30.01.2012 •

WIRKSAMKEITSNACHWEIS EINES IMPULSSCHALLGEHÖRSCHUTZES BEI DURCH HANDFEUERWAFFENAUSGELÖSTEN IMPULSLÄRM

Demonstration of the Effectiveness of a Hearing Protector against Impulse Noise caused by Handguns



Aus dem Institut für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr, Berlin (Leiter: Flottenarzt Dr. D. Iske)¹, dem Sanitätszentrum Berlin (Leiter: Oberstarzt Dr. A. Braack)² der 4. LwDiv, Aurich (Kommandeur: Generalmajor V. Zimmer)³, dem Sanitätsamt der Bundeswehr, München (Amtschef: Generalstabsarzt Dr. J. Dick)⁴, der WTD 91, Meppen (Direktor: Dr. P. Hennl)⁵



Michael Wendorf¹, Michael Schmitz-Rode², Wolfgang Hanschke³, Roland Girgensohn⁴ und Christa Korff⁵

Aufgrund der Auftragslage der Bundeswehr ist es erforderlich, einen Gehörschutz für die Soldaten einzuführen, der nicht nur einen wirksamen Impulsschallschutz bietet, sondern gleichzeitig die Detektion von Umweltgeräuschen sowie eine sichere Kommunikation der Soldaten untereinander ermöglicht.

In der vorliegenden Studie sollte die Wirksamkeit eines neuen Gehörschutzes mit ISL-Impulsschallfilter untersucht werden.

Methoden:

64 Soldaten im Alter von 18 bis 54 Jahren wurden mit dem neuen Gehörschutz ausgestattet. Auf einem Schießplatz wurden umfangreiche audiometrische Messungen zur Bestimmung der Hörschwellen vor und nach dem Schießen durchgeführt. Mittels Einsilbensprachtest wurde gleichzeitig das Sprachverständnis bestimmt.

Ergebnisse:

Es konnte gezeigt werden, dass der Einsatz des ISL-Impulsschallfilters einen zuverlässigen Schutz vor durch Handfeuerwaffen ausgelöste Innenohrschäden bietet. Das Sprachverständnis bei einer Lautstärke von 60 dB ist bei dem Impulsschallgehörschutz (91 % Sprachverstehen) im Vergleich zu den bisher verwendeten Gehörschützern (55 % Sprachverstehen) signifikant verbessert.

Schlussfolgerungen:

Aufgrund der positiven Ergebnisse wurde der neue Gehörschutz umgehend für den Auslandseinsatz zugelassen. Die Genehmigung zur Nutzung im Inland befindet sich derzeit im Zulassungsverfahren.

Summary

Background:

Because of the worldwide Bundeswehr mission spectrum it is necessary to provide hearing protection for military personnel that not only effectively safeguards against shooting noise exposure but also enables to detect ambient sounds and comprehensible communicate with one another. The present study is commissioned as a special research project by the Central Medical Service Staff of the Federal Ministry of Defence in order to examine the effectiveness of the ISL impulse noise filter in firing tests using as personal weapons the P 8 pistol, G 36 rifle and MG 3 machine gun.

Methods:

Extensive audiometric measurements were conducted with soldiers to determine the sound threshold for speech and comprehension before and after the shooting.

Results:

It could be shown that hearing protection can be improved significantly through the use of the ISL-pulse noise filter with retained protection from inner ear damage, the speech understanding compared to the previously used hearing protectors.

Conclusions:

The novel hearing protection has been accepted on the basis of the study finding as a solution for use in the deployment in Afghanistan.

1. Einführung

Für die Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz ist der Einsatz eines Gehörschutzes erforderlich, der nicht nur einen wirksamen Impulsschallschutz (Knallschutz) garantiert, sondern auch die Detektion der Umgebungsgeräusche sowie eine verständliche Kommunikation ermöglicht. Der in der Bundeswehr verwendete Dauerschallgehörschutz (DSGS) Ear-Classic II (SNR 28 dB, Knalldämmwert 28,5 dB) ist aufgrund seiner nahezu konstanten Dämmung hierzu ungeeignet. (Abb 1)

Eine verzugslose und situationsangepasste Reaktionsweise der Soldaten im Einsatz kann nicht sichergestellt werden. Daher verzichten viele Soldaten im Auslandseinsatz im Rahmen der Güterabwägung auf das Tragen eines Gehörschutzes, um so Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Sie nehmen damit bei einem plötzlichen Schusswechsel oder der Detonation einer Mine das Risiko eines Innenohrschadens bis hin zu einer Ertaubung in Kauf (5). Durch die Verwendung eines Impulsschallgehörschutzes (ISGS) (Abb 2) können die Anforderungen für die im Einsatz befindlichen Soldaten erfüllt werden (10). Bei dieser Form des Gehörschutzes können normale Schallereignisse, zum Beispiel Sprechen, Annäherung von Personen oder eines Kfz, nahezu ungehindert durch eine Filteröffnung zum Trommelfell gelangen und wahrgenommen werden (9). Dagegen können, bedingt durch die bauliche Eigenart des Filters, die Schallwellen bei hohen Schalldrücken und kurzen Anstiegszeiten, wie sie zum Bespiel beim Abgeben eines Schusses oder der Detonation einer Mine entstehen, den Filter nur abgeschwächt passieren. Eine Schädigung der Innenohrhaarzellen kann somit verhindert werden. Die dämmenden Eigenschaften von Impulsschallfiltern verhalten sich proportional zu der Signalstärke und sind abhängig vom Zeitverlauf des Schallereignisses.

Der Impulsschallgehörschutz wird in anderen Einsatzarmeen, beispielsweise bei den amerikanischen, französischen oder niederländischen Streitkräften, bereits verwendet (2, 4). Für den Wirksamkeitsnachweis dieses ISGS finden sich lediglich Angaben aus internen Prüfberichten des Institut Franco-Allemand de Recherches de Saint Louis (ISL), welches den Impulsschallfilter entwickelt hat, und aus französischen sowie amerikanischen Streitkräften (1,3). Es fehlt jedoch eine wissenschaftliche Untersuchung mit definierten Rahmenbedingungen zum Wirksamkeitsnachweis und zur Unbedenklichkeit sowie zur Anwendungssicherheit nach den in Deutschland vorgegebenen Rechtsnormen. Die Zulassung des Impulsschallgehörschutzes erfolgte jeweils nach den nationalen Rechtsnormen für die Streitkräfte.

Um den Impulsschallgehörschutz auch für die Soldaten der Bundeswehr nutzbar zu machen, hatten das Institut für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr in Berlin, der Divisionsarzt der 4. Luftwaffendivision in Aurich und die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91) in Meppen eine wissenschaftliche Studie initiiert. Diese sollte die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit des ISGS untersuchen und bewerten. In der Studie wurden industriell angebotene Gehörschutzstöpsel verwendet, um den Nachweis zu erbringen, dass durch die Verwendung eines Gehörschutzes mit einem Impulsschallfilter der Innenohrschutz für die im Einsatz befindlichen Soldaten erfüllt werden kann, ohne dass die Umfelddetektion und das Sprachverstehen eingeschränkt werden.

2. Methoden

Die zugrunde liegende Studie wurde als Sonderforschungsvorhaben des BMVg Fü San (Vorhabennummer: 05Z7-S-830809) in Auftrag gegeben und von der Ethikkommission der Ärztekammer Berlin mit Schreiben vom 06.08.2008, Aktenzeichen Eth-004/08, genehmigt. Die Schießversuche fanden in der Standortschießanlage Aurich statt. Die Untersuchungen vor Ort wurden in der mobilen Audiometrieeinheit (Abb 3) der WTD 91 in Meppen, die Vor- und Nachuntersuchungen sowie die Untersuchungen zum Erlernen und zur Validierung der Messmethodik mit dem mobilen PC-Audiometer Ear 2.0 der Firma Auritec, Hamburg durchgeführt. Die Probanden rekrutierten sich mehrheitlich aus Soldaten der 4. Luftwaffendivision in Aurich, ferner aus Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 313 in Seedorf und vereinzelt aus Soldaten des Instituts für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr in Berlin.

Die Untersuchungen erfolgten an hörgesunden Probanden nach ausführlicher Aufklärung und Information. Zur Überprüfung der Einschluss- beziehungsweise Ausschlusskriterien wurden in Anlehnung an den berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 20 eine Anamneseerhebung, eine otologische Untersuchung, eine Reinton-Audiometrie mit Bestimmung der Luft- und Knochenleitung sowie eine Sprachaudiometrie mittels Freiburger Sprachtest durchgeführt. Zur Studie zugelassen wurden Probanden, die eine Normakusis besaßen und keine schwerwiegenden Vorerkrankungen im HNO-Bereich hatten. Zur Definition der altersabhängigen Normakusis dienten die in der ZDv 46/32 festgelegten Hörgrenzwerte bei 1 kHz, 2 kHz, 3 kHz und 4 kHz. Die Empfehlungen der Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, G 20, Tabelle 2 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherungen wurden beachtet.

Die Probanden schossen an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit den Handfeuerwaffen Pistole P 8, Gewehr G 36 und Maschinengewehr MG 3. Alle Probanden trugen bei den Schießversuchen in der dem Waffenlauf abgewandten Seite den in die Bundeswehr eingeführten bisherigen Gehörschutzstöpsel Ear- Classic II und in dem dem Lauf zugewandten Ohr den neuartigen ISL-Impulsschallgehörschutz. Insgesamt wurde der Versuchsaufbau so gewählt, dass eine mittige Schallemission erfasst wurde.

Am ersten Versuchstag vor dem Schießen erfolgten bei allen Probanden eine erste Zwischenanamnese und eine Reinton-Audiometrie mit Aufzeichnung der Luft- und Knochenleitung ohne und mit eingesetztem Gehörschutz. Des Weiteren wurde eine Sprachaudiometrie (Freiburger Sprachtest) mit Aufzeichnung des Einsilben-Verstehens mit und ohne Gehörgangsgehörschutz durchgeführt. Nach dem Einsetzen des Gehörschutzes wurde vor dem Schießen mit dem sogenannten Knacktongeber der Firma Aero (Indianapolis, USA) der korrekte Sitz im Gehörgang akustisch überprüft.

Danach wurden jeweils 5 Schuss Gefechtsmunition mit der Pistole (P 8) im Einzelschussverfahren abgegeben. Nach jedem Schuss wurden die subjektive Beschwerdefreiheit abgefragt und der korrekte Sitz des Gehörschutzes optisch und akustisch geprüft. Unmittelbar nach der Schussabgabe erfolgten der Einsilbensprachtest bei 60 dB, 80 dB und 100 dB zur Beurteilung der Umfelddetektion sowie eine Reinton-Audiometrie mit Luftleitung ohne Gehörschutz.

Der 2. Erprobungstag begann nach mindestens 14-stündiger Lärmpause mit einer erneuten Zwischenanamnese und der Kontrolle der Reinton-Audiometrie mit Bestimmung der Luftleitungshörschwelle ohne Gehörschutz. Ein weiteres Erprobungsschießen wurde bei unauffälligem Reinton-Audiogramm vorgenommen. Die maximal zulässige Schwellenabweichung in der Reinton-Audiometrie durfte dabei nicht mehr als 10 dB in einer Einzelfrequenz betragen. Die altersspezifischen Grenzwerte der Tabelle 2 G 20 bei 1 kHz, 2 kHz, 3 kHz und 4 kHz durften nicht überschritten werden. Analog der Vorgehensweise mit der Pistole (P 8) am Vortag, schloss sich das Einzelschussschießen mit dem Gewehr (G 36) an. Nach fünf Einzelschüssen erfolgten wiederum die Dokumentation des Einsilbensprachverstehens (Sprachaudiometrie mit Gehörschutz) und die Dokumentation der Hörschwelle mittels Aufzeichnung der Luftleitungsschwelle im Reinton- Audiogramm ohne Gehörschutz.

Am 3. Erprobungstag wurden erneut eine Zwischenanamnese und die Kontrolle der Luftleitungshörschwelle ohne Gehörschutz nach mindestens 14-stündiger Lärmpause durchgeführt. Das abschließende Maschinengewehrschießen (MG 3) erfolgte bei unauffälligem Reinton-Audiogramm, das heißt, wenn die maximal zulässige Schwellenabweichung analog zu den Vortagen nicht überschritten wurde.

Das MG-Schießen bestand – nach vorheriger Kontrolle des richtigen Sitzes des Gehörschutzes – in einem Feuerstoß von 15 Schuss Gefechtsmunition. Anschließend wurden die optische und akustische Überprüfung des korrekten Sitzes dokumentiert und die Sprachaudiometrie mit Gehörschutz zum Nachweis des Einsilbensprachverstehens und des Reinton- Audiogramms ohne Gehörschutz zur Dokumentation der Luftleitungsschwelle durchgeführt.

Am 4. Tag erfolgten nach erneuter mindestens 14-stündiger Lärmpause bei den Probanden der Versuchsgruppe die Abschlussanamnese sowie die abschließende Reinton-Audiometrie mit Luft- und Knochenleitungshörschwelle ohne Gehörschutz.

3. Ergebnisse

Die vor Ort erhobenen Daten der Studie wurden in eine für die Datenerhebung erstellte MS Excel-Matrix eingegeben. Dem schlossen sich ein 100 %- iger Quelldatenvergleich der erhobenen Daten der Original-Dokumentationsbögen beziehungsweise der Audiogrammausdrucke mit den eingegebenen Daten der Excel-Datei an. Die Dateneingabe sowie das Monitoring der Daten wurden von unterschiedlichen Personen vorgenommen und unter Einbeziehung der Studienärzte dokumentiert. Nach Abschluss des Quelldatenvergleiches und dem Erstellen eines Data Safe Entry Reports erfolgte der Export der Daten in die Statistiksoftware SPSS Version 13.0 zur weiteren Auswertung.

3.1 Geschlechter- und Altersverteilung

87,5 % der Probanden waren männlich und 12,5 % der Probanden weiblich. Dies entspricht in etwa der durchschnittlichen Verteilung der Soldaten in der Bundeswehr. Bei dem Lebensalter der Probanden zeigte sich eine für infanteristische Einheiten typische Verteilung. Es überwogen die Altersklassen zwischen 18 und 23 Jahren, die insgesamt 78,1 % aller Probanden ausmachten.

3.2 Auswertung

Das Hauptziel bestand aus zwei Teilfragen. Es sollte zum einen der Nachweis der Unbedenklichkeit des Impulsschallgehörschutzes erbracht werden (Teilfrage A) und zum anderen der Nachweis der Wirksamkeit des Impulsschallschutzes im Vergleich zum Dauerschallgehörschutz (Teilfrage B).

Teilfrage A

Messgröße für Teilfrage A war die Anzahl der unerwünschten Ereignisse bei dauer- beziehungsweise impulsschallgeschützten Ohren. Messgröße für Teilfrage B war der mittlere Hörverlust, definiert als der Mittelwert der Differenzen „Hörschwelle nach dem Schießen versus Hörschwelle vor dem Schießen“, gemittelt über die vier betrachteten Frequenzen und die drei Versuchstage bei dauer- und bei impulsschallgeschützten Ohren.

Insgesamt gab es 175 Belastungen, die dauer- und 188 Belastungen, die impulsschallgeschützte Ohren betrafen. Als im Prüfplan „unerwünscht“ definierte Ereignisse, wie zum Beispiel Tinnitus oder Hörschwellenabweichungen, die eine therapeutische Intervention erfordert hätten, traten dabei nicht ein. Gemäß Prüfplan kann der Impulsschallschutz deshalb als nicht-bedenklich eingestuft werden.

Genauer kann folgende Aussage getroffen werden: Falls die Wahrscheinlichkeit, unter Dauerschallschutz von einem unerwünschten Ereignis betroffen zu sein, größer als 1,71 % ist, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass unter 175 Wiederholungen kein einziges unerwünschtes Ereignis auftritt, unter 5 %. Einfacher, wenn auch statistisch nicht ganz exakt belegt, liegt mit 95 %-iger Wahrscheinlichkeit die Rate unerwünschter Ereignisse bei Dauerschallschutz unter 1,71 %. Für den Impulsschallschutz gilt entsprechend, dass mit 95 %-iger Wahrscheinlichkeit die Rate unerwünschter Ereignisse bei Impulsschallschutz unter 1,59 % liegt.

Teilfrage B

Eingeschlossen in die Auswertung für die Teilfrage B wurden die Studienteilnehmer, die gemäß Prüfplan untersucht worden waren. Das waren 49 Probanden, die mit allen drei Waffenarten geschossen hatten, bei denen jeweils ein Ohr dauer- und ein Ohr impulsschallgeschützt war und bei denen auf beiden Ohren die Reinton-Audiometrie bei 1, 2, 3 und 4 kHz vor und nach dem Schießen durchgeführt wurde.

Die Tabelle 1 zeigt die gemittelten Hörschwellen bei diesen Probanden vor und nach dem Schießen, den sich daraus ergebenden Hörverlust und schließlich die Differenz des Hörverlustes im impuls- zum dauerschallgeschützten Ohr.

Niedrigere Werte in den ersten vier Spalten der Tabelle 1 stehen hier für geringere Hörschwellen, also für „besseres Hören“. Da die Hörschwellen nach dem Schießen geringer waren als vorher, sind die in den folgenden beiden Spalten der Tabelle 1 („Hörverlust“) angegebenen Differenzen (nach dem Schießen – vor dem Schießen) negativ, was demnach einen „Hörgewinn“ nach dem Schießen bedeutet. In der letzten Spalte ist die Differenz der Hörverluste zwischen Impulsschall- und Dauerschallgehörschutz (DSGS) angegeben. Sie ist ebenfalls negativ, was bedeutet, dass der Hörverlust unter Impulsschallschutz tendenziell geringer war als unter Dauerschallschutz. Anders gesagt, war der „Hörgewinn“ nach dem Schießen unter ISGS größer als unter DSGS.

Der Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigte für alle hier aufgeführten Variablen die Normalverteilung, sodass parametrische Methoden (t-Tests) für die Auswertung anwendbar sind. Gemäß Prüfplan war als Hauptauswertung zu prüfen, ob die Differenz der Hörverluste signifikant kleiner ist als 10 dB. Als einseitige Nullhypothese war deshalb eine Differenz der Hörverluste größer als 10 dB zu prüfen. Dieses würde bedeuten, dass der Hörverlust unter ISGS um mehr als 10 dB größer wäre als unter Dauerschallgehörschutz. Träfe diese Nullhypothese zu, dann müsste der Impulsschallschutz als unwirksam abgelehnt werden. Tatsächlich konnte die Nullhypothese mit höchster Signifikanz abgelehnt werden: t (48) = -37,162; p < 0,001. Demnach war der Hörverlust unter Impulsschallgehörschutz mit hoher Sicherheit nicht um 10 dB größer als unter DSGS. Die im Vorhaben gesammelten Daten sprachen sogar dafür, dass er unter Impulsschallgehörschutz kleiner als unter Dauerschallgehörschutz ist.

In statistischer Ergänzung zur Auswertung wurde untersucht, ob aufgrund der gesammelten Daten auch strengere Nullhypothesen hätten abgelehnt werden können. Hierbei ergab sich, dass die Differenz der Hörverluste sogar signifikant kleiner als 1 dB war: t (48) = - 4,575; p < 0,001. Die Differenz der Hörverluste war nicht signifikant kleiner als 0 dB. Das heißt, der Hörgewinn unter ISGS war nicht signifikant größer als der unter DSGS: t (48) = -0,954; p = 0,172 (einseitig).

Schließlich wurde berechnet, ob der statistisch messbare „Hörgewinn“ nach dem Schießen auf zufälligen Schwankungen beruhte oder ob es versteckte Gründe dafür gab. Dazu wurde statistisch die Nullhypothese geprüft, dass der Hörgewinn unter DSGS beziehungsweise unter ISGS gleich 0 ist. Daraus ergab der t-Test, dass der Hörgewinn unter Dauerschallgehörschutz signifikant von 0 verschieden war: t (48) = 3,735; p < 0,001. Der „Hörgewinn“ unter Impulsschallgehörschutz war ebenfalls signifikant von 0 verschieden: t (48) = 4,275; p < 0,001 (Abb 4und 5).

3.3 Auswertung Nebenziel

Nebenziel war es, den Nachweis einer gegenüber dem Dauerschallschutz verbesserten Umfelddetektion und Kommunikation unter ISGS zu erbringen. Messgröße war die Erkennungsrate (in Prozent) bei der Sprachaudiometrie, und zwar jeweils bei 60 dB, 80 dB und 100 dB. Die Ergebnisse zeigten, dass die Silbenerkennungsrate bei 60 dB unter Impulsschallschutz durchgehend besser war als unter Dauerschallschutz. Das Sprachverstehen betrug hierbei 91 % für den ISGS im Vergleich zu 55,7 % für den DSGS. Bei zunehmender Lautstärke glichen sich die Werte der Silbenerkennungsraten in der Sprachaudiometrie allmählich an. Bei 80 dB bestanden mit 99,8 versus 92,4 % jedoch immer noch statistisch signifikant bessere Ergebnisse für den Impulsschallgehörschutz. Erst bei einer Lautstärke von 100 dB ließen sich diese Unterschiede nicht mehr nachweisen. Die Abbildung 6 zeigt die Werte der Sprach audiometrien bei 60, 80 und 100 dB nach dem Schießen mit DSGS beziehungsweise ISGS.

Ebenso wurde vor und nach dem Schießen regelmäßig das Sprachverstehen mittels des Einsilbenverstehens im Freiburger Sprachtest durchgeführt. Hierbei konnte gezeigt werden, dass bei 60 dB, also im Bereich der normalen Umgangssprache, eindeutige signifikante Unterschiede zwischen dem Dauerschall- und dem Impulsschallgehörschutz bestehen. Das prozentuale Sprachverstehen betrug bei dem Dauerschallgehörschutz nur etwa 50 % im Vergleich zu etwa 90 % bei dem Impulsschallgehörschutz. Eine Quote von 50 % Sprachverstehen ist nicht ausreichend, um eine verständliche Kommunikation und eine zuverlässige Umgebungsdetektion zu ermöglichen.

Maßgeblich für die Interpretation waren die Ergebnisse des Sprachtests bei 60 dB, da bei dieser Lautstärke die Effekte am stärksten ausgeprägt waren. Der konstante Term bei 60 dB war signifikant von 0 verschieden. Demnach war die Differenz in der Erkennungsrate zwischen ISGS und DSGS signifikant positiv und der Impulsschallgehörschutz daher bei 60 dB „signifikant“ besser als der Dauerschallgehörschutz. Zusammenfassend ergab sich für das Hörverstehen eine signifikante Überlegenheit des Impulsschallgehörschutzes über den Dauerschallgehörschutz.

4. Diskussion

Mit der veränderten Auftragslage der Bundeswehr sind Anpassungen und Verbesserungen im Bereich der Persönlichen Schutzausstattung (PSA) der Soldaten für den Auslandseinsatz erforderlich. So ist für die Soldaten, insbesondere in Afghanistan, die Beschaffung eines Gehörschutzes erforderlich, der neben einem wirksamen Knallschutz auch die Detektion von Umgebungsgeräuschen sowie eine verständliche Kommunikation der Soldaten untereinander ermöglicht. Der in der Bundeswehr zur Zeit überwiegend verwendete Gehörgangsgehörschutz Ear-Classic II oder andere passive Gehörschutzstöpsel, die zum Schutz vor Dauerlärm entwickelt wurden, sind wegen ihrer konstanten Dämmung hierzu nicht geeignet.

Aufgrund des Fähigkeitsverlustes bei der Kommunikation und der Umgebungsdetektion verzichten zahlreiche Soldaten im Einsatzland vollständig auf einen Innenohrschutz, um so Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Sie nehmen damit aber einen potenziellen Gehörschaden bis hin zur Ertaubung bei einem plötzlichen Schusswechsel oder bei der Detonation einer Mine oder Sprengfalle in Kauf. In der Folge haben durch Waffen- und Munitionslärm verursachte Gehörschäden in den Einsatzgebieten während der letzten Jahre kontinuierlich zugenommen (6).

Um diese Fähigkeitslücke zu schließen, wurde am Deutsch-Französischen Forschungsinstitut Saint Louis (ISL) ein sogenannter Impulsschallgehörschutz (ISGS) entwickelt, der in anderen Einsatzarmeen bereits verwendet wird (7). Bei dieser Form des Gehörschutzes können normale Schallereignisse, zum Beispiel Sprechen, Annäherung von Personen oder eines Kfz, durch eine Filteröffnung zum Trommelfell gelangen und wahrgenommen werden. Die dämmenden Eigenschaften des Impulsschallfilters verhalten sich proportional zu der Signalstärke und zum Zeitverlauf des Schallereignisses. Das bedeutet, dass bei einem Impulsschall die Schallwelle, bedingt durch die bauliche Eigenart, nicht ungehindert den Filter passieren kann und somit eine Schädigung der Innenohrhaarzellen verhindert wird (8).

Die Zulassung der neuen Gehörschutzstöpsel erfolgte nach den jeweils gültigen nationalen Rechtsnormen der NATO-Partner. In der Bundeswehr durfte der ISGS aufgrund der fehlenden CE-Zertifizierung bislang nicht eingesetzt werden. Für Gehörschutzstöpsel wird nach der Norm EN 352-2:2002 eine Mindestanforderung gefordert. Diese Norm gilt eigentlich für breitbandige Dauergeräusche und nicht für Impulslärm. Die Mindestschalldämmung der EN 352-2:2002 werden von Impulsschallgehörschutzstöpseln nicht erreicht, da diese erst bei Impulsschallpegeln ab etwa 150 dB und nicht, wie in der Norm gefordert, bereits bei 120 dB eine ausreichende Dämmwirkung entwickeln. Daher ist eine Zertifizierung auf der Grundlage dieser Norm nicht möglich. Eine eigene Prüfnorm für Impulsschallgehörschutz existiert nicht.

Somit ist für ISGS-Stöpsel grundsätzlich keine CE-Zertifizierung möglich. Gemäß Richtlinie 89/686/EWG ist eine CE-Kennzeichnung für Persönliche Schutzausstattung (PSA), die speziell für Streit- oder Ordnungskräfte entwickelt wurde, eigentlich auch nicht zwingend erforderlich. Hierzu darf die Bundeswehr im Rahmen der Eigenvollzugskompetenz eigene Vorschriften und Weisungen erlassen. Um die Soldaten nicht einer möglichen Gefährdung durch eine fehlende Schutzwirkung des ISGS auszusetzen, wurde von BMVg Fü San die Durchführung einer wissenschaftlichen Studie als Sonderforschungsvorhaben beauftragt.

Wie die Tonaudiometrien vor und nach den Schießversuchen bewiesen, traten bei keinem der Probanden Zwischenfälle im Sinne einer Innenohrschädigung und unabhängig von der getesteten Produktgruppe und Waffenart auch keinerlei Beeinträchtigungen des Hörvermögens auf.

Im Gegenteil war zumindest tendenziell eine leichte Verbesserung der Hörschwellen nach dem Schießen erkennbar. Dieses Ergebnis eines statistischen „Hörgewinnes“ nach dem Schießen ist erklärlich durch eine Sensibilisierung des Probanden auf die Prüfsituation. Es belegt aber gleichzeitig die Unabhängigkeit der Audiometriedokumentation vom einzelnen Prüfer wie auch vom geeichten Gerät und stellt eine Bestätigung für eine exakte subjektive Hörschwellenangabe dar.

5. Schlussfolgerungen

Durch den neuartigen Gehörschutz wurde das Risiko einer knalltraumatischen Innenohrläsion genauso wirksam reduziert wie durch den Dauerschallgehörschutz Ear-Classic II. Es bestanden keine Unterschiede bei den einzelnen Herstellern in Bezug auf die Schutzwirkung. Damit konnte das erste Studienziel, der Nachweis der Unbedenklichkeit des neuen Impulsschallgehörschutzes, erreicht werden.

Der Impulsschallgehörschutz ermöglicht mit einer Sprachverstehensquote von 90 % eine zuverlässige Kommunikation der Soldaten untereinander und eine sichere Umfelddetektion. Auch bei einer Lautstärke von 80 dB zeigte sich mit 99 zu 90 % ein geringerer, aber dennoch signifikanter Unterschied. Erst bei einer Lautstärke von 100 dB verhalten sich der ISGS und der DSGS im Sprachverständnis gleich.

Das Risiko von knalltraumatischen Innenohrschäden bei der Verwendung eines Impulsschallgehörschutzes mit ISL-Filter kann minimiert werden bei gleichzeitig erhaltener Fähigkeit des Soldaten zur Detektion des Umfeldes und zur Kommunikation mit anderen. Aufgrund der positiven Ergebnisse dieser Studie wird dieser Impulsschallgehörschutz im Auslandseinsatz bereits benutzt. Die abschließende funktionale Forderung/ Realisierungsgenehmigung (AF/ReG) mit Genehmigung zur Nutzung (GeNu) für den Impulsschallgehörschutzstopfen (ISGS) mit Aufbewahrungsbehälter wird in Kürze erteilt werden.

Literatur:

  1.  Johnson DL: Interim Report Nonlinear Earplug Study Groups, EG&G Management System Inc. Interim Task Order Report 1995; 11: 205-208
  2. Armée de Terre – Section technique de l´Armée der Terre, Groupement Défense Nucléaire Biologique et Chimique: Evaluation de protecteurs auditifs non linéaire, 1998; 2
  3. Albe P, Evrard G, Dancer A: Entwicklung passiver nichtlinearer Ohrstöpsel. Institut Franco-Allemand de Recherches de Saint-Louis. ISL-Bericht R 102, 1996
  4. Pol HAB: Geluidbelasting bij 11 Luchtmobiele Brigade Een adviesrapport omtrent beheersmaatregelen. Königlich-Niederländisches Heer 1994
  5. Olszewski J, Milonski J, Olszewski S et al.: Hearing threshold shift measure by otoacustic emissions after shooting noise exposure in soldiers using hearing protectors. Otolaryngol Head Neck Surg 2007; 136 (1): 78.-81
  6. Brown M: Serious Hearing Loss, Balance Issues Among Sacrifices Soldiers Make For our Nation”. Medical News Today 2007 http://www.medicalnewstoday.com/releases/72317.php
  7. Buck K: Methoden zur Bewertung von nichtlinearen Gehörschützern im militärischen Umfeld. ISL-Bericht, PU 343, 2000
  8. Parmentier G, Hamery P: Schutz des Soldaten mit nichtlinearen passiven Gehörstöpseln. Prinzip und Erprobung auf Schießplätzen. ISL-Bericht, PU 344, 2000
  9. Buck K: Aktive und passive Gehörschutzmittel und ihr Einsatzbereich. ISL-Bericht, PU 364, 1998
  10. Schmitz-Rode M, Hanschke W, Korff C: Demonstration of the Effectiveness of a Hearing Protection device against Impulse Noise caused by Hand Weapons. Annual Research and Technology Report 2008, Federal Ministry of Defence

Datum: 30.01.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2012/1

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