„Such verwundt!“ – Das Sanitätshundewesen in Deutschland bis 1918
J. Lorenz
Zusammenfassung
Der Tiermaler Jean Bungartz bildete aus eigenem Antrieb heraus Hunde für die Suche nach Verwundeten aus.
Da sich das preußische Kriegsministerium im Jahre 1892 dieser Idee gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt hatte, gründete er 1893 in Aachen den Deutschen Verein für Sanitätshunde. Damit war der Grundstein für das Sanitätshundewesen und dessen Ausbau gelegt.
Der Erste Weltkrieg führte zur endgültigen Etablierung der Sanitätshunde im Militär. Ohne das Engagement von ziviler Seite wären Entwicklung, Ausbau und Implementierung des Sanitätshundewesens in den militärischen Strukturen in diesem Umfang im Ersten Weltkrieg nicht zu realisieren gewesen. Die Geschichte zeigt aber auch, dass jedes neue System zunächst einen gewissen Entwicklungsprozess durchlaufen muss, bevor es seine maximale Leistungsfähigkeit erreicht. Schwierigkeiten blieben somit nicht aus, Reibungsverluste, die in institutionellen, aber auch menschlichen Widerständen gründeten, galt es dabei zu neutralisieren. Trotz der positiven Erfahrungen, die das Militär im Ersten Weltkrieg mit seinen Sanitätshunden gemacht hatte, sollte es zu keiner adäquaten Wiederholung dieses spezifischen sanitätsdienstlichen Einsatzes im Zweiten Weltkrieg kommen. 1944 wurden die Sanitätshunde endgültig ausgemustert. Doch bleiben Hunde, wenn auch in anderen Funktionen, nach wie vor integraler und unverzichtbarer Bestandteil des militärischen Dienstes, zumal in einer Zeit der zunehmend asymmetrischen Kriegführung.
Schlüsselworte: Sanitätshund, Diensthundewesen, Bringsel--Methode, Jean Bungartz, Erster Weltkrieg
Keywords: medical service dog, service dogs, bringsel method, Jean Bungartz, World War I
Es schmückt sie kein Kreuz, das vom Schlachtenruhm spricht
Sie dienen dem roten im weissen Felde;
Doch singt ihr das deutsche Heldengedicht,
Vergesst nicht, dass es von ihnen melde.
Franz Langheinrich
Mit diesen Worten endet das Gedicht „Sanitätshunde im Felde“ des Lyrikers Franz Langheinrich (1864 - 1945), das im Jahre 1915 in der Zeitschrift „Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben“ erschienen ist [31]. Mit der Sprache der damaligen Zeit will der Dichter zum Ausdruck bringen, dass die von den Sanitätshunden für die Verwundeten erbrachten Leistungen nicht ohne Bedeutung waren.
In Fortsetzung der in Heft 7/2014 der Wehrmedizinischen Monatsschrift begonnenen Dokumentation über den Sanitätsdienst im 1. Weltkrieg soll deshalb eine Übersicht über die Entwicklung des Sanitätshundewesens und die von den Tieren erbrachten Leistungen gegeben werden.
Die Geschichte des Sanitätshundewesens in Deutschland bis 1914
Das Sanitätshundewesen entstand nicht, wie man annehmen möchte, aufgrund einer Initiative der militärischen Führung. Zwar gab es bereits seit Oktober 1885 [1] in acht Jäger- und Schützenbataillonen so genannte Kriegshunde, die im Aufklärungs- und Sicherungsdienst, zum Überbringen von Patrouillenmeldungen, zur Unterstützung der Alarmposten und Feldwachen sowie zur Sicherstellung der Verbindung zwischen den verschiedenen Truppenteilen und Teileinheiten eingesetzt wurden. Darüber hinaus durften Ausbilder gelehrige Tiere zusätzlich zur Suche von Vermissten ausbilden [2]. Die Definition dessen, was man unter einem Sanitätshund zu verstehen hatte bzw. ab welchem Zeitpunkt man ihn so bezeichnen durfte, wurde allerdings erst 33 Jahre später gegen Ende des Ersten Weltkriegs vom Militär festgelegt. Die Ausbildung der Hunde zur Verwundetensuche wurde jedoch nach nicht einmal zehn Jahren wieder eingestellt, denn die Ausbildungsart des Verweisens Vermisster war völlig konträr zum Aufklärungs- und Sicherungsdienst [3]. Zudem schien die Einführung und Weiterentwicklung moderner Hilfsmittel zur Nachrichtenübermittlung, wie Lichtsignale, Winkerflaggen, Fernsprecher und Kraftfahrer [4], den Kriegshund als Hilfsmittel überflüssig zu machen. Somit gab es 1911 mit wenigen Ausnahmen an Wachhunden keine Hunde mehr im Militär [5, S. 18].
Parallel zu dieser Entwicklung griff Jean Bungartz, Tiermaler und Autor zahlreicher Tierbücher, anknüpfend an die – allerdings negativen – Erfahrungen mit Kriegshunden aus dem Krieg von 1870/71, diese Idee wieder auf. Gerade die horrenden Zahlen an Vermissten waren für Bungartz der Hauptgrund, sich mit der Abrichtung von Sanitätshunden zu beschäftigen [6]. Seiner Auffassung nach war entscheidend, dass der Hund unbedingt von einem Führer begleitet wurde. Denn es ging ihm insbesondere um diejenigen Verwundeten, die so schwer verletzt waren, dass sie sich nicht mehr selber helfen konnten, die also auf die Hilfe Dritter zwingend angewiesen waren.
Eine Verwirklichung seiner Vorstellungen war jedoch nur mit Beteiligung der Samariter-Vereine und des Roten Kreuzes möglich, wenn er in wenigen Jahren so viele und so geschulte Hunde zur Verfügung haben wollte, um im Falle eines Krieges den Sanitätsdienst wesentlich unterstützen zu können [7].
Da er sein Vorhaben auf eine öffentlichkeitswirksame Bühne stellen wollte und das preußische Kriegsministerium 1892 seiner Idee gegenüber sehr aufgeschlossen war, gründete er 1893 in Aachen den „Deutschen Verein für Sanitätshunde“ [8]. Damit war der Grundstein für das Sanitätshundewesen und dessen Ausbau gelegt. Dennoch schaffte man es nicht, die Armeeführung – trotz stets guter Ergebnisse bei zahlreichen Übungen – von der Notwendigkeit des Einsatzes der Tiere zu überzeugen, obgleich im ersten Einsatz von drei Sanitätshunden im russisch-japanischen Krieg (1904 - 1905) [9, S. 13] 23 Menschenleben gerettet werden konnten [10].
Strukturelle Veränderungen als Erfolgsfaktor
Der Verein startete in das Jahr 1914, also ein halbes Jahr vor der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“[11], mit elf ausgebildeten Sanitätshunden und dem Beschluss, seinen Sitz nach Oldenburg zu verlegen.
Zu dieser Zeit erkannte der spätere erste Vorsitzende, Kommerzienrat Stalling, dass die vereinseigenen Zucht- und Abrichtungsanstalten nicht ausreichen würden, auch nur einen Bruchteil der in einem Krieg benötigten Hunde zu stellen. Eine Neuausrichtung des Vereins und eine veränderte Arbeitsweise waren daher zwingend erforderlich.
Ziel dieser Neuausrichtung war es, möglichst viele Polizeihunde auch als Sanitätshunde „dual“ auszubilden. Kooperationsbereitschaft signalisierten: die „Staatliche Zucht- und Dressuranstalt“ in Grünheide bei Berlin, der „Erste deutsche Polizeihundeverein“ in Hamburg bzw. Hagen, der „Reichsverband für Polizei- und Schutzhunde“ und der „Verein Deutscher Schäferhunde“ in München [12, S. 23 - 28]. Kritische Stimmen blieben natürlich nicht aus, denn im Gegensatz zum Polizei- (respektive Kriegshund), der gegen alles Fremde misstrauisch sein muss, sollte sich der Sanitätshund freundlich und hilfsbereit zeigen [13]. Bereits die erste Vorführung von vierzehn dual ausgebildeten Hunden am 16. Juni 1914 in Rastede [14, S. 43] ließ alle Zweifel schwinden. Abgesehen davon musste die wesentlich schwieriger zu lösende Frage nach den Hundeführern auch noch geklärt werden. Die knapp vier Wochen später auf dem Truppenübungsplatz Zossen stattfindende Übung brachte nach über 20 Jahren endlich den lang ersehnten Durchbruch: Der Generalarzt der Armee, Dr. Schjering, sicherte dem Verein künftig eine engere Zusammenarbeit mit dem Kriegsministerium zu.
Der Sanitätshund wurde also „Wirklichkeit noch ehe dieser Krieg drohend über unserem Haupte schwebte“ und „er ist das Werk deutscher Empfindungen und Menschlichkeit“ [15].
Das Sanitätshundewesen im I. Weltkrieg
Mit Kriegsausbruch begann der Verein – trotz der ernüchternden Antwort aus dem Kriegsministerium, nur die vereinseigenen Hunde zur Erprobung im Feld zuzulassen –, die Bevölkerung durch zahlreiche Zeitungsaufrufe zum Stellen von Hunden bzw. Führern und zu Geldspenden zu mobilisieren (Abbildung 2). Sein Bestreben war es, innerhalb von sechs Wochen 700 bis 800 Suchtrupps an die Front zu schicken.
Die Resonanz war immens; so wurden dem Verein bis August 1914 1 000 zum Teil gut ausgebildete Hunde kostenlos angeboten und 2 000 Männer meldeten sich als Führer [17, S. 12]. Um den vielen Anmeldungen gerecht zu werden entstanden in kurzer Zeit deutschlandweit 50 Meldestellen. Sie dienten als Zweigstellen des Deutschen Vereins für Sanitätshunde, um die Registrierung und Ausbildung der Hunde und ihrer Führer sicherzustellen [12, S. 95].
Nachdem die ersten horrenden Verlustzahlen von den Fronten eintrafen, vollzog das preußische Innenministerium hinsichtlich seiner Haltung gegenüber dem Verein eine Kehrtwende, indem es alle Polizeiverwaltungen anwies, sämtliche Polizeihunde als Sanitätshunde auszubilden und die staatliche Zucht- und Dressuranstalt dem Verein überließ. Am 21. August 1914 verfügte das Kriegsministerium die ersten Einstellungen von Sanitätshundeführern [18]. Im April 1915 waren bereits 1 698 Suchhundtrupps im Einsatz [9, S. 14]. Bis Ende 1916 stellte der Verein der Heeresverwaltung rund 2 600 ausgebildete Führer und etwa 3 200 abgerichtete Hunde zur Verfügung [19, S. 171]. Unter dem Einfluss des Krieges bedeutet diese Steigerung eine außerordentliche Managementleistung, insbesondere wenn man bedenkt, dass sämtliche Kosten für die Ausbildung der Teams vom Verein für Sanitätshunde allein durch Spenden aufgebracht wurden. Mehr als vier Jahre lang stellte der Verein die Versorgung des Heeres mit Hunden und qualifizierten Führern sicher. Zu Kriegsbeginn steckte die Verwundetensuche mit Hunden aber noch im Versuchsstadium. Der Deutsche Verein für Sanitätshunde konnte es sich als großes Verdienst anrechnen, gemeinsam mit der Heeresverwaltung die Entwicklung des Sanitätshundewesens gefördert zu haben, „dass die von Jahr zu Jahr in der Bedeutung wachsenden Ergebnisse erzielt werden konnten“ [17, S. 3 - 4].
Einsatzerfahrungen im Ersten Weltkrieg
Mit der Einführung der Sanitätshundeführer schuf man auch eine neue Truppe, einen Zweig, den es bis dato so noch nicht im deutschen Militär gegeben hatte. Zwangsläufig kam es daher in der Anfangsphase zu Schwierigkeiten: Beispielsweise musste die Altersgrenze angepasst werden, denn es hatte sich gezeigt, dass Männer unter 17 Jahren „seelisch den starken Eindrücken nicht gewachsen“ waren, „unter denen der Sanitätshundführer steht, wenn er allein in dunkler Nacht das Kampffeld abzusuchen hat“ [12, S. 74].
Auch die Sanitätstruppe selbst musste sich erst mit den neuen Kameraden, zwei- wie vierbeinigen, anfreunden. Neben manchen Skeptikern gab es aber auch von Anfang an deutliche Befürworter. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Aussage des Führers einer Reserve-Sanitäts-Kompanie:
„Nach unseren bisherigen Erfahrungen halten wir den Sanitätshund bei dem hohen Grad der Dressur, den er schon heute aufweist, für befähigt, durch die Nachsuche die Arbeit der Krankenträger in hervorragender Weise zu unterstützen und zu ergänzen.
Aufrichtig bedauern wir heute, dass wir nicht schon in der ersten Zeit der gewaltigen, verlustreichen Bewegungsgefechte mit diesen Sanitätshunden ausgerüstet waren. So wäre uns z.B. in der Schlacht bei …, wo das Gefechtsfeld ein weit ausgedehntes war, in der Schlacht bei …, im Gefecht bei…, wo sich die Verwundetensuche für uns im unübersichtlichen Gelände bei pechschwarzer Nacht äußerst schwierig gestaltete, im Gefecht am …, wo Waldesdickicht, Gestrüpp die Übersicht erschwerte, die Mithilfe der Sanitätshunde von unersetzlichem Wert gewesen, zumal unsere Zeit zum Absuchen des Gefechtsfeldes damals beschränkt war, da wir unseren rasch vordringenden Truppen immer bald folgen mußten.
Wenn ich heute bedenke, wie damals noch so manchem Verwundeten mit Hilfe des Sanitätshundes Rettung hätte gebracht werden können, so kann ich die Absicht, die Zahl der Sanitätshunde bei jeder Sanitätskompanie auf 8 zu erhöhen, nur mit aufrichtiger Freude begrüßen und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es gelingen möchte, diesen Gedanken möglichst bald zu verwirklichen!“ [20].
Nicht alle Führer der Sanitätskompanien vertraten den gleichen Standpunkt. Der Großherzog von Oldenburg, Schirmherr des Vereins für Sanitätshunde, hatte im Feld selbst die Beobachtung gemacht, dass der neuen „Truppe“ vielfach mit Misstrauen begegnet, wenn nicht gar Widerstand entgegengebracht wurde und man den Sanitätshunden in manchen Einheiten keine ausreichende Beachtung schenkte.
Die Sanitätskompanien bedachten nicht, dass der Stellungskrieg in aller Regel eine Verwendung von Sanitätshunden nur in seltenen Fällen zuließ. Dies führte zu der Verallgemeinerung, dass der Sanitätshund an sich überflüssig sei und die Einheiten an der Erfüllung ihrer Pflichten eher behindere. Auch wurde den Sanitätshundeführern das Leben in der Truppe schwergemacht. Häufig gab man ihnen keine Gelegenheit, an Tagen, an denen keine Gefechte und somit keine Verwundetensuche erfolgte, mit ihren Hunden einige Stunden zu üben. Sehr oft wurden sie dagegen zu anderen Diensten herangezogen, die nicht ihrem eigentlichen Auftrag entsprachen, so dass ihnen für die Beschäftigung mit ihren Tieren kaum bzw. keine Zeit blieb. Nicht nur die Hundeführer, auch die Hunde selbst, wurden zu anderen Aufgaben herangezogen, zum Beispiel dem Aufspüren von feindlichen Spähtrupps. Hinzu kam, dass sich sämtliche Hundeführer freiwillig für den Dienst gemeldet hatten und sich ihre körperlichen Voraussetzungen lediglich auf eine ausreichende Marschleistung beschränkten. Sie waren also in der Regel körperlich nicht ganz so leistungsfähig wie die anderen, „richtigen“ Soldaten [21, Militärkanzlei des Großherzogs von Oldenburg, 2.1.1915, S. 3].
Verschiedentlich kam es sogar vor, dass Sanitätshundeführer von den Chefs der Sanitätskompanien wieder nach Hause geschickt wurden. Dass diese Vorgehensweise unzulässig war, da die Hundeführer als aktive Soldaten eingestellt waren, ignorierte die Führung offenbar regelmäßig [21, San. Amt I.A.K. Nr. 1893, 20.1.1915, S. 2]. In einigen Fällen bescheinigte man ihnen bei ihrer Entlassung von der Front sogar, dass sie eine mehrwöchige Übung bei der Truppe gut bestanden hätten [21, Militärkanzlei des Großherzogs von Oldenburg, 2.1.1915, S. 5].
Hätte die neue Truppe mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, wenn der Anstoß zu ihrer Entwicklung und Formierung auf die Initiative des Militärs und eingebunden in die Armee erfolgt wäre? Vermutlich nicht, denn die Befehlslage wäre eindeutiger gewesen und Weisungen wären schneller umgesetzt worden. Der Verein hatte nur die Möglichkeit, durch Bittanträge an das Kriegsministerium Mängeln oder Problemen, die den Hundeführern das Leben unnötig erschwerten, entgegen zu wirken.
Auch die Abrichtung der Tiere entwickelte sich im Laufe des Krieges ständig weiter und wurde in einer Art „trial and error“ den tatsächlichen Erfordernissen auf dem Schlachtfeld angepasst. Es gab für einen Sanitätshund drei Varianten, das Auffinden eines Verwundeten anzuzeigen: das Verbellen, das Verweisen ohne und mit Apportieren eines Gegenstandes sowie das Verweisen mit Bringsel. Die Übergänge waren fließend, so dass lange Zeit verschieden arbeitende Hunde im Feld eingesetzt waren. Ein Umdressieren aller Tiere lehnte der Verein für Sanitätshunde ab, sofern es nicht unumgänglich war. Ab April 1915 durften Tiere, die als Verbeller ausgebildet waren, nicht mehr eingesetzt werden. Diese Maßnahme war zwingend erforderlich geworden, da unter den Bedingungen des Stellungskrieges das Verbellen unter militärisch-taktischen Gesichtspunkten nicht länger tragbar war: Durch das Verbellen wurde dem Feind beispielsweise angezeigt, wo sich gegnerische Stellungen befanden [12, S. 17, 76 - 78, 87].
1916 erließ das Kriegsministerium schließlich die einheitliche Ausbildungsrichtlinie „Anweisung zur Abrichtung von Sanitätshunden“ [22], die das Verweisen mit Bringsel vorschrieb [19, S. 95]. Bei der Bringsel-Methode wurde am Halsband des Hundes eine kleine „Lederwurst“ befestigt, die er, sobald er einen Verwundeten gefunden hatte, in sein Maul („Fang“) nahm, sich dann auf den Rückweg zu seinem Führer machte und ihm so seinen Fund „meldete“. Die Vereinheitlichung der Ausbildung von Hunden und ihren Führern in den Kompanien ließ die in den Vorjahren häufig aufgeflammte Kritik an ihren Leistunge
n allmählich verstummen [19, S. 106].Mit dem Übergang vom Bewegungs- zum Stellungskrieg war der Einsatz der Sanitätshunde nur noch sehr eingeschränkt möglich. Ein Aufspüren von Verwundeten in Schützengräben kam nicht in Frage, in der Regel auch nicht hinter der Front, da fast allgemein der Befehl galt, dass Mannschaften wie Offiziere sich im gefährdeten Gebiet einzeln nicht bewegen durften. Auch nach Sturmangriffen, die aufgrund der feindlichen Gegenmaßnahmen und -reaktionen (Gegenstöße, Sperrfeuer) ohnehin nicht weit vorgetragen wurden, war ihr Einsatz nahezu ausgeschlossen, denn der Führer mit seinem Hund blieb dem Auge und Ohr des Feindes nicht unbemerkt. Sofort folgte heftiges Gewehrfeuer, wodurch die oft eben erst zur Ruhe gekommene Truppe gleich wieder gefährdet wurde. Verschiedentlich führte dies zu einem Verwendungsverbot der Sanitätshunde in unmittelbarer Feindnähe. Allerdings gab es auch Fälle, in denen die Hunde zum Einsatz kamen, wenn damit keine starken Geräusche verbunden waren [23, Zu Feldsanitätschef Nr. 8779.15, 15.5.1915]. Häufig entwickelten sich aber auch im Bewegungskrieg Gefechtslagen, die den Einsatz von Sanitätshunden unnötig machten, beispielsweise, wenn übersichtliches Gelände am Tage abgesucht wurde oder die Verwundeten bereits vom Truppensanitätspersonal zusammengetragen worden waren.
Der Ersatz von Sanitätshunden und -führern
Der Ersatz von Hunden und Führern erfolgte durch direkte Abgabe vom Verein für Sanitätshunde bzw. einer Meldestelle an die anfordernde Truppe. Die Einheitlichkeit der militärischen und fachlichen Ausbildung der Führer und der Abrichtung der Hunde waren dadurch allerdings nicht gewährleistet [24, Das Sanitätshundewesen, S. 3]. Auch der Verein registrierte die erheblichen Missstände im Verlauf der Ergänzungen oder bei Ausfall der Hunde und Führer im Feld, die aber nicht nur in der mangelnden Einheitlichkeit gründeten. So verblieben einerseits Teams zu lange in den Ersatztruppenteilen, was sich negativ auf deren Ausbildung auswirkte. Andererseits mussten die anfordernden Stellen an der Front unnötig lange auf ihren Ersatz warten. Dieser „Sand im Getriebe“ führte zu folgender Vereinbarung der Heeresverwaltung mit dem Verein: So schnell wie möglich sollte ein eigenes Militär-Ersatzdepot für Sanitätshundeführer und Sanitätshunde aufgestellt werden [25]. Zweck dieser Einrichtung war zum einen die einheitliche Ausbildung von Führern und Hunden, zum anderen deren unverzügliche Versetzung zu den Frontsanitätskompanien, und zwar für die gesamte Dauer des Krieges. So wurde schließlich im Mai 1915 das Sanitätshunde-Ersatzdepots in Fangschleuse etatisiert, welches stets ca. 40 Tiere und Führer abmarschbereit vorhielt [26, S. 98]. Ein Jahr später wurde die „Sanitätshundestaffel West“ in Rocroi (Frankreich) aufgestellt, um schneller auf die Ersatzanforderungen der Truppe von der Front reagieren zu können.
Die Aufstellung einer Sanitätshundestaffel für die Armeen und Armeeabteilungen auf den östlichen und südöstlichen Kriegsschauplätzen als Pendant zur Sanitätshundestaffel West war zu diesem Zeitpunkt nicht beabsichtigt [21, KM Nr. 7669/4.16.MA, 2.5.1916, S. 1]. Am 23. September 1916 erfolgte auf Weisung des Oberbefehlshabers Ost aber doch noch die Aufstellung einer „Sanitätsstaffel Ost“ [23, KM Nr. 3353/9.16. MA., 23.9.1916] in Bialystok [26, S. 98].
Das Procedere beim Führer- und Hundeersatz war im Nachhinein gesehen recht unglücklich gelöst. Anstatt, wie es aus heutiger tierpsychologischer Sicht sinnvoll gewesen wäre, fertig ausgebildete Teams an die Front zu schicken, trennte man zwischen Mann- und Hunde-Ersatz. Dies führte zwangsläufig immer wieder zu Qualitätseinbußen.
Das Sanitätshundewesen im Jahre 1918
Durch die veränderte Kriegslage seit Anfang 1918 an der Ostfront – Russland war mit dem Frieden von Brest-Litowsk aus der Reihe der Kriegsgegner Deutschlands ausgeschieden – begann die Reduzierung der Sanitätshundetrupps von ursprünglich acht Teams auf zwei für jede der dort noch eingesetzten Sanitätskompanien. Überzählige Tiere sollten, soweit man sie nicht andernorts benötigte, dem Verein zurückgegeben werden, um sie zu Kriegsblindenhunden umzudressieren.
Im Februar 1918 wurde die „Sanitätshundestaffel Ost“ aufgelöst, die „Sanitätshundestaffel West“ im Oktober 1918 im Zuge des allgemeinen Rückzugs der deutschen Truppen nach Lambermont in Belgien verlegt. Die exakte Gesamtanzahl der eingestellten Sanitätshunde konnte weder im Krieg, geschweige denn in der Nachkriegszeit, aufgrund der lückenhaften Aktenlage [17, S. 43 - 44] ermittelt werden. Bis zum Waffenstillstand am 11. November 1918 dürften etwa 6 000 Tiere im Einsatz gewesen sein [26, S. 98].
Die tierärztliche Versorgung der Sanitätshunde im 1. Weltkrieg
Da im Ersten Weltkrieg zum ersten Mal auch vierbeinige Helfer bei den Sanitätskompanien eingesetzt wurden, konnte man nicht auf bereits bestehende Strukturen zur Versorgung der Tiere zurückgreifen, obwohl bereits seit 1914 Postenhunde im Militär integriert waren. Aufgrund ihrer hohen Präsenz in der Presse und der durchweg positiven Berichterstattung über die von ihnen geretteten Menschenleben genossen die Sanitätshunde hohes Ansehen in der Bevölkerung. Der Vorsitzende des Vereins für Tier- und Menschenfreunde, Robert Geyer, entwickelte deshalb die Idee, ein eigenes Lazarett für Sanitätshunde zu errichten. Dies teilte er dem preußischen Kriegsministerium und dem stellvertretenden Generalkommando in Kassel mit, die ihn an den Verein für Sanitätshunde weiter verwiesen [9, S. 18].
Es ist schon verwunderlich, dass sich nicht das Militär in der Pflicht sah, die veterinärmedizinische Versorgung der Tiere sicherzustellen bzw. den Vorschlag Geyers aufzugreifen, geschweige denn das Vorhaben zu unterstützen. Ungeachtet dessen wurde im Einvernehmen zwischen den beiden Vereinen noch Anfang August 1915, also genau ein Jahr nach der ersten Einstellung von Sanitätshunden beim Heer, mit dem Bau des Lazaretts begonnen. Nach nicht einmal vier Wochen fand die Eröffnung statt. Auch dieses Projekt wurde durch Spenden realisiert, wozu der Deutsche Verein für Sanitätshunde wesentliche Summen beitrug [26, S. 99].
Die Haltung des Militärs hinsichtlich der tierärztlichen Betreuung änderte sich erst im September 1916 [27], nach Aufstellung der Kriegshundeschule (Ausbildungsstätte für Meldehunde). Ab diesem Zeitpunkt wurde der anfangs ungeregelte Veterinärdienst, der bisher keine Mitversorgung von Hunden vorsah, in geordnete Bahnen gelenkt. Bereits nach einem Monat erließ der Chefveterinär-Ost eine Anleitung zur Fütterung und Pflege von Hunden, der nur zwei Monate später (Dezember 1916) eine vom preußischen Kriegsministerium erlassene Verfügung mit dem Hinweis folgte, „daß erkrankte Sanitätshunde in leichten Fällen vom Veterinäroffizier der Truppe behandelt werden sollten, in allen anderen Fällen jedoch, auch beim Vorliegen von ansteckenden Krankheiten, mit Ausnahme von Tollwut oder Tollwutverdacht, dem Lazarett für Sanitätshunde in Jena zu überweisen seien“ [28].
Die tierärztliche Betreuung übernahm die Großherzogliche Tierarzneischule Jena [9, S. 18 - 19], behandelt wurden die Tiere in der Veterinäranstalt. Hunde, die aufgrund ihrer Erkrankung einer dauerhaften tierärztlichen Versorgung bedurften oder solche, die an einer ansteckenden Krankheit litten, wurden erst nach deutlicher Besserung oder Heilung dem Lazarett übergeben. Die veterinärmedizinische Versorgung sowie die erforderlichen Impfungen oder Abgabe von Arzneimitteln erfolgten kostenlos [14, S. 231]. Die weitaus größte Bedeutung unter allen Krankheiten, an denen alle Kriegshunde litten, hatte die Staupe, aber auch die Räude wurde vielfach beobachtet [29].
Hunde als Kameraden
Neben den Sanitätshunden haben indes auch Hunde anderer Zweige des Dienstbetriebs ihren Wert, insbesondere in emotionaler Hinsicht, bewiesen.
„Der Soldat aber, dem einmal draußen vor dem Feinde, wenn alle anderen Nachrichtenmittel versagten und die Vernichtung kaum noch abwendbar erschien, durch die hellen Sinne und die flinken Läufe des Meldehundes Rettung ward, der Soldat, der nach heißem Kampf in quälend banger Nacht schwerverwundet, von Fieberschüben geschüttelt, versteckt im Dickicht lag, wo kein Krankenträger ihn fand, und der dann in letzter höchster Todesangst durch einen Sanitätshund gefunden und gerettet wurde, ebenso der einsame Posten, der durch die Wachsamkeit des Schutzhundes vor Heimtücke bewahrt blieb, sie wissen am besten den Wert des vierbeinigen Helfers zu würdigen, dem wir mit Recht den Ehrentitel
Kamerad Hund
eingeräumt haben“ [5, S. 27].
Insgesamt hat das Diensthundewesen durch den Ersten Weltkrieg eine Fülle neuer Anregungen erhalten und einen vorher nie geahnten Umfang angenommen. Beim Waffenstillstand im November 1918 befanden sich etwa 30 000 Hunde im Heeresdienst [29]. Der Einsatz von Hunden im Krieg hat bewiesen, dass der Hund zu einem wertvollen Gehilfen des Menschen werden kann, da er Menschenleben retten kann und Opfer zu vermeiden vermag [30].
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Petzl, Karl-Gerhard (2008): Bedingungslos! Der Diensthund im Wandel der Zeit, Polizei, Gendarmerie, Militär und Zoll. Hrsg. Peter Petzl, S. 38.
2. Vorschrift über die Behandlung, Dressur und Verwendung der Kriegshunde bei den Jäger-(Schützen-)Bataillonen (1893). Verlag Mittler und Sohn, S. 6 -7.
3. Berdez, A. (1913): Anleitung zur Dressur und Verwendung für den Polizei- und Kriegshund. 2. Auflage, S. 8.
4. Blume, Hellmut (1937): Die Führungstruppe der Wehrmacht. Die Nachrichtentruppe in Krieg und Frieden. Union deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart/Berlin/Leipzig, S. 160.
5. Berkun, A. (1944): Der Kampf- und Kriegshund einst und jetzt. In: Der Hund im Kriege, Bd. 1, Erfahrungen über Abrichtung und Einsatz; Zeitschrift für Hundeforschung, Band XVIII. Verlag Dr. Paul Schöps, Leipzig, S. 3–27.
6. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahresbericht für 1897, S. 24.
7. Bungartz, Jean (1892): Der Hund im Dienste des rothen Kreuzes. Seine Verwendung, Rasse, Dressur, Pflege und Fütterung. Verlag Twietmeyer, Leipzig, S. 58-59.
8. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahresbericht für 1898, S. 13.
9. Fricke, Ernst (1917): Der deutsche Sanitätshund und seine Tätigkeit im Felde. Verlag Steffenhagen und Sohn, Mitau.
10. Hauptstaatsarchiv Stuttgart – Militärische Bestände 1871 – ca. 1920 (M)
11. M 1/8 Bü 265: D.V.f.S. J.-No. 157, 22. 2.1905.
12. Wolfrum, Edgar und Ahrendes, Cord (2007): Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts. Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart, S. 13, S. 28.
13. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahres-Bericht für 1914/15.
14. Schuster, A. (o.J.): Der Hundefreund. Ein kynologischer Ratgeber für Hundeliebhaber und Hundezüchter. Ed. Winkler’s Buchhandlung, Eisleben, S. 233.
15. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahres-Bericht für 1915/17.
16. B-a. (1917): Vom deutschen Sanitätshund. Hundesport und Jagd Nr. 15/16, 32. Jahrgang, S. 121.
17. Anonym (1914): Kriegsfreiwillige Sanitätshundführer. Illustrirte Zeitung Nr. 3717, Kriegsnummer 8, 143 Band. Verlag J.J. Weber, Leipzig, S. 479.
18. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahres-Bericht für 1917/18.
19. Hauptstaatsarchiv Stuttgart – Militärische Bestände 1871 – ca. 1920 (M)
20. M 1/8 Bü 267: Kriegsministerium Nr. 2962/8.14 MA., 21.8.1914.
21. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Jahres-Bericht für 1915/17.
22. Der Sanitätshund auf dem Schlachtfelde. Nach Berichten aus der Front.Hrsg. Deutscher Verein für Sanitätshunde, S. 12-13.
23. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung IV, Kriegsarchiv:
24. stv. GenKdo I Ak 72
25. Anweisung zur Abrichtung von Sanitätshunden (1916). Hrsg. Kriegsministerium. Reichsdruckerei, Berlin.
26. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung IV, Kriegsarchiv:
27. Mkr 3117
28. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung IV, Kriegsarchiv:
29. Mkr 3118
30. Deutscher Verein für Sanitätshunde: Merkblatt Nr. 11.
31. Sanitätsbericht für das Deutsche Heer im Weltkriege 1914/18, I. Band.
32. Kr., O. (1916): Kriegshundeschule. Hundesport und Jagd Nr. 35/36, 31. Jahrgang, S. 271–272.
33. Fontaine, Dr. H. (1939): Das deutsche Heeresveterinärwesen. Seine Geschichte bis zum Jahre 1933. Verlag Schaper, Hannover, S. 419-420.
34. Kriegsveterinärbericht des deutschen Heeres 1914–1918 (1929): Hrsg. Reichswehrministerium, S. 871.
35. Lutz, Karl (1920): Beiträge zur Psychologie, Abrichtung und Verwendung des Diensthundes [Dissertation], Würzburg: philosophische Fakultät der bayer. Julius-Maximilian-Universität, S. 289-290.
36. Langheinrich, Franz (1915): Sanitätshunde im Felde. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kund und Leben, Band 1, S. 186 (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/jugend1915_1/0191)
Verfasser:
Oberstabsveterinär a. D. Dr. Julia Lorenz
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München (bis 2010)
Anschrift liegt der Redaktion vor
Datum: 23.01.2017
Wehrmedizinische Monatsschrift 2017/1