Planung der sanitätsdienstlichen Unterstützung maritimer Einsätze
Ob Mittelmeer oder Indischer Ozean, Atlantik oder Ostsee - die Einsätze und Übungsvorhaben der Deutschen Marine sind vielfältig. Das jeweilige Einsatzspektrum erfordert regelmäßig die Ergänzung der organischen Marinesanitätsdienste an Bord um weiteres medizinisches Fachpersonal.
Neben den klassischen Bordfacharzt- und Bordzahnarztgruppen besteht - je nach Charakteristik des Vorhabens und der genutzten Marineeinheit - auch der Bedarf an einzelnen sanitätsdienstlichen Fachexpertisen. Regelmäßig wird der Marinesanitätsdienst personell durch Angehörige des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZSanDstBw), aber auch durch Reservisten unterstützt.
Bevor aber die medizinische Fachkraft an Bord ihren Dienst verrichten kann, gilt es einen aufwendigen Weg zu beschreiten.
Maritime Einsätze und Übungen
Im maritimen Umfeld gilt, wie anderen Einsätzen der Bundeswehr auch: Die sanitätsdienstliche Unterstützung folgt dem Auftrag der Truppe. Um die sanitätsdienstliche Unterstützung der Marine weltweit sicherzustellen, bedarf es vor jeder Seefahrt der sorgfältigen Planung des einzusetzenden medizinischen Fachpersonals des Marinesanitätsdienstes (MSanDst) ergänzt durch Personal des ZSanDstBw und ggf. weiterer Sanitätsdienste der Streitkräfte.
Mit der Entscheidung des BMVg, an welchen maritimen Einsätzen sich die Bundeswehr mit welchen Einheiten der Marine beteiligt, fällt der Startschuss für die Planung des sanitätsdienstlichen Kräfteansatzes.
Einsätze, an denen sich die Marine mit Schiffen und Booten beteiligt, sind entweder besondere Auslandsverwendungen oder einsatzgleiche Verpflichtungen. Zu den besonderen Auslandsverwendungen zählen die mandatierten Einsätze – derzeit EU NAVFOR MED, ATALANTA, UNIFIL und Operation Enduring Freedom (OAE). Einsatzgleiche Verpflichtungen werden durch die STANDING NATO MARITIME GROUP (SNMG) 1 und 2, NATO RESPONSE FORCE (NRF), EU BATTLE GROUP (EU BG) sowie Bereitschaftsboot Ostsee/ Nordsee (BBO/BBS) Ostsee/Nordsee abgebildet.
Neben den maritimen Einsätzen beteiligt sich die Marine an zahlreichen Ausbildungs- und Übungsvorhaben im nationalen sowie internationalen Rahmen. Analog zu den Einsätzen erfolgt die Planung des einzuschiffenden medizinischen Fachpersonals nach Festlegung der Einheiten zur Teilnahme an dem jeweiligen Vorhaben. Jährlich wird die Auslandsausbildungsfahrt des Einsatz-Ausbildungs-Verbandes (EAV) ausgeplant. Der EAV ist die Einsatzreserve der Deutschen Marine und gleichzeitig NATO RESPONSE FORCE (NRF)-Beitrag. Daneben finden beispielsweise die nationale Übung Flotilla Exercise (FLOTEX), die internationale Übung NORTHERN COASTS (NOCO), die NRF-Zertifizierungsübung TRIDENT JUNCTURE sowie die Evakuierungsübung EXTRICATE OWL statt. Hinzu kommen Ausbildungs- und Überprüfungsfahrten wie etwa die Teilnahme am GOST (German Officers Sea Training) oder Werftüberprüfungsfahrten.
Insgesamt sind die seegehenden Einheiten heutzutage häufiger einzeln oder in sich zeitlich und räumlich aufteilenden Verbänden (z. B. EAV 2015) weltweit unterwegs. Dies führt oft zu einem intensiveren Unterstützungsbedarf, da man sich in der sanitätsdienstlichen Versorgung nicht mehr durchgehend und ausschließlich auf den Verband oder nahegelegene Gastländer abstützen kann.
Sanitätsdienstlicher Kräfteansatz auf den Schiffen und Booten der Marine
Neben dem Bordsanitätsdienst werden bei maritimen Einsätzen je nach Bedarf weitere Kräfte, z. B. klinisches Fachpersonal, auf den Booten bzw. Schiffen der Marine eingeschifft.Boote sind in der Regel mit einem Sanitätsmeister besetzt. Korvetten, Tender und Flottendienstboote verfügen über ein Schiffslazarett. Die sanitätsdienstliche Infrastruktur ermöglicht es, ggf. ärztliche Verstärkung aufzunehmen oder zusätzliche Sanitätsmeister sowie Sanitätsunteroffiziere/-gasten einzuschiffen. Einheiten, die weit abgesetzt operieren, erhalten z. B. eine anästhesiologisch-intensivmedizinische Verstärkung. Die Einschiffung einer vollständigen Bordfacharzt- oder Bordzahnarztgruppe - wie auf den Schiffen - kommt jedoch aufgrund der räumlichen Einschränkungen nicht in Betracht.
Die Schiffe bieten neben dem Bordsanitätsdienst, der Schiffsarztgruppe, Raum für eine Bordfacharzt- sowie eine Bordzahnarztgruppe.
Eine Besonderheit stellt der Einsatzgruppenversorger dar, der bei Einschiffung von bis zu 48 Mann medizinischen Fachpersonals zu seinem vollen sanitätsdienstlichen Leistungsspektrum mit Schwerpunkt in der notfallchirurgischen Versorgung aufwächst.
Neben dem zusätzlich zum Bordsanitätsdienst eingeschifften medizinischen Personal besteht auch regelmäßig der Bedarf, Vakanzen im organischen Bordsanitätsdienst (Schiffsarzt, Sanitätsmeister, Sanitätsunteroffizier/-gast) zu besetzen.
Das einzuschiffende medizinische Fachpersonal muss neben weiteren folgende wichtigen Voraussetzungen erfüllen:
- Sicherheitsüberprüfung (Ü2 Sabotageschutz)
- Bordeinweisung (ZA EAKK Marine: Einsatzvorbereitende Ausbildung im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung)
- Untersuchung auf Borddienstverwendungsfähigkeit (BDV)
Die Abfolge der Einplanung von Sanitätspersonal in maritime Vorhaben
Im streitkräftegemeinsamen Rahmen werden die sanitätsdienstlichen Kräfteansätze für maritime Operationen unter Führung des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr zwischen dem Admiralarzt der Marine (AdmArztM) im Marinekommando (MarKdo), den Einsatzplanern im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) und dem Einsatzführungskommando Joint Medical (EinsFüKdoBw JMed) abgestimmt.
Das Ergebnis dieser Abstimmung fließt in den Planungsreport (Liste der Einsatzdienstposten) für das jeweilige Vorhaben ein. Marinekommando Abteilung Marinesanität Dezernat Operative Führung/Einsatz (MarKdo San13) prüft diese Umsetzung in Zusammenarbeit mit Marinekommando Koordinierungsstelle Personal Auslandseinsätze (MarKdo KPA) auf Richtigkeit. Meist ergibt sich daraus der Bedarf an zusätzlichem medizinischem Fachpersonal für die Schiffe und Boote der Marine. MarKdo San13 schreibt die zu besetzenden Dienstposten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus. Für den ZSanDstBw erhält der zentrale Koordinator, das Kdo SanEinsUstg, diese Anfragen. Marineintern prüfen das Schifffahrtmedizinische Institut der Marine (SchiffMedInstM), die Einsatzflottillen (EinsFltl 1 und 2), das Marinefliegerkommando und die Marineschulen ihre Möglichkeiten zur Personalabstellung.
Für gemeldetes Personal wird durch MarKdo KPA ein Einplanungsschreiben erstellt, so dass die Vorbereitung des Soldaten durch den Stammtruppenteil erfolgen kann. Sobald die Verlegefähigkeit des Soldaten an MarKdo KPA zurückgemeldet wurde, erfolgt von dort aus die Flugbuchung sowie die Koordination der notwendigen Transporte im Einsatzland bis zur jeweiligen seegehenden Einheit.
Herausforderungen bei Einschiffungen auf maritimen Einheiten
Eine Einschiffung an Bord seegehender Einheiten der Marine stellt eine ganz besondere Herausforderung dar. Häufig ändert sich die Hafenplanung zum Beispiel auftragsbedingt oder dem Wetter geschuldet. Dies hat zur Folge, dass die meist lange Zeit bekannten Ein- und Ausschiffungstermine sich ab und an stark und auch kurzfristig verschieben können. Wer an Bord in den Einsatz geht, muss sich darüber hinaus darauf einstellen, dass eine Marineeinheit schon einmal kurzfristig in einen anderen Einsatz befohlen wird. Auch ist es möglich, dass ein Schiff oder Boot der Marine für einen völlig anderen Einsatz eingeplant wird. Dies kann u.a. mit längeren Stehzeiten an Bord, abweichenden Seegebieten und damit anderen Hafenaufenthalten einhergehen. Als Faustregel gilt hier: geplanter Einsatzzeitraum ± ca. 14 Tage sind eine realistische Planung. Insbesondere für Fachärzte und Reservisten sind die möglichen Stehzeiten an Bord aufgrund der eigenen Abkömmlichkeit zeitlich eng begrenzt. Das hat eine hohe Frequenz an Personaleinschiffungen zur Folge.
Wo unterschiedlichste Fachleute mitsamt ihrer persönlichen Ausrüstung weltweit im Rendezvous-Verfahren zur aufnehmenden Einheit in einem ausländischen Hafen gelangen, trägt sich hin und wieder auch bemerkenswertes zu. So lernte das Dezernat San13, dass es eine vegetarische Kost „Lakto-Ovo“ gibt, welche auf kommerziellen Flügen angeboten und auch von Soldaten auf dem Weg in einen Einsatz nachgefragt wird. Unerwartet war auch die Erkenntnis, dass es gelingen kann, von Deutschland aus ohne einen Reisepass in ein arabisches Land einzureisen. Umso interessanter gestaltet sich der Aufenthalt dort, wenn es den örtlichen Behörden auffällt. So erreichen uns regelmäßig ungewöhnliche Anliegen, die einen mit wenig Aufwand verbunden, die anderen dafür umso mehr.
Fazit
Im maritimen Einsatz bestehen vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz medizinischen Fachpersonals. Neben grundlegenden Voraussetzungen, um an Bord einer seegehenden Einheit seinen Dienst versehen zu können, erfordert die Verwendung im Marinesanitätsdienst die Teilnahme an marinespezifischen Qualifikationsmaßnahmen. Im Falle medizinischen Personals, das aus anderen Organisationsbereichen und mit wenig Marineerfahrung bei maritimen Operationen eingesetzt werden soll, wird der Einsatz an Bord im Rahmen einer Einzelfallprüfung entschieden, um den Anforderungen der Einsätze bestmöglich gerecht zu werden.Datum: 07.12.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/3