DAS PORTRAIT: KOMMANDEUR DES SANITÄTSSLEHRREGIMENTS

'Ein Zahnarzt?!'

Noch immer etwas ungewohnt: ein Vertreter der sogenannten „kleinen Approbationen“ als Kommandeur des Sanitätslehrregiments. Oberfeldarzt Dr. med. dent. Rolf von Uslar führt das Regiment seit Januar 2012 (vgl. Abb. 1). Für ihn ist diese Aufgabe Herausforderung und Auszeichnung zugleich: „Die Verwendung als Kommandeur, insbesondere im Lehrverband, ist immer eine sehr fordernde und beglückende. Eine große Ehre, hier eingesetzt zu sein.“

Es geschah in Hammelburg?

Im Juli 1988 trat Uslar als Sanitätsoffizieranwärter in das Sanitätsbataillon 12, Veitshöchheim, ein. Die 88er-SanOA-Crew hatte die Besonderheit, im Rahmen der 15-monatigen Ausbildung noch einen kleinen „turn“ in Form des Fahnenjunkerlehrgangs über die Infanterieschule Hammelburg zu drehen. Das dort Erlebte erhöhte Uslars Affinität zu mehr allgemeinmilitärischen Themen zunächst nicht – er wollte Zahnarzt werden. Daran änderte auch weder ein gelungenes Quartal als Gruppenführer in der Grundausbildung etwas noch die Tatsache, dass er sich Hammelburg erneut in Form des Einzelkämpferlehrgangs gönnte, und zwar in den Semesterferien.
Das Studium absolvierte Uslar an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Die dortige Zahnklinik pflegt die schöne Tradition, einen Preis für die drei besten Examina des Jahres auszuloben (Imka-und-Adolf-Lübeck-Preis). Eine ganze Zeit lang schafften es die SanOAs der Würzburger Zahnklinik, zumindest auf dem Treppchen zu stehen.

Thüringen und Sachsen nach dem Mauerfall

Der zuständige Personalführer wollte erstmal nicht glauben, dass der Frischapprobierte unbedingt in die sogenannten Neuen Länder wollte. Die Zahnarztgruppe Erfurt wurde Uslars erste Verwendung. Hier konnte er sich vor allem im Bereich der dentoalveolären Chirurgie fortbilden. Früher als erwartet stand dann die Leitung einer Zahnarztgruppe an: zunächst vertretungsweise in Schneeberg beim damaligen Gebirgsjägerbataillon 571, danach die zweistühlige Zahnarztgruppe Marienberg – ebenfalls im Erzgebirge. Als Truppenzahnarzt des Jägerbataillons 371 (KRK) konnte Uslar seine Vorstellungen eines umfassenden Screenings sowie der Versorgung aller Soldaten i.S. der Dental Fitness realisieren, da der damalige Kommandeur der allgemeinen Pflichtuntersuchung zustimmte. Der Schwerpunkt des fachlichen Interesses verschob sich Richtung Parodontologie und Präventiver Zahnheilkunde. Die zu dieser Zeit noch für SanOffz obligate Heereseinheitliche Taktische Weiterbildung (HTW) sowie die tiefe Integration in das Offizierkorps des Verbandes schafften neue Bezugspunkte zu allgemeinmilitärischen Themen.

Tief im Westen

Kurz vor dem geplanten KFOR-Einsatz folgte eine Versetzung, die in vielfacher Hinsicht Veränderungen bringen sollte: Aus dem tiefen Sachsen nach Bonn, aus einem sehr militärisch agierenden Verband des Feldheeres in ein Amt mit liberaler Disziplin, vom Behandlungsstuhl an den Schreibtisch und vom recht autonom agierenden Leiter einer Behandlungseinrichtung zum jüngsten Mitarbeiter im Dezernat I-Zahnmedizin des Sanitätsamtes der Bundeswehr. Der Dienstposten als Leiter der Zahnärztlichen Stelle Röntgen, gleichzeitig zuständig für zahnärztliche Rüstung und Beschaffung, erlaubte es, zumindest einmal pro Woche in der lokalen Zahnarztgruppe kurativ tätig zu sein. In diese Zeit fiel auch der Abschluss der Dissertation1.
Die folgende Führung der Zahnarztgruppe im niederländischen Brunssum war nicht nur wegen des Auslandes besonders, sondern auchaufgrund der Altersstruktur der Patienten im damaligen Regional Headquarters (RHQ) North der NATO (heute JFC2) eine echte zahnärztliche Herausforderung.

Lernen dürfen an der Elbe

Nach unverhältnismäßig kurzer Zeit folgte eine Versetzung, die sich als grundlegend herausstellen sollte: Der Dienstposten als Dezernent Einsatzplanung in der Abteilung JMed des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr war ein völlig neues Tätigkeitsfeld außerhalb der Approbation. Aus Potsdam heraus bot sich die Möglichkeit zur Teilnahme am Stabs­offizier­(grund)lehrgang, der nach wie vor neben seiner Wissens- und Fertigkeitsvermittlung vor allem ein Assessment Center für die Auswahl der zukünftigen Teilnehmer der Generalstabsausbildung ist. Mit etwas Fortune wurde Uslar ausgewählt und nahm dann ab Oktober 2004 am ersten streitkräftegemeinsamen „Lehrgang Generalstabs- und Admiralstabdienst National (LGAN)“ an der Führungsakademie der Bundeswehr teil. Die Generalstabsausbildung als zweijähriges, postgraduiertes, militärisches studium generale will eben gerade keine Spezialisten, sondern den in Stabs- und Führungsverwendungen breit einsetzbaren Generalisten hervorbringen. Für Uslar waren die zwei Jahre Hamburg eine besonders wichtige Erfahrung: „Lernen in der Schule ist nervig, im Studium o.k., aber als über 30-Jähriger, von allen Verantwortungen entbunden, noch einmal lernen zu dürfen, ist einfach toll.“ Daneben ist das multinationale Netzwerk über alle Organisationsbereiche ein erheblicher Mehrwert des LGAN.

Rheinland, die Zweite

Eine feste Redewendung der FüAkBw besagt, dass der Dienstherr sich die bisweilen großzügig vorhandene (Frei-)Zeit während des Lehrgangs danach mit Zinsen zurückholt. Die Anschlussverwendung als Dezernatsleiter G3.1 Einsatzplanung Eingreifkräfte (NRF3, EUBG4, MilEvakOp5) im Sanitätsführungskommando in Koblenz stellte erhebliche Anforderungen, die innerhalb der Rahmendienstzeit in der Regel selten bewältigbar waren. Höhepunkt dieser Zeit war die Ausplanung, Aufstellung, Ausbildung und Evaluierung der deutsch-niederländischen Medical Task Force der NRF 10.
Nach nur 15 Monaten wurde Uslar in das BMVg versetzt; die Aufgaben als Grundsatz- („Alpha-“)Referent und stellvertretender Referatsleiter des Organisationsreferates des Führungsstabes Sanitätsdienst waren viel­fältig. Als Angehöriger des Kerns der sog. „Kapuzengruppe“, wie die Arbeitsgruppe zur neuen Struktur im Fü San genannt wurde, war er an der Neuausrichtung des (Z)San­Dst­Bw beteiligt (vgl. Abb. 3).

Von Afghanistan …

Aus dem strategischen6 Hauptquartier (HQ) der Bundeswehr, dem BMVg, verlegte Uslar im Juni 2011 für sechs Monate in das strategische HQ der ISAF. Als Staff Officer Med­Ops/MedPlans/LI-LL/MedInfra diente er im Stab von General Petraeus (vgl. Abb. 4), später von General Allen, unter der Führung eines US-Admiralstabsarztes (Rearadmiral Smith). Diese Position implizierte multiple Erfahrungen und Kontakte zu den alliierten, insbesondere zu den amerikanischen Sanitätsdiensten.7

…ins „Schaufenster des ­deutschen Sanitätsdienstes“

Nach diesem wenig linearen Verwendungsaufbau (vgl. Abb. 5) führt Uslar nun das Sanitätslehrregiment „Niederbayern“ in Feldkirchen; der Verband, der jedes Jahr nicht nur im Rahmen der ILÜ SanDstBw8 für Gäste aus dem In- und Ausland gleichsam das „Schaufenster des deutschen Sanitätsdienstes“ ist (vgl. Abb. 6). In der Neuausrichtung wird dieser ungewöhnliche Truppenteil auch das Ausbildungsregiment des ZSanDstBw sein, denn alle Rekruten werden zukünftig ihre Laufbahn mit der Grundausbildung im SanLehrRgt beginnen. Auch das ZEinsAusbÜbSanDstBw9 wird dem Regiment unterstellt – und dies bereits dieses Jahr. „Ich genieße jeden Tag das Kommandeur-Sein, aber ich spüre auch jeden Tag die Verantwortung, die auf mir lastet. Die Verwendung ist großartig, aber nicht alles ist vergnügungssteuerpflichtig.“

Und außer Dienst?

Rolf v. Uslar ist seit 1999 mit Julia, einer Physiotherapeutin, verheiratet, das Paar hat zwei Töchter: „Mein ganzer Stolz.“ Die Familie lebt in Bad Godesberg bei Bonn.
Sport ist Teil seines soldatischen Selbstverständnisses: Vier volle Distanzen und etliche Halb-Marathons hat er bereits absolviert. Aus dem ISAF-Einsatzes hat er von den US-Kameraden „Cross-Fit“ importiert, gleichsam die Reinkarnation des Zirkeltrainings mit militärischen Vorzeichen.
Sein besonderes Interesse gilt der (Zeit-)Geschichte sowie ethischen Fragestellungen. Für etwas Aufsehen sorgte seine Publikation „Rotes Kreuz im Fadenkreuz. Gedanken zu Schutzzeichen und Rolle von Sanitätern in asymmetrischen Konflikten aus militärisch-taktischer, juristischer und ethischer Perspektive“10.
OFArzt Dr. v. Uslar ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie, der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), der Tactical Rescue and Emergency Medical Association (TREMA) sowie der Clausewitz-Gesellschaft. Er ist ferner Mitglied des Beirates der „General-Kießling-Stiftung“ sowie der Arbeitsgruppe „Selbstverständnis und Tradition des SanDstBw“. Darüber hinaus engagiert er sich im Johanniterorden und in der Cornelius-Vereinigung „Christen in der Bundeswehr“11, deren Sekretär er ist.


1„Elektrische Zahnbürsten und keilförmige Defekte. Eine in-vitro Untersuchung“ (magna cum laude).

2JFC = Joint Forces Command, operative Führungsebene der NATO Kommandostruktur.

3NRF=NATO Response Force, schnelle Eingreifkräfte des Bündnisses; für Landoperationen (LandOps) ca. im Umfang einer verstärkten Brigade.

4EUBG = European Union Battle Group, schnelle Eingreifkräfte der EU; für Landoperationen (LandOps) ca. im Umfang eines verstärkten Bataillons.

5MilEvakOp = Militärische Evakuierungsoperationen.

6Und selbstredend zugleich dem militärpolitischen.

7Drei der vier US-Teilstreitkräfte verfügen über einen eigenen SanDst inklusive eines eigenen InspSan.

8ILÜ SanDstBw = Informationslehrübung; ganztägige Einweisung in und Darstellung der Führungs- und Einsatzgrundsätze des SanDstBw.

9ZEinsAusbÜbSanDstBw = Zentrum für Einsatzausbildung und Übungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, umgangssprachlich auch ZEUS abgekürzt.

10Vgl. unter www.wehrmed.de/article/1302-ROTES_KREUZ_IM_FADENKREUZ.html, aber auch Darmstadt, Thomas „Chirurg an der Panzerfaust, in: Der Spiegel 09/2012, unter: www.spiegel.de/spiegel/print/d-84162306.html.

1 Vgl. www.cov.de.

Datum: 24.11.2013

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/3

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