HAUTKREBS DURCH NATÜRLICHES UV-LICHT (BK 5103)
Chancen für die Prävention
Die neue Berufskrankheit (BK) Nr. 5103
Mit der Aufnahme der neuen Berufskrankheit Nr. 5103: „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung in die Berufskrankheitenliste zum 1.1.2015 wurde nicht nur die Behandlung und mögliche Entschädigung dieser Erkrankung als Berufskrankheit durch die Gesetzliche Unfallversicherung eröffnet, sondern gleichzeitig die Prävention zur gesetzlichen Aufgabe gemacht (1).
Dies geschah auf Basis der epidemiologisch gesicherten Erkenntnis, dass in Deutschland Beschäftigte mit langjähriger Außentätigkeit im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein im Durchschnitt etwa verdoppeltes Risiko für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen haben (2).
Indikationen und Maßnahmen der sekundären Individualprävention
Nach § 3 Abs. 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) haben die Unfallversicherungsträger der konkreten Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit “mit allen geeigneten Mitteln” entgegenzuwirken. Ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, daß die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Eine konkrete Gefahr für die Entstehung der BK 5103 wird spätestens dann zu bejahen sein, wenn erste Veränderungen im Sinne von einzelnen aktinischen Keratosen vorliegen, aber das Vollbild der Erkrankung, das ab 6 aktinischen Keratosen, einer Flächenkanzerisierung von mindestens 4 cm² oder einem Plattenepithelkarzinom besteht, noch nicht gegeben ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass subklinische aktinische Hautschäden auch erst unter einer Flächen-Behandlung klinisch manifest werden können, so dass Patienten mit einzelnen aktinischen Keratosen kontinuierlich ärztlich überwacht und bei Vorliegen des Vollbildes der BK gemeldet werden sollten. Laut Ärztlichem Sachverständigen-Beirat beim BMAS “können beim Auftreten einzelner aktinischer Keratosen Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten- Verordnung angezeigt sein.“ Die genannten „Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten- Verordnung“ entsprechen den leitliniengerechten Therapiemaßnahmen bei der aktinischen Keratose. Sie können unterschieden werden in auf einzelne oder wenige Läsionen gezielte Therapien, wozu die chirurgischen Verfahren (Kürettage/Exzision, Shave-Biopsie), die Kryotherapie und die Lasertherapie zählen, und sogenannte „Feldtherapien“ für größere von aktinischen Keratosen befallene Areale vor (sog. Feldkanzerisierung), wie das chemische Peeling oder die photodynamische Therapie. Die pharmakotherapeutischen Maßnahmen wie topisches 5-Fluor-Uracil, Diclofenac, Imiquimod und neuerdings Ingenol-Mebutat können sowohl für einzelne Läsionen, aber auch wie evtl. systemische Retinoide für die Therapie größerer Areale verwendet werden. Sind aktinische Keratosen erfolgreich behandelt, sollten diese Patienten gleichwohl regelmäßig beim Dermatologen nachkontrolliert werden. Die Kontrollen sollten mindestens einmal jährlich erfolgen, bei Risikopatienten (Immunsuppression, besonders lichtempfindlicher Hauttyp) auch häufiger. Zur Prävention des Wiederauftretens bzw. Neuauftretens von aktinischen Keratosen sind die Maßnahmen geeignet, die auch als primäre Präventionsmaßnahmen des berufsbedingten Hautkrebses etabliert sind. Es sollte ein konsequenter UV-Schutz gemäß der Leitline der DDG erfolgen. Diese beinhalten:
- Meidung der Sonne in der Zeit des Sonnenhöchststandes bzw. technische Maßnahmen
- Textiler Lichtschutz
- Anwendung von geeigneten Lichtschutzpräparaten.
Bei regelmäßiger Anwendung geeigneter Lichtschutzpräparate konnte das Neuauftreten von aktinischen Keratosen in kontrollierten Studien sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch in Risikopopulationen signifikant reduziert werden. Allerdings fehlt es seit 1925 an Meldekriterien des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers für die Tatbestände des § 3 BKV, damit der UV-Träger überhaupt erst von einer „drohenden BK“ erfährt und tätig werden kann. Es ist daher zu befürchten, dass die optimalen Chancen für die sekundäre Individualprävention der neuen BK vielfach ungenutzt bleiben, wenn nicht neue Meldeverfahren für eine drohende BK geschaffen werden.
Primäre Prävention
Die primäre Prävention ist laut § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) eine Grundpflicht des Arbeitgebers. Danach ist dieser verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen, wobei er seinen Beschäftigten keine Kosten auferlegen darf. Nach § 15 ArbSchG sind Beschäftigten ihrerseits verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen; sie haben die ihnen zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausüstung bestimmungsgemäß zu verwenden.
Grundsätzlich gilt in der Prävention von Berufskrankheiten der Primat der Verhältnisprävention vor der Verhaltensprävention. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie eine Anpassung von Arbeits- und Pausenzeiten an die Sonneneinstrahlung und technische Maßnahmen wie eine geeignete Beschattung von Außen-Arbeitsplätzen haben daher Vorrang.
Die Maßnahmen der Verhaltensprävention umfassen nach Möglichkeit ein aktives Vermeiden der UV-Exposition durch die Beschäftigten, was deren Risikobewußtsein voraussetzt, einen angepassten textilen Lichtschutz und die Verwendung von geeigneten Lichtpräparaten. Die Schutzwirkungen verschiedener Textilien und Kopfbedeckungen wurden in einem kürzlichen Forschungsprojekt der BAUA (F 2036) von Knuschke et al. (3) untersucht. Dabei ergab sich:
- In Deutschland und Mitteleuropa ist der textile UV-Schutz typischer Oberbekleidung ausreichend.
- Spezielle berufliche UV-Schutzkleidung ist aber bei Arbeitsaufenthalten in äquatornäheren Regionen angezeigt.
- Hüte und Mützen als Kopfbedeckungen zeigen deutliche Effektivitätsunterschiede, insbesondere im Schutz der Haut im Wangen-, Ohr- und Nackenbereich.
Standard-Schutzhelme bieten nur im Stirnbereich einen gewissen Schutz für Haut und Augen, sonst nicht. Helme mit umlaufenden Schutzrand wuürden bei ausreichender Breite aber einen guten Schutz bieten.
Bezüglich des Einsatzes von Lichtschutzpräparaten ist darauf hinzuweisen, dass diese an die arbeitsplatzspezifischen Erfordernisse angepasst sein müssen. Neben einem hohen Lichtschutzfaktor sollten diese eine hohe kosmetische Akzeptanz und eine hohe Wasser-Resistenz aufweisen. Ferner dürfen sie keine Interaktion mit Arbeitsmaterialien zeigen. Was den Lichtschutzfaktor betrifft, so wird dieser mittels der „COLIPA“-Methode bestimmt, bei der ein Einsatz einer Applikationsdosis von 2 mg/cm2 Hautoberfläche vorgeschrieben ist. Anwendungsuntersuchungen haben allerdings gezeigt, dass in der Praxis von den Anwendern üblicherweise nur 0,5 mg/cm2 aufgetragen werden. Da der Lichtschutzfaktor exponentiell mit der Reduktion der Dosis sinkt, werden etwa beim Auftrag von Präparaten mit Lichtschutzfaktor 30 in der Praxis nur Schutzfaktoren von 3 - 4 erreicht. An stark UV-exponierten Arbeitsplätzen ist daher einerseits der Einsatz hochwirksamer Präparate zu empfehlen; zum anderen müssen die Beschäftigten im korrekten Einsatz der Präparate aktiv geschult werden.
Primär- und Sekundärprävention der neuen BK 5103 in der Bundeswehr
Die Bundeswehr ist als Arbeitgeber und Dienstherr durch die neue BK 5103 in besonderer Weise betroffen. Nicht nur sind Soldaten im Inland im Dienst häufig intensiv dem natürlichen UV-Licht ausgesetzt, insbesondere im Rahmen der Grundausbildung oder von Aufenthalten auf Truppenübungsplätzen. Durch die zahlreichen Auslandseinsätze in tropischen und subtropischen Regionen entstehen zusätzliche Gefährdungen für die Hautgesundheit, die eine beschleunigte Akkumulation der für die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erforderlichen zusätzlichen 40 %-UV-Dosis erwarten lassen, zumal im Auslandseinsatz auch die solare Freizeitexposition als beruflich mitbedingt einzuschätzen ist- die Soldatin und der Soldat können ihre Freizeit eben nicht mit geringerem Risiko im Inland verbringen. Die Bundeswehr ist daher gefordert, angepasste Gefährdungsbeurteilungen und Präventionskonzepte für die spezifisch soldatischen Risikosituationen zu entwickeln. Am Anfang stehen Expositionsanalysen, die derzeit in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV, das auch die Präventionsdienste der UV-Träger unterstützt, durchgeführt werden. Besonderes Augenmerk wird auf die gesundheitspädagogische Präventionsschulung von Einsatzkräften zu richten sein. Die Dermatologen der Bundeswehr sind in der Entwicklung von spezifischen Präventionskonzepten einschliesslich Lichtschutzschulungen und in der Therapie von Lichtschäden der Haut besonders gefordert. „Die Haut vergißt nichts“- verpasste Prävention rächt sich in einem häufig erst Jahrzehnte später erkennbaren gehäuften Auftreten von beruflichen Hautkrebserkrankungen.
Korrespondenzaddresse:
Prof. Dr. P. Elsner, OTA d.R., Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35, 07743 Jena
Tel.: + 49 (0) 3641-937350
Fax: + 49 (0) 3641-937418
E-Mail: elsner@derma-jena.de
Datum: 30.06.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/2