehenden Verbotes der Wehrpflicht mussten andere Wege der „allgemeinen Körperertüchtigung“ der potenziellen Soldaten gefunden werden. Dem Sport bzw. der „Leibeserziehung“ als „Wehrersatz“ fiel dabei eine Schlüsselrolle zu. Die sich von dieser Forderung ableitende Forcierung der Turn- und Sportbewegung ging einher mit Gründungen erster Sporthochschulen und Sportinstitute an Universitäten, um diese Entwicklung wissenschaftlich zu begleiten. Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten erfolgte eine Gleichschaltung in allen gesellschaftlichen Bereichen Deutschlands, der sich auch die Sportmedizin nicht entziehen konnte. Deren Schwerpunkt lag nunmehr auf dem Dienst- und Wehrsport sowie der Gesunderhaltung des „Volkskörpers“. Dabei hielt mit der „Rassenhygiene“ und dem Rassenwahn die menschenverachtende NS-Ideologie Einzug.

Spiroergometrische Untersuchung mit Hilfe des Douglas-Sackes 1928
Spiroergometrische Untersuchung mit Hilfe des Douglas-Sackes 1928
Quelle: wikimedia commons

Anfänge der Sportmedizin in der Bundeswehr

Nur wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahmen Sportvereine in vielen Bereichen Deutschlands wieder ihre Arbeit auf, was sportmedizinische Betreuungen notwendig machte und zum (Wieder-)Aufbau sportmedizinisch-wissenschaftlicher Strukturen führte.  

Bereits in der Gründungsphase der Bundeswehr wurde aus dem zivilen Bereich auf die Notwendigkeit der Beurteilung der ­Leistungsfähigkeit der Soldaten hingewiesen und Vorschläge zur Gründung eines Instituts für Leistungsmedizin unterbreitet. Dieses sollte die Bereiche Leistungsphysiologie, Leistungsdiagnostik sowie Prävention und Rehabilitation abdecken. Letztlich entschied sich das Verteidigungsministerium zunächst gegen derartige Pläne. 

Stattdessen wurde 1957 an der Sportschule der Bundeswehr, die sich zum damaligen Zeitpunkt noch vollumfänglich in Sonthofen befand, eine Sportmedizinische Abteilung gegründet. Neben der Behandlung von Angehörigen der Sportschule und Lehrgangsteilnehmern sowie der sportmedizinischen Wissensvermittlung erhoffte man sich die Gewinnung von Daten und Erkenntnissen zu sportmedizinischen Problemen, die sich aus den Eigenarten des Soldatenberufes ergeben. Im Detail sollten die Belastbarkeit von Soldaten überprüft und Untersuchungen über Einflüsse exogener Faktoren auf die Leistungsfähigkeit sowie die Genese und Prävention von Verletzungen im Rahmen des Dienstsports durchgeführt werden. 

Die Sportmedizinische Abteilung folgte 1978 dem Großteil der Sportschule der Bundeswehr an ihren neuen Standort nach Warendorf. In Sonthofen verblieb lediglich eine Außenstelle, die sich überwiegend mit allen sportmedizinischen Aspekten des Wintersports befasste. 

Nur wenige Jahre nach der Verlegung veränderte sich das Aufgabenfeld der Sportmedizinischen Abteilung nachhaltig. Bereits seit 1968 förderte das Bundesministerium der Verteidigung den Spitzensport innerhalb der Streitkräfte. Um diese Athleten zukünftig besser medizinisch zu versorgen, vereinbarte das Verteidigungsministerium mit dem Bundesministerium des Inneren die sportmedizinische Betreuung von Leistungs- und Spitzensportlern. Kern dieser Übereinkunft war eine den zivilen Vorgaben entsprechende sportmedizinische Versorgung dieses Personenkreises. 

Das hatte zur Folge, dass die Sportmedizinische Abteilung 1981 in den Verbund der sportmedizinischen Zentren der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurde und den Status eines lizensierten Untersuchungszentrums des Deutschen Sportbundes erhielt. Damit war sie zu sogenannten Kaderuntersuchungen, den Untersuchungen von Nationalmannschaftsangehörigen verschiedenster Sportarten, befähigt. Mitte der 1980er Jahre hielt mit Übernahme der sportmedizinischen Verantwortung für den Olympiastützpunkt Warendorf eine weitere Aufgabe in das Portfolio der Abteilung Einzug.

Sportmedizinisches Institut der Bundeswehr

Um der fortschreitenden Institutionalisierung im Bereich der Wissenschaften und damit auch der (Sport-)Medizin gerecht zu werden, erfolgte im Juli 1993 die Umbenennung der Sportmedizinischen Abteilung in Sportmedizinisches Institut, zunächst noch mit dem Zusatz „Sportschule der Bundeswehr“. Nach Gründung des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr als eigenständigem Organisationsbereich wechselte das Institut aus dem Verantwortungsbereich der Streitkräftebasis in das unmittelbare Unterstellungsverhältnis unter das damalige Sanitätsamt der Bundeswehr und trug fortan die Bezeichnung Sportmedizinisches Institut der Bundeswehr (SportMedInstBw). 

Bis zum heutigen Tage sind die Kernaufträge des Institutes als zentrale sportmedizinische Ausbildungs-, Untersuchungs- und Forschungsstelle gleichgeblieben, auch wenn die Struktur in den Folgejahren zum Teil immer wieder angepasst werden musste. Neben einer sportmedizinisch-truppenärztlichen Ambulanz sowie dem Bereich der Leistungsmedizin stand vor allem die sportmedizinische Prävention und Rehabilitation von Angehörigen der Streitkräfte im Vordergrund. Als forschende Dienststelle bearbeitete das Institut verschiedenste Fragen der Leistungsphysiologie und der Funktionsdiagnostik, wobei der Schwerpunkt auf der kardiovaskulären Prävention lag. 

Für derartige Untersuchungen war das SportMedInstBw fest in der sportmedizinischen Forschungslandschaft verankert. Eine enge Zusammenarbeit bestand seit vielen Jahren vor allem mit der Universität Bielefeld, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie der Deutschen Sporthochschule Köln.

Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr

Die Auflösung des Sanitätsamtes der Bundeswehr und der vier Sanitätskommandos sowie die Neuaufstellung der beiden Fähigkeitskommandos führte zur Umbenennung und einem erneuten Wechsel der Unterstellung des Instituts. Seit Anfang 2014 wird es als Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr (ZSportMedBw) unmittelbar vom Stellvertreter des Kommandeurs des Kommandos Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung in Diez geführt. 

Mit Veröffentlichung des „Konzeptes Medizinische Rehabilitation“ und der Regelung zur „Durchführung der Medizinischen Rehabilitation“ 2020 fiel dem ZSportMedBw eine wesentliche Rolle bei der Planung und Festlegung medizinischer somatischer Rehabilitationsmaßnahmen zu. Es unterstützt seither bei Bedarf fachlich die interdisziplinären patientenzentrierten Rehabilitationsteams sowie die Sanitätsunterstützungszentren in allen Fragen der medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitation und vermittelt gleichzeitig zwischen den klinischen und ambulanten Versorgungsstrukturen innerhalb der Bundeswehr. 

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die institutionelle Etablierung der Sportmedizin in die Versorgungsstrukturen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ein Meilenstein war. Ausgehend von der ambulanten Versorgung der Angehörigen und Lehrgangsteilnehmer der Sportschule der Bundeswehr über die Betreuung von Leistungs- und Spitzensportlern unter Zuhilfenahme von funk­tionsdiagnostischen Maßnahmen der Leistungsmedizin hat sich das ZSportMedBw zu einem heutzutage aus dem System der medizinischen Rehabilitation nicht mehr wegzudenkenden Keyplayer entwickelt, dem sicherlich noch viele weitere herausfordernde Jahre bevorstehen. 

Mit den dieses Jahr in Düsseldorf stattfindenden „Invictus Games“ sowie der vorgeschalteten „Warrior Care Conference“ stehen dem Zentrum zwei Highlights bevor. Bei den Wettkämpfen treten etwa 500 SportlerInnen  - die alle entweder im Dienst verwundet, verletzt oder erkrankt sind  - aus mehr als 20 Ländern gegeneinander an. Ziel der Spiele ist u. a., Verständnis für die Situation von Veteranen zu wecken. Im Zentrum der zweitägigen Veranstaltung stehen nicht nur Fragen der Einsatzmedizin, sondern auch verschiedene Aspekte der Rehabilitation und Wiedereingliederung von SoldatInnen und die Frage, welchen Erfahrungsaustausch es zwischen den Streitkräften und unserer Gesellschaft auf diesem Gebiet geben kann. In der sogenannten „Team Respect Area“ ist zusätzlich der fachliche Austausch, unterstützt durch Impulsvorträge, zwischen Teilnehmern und Besuchern möglich. 


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