09.11.2017 •

Abteilung I – Präventivmedizin & ­Hygiene

Aus der Überwachungsstelle für Öffentlich- Rechtliche Aufgaben im Sanitätsdienst der Bundeswehr (ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw) West KOBLENZ (Leiter: Oberstarzt Dr. S. Hartwig)

Auftrag der Abteilung I

Die Abteilung I der ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West übernimmt für alle Bundeswehrliegenschaften im eigenen Zuständigkeitsbereich die Funktion eines Gesundheitsamtes. Der Schwerpunkt liegt auf der Infektionsprävention und dem Ausbruchsmanagement.

Begutachtungen und Impfungen erfolgen bei der Bundeswehr durch den Truppenarzt. Die Betreuung psychisch kranker Kameradinnen und Kameraden koordiniert das zuständige Sanitätsversorgungszentrum (SanVersZ) in Zusammenarbeit mit den Abteilungen VI b an den Bundeswehrkrankenhäusern und den Fachuntersuchungsstellen der Facharztzentren. Einen Kinder- & Jugend­ärztlichen Dienst sowie das Leichenschauwesen gibt es nur im zivilen Sektor. 

Qualifikation und Tätigkeitsbereiche des Personals

Der Leiter der Abteilung I ist der regional zuständige Amtsarzt der Bundeswehr. Die gesetzliche Grundlage für amtsärztliches Handeln im Rahmen der Infektionsprävention bildet das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Der Abteilungsleiter I trägt die fachliche Verantwortung für die Wahrnehmung des gesetzlich geforderten Auftrags der infektionshygienischen Überwachung im Zuständigkeitsbereich. Ziel ist es, die Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten durch Prävention zu verhindern beziehungsweise Ausbrüche durch gezieltes Intervenieren einzudämmen und rasch zu beenden. Viele Landesgesetze über den öffentlichen Gesundheitsdienst fordern, dass ein Amtsarzt die Gebietsbezeichnung „Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen“ (ÖGW) führt. Die Weiterbildungszeit hierzu beträgt mindestens 5 Jahre. Sie umfasst 36 Monate im unmittelbaren Patientenkontakt (Klinik oder Praxis), wovon ein halbes Jahr in der Psychiatrie zu absolvieren ist, 18 Monate Tätigkeit in einer Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie die Teilnahme an einem 6-monatigen Amtsarztkurs an einer Akademie für öffentliches Gesundheitswesen. 

Die in der Abteilung I tätigen Ärzte sind Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen oder Hygiene und Umweltmedizin. Ihre Aufgabe ist es einerseits bei erkannten Hygienedefiziten oder Häufungen von übertragbaren Krankheiten zu bewerten, ob hiervon eine Gesundheitsgefahr für betroffene Personen ausgeht, und zum anderen festzulegen, welche Maßnahmen einzuleiten sind. Im Gegensatz zur Individualmedizin in Praxis und Klinik, haben die getroffenen Entscheidungen Einfluss auf die Gesundheit und das Leben einer großen Anzahl von Menschen. Als Dienstleister sollen sie weiterhin den Leitern und Betreibern von Einrichtungen konkrete Lösungswege zur effektiven und langfristigen Beseitigung bestehender hygienischer Mängel aufzeigen. Bei Neubauten oder Sanierungsvorhaben (insbesondere von Sanitätseinrichtungen, Trinkwasserversorgungs­anlagen, Schwimmbädern oder Kindertagesstätten) sind die Planungen unter bauhygienischen Aspekten zu bewerten, um von vornherein Ausführungsmängel zu vermeiden. 

Neben Sanitätsoffizieren (Arzt) sind in der Abteilung I der ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw Feldwebeldienstgrade als Gesundheitsaufseher eingesetzt. Im Auftrag des Abteilungsleiters ­begehen sie Trinkwasserversorgungsanlagen, Schwimmbäder, medizinische Einrichtungen, Gemeinschafts­unterkünfte oder ermitteln bei Ausbruchsgeschehen. Hierbei sind sie autorisiert, selbständig Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten festzulegen. Weiterhin stehen sie als Ansprechpartner bei diversen fachlichen Fragen zu Themen der Wasser-, Luft-, Boden-, Abfall- und Abwasserhygiene sowie bei Schädlingsbefallallen Bundeswehrangehörigen zur Verfügung. Dieser Ausbildungsberuf wird als 2- bis 3-jährige ZAW-Maßnahme durchlaufen. An der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München absolvieren alle Gesundheitsaufseher zusätzlich den Desinfektoren-­Lehrgang. Als Vorbereitung auf mögliche Auslandseinsätze besuchen sie darüber hinaus einen Kurs zum Umgang mit gefährlichen Schlangentieren. 

Aufgabenspektrum der Abteilung I

Photo
Abb. 1: Mögliche Infektionsquellen wie Gummilaschen und Klebebänder verhindern eine korrekte Aufbereitung von OP-Instrumenten.
Durch das enge Zusammenleben in Gemeinschaftseinrichtungen können infektiöse Krankheiten leicht übertragen werden. Auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes werden durch die Abteilung I meldepflichtige Erkrankungen bei Soldatinnen und Soldaten im Inland erfasst und ausgewertet, um Risiken zu erkennen und unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten, damit Infektketten durchbrochen und eine weitere Ausbreitung verhindert wird. Dies umfasst z. B. die Isolation potentiell ansteckender Patienten, die Überwachung von Kontaktpersonen, das Durchführen von Desinfektionen sowie unter Umständen die Veranlassung einer Postexpositionsprophylaxe (Antibiotikaeinnahme und / oder Impfung). 

In enger Kooperation mit den Laborabteilungen II und III des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes der Bundeswehr werden nach Vorgaben der Abteilung I der ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw an den Bundeswehrstandorten Trinkwasserproben gewonnen und deren Qualität analysiert. Bei Abweichungen von der Trinkwasserverordnung leitet das zuständige Bundeswehrdienstleistungszentrum (BwDLZ) in Abstimmung mit bzw. nach Vorgaben durch die Abteilung I Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität ein. Bei anhaltenden Problemen sind Nutzungseinschränkungen möglich. In gleicher Weise erfolgt die Überwachung der Badewasserqualität in bundeswehr­eigenen Schwimmbädern. 

In Bundeswehrkrankenhäusern und regionalen Sanitätseinrichtungen wird die Einhaltung hygienischer Vorgaben überprüft. Der Fokus liegt hierbei auf der Umsetzung von Basishygienemaßnahmen im Patientenkontakt. Hierbei spielt eine konsequente und richtig ausgeführte Händedesinfektion eine wichtige Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Qualität der Aufbereitung von human- und zahn­medizinischem Instrumentarium.

Liegen Reinigungsmängel vor, bewertet die Abteilung I die möglichen Gesundheitsgefahren für die Nutzer. Bei Schädlingsbefall wird dessen Ausmaß erfasst und das notwendige Vorgehen festgelegt. Fälle von Schimmelpilzbefall werden gleichermaßen in Zusammenarbeit mit Abteilung II (Arbeitsmedizin) bearbeitet. 

Neben der infektionshygienischen öffentlich-­rechtlichen Aufsicht im Inland betreut jeder Facharzt für ÖGW als Hygieniker im Einsatz auf einem temporären Dienstposten mindestens ein Einsatzgebiet und berät den Leitenden Sanitätsoffizier im Einsatzland zu infektions-, trinkwasser- und bauhygienischen Sachverhalten. Die Gesundheitsaufseher überwachen als Bestandteil der Zelle ÖRA die Feldlagerhygiene oder werden als Führer des Sanitätshygienetrupps eingesetzt..

Photo
Abb. 2: Epidemiologische Kurve des geschilderten Ausbruchs. Jedes Kästchen stellt eine Person mit Brech durchfall dar. Rote Kästchen kennzeichnen Patienten, bei denen in Asservaten das Norovirus vom Serotyp II nachgewiesen wurde. Grüne Felder kennzeichnen negative Norovirusbefunde.

Kasuistik Häufung von Erkrankungsfällen mit gastrointestinaler Symptomatik

In einer Grundausbildungskompanie erkrankten gemäß Meldung des verantwortlichen SanVersZ innerhalb von 12 Stunden 23 Soldaten akut an Brechdurchfall. Ein lebensmittelbedingter Ausbruch konnte primär nicht ausgeschlossen werden. Ein Ausbruchsteam, bestehend aus einem Gesundheitsaufseher der Abteilung I und einem Veterinär der Abteilung III (zuständig für Lebensmittelhygiene), begab sich umgehend an den Standort. Nach Schilderung der Ereignisse vor Ort und Erfassung der klinischen Symptomatik wurde das Norovirus als wahrscheinlichste Ursache angenommen. Auf Grundlage der erhobenen Daten konnte eine epidemiologische Kurve erstelltwerden. Der Verlauf gab Hinweise auf eine Punktquelle des Ausbruchs und machte daher eine lebensmittelbedingte Ursache eher unwahrscheinlich. Es wurden Maßnahmen zur Isolierung der Erkrankten und Desinfektion der betroffenen Bereiche empfohlen. Aufgrund einer möglichen weiteren Ausscheidung von Krankheitserregern durch bereits genesene Patienten, wurde auch hier die Einrichtung entsprechender „Infekttoiletten“ angewiesen. Auf diese Weise konnte die Infektkette in der betroffenen Einheit rasch unterbrochen und eine eventuelle Ausbreitung der Infektion in der gesamten Liegenschaft verhindert werden. Von insgesamt sechs gewonnenen Stuhlproben konnte in fünf Fällen das Norovirus der Serogruppe II nachgewiesen und somit ein epidemiologischer Zusammenhang der Einzelerkrankungen bestätigt werden. Die weitergehenden veterinärmedizinischen Untersuchungen ergaben abschließend ebenfalls keine Hinweise auf eine lebensmittelbedingte Ursache des Ausbruchs. 


(Abb.: Alle ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West)


Verfasser:
Oberfeldarzt Dr. Sascha Streicher, MPH (HAM)
ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West
Andernacherstr. 100, 56070 Koblen
SaschaStreicher@bundeswehr.org

Datum: 09.11.2017

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2017

Verwandte Artikel

Erfahrungen mit alternativen Methoden zur Reduzierung der Schwarzwildpopulation im Tierseuchenfall

Erfahrungen mit alternativen Methoden zur Reduzierung der Schwarzwildpopulation im Tierseuchenfall

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Allgemeinerkrankung der Haus- und Wildschweine, welche in 90 % der Fälle tödlich verläuft. Infizierte Schweine entwickeln in der Regel innerhalb von 7 bis 10 Tagen hohes Fieber, einhergehend mit...

Wehrmedizinische Monatsschrift 2-3 2022

Parodontale Prävention im Rahmen der unentgeltlichen Truppenärztlichen Versorgung

Parodontale Prävention im Rahmen der unentgeltlichen Truppenärztlichen Versorgung

„Vorbeugen ist besser als Heilen“. Dieses Statement für eine entsprechende Prävention hat im Jahre 2024 in der Zahnmedizin nichts von seiner Aktualität verloren.

Wehrmedizin und Pharmazie 2/2024

Snus in der Bundeswehr

Snus in der Bundeswehr

Das rauchfreie Tabakprodukt Snus erfreut sich beim Militär aufgrund seiner einfachen Handhabung großer Beliebtheit. Trotz des Verkaufsverbots in Deutschland importieren Konsumenten Snus über spezialisierte Online-Shops.

Wehrmedizinische Monatsschrift 5/2024

Meist gelesene Artikel