10.10.2009 •

    UMBILDUNG ODER WEITERENTWICKLUNG? TRANSFORMATION FACHSANITÄTSZENTRUM KEMPTEN

    Historische Entwicklung und Ausgangslage

    Der Standort Kempten hat eine lange sanitätsdienstliche Geschichte, die sich auch darin spiegelt, dass die Lage des »neuen« Fachsanitätszentrum Kempten in der Stadt immer noch am Einfachsten mit »das Lazarett« beschrieben werden kann (Abb. 1).

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    Damit ist auch klar gestellt, dass die Liegenschaft Haubensteigweg schon immer ein eigenständiger Bereich war, der nicht innerhalb einer gesicherten militärischen Kaserne lag. Der Bau eines Militärkrankenhaus begann bereits vor dem zweiten Weltkrieg und das Gebäude wurde bis Kriegsende auch als solches genutzt. Danach fand es -meines Wissensin derselben Funktion bei den amerikanischen Streitkräfte Verwendung.
    Bis zu seiner Schließung im Jahre 1980 arbeitete hier dann das Bundeswehrkrankenhaus Kempten, dabei wurde bereits 1968 Personal an das damals neuaufgestellte Bundeswehrkrankenhaus Ulm abgegeben. Das hiesige Personal erwarb sich innerhalb wie auch außerhalb der Bundeswehr einen hervorragenden Ruf, der noch heute in der Stadt zu spüren ist.
    Nach der Schleißung des Krankenhauses wurde im selben Gebäude 1980 das Sanitätszentrum 608 unter Oberfeldarzt Dr. Daum eingerichtet, eines der wenigen SanZ, die damals bereits Fachärzte zur weitergehenden Versorgung der Soldaten etabliert hatten. 1994 wurde im Rahmen einer Reorganisation das Facharztzentrum (FAZ) Kempten als selbstständige Einheit des Bundeswehrkrankenhauses Ulm aufgestellt. Aufgrund der Distanz zum »Mutterhaus« entwickelte das FAZ ein ausgeprägtes Eigenleben und gestaltete die inneren Abläufe und die Betreuung der Patienten unter der langjährigen Leitung Oberfeldarzt Dr. Fiedlers weitgehend eigenständig. Das SanZ -später Standortsanitätszentrumunter der Leitung OFA König bestand zunächst weiter und wurde einige Jahre später dem StOSanZ Sonthofen eingegliedert. Kurz vor der Aufstellung des FachSanZ erfolgte der Umzug des SanZ wieder nach Kempten. Ab dem Zeitpunkt 1980 war damit -wenn auch organisatorisch scharf getrennt- die truppenärztliche / -zahnärztliche Betreuung und die ambulante fachärztliche Expertise bereits unter einem Dach eingerichtet.

    Auftrag und Zielstruktur des Fachsanitätszentrum

    Wesentlicher Auftrag des neuen Fachsanitätszentrum ist die sanitätsdienstliche (truppenärztliche und -zahnärztliche) Versorgung der Soldaten des örtlichen Bereiches Kempten und Sonthofen sowie die fachärztliche ambulante und arbeitsmedizinische Versorgung des regionalen Zuständigkeitsbereiches. Zentral sind dabei neben den diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten (einschließlich Labor- und Röntgenuntersuchungen; Physiotherapie, Bettenstation) auch die bekannten vielfältigen prophylaktischen und gutachterlichen Aufgaben. Um diesen regionalen Bereich abschätzen zu können sei erinnert, dass die benachbarten FachSanZ in Sigmaringen und München aufgestellt wurden. Allerdings werden auch Patienten aus weiter entfernt liegenden Standorten überwiesen (z.B. Calw, Berchtesgaden, Neapel).

    Die Teileinheit Rettungsstation -besetzt mit gut ausgebildeten Rettungsassistenten- ist kontinuierlich sowohl bei der Ausbildung und Fortbildung des eigenen Personals als auch bei der Grundlagen-, Auffrischungs- und Wiederholungsausbildung der zugeordneten Truppenteile in Selbst- und Kameradenhilfe tätig. Hinzu kommen regelmäßig die unterstützenden Truppenübungs- und Schießplatzaufenthalte sowie Bereitschaften im AirMedEvac- Betrieb.
    Wie früher auch, nehmen wir den standortärztlichen Bereitschaftsdienst in einem Gebiet von nördlich Memmingen bis Lindau / Bodensee wahr. Hierzu ist ein durchgehender Dienst eingeteilt, der in Kooperation mit den Sanitätszentren Kaufbeuren und Füssen ausgestaltet wird.
    Zusätzlich werden Aufgaben der Führungsgrundgebiete 1 - 4, 6 und Controlling wahrgenommen. Bisher konnte nicht immer sichergestellt werden, dass entsprechende Dienstposten mit Personal bzw. ausgebildetem Personal besetzt waren und sind.

    Vielfältige Qualifikationen (u. a. Rettungsmedizin, administrative Nebenaufgaben) müssen kontinuierlich und zeitaufwendig aktualisiert, allgemeinmedizinische und auch fachärztliche Weiterbildungsabschnitte vorschriftengerecht angeboten, Unterstützungsleistungen im Ausbildungs- und Übungsbetrieb der Truppe sowie Vertretungen im Sanitätskommandobereich bereitgestellt werden. Fast schon als Nebenaufgabe wirkt das regelmäßige Angebot von Famulaturplätzen für Sanitätsoffizieranwärter. Zusätzlich hierzu liegen in der Allgemeinmedizin, der Inneren Medizin und der Dermatologie Weiterbildungsermächtigungen vor.

    Aufbau- und Umstrukturierungsphase

    In der Aufbau- und Umstrukturierungsphase zu Begin des Jahres 2007 mussten zunächst die eingefahrenen Gleise verlassen, ein aktueller Sachstand und Überblick erarbeitet und von mehreren Seiten aufeinander zugegangen werden. Was auf dem Papier einen einfachen administrativen Federstrich darstellte, gestaltete sich vor Ort durchaus dramatisch anders. So wurden

    Dienstposten aufgelöst bzw. neu geschaffen und damit Personal weg- und zuversetzt, • mittelfristig Teileinheiten ausgegliedert und durch Aufwertung von einer Sanitätsstaffel zu einem Sanitätszentrum »selbstständig «,

    • Kompetenzen neu verteilt sowie bisherige echte oder gefühlte »Machtpositionen« neu vergeben,
    • neue Arbeitsverteilungen für geänderte bzw. zusätzliche Teileinheiten erforderlich,
    • Betriebsabläufe umgestellt oder neu etabliert und
    • ausgeprägte Materialbewegungen und -um buchungen erforderlich, die nicht nur das eigene Personal manchmal an den Rand der Verzweiflung brachten.

    Zusätzlich hierzu beinhaltete die Umstrukturierung auch Änderungen im Personalgefüge, so etwa die Umwandlung ziviler Dienstposten, die teilweise schon seit Jahren oder Jahrzehnten besetzt waren, in militärische Stellen. Dies war unter Umständen mit offener bzw. unterschwelliger Angst vor Versetzung, Abordnung oder gar Arbeitsplatzverlust verbunden. Bisher konnten fast alle dieser Probleme in einer sehr guten Zusammenarbeit mit allen betroffenen Dienststellen und Personalvertretungen bearbeitet oder gelöst werden.

    Gerade in dieser Phase war der neue Zusammenhalt bemerkenswert, der alle Probleme und manche Ungereimtheiten in den Vorstellungen vorgesetzter Dienststellen nun erst recht bewältigen ließ.
    Auch die Fachärztlichen Untersuchungsstellen sind den neuen Weg mitgegangen. Gerade durch die Neuausrichtung der Bundeswehrkrankenhäuser kann hier der große Bedarf an diagnostischen, therapeutischen und gutachterlichen Fragestellungen auf einem medizinisch hohen Niveau bearbeitet werden. Darüber hinaus wird sich hier meines Erachtens ein belastbareres Arzt-Patient-Verhältnis entwickeln, dass so im heutigen Krankenhausbetrieb kaum mehr möglich sein wird.

    • TE Betriebsmedizin (FLTA Dr. Nikodem): Die Betriebsmedizin ist in ihrer präventiven Ausrichtung in der Arbeitswelt grundlegend und stärker als »normale« klinische Fächer inter- und transdisziplinär angelegt. Die neue Eingliederung der Fachgruppe »Betriebsmedizin« in das Konzept der Fachsanitätszentren konnte diese besondere Situation par excellence abbilden. Fachliche Kompetenz, schnelle Terminvergabe, kurze Laufwege, kostensparende Nutzung vorhandener Ressourcen auf der einen Seite und arbeitsmedizinische und arbeitspsychologische Betreuungsmaßnahmen auf der anderen Seite, sind die Eckpfeiler dieses neugeschaffenen, bundeswehrinternen Versorgungskonzeptes. Mit der Übertragung der Verantwortlichkeit an Sanitätsstabsoffiziere konnte nun der wehrmedizinische Aspekt der Betriebsmedizin innerhalb der Bundeswehr hervorgehoben werden.

    Die mittlerweile evidenzbasierte Prävention spiegelt sich eindrucksvoll in den signifikant gesunkenen Zahlen an Arbeitsunfällen, arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten wider. Durch die besondere Personalunion aus Betriebsmedizin, HNO-Heilkunde und Allergologie wurde im FachSanZ Kempten eine sinnvolle Erweiterung des diagnostisch-kurativen Spektrum erreicht. Damit konnte, wie ein aktuelles Beispiel in der Generaloberst Beck – Kaserne in Sonthofen zeigt, dem Aspekt der beruflich bedingten Allergien, die seit Jahren an der Spitze der in Deutschland angezeigten Berufskrankheiten stehen, Rechnung getragen werden. In Sonthofen wurde eine chronische bronchiale Exposition von Soldaten mit Schimmelsporen und Taubenkot im Sinne einer exogen allergischen Alveolitis diagnostiziert und im Folgenden weitere gesundheitliche Schäden in der Zusammenarbeit von Truppenarzt, Betriebsmedizin und Einheit verhindert werden. Dies ist ein gutes Beispiel des praktischen Nutzens einer effektiven Prävention und eines wirksamen Arbeitsschutzes.
    Allerdings erscheint der in der STAN zugrundegelegte Personalansatz (Assistenzpersonal) den gerade in diesem Gebiet anfallenden administrativen Erfordernissen, Vorschriften und die Besuche der regional verteilten Dienststellen nur unzureichend Rechnung zu tragen.

    • FU Innere Medizin (OFA Dr. Eilts): In der FU werden über »allgemein endoskopischinternistische « Fragestellungen hinaus, spezielle Probleme besonders im Bereich der Kardiologie, Angiologie und Gastroenterolgie beantwortet. Mit den sonographischen Untersuchungsverfahren wie 2DFarbechokardiographie, Gefäßultraschall, Ultraschall des Abdomen und der Schilddrüse sind sämtliche Ultraschall-Bereiche der Inneren Medizin abgedeckt. Neben den Untersuchungsmöglichkeiten der Bodyplethysmographie, des Ruhe und Belastungs- EKG`s sind Langzeitmessungen für EKG und Blutdruck möglich. Darüber hinaus werden mit den neuesten endoskopischen Technikund Dokumentationsverfahren Gastroduodenoscopien und Ileocoloscopien durchgeführt. Der Inneren Medizin angeschlossen ist noch das hauseigene Labor mit der Möglichkeit, alle wichtigen Laboruntersuchungen zeitnah durchzuführen. Um den Wissens- und Leistungszustand aktuell zu erhalten, gibt es eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm zur endoskopischen Kooperation sowie mit einer zivilen Herzklinik zur Durchführung invasiver kardiologischer Untersuchungen mit Rechts- und Linksherzkatheter. Für die optimale und zeitnahe Versorgung des Patienten ist erwähnenswert, dass der kurze und kollegiale Weg zu den Fachkollegen der anderen Abteilungen Augenheilkunde, Dermatologie, Orthopädie / Unfallchirurgie, Betriebsmedizin und Zahnheilkunde besteht und genutzt wird sowie eine enge Verzahnung mit den überweisenden Truppenärzten des In- und Auslandes gewachsen ist.

    Im Regelfall sind gerade in diesem Fachgebiet die leistbaren und benötigten Untersuchungen weniger durch den Sanitätsoffizier als durch das in der STAN vorgesehene Assistenzpersonal limitiert. Da eine große internistische Fachpraxis nicht mit nur einer Vollzeitkraft betrieben werden kann, sollte eine entsprechende Änderung angestrebt werden.

    • FU Dermatologie (OFA Dr. Fiedler): Das gesamte Spektrum der dermatologischen und dermato-chirurgischen Diagnostik und Therapie wird durch die Fachärztliche Untersuchungsstelle angeboten. Hierbei wird sehr individuell auf die persönlichen und dienstlichen Fragestellungen und Erfordernisse eingegangen. Hierzu gehören neben einer häufig langjährigen Begleitung der Patienten und Patientinnen zusätzlich die fachspezifischen Begutachtungen und Beratungen in Hinsicht auf Dienstfähigkeiten, Einschränkungen und arbeitsmedizinische Fragestellungen in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt.

    • FU Ophthalmologie (FLTA Dr. Burk): Die materielle Ausstattung der Fachärztlichen Untersuchungsstelle für Augenheilkunde ist grundsätzlich von hoher Qualität und auf modernem technischen Stand. Durch die Angleichung der materiellen STAN an die Ausstattung der Bundeswehrkrankenhäuser sind bereits weitere Geräte in der Beschaffungsphase, die die Versorgung am Ort weiter verbessern und den vielgescholtenen »Sanitäts-Tourismus« weiter einschränken werden.
    Die FU in Kempten hat sich neben des üblichen augenärztlichen Tagesgeschäftes einen ausgezeichneten, überregionalen Ruf bezüglich der Diagnostik und konservativen Therapie des Glaukoms und der altersbezogenen Makuladegeneration erworben. Besonders zu erwähnen ist auch hier die exzellent funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen FU und den Truppenärzten (z. B. mit der Betriebsmedizin, Inneren Medizin und Dermatologie).

    Nach wie vor problematisch ist die vorgegebene Personal-STAN, die nur eine medizinische Fachkraft vorsieht. Die gerade in der Augenheilkunde hoch spezialisierte und qualifizierte medizinische Fachangestellte kann aufgrund des hohen technischen Untersuchungsanteiles nicht kurzfristig durch anderes »Springerpersonal« ersetzt werden. Bei der inzwischen festgestellten Wertschöpfung durch eine medizinische Fachangestellte in der Augenheilkunde in Höhe von etwa 160.000€ könnte über eine entsprechende Personalaufstockung erneut nachgedacht werden.

    • FU Orthopädie/Unfallchirurgie (FTLA Schieren): Auch wenn durch die standesrechtlich Zusammenführung der Orthopädie mit der Unfallchirurgie ein neues, erweitertes, operativ ausgerichtetes Fachgebiet entstand, stehen in der täglichen, ambulanten Sprechstunde eher konservative und chronische Krankheiten im Vordergrund.
    Aufgrund persönlichen Engagements und gewachsener guter Zusammenarbeit mit der Abteilung Orthopädie/Unfallchirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm erfolgen die erforderlichen Operationen der orthopädischen Patienten durch den hiesigen Facharzt. Die kontinuierliche Betreuung durch den dem Soldaten bereits bekannten Facharzt ist damit umfassend gewährleistet. Dies reicht von der Diagnosestellung inklusive diagnostischer Maßnahmen über die Aufklärung bis hin zu intensiver postoperativer Betreuung. Dies wird von den Patienten begeistert angenommen und gewürdigt. Lange Wartezeiten, Doppelvorstellungen und -untersuchungen können dadurch deutlich reduziert werden.
    Aber auch bei den konservativ chronischen Behandlungsfällen zahlt sich diese etablierte und persönliche Bekanntheit und intensive Zusammenarbeit mit den verschiedenen Abteilungen des BwKrhs Ulm (u. a. Radiologie, Nuklearmedizin, Neurochirurgie, Physikalische Therapie) in Verbindung mit den kurzen Wegen im eigenen Haus aus. Da mit der Aufstellung der FachSanZ in Kempten die vorher bestehende FU Chirurgie entfiel, wurde der vorhandene, ehemalige Operationsbereich aufgrund fehlender lüftungstechnischer Voraussetzungen in einen Eingriffraum umgestuft. In absehbarer Zeit werden hier bei vorhandenem Material, angekündigtem Personal (Operationstechnischer Assistent) und mit Unterstützung der Infrastrukturabteilungen wieder eigene Aktivitäten möglich sein werden.

    • FU Psychiatrie (NN): Sieht man den Bedarf an psychiatrischer Fachexpertise hier in Kempten, ist diese sowohl im Rahmen der Einstellungsuntersuchungen wie auch in der Folgebetreuung nach Einsätzen ebenso gefragt wie im Verlauf der üblichen truppenärztlichen und gutachterlichen Tätigkeit. Daher fällt die bisherige und auch weiterhin zu erwartende Nichtbesetzung dieser Untersuchungsstelle besonders auf. Zur Zeit wird versucht, dies Manko durch eine Ausnahmegenehmigung des Ministerium mit dem Einsatz eines Vertragsfacharztes zu kompensieren.

    Gerade in der hier in Kempten sehr gut funktionierenden Zusammenarbeit bei fachübergreifenden Diagnosen und Therapien (Allgemeinmedizin, Innere, Dermatologie, Betriebsmedizin, Orthopädie, Zahnmedizin) zeigte sich der Gewinn der vorgenommenen Weiterentwicklung und vielfach ein Attraktivitätsvorteil gegenüber der heutigen Situation im zivilen Bereich mit ausgeprägten Konkurrenzund Verteilungskämpfen.

    Momentaner Sachstand

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    Nach der Bewältigung dieser unmittelbaren Umgliederungsthematik zeichneten sich aufgrund praktischer Erfahrung positive wie auch bedenkliche Entwicklungen ab. Positiv ist gerade in Kempten der hohe Identifikationsgrad mit dem FachSanZ hervorzuheben. Dies ist an der Einsatzbereitschaft über das übliche Maß hinaus, an der guten dienstlichen Stimmung wie auch an erfreulich hohen Zahlen der Weiterverpflichtungen erkennbar. Schwierig bleibt die weiter zunehmende Rotation der Truppenärzte, die die seit Jahren bestehenden Klagen der Patienten über die Diskontinuität der ärztlichen Versorgung nicht ruhen lässt. Dabei sollte man sich auch nicht durch die meist positiven Ergebnisse der Patientenbefragungen täuschen oder einschläfern lassen. Die Stehzeiten der Truppenärzte werden durch ihre Einsätze, durch Truppenübungsplatzaufenthalte und durch sanitätskommandointerne Rotationen (Vertretung von im Einsatz befindlichen oder aus anderen Gründen abwesenden Truppenärzten) verkürzt. Hinzu kommen in der letzten Zeit die vorzeitigen Rückversetzungen in die Bundeswehrkrankenhäuser, um zugesagte Facharztweiterbildungen durchführen zu können. Das Wiederaufleben des alten »Förderkreiskonzeptes « belastet die Versorgung an der Basis. In Kempten kann diese Situation derzeit noch weitgehend von Vertragsärzten kompensiert werden. Allerdings erscheint dies für die Soldaten so, als ob Vertragsärzte verlässlicher und regelmäßiger als Truppenarzt arbeiten als Sanitätsoffiziere. Auch im fachärztlichen Spektrum wirkt die kontinuierliche Versorgung unterbrochen. Einsätze, Urlaube, Lehrgänge usw. führen dazu, dass gleich eine ganze Fachärztliche Untersuchungsstelle geschlossen werden muss. Während vom FachSanZ Kempten aus das Bundeswehrkrankenhaus Ulm immer wieder unterstützt wird, sind die Möglichkeiten in umgekehrter Richtung im Bereich einer Fabel angesiedelt. Eigene Lösungen werden durch Verwaltungshemmnisse unmöglich gemacht. So ist es den Bundeswehrkrankenhäusern, nicht jedoch den FachSanZ gestattet, Fachärzte zu Vertretungen auf Vertragsarztbasis zu verpflichten. Dies gilt derzeit selbst für Untersuchungsstellen, die das Personalamt anerkanntermaßen auch weiterhin nicht besetzen können wird. Ob die Aufweichung der Bestimmungen der ZDv 60/7 für Fachärzte Allgemeinmedizin und bei der Arbeits-/ Betriebsmedizin weiteren Spielraum schaffen kann, wird sich zeigen müssen. Unabhängig von der Tagesantrittstärke fallen aber auch Unstimmigkeiten in den Arbeitsbedingungen auf. Medizin auf hohem, aktuellen Stand anzubieten und gewährleisten, erfordert heute eine entsprechende IT-technische Ausstattung; diese ist nicht durchgehend bereitgestellt. Eine ausreichende Anzahl von Rechnern, Intra- und Internetzugängen sowie Netzwerkverbindungen ist derzeit nicht sicher, noch ist bisher fehlende Ausstattung absehbar. Als Beispiel sei angeführt, dass die medizinische Leistungserfassung mit Papier und Bleistift erfolgt, um sie an einer weiteren Stelle mit Zusatzpersonal in den PC einzugeben. Eine medienbruchfreie Anwendung ist nicht in Sicht. Aber auch anderes Schlüsselpersonal wird nicht in der notwendigen Form beachtet: Der vermehrte Einsatz von SAP reduziert zwar die Anzahl der zivilen Dienstposten innerhalb der Bundeswehr. Deren Arbeit, insbesondere auch im Besoldungs- und Zulagenwesen, wird aber auf die vorhandenen Unteroffizierdienstposten verlagert. Diese haben keine langjährige Ausbildung und müssen sich das erforderliche und rechtlich relevante Fachwissen in Kurzlehrgängen und im Selbststudium aneignen. Ein Feldwebel Funktionsdiagnostik bzw. ein Feldwebel Operationstechnischer Assistent ist erst in Jahren in Sicht. Er wird derzeit auf unserem Dienstposten über mehrere Jahr hinaus ausgebildet und seine Aufgaben werden daher nicht wahrgenommen. Auch die Administration unseres IT-Materials wird als Nebenaufgabe durch einen ausgesprochen ambitionierten Autodidakten in Nebenfunktion wahrgenommen. Andererseits ist die Wahrnehmung der Aufgaben eines IT-Sicherheitsbeauftragten in Zukunft nur für reguläres S6-Personal vorgesehen. Der S4-Bereich ist ohne Materialgruppe geplant worden. Damit wurde im Logistikbereich, durch das Wegrationalisieren des Mat- Buchhalters C, absehbar eine mehr als labile Situation geschaffen, die auch nicht durch einen jungen, erfahrungssammelnden Unteroffizier kompensiert werden kann. Zudem erscheinen meines Erachtens die Konsequenzen in Hinsicht auf Überprüfungen nach Bundeshaushaltsordnung (§ 78) und die vorschriftenkonforme Materialverantwortung nicht vollständig durchdacht. Bezüglich der für die verschiedenen Dienstposten erforderlichen Ausbildung kann dem Bericht des Wehrbeauftragten von diesem Frühjahr nur zugestimmt werden, dass die Nichtteilnahme an Lehrgängen durch fehlende Redundanzen in den Einheiten bedingt sein kann. Seiner Schlussfolgerung, dass dieses Problem durch eine zentrale Lehrgangsplanung behoben werden kann, kann ich aber nur bedingt folgen, da diese noch weniger Rücksicht auf lokale Besonderheiten oder Probleme Rücksicht nehmen kann. Auch in anderen FGG / Bereichen führt die Umwandlung von zivilen Dienstposten in militärische zu Verlusten an Kontinuität und Erfahrung. Allein durch absehbare Auslandeinsätze und kontinuierliche militärische Ausbildungen wird die zur Verfügung stehende Zeit deutlich geringer werden. Ebenso schwierig gestaltet sich die Verteilung von Zusatz- und Nebenaufgaben. Nach letzter Zählung sind im FachSanZ Kempten über 50 Beauftragungen und Nebenaufgaben im Wesentlichen an zwölf (Sanitäts-) Offiziere und fünfzehn Portepeeunteroffiziere zu vergeben. Zusätzlich kommen dazu die selbstverständlich ebenfalls auszubildenden Vertreter. Gerade weil die Teilkonzeption »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« in Bezug auf die Attraktivität des Berufsbildes allseits begrüßt wird, so kann sie durch fehlende Personalreserven bzw. durch mangelnde personaltechnische Flexibilitätsmöglichkeiten (z. B. Job - sharing) in der Praxis einen deutlich limitierenden Einfluss auf die Erledigung der geforderten Dienstgeschäfte haben. Hochspezialisiertem, hervorragend ausgebildetem und -motiviertem Rettungsdienstpersonal steht deutlich überaltertes und nur eingeschränkt nutzbares Material im Grund- und Ausbildungsbetrieb gegenüber (z. B. nicht für den Patiententransport bzw. für einen kompletten Sanitätstrupp zugelassene geländegängige KrKw). Ist das der gewollte Grundbetrieb als Übungsplattform für den Einsatz? Im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit haben sich mit Auflösung der Reservelazarettorganisation völlig neue Verhältnisse ergeben. Diese scheinen noch nicht überall ausreichend bekannt zu sein, weder im zivilen wie im militärischen Bereich. Insbesondere in Hinblick auf nichtbesetzte Sanitätsoffizierdienstposten (Reservisten) bei den Kreis- und Bezirksverbindungskommandos ergibt sich meines Erachtens zusätzlicher Beratungsbedarf durch aktive Dienststellen in Hinsicht auf die Möglichkeiten und Limitationen der Unterstützung durch den Sanitätsdienst.

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    Zumindest in Kempten haben sich andererseits die Möglichkeiten der »Spiegeldienstposten « positiv bewährt. Engagierte, informierte Reservisten auf verschiedenen Ebenen und Funktionen unterstützen das kontinuierliche Arbeiten über einen längeren Zeitraum. Erfreulich gestaltet sich ein weiterer Aspekt der Zusammenarbeit mit dem zivilen Bereich. Zusätzlich zu den bekannten, üblichen Aktivitäten wurden mit der örtlichen Schule in Oy- Mittelberg ein auf Wiederholung angelegter Erste Hilfe-Nachmittag für Kinder und Eltern durchgeführt, der nicht nur in der örtlichen Presse gut ankam. Im April 2009 wurde die sich stetig entwickelnde Patenschaft mit der Gemeinde durch den Kommandeur Sanitätskommando IV gebilligt, sodass die bisherigen Kooperationen auf einer neuen Grundlage weitergeführt und ausgebaut werden können.

    Ausblick

    Sieht man in die Zukunft, so sind eine Reihe von positiven wie auch fragwürdigen Zeichen zu sehen. Im FachSanZ Kempten selber ist eine hohe Identifikation mit der neuen Einheit quer durch alle Dienstgradgruppen zu verzeichnen. Die neuen Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung bei Engpässen werden gesehen und genutzt. Neues Gerät im fachärztlichen Bereich ist eingetroffen oder steht in anderen Gebieten an (digitales Röntgen, Telemedizin). Derzeit wird die Bausubstanz durch umfangreiche Maßnahmen auf den gesetzlich vorgeschriebenen Stand gebracht. Ambitionierte Vorhaben wie Ausweitung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten müssen mitunter wegen administrativer, personeller, ausbildungstechnischer oder infrastruktureller Gegebenheiten warten. Dies wirkt sich auch bei den vorhandenen Weiterbildungsermächtigungen in den Fachgebieten Allgemeinmedizin, Dermatologie und Innere Medizin sowie den Ausbildungsmöglichkeiten für Famulanten aus. Hierbei ist insbesondere der Aspekt zu berücksichtigen, dass -gerade weil die sanitätsdienstliche Versorgung im Einsatz immer noch auf höchstem Niveau stattfindet und von vielen Soldaten als selbstverständlich angesehen wird- durch viele kleine Maßnahmen und Vorgaben der Eindruck entsteht, vorgesetzten Dienststellen ist die truppenärztliche Versorgung im Inland nachrangig und das darin eingesetzte Personal zweitklassig. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass das Meinungsbild der Truppe über die Qualität und das Leistungsvermögen des Zentralen Sanitätsdienstes gerade hier an der Basis im Inland gebildet wird! Als Fazit kann ich festhalten, dass die Zusammenführung des ehemaligen Standortsanitätszentrum und des früheren Facharztzentrum im Standort Kempten einen positiven Effekt auf die Nutzung der zur Verfügung gestellten Ressourcen hatte. Nicht übersehen werden darf dabei, dass durch die Verbindung dieser einheitlichen Führung mit einer umfassenderen Änderung der Personal- und Mat- STAN neue Ungleichgewichte geschaffen wurden, die die uneingeschränkte, kontinuierliche Handlungsfähigkeit gerade bei der vorhandenen guten Motivation und Leistungsbereitschaft des gesamten Personals behindern. Insgesamt überwiegen meines Erachtens jedoch die Vorteile und positiven Aspekte dieser sanitätsdienstlichen Weiterentwicklung im Rahmen eines umfassenden Betreuungskonzeptes.

    Datum: 10.10.2009

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2009/3

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