Sanitätsoffizier Veterinär und ­öffentlich-rechtliche Aufgaben– vom Überwacher zum Enabler

Aus dem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel (Leiter: Oberstveterinär Dr. J. Schulenburg) und der Überwachungsstelle für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben im Sanitätsdienst der Bundeswehr Ost (Leiter Oberstveterinär Dr. M. Nippgen)

Was macht ein Tierarzt in der Bundeswehr? „Diensthunde behandeln und die Pferde und Maultiere bei den Gebirgsjägern versorgen.“ So in etwa lautete die Antwort, die der gemeine Soldat noch vor ein paar Jahrzehnten auf die Frage nach der Tätigkeit von Tierärzten in der Bundeswehr gab – zuweilen auch Wehrdienstberater noch Ende der 90er-Jahre. Und es ist auch die Antwort, die die meisten Zivilisten heute noch auf eine solche Frage erwarten würden.

Was macht ein Tierarzt in der Bundeswehr? „Diensthunde behandeln und die Pferde und Maultiere bei den Gebirgsjägern versorgen.“ So in etwa lautete die Antwort, die der gemeine Soldat noch vor ein paar Jahrzehnten auf die Frage nach der Tätigkeit von Tierärzten in der Bundeswehr gab – zuweilen auch Wehrdienstberater noch Ende der 90er-Jahre. Und es ist auch die Antwort, die die meisten Zivilisten heute noch auf eine solche Frage erwarten würden.

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Abb. 1: Desinfektion in Prizren
Ein Blick auf die Zeittafel verrät, dass es Veterinäre in der Bundeswehr bereits kurz nach Aufstellung der Inspektion „Sanitäts- und Gesundheitswesen“ gab: Nach langem Ringen um den Status der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker während der Planungsphase des Sanitätswesens wurde zunächst 1956 für die Ärzte, am 10.07.1957 dann auch für die weiteren Approbationen entschieden, dass diese Berufsgruppen im Status des Sanitätsoffiziers bei der Bundeswehr beschäftigt sein sollten. Zunächst wurden zehn Planstellen für Sanitätsoffiziere Veterinär bewilligt, nachdem bei den ursprünglichen Planungen von einem Soll von mindestens neun Veterinären bis zum Jahr 1958 ausgegangen worden war: einer am Verteidigungsministerium, sechs an den jeweiligen Wehrbereichskommandos bzw. am Territorialkommando Schleswig-Holstein sowie weitere zwei für die Tragtiere der Gebirgsdivision. Der erste Sanitätsoffizier Veterinär der Bundeswehr, Oberstabsveterinär Dr. Puls, trat im September 1957 seinen Dienst beim Truppenamt an, bis 1959 folgten weitere acht Tierärzte. Als erster Referent für Veterinärmedizin im Bundesministerium der Verteidigung war Oberstveterinär Dr. Zieger verantwortlich für die weitere Weichenstellung des Veterinärwesens in der Bundeswehr. Gemessen an der Anzahl der Sanitätsoffiziere im Jahre 1959 machten die Veterinäre zu diesem frühen Zeitpunkt 1,1 % der gesamten Sanitätsoffiziere aus.

In den folgenden Jahren kam es zur Gründung der sechs Veterinärmedizinischen Untersuchungsstellen und der entsprechenden Dezernate in den Wehrbereichskommandos sowie der Einrichtung einer veterinärmedizinischen Laborabteilung im Institut für Wehrmedizin und Hygiene. Mehrere Veterinäre waren an der Sanitätsschule der Bundeswehr (Vorläufer der ­SanAkBw) eingesetzt. Auch bei den Tragtierkompanien, an der 1958 gegründeten Diensthundeschule sowie in den Korps (fachfremd auf Arztdienstposten, beispielsweise in Münster) wurden Tierärzte beschäftigt, sodass zunehmend mehr Sanitätsoffiziere Veterinär benötigt und eingestellt wurden. Historisch besonders zu erwähnen sind an dieser Stelle noch die drei ausgeplanten mobilen Feldbäckerei- und Schlächterei-Kompanien, die bis Ende der 60er-Jahre existierten und von denen eine
(4./ NschLBtl, Bremen) zur Ausbildung des Fachpersonals mehrmals im Jahr schlachtete – die Fleischbeschau oblag in diesen Fällen dem gleichzeitig als Kompaniechef eingesetzten Stabsveterinär.

So ergab sich bereits in den ersten zehn Jahren des Einsatzes von Veterinären in der Bundeswehr ein sehr großes Aufgabenspektrum, angefangen bei der kurativen Behandlung von Diensttieren über die Tätigkeit im Ministerium und Heeresamt bis hin zum öffentlichen Veterinärwesen, in dem sich nach kurzer Zeit die überwiegende Zahl der eingestellten Tierärzte wiederfand. Auch wenn die rechtlichen Vorgaben zur Lebensmittelhygiene noch weit entfernt waren von der heutigen Rechtslage, waren schon damals die lebensmittelhygienische Kontrolle der Verpflegungs – und Betreuungseinrichtungen durch die Wehrbereichsveterinäre sowie die Untersuchung von Lebensmittelproben durch die Veterinäruntersuchungsstellen die Schwerpunktaufgaben auf dem öffentlich-rechtlichen Sektor. 

Hier galt es, die Soldaten, die damals noch in allen Streitkräften in den Küchen eingesetzt wurden, mittels der Überwachungsbegehungen hinsichtlich ihres Hygienebewusstseins zu sensibilisieren (erziehen), um Gesundheitsschädigungen und Massenerkrankungen im Vorfeld zu vermeiden. Die „Schwächung der Einsatzbereitschaft und Kampfkraft der Bundeswehr“, insbesondere im Verteidigungsfall, durch solche Erkrankungen war nämlich durchaus ein Risiko, das in Betracht gezogen wurde. Und so musste der im Küchenbetrieb eingesetzte Soldat zunächst lernen, dass bei der Truppenverpflegung und – betreuung andere Maßstäbe anzusetzen waren als bei manch einem zu Hause in der eigenen Küche. Der Veterinär wurde von den Überprüften nicht immer mit Freuden begrüßt und manche Begehung endete mit der vorübergehenden Schließung einer Einrichtung, um dem Personal ausreichend Zeit für eine gründliche Reinigung und Desinfektion zu verschaffen. Dies geschah damals häufiger als heutzutage, insbesondere, da das Hygienebewusstsein auch dank der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte im Zusammenhang mit Lebensmittel-assoziierten Erkrankungen in der gesamten deutschen Bevölkerung gewachsen ist und infrastrukturell nicht mehr dieselben Hürden zu bewältigen sind wie noch vor wenigen Jahren.

Hinsichtlich der Kücheninfrastruktur war und ist der Veterinär zuweilen ein gern gesehener Gast. Nicht zuletzt führen seine Begehungsberichte häufig dazu, dass die Wehrverwaltung Gelder für notwendige Umbauten oder Neuanschaffungen von Gerät unter dem manchmal notwendigen Druck bereitwilliger zur Verfügung stellt. Diese Eigenschaft wurde seitens der Truppe natürlich erkannt und gerne beansprucht, ermöglichte sie in der Konsequenz doch wieder ein einfacheres und hygienischeres Arbeiten im Küchenbetrieb. 

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Abb. 2: Oberfeldveterinär Dr. Plate SanAkBw
Gerade innerhalb der Marine, die lange Zeit auf den schwimmenden Einheiten ihr eigenes Süppchen hatte kochen dürfen, konnten die Schlangen auf den Schultern der Veterinäre anfangs nicht immer richtig zugeordnet werden. Mit Unterrichten im Rahmen der Lehrgänge für angehende Schiffsköche und Proviantmeister wurde zusätzlich das Marinepersonal sensibilisiert. Damit wurde das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Umsetzung der im Rahmen von Begehungen angeordneten Maßnahmen geschärft. Aus nachvollziehbaren Gründen ist dem Bordpersonal an und für sich durchaus daran gelegen, zusätzlich zu von Seekrankheit Geplagten nicht noch andere an Übelkeit Leidende an Bord zu haben. Und auch wenn das Bordpersonal einer Fregatte vor Auslaufen zu einer Übung zunächst nicht begeistert war, aufgrund einer defekten Spülmaschine noch länger im Hafen verweilen zu müssen, war es erstaunlich, wie schnell diese Maßnahme dazu führte, dass sich noch am selben Tag eine funktionstüchtige Spülmaschine an Bord befand und die Fregatte den Hafen verlassen durfte. So wurde auch in dieser Teilstreitkraft der Nutzen des Veterinärs insbesondere hinsichtlich der Infrastrukturbegehungen vor den Werftliegezeiten erkannt und gerne eingefordert: Entsprechende Veterinärberichte waren Voraussetzung für die Verwendung von Materialien, die einfacher zu reinigen und zu desinfizieren waren. Hieraus resultierten über die verbesserte Hygiene hinaus spürbare Arbeitseinsparungen des Bordpersonals in den Kombüsen. 

Auch die Überprüfung der Lieferbetriebe, von denen die Bundeswehr ihre Lebensmittel für die Küchen bezog, gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Aufgaben der Wehrbereichsveterinäre. Hier galt es, bereits vor Vertragsschluss zu überprüfen, ob der entsprechende Lieferbetrieb auch unter lebensmittelhygienischen Aspekten geeignet war, die Bundeswehr mit Lebensmitteln zu versorgen. Heute korrelieren die bestimmenden Faktoren Preis und optimales Hygienemanagement mit einem hohen Convenience-­Grad in den Truppenküchen. Dies führt regelmäßig dazu, dass bevorzugt vertreibende Großmärkte, die nicht mehr selbst Lebensmittel herstellen, sondern nur noch distributieren, als Vertragspartner in Frage kommen. Hingegen gab es noch bis nach der Jahrtausendwende sehr viele kleinere Lieferbetriebe, die noch selbst produzierten, zerlegten oder verarbeiteten. Auch der Standort des Vertragspartners spielte damals eine wichtigere Rolle als heute. Damals verfügte noch nicht jeder Lieferant über einen Fuhrpark, der den reibungslosen Transport ohne Unterbrechung der Kühlkette gewährleistete. Und nicht selten hing das Schicksal kleinerer Lebensmittellieferanten auch von den Entscheidungen der Verwaltung auf der Grundlage der Preisermittlungen und dem Urteil des Veterinärs für oder gegen einen Betrieb ab.

An den Veterinäruntersuchungsstellen wurden – parallel zum zivilen Bereich – die immer neu gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der unterschiedlichen Mikroorganismen und deren Nachweis aus dem Lebensmittel bei der Etablierung neuer Untersuchungsmethoden umgesetzt. Planproben, Proben aus eigener Produktion der Bäckerei- und Schlächtereikompanien sowie Verdachts- und Hygienestatusproben im Rahmen der Begehungen der Verpflegungs- und Betreuungseinrichtungen wurden mikrobiologisch untersucht, später auch Bedarfsgegenstände und Arzneimittel. Weiterhin wurden Proben im Rahmen möglicher Gruppenerkrankungen untersucht. Für die Olympischen Spiele in Deutschland 1972 wurden auch die für die teilnehmenden Sportler bereitgestellten Lebensmittel in Bundeswehreinrichtungen untersucht.

Die Tierseuchenbekämpfung war insbesondere im Zusammenhang mit dem Monitoring großer Tierbestände auf den Truppenübungsplätzen sowie bei der Rückführung von Material aus Übungen im Ausland von großem Interesse. Wurde der Veterinär bei den Planungen solcher Übungen zunächst nicht regelmäßig involviert, folgte sein Einsatz jedoch spätestens bei der Anordnung und Überwachung der zu treffenden Maßnahmen vor der Rückverlegung. 

Dass der Veterinär im Idealfall bereits vor Durchführung von Übungen beteiligt werden sollte, wurde im Rahmen des Aufbaus für eine AMF-Übung in Dänemark besonders deutlich. Hier musste die auf einem Feld beinahe fertig aufgebaute Holding Station nochmals verlegt werden. Nur der Veterinär, dessen feine Nase sich bestens mit Stallgerüchen auskannte, erkannte in der Aufbauphase, dass die Zeltstation mitten auf einem frisch mit Gülle gedüngten Feld errichtet worden war. In solchen Fällen verurteilte die Truppe den Tierarzt häufig als Hindernis. Aber auch hier galt die bis heute noch unter angehenden Veterinäroffizieren vermittelte Erkenntnis: Der Veterinär wird „nicht bezahlt, um geliebt zu werden.“ Entscheidend ist dabei, dass die entsprechenden Maßnahmen nicht leichtfertig bzw. willkürlich verhängt, sondern nach sorgsamer Abwägung der Alternativmöglichkeiten zum Schutz der eingesetzten Soldaten angeordnet werden. Folglich wurden ab den 90er-Jahren regelmäßig Veterinäre bei Erkundungsvorhaben der Truppe im Vorfeld von Übungen mit eingebunden. Diese Vorgehensweise hat sich bis heute bewährt und ist insbesondere in den Vorbereitungen für Einsatzszenarien von größter Aktualität. 

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Abb. 3: Aufstellung einer Feldküche
Im Rahmen der Erweiterung der Eigenvollzugskompetenz bezüglich des Tierseuchenrechts waren die Tierärzte ab 2001 nicht nur für Tiere, die sich im Besitz der Bundeswehr befinden, sondern auch für Tiere, die sich „im Bereich der Bundeswehr aufhalten“, zuständig. Dies führte zu einem regelmäßigen jährlichen Monitoring der Wildtierpopulation auf Truppenübungsplätzen hinsichtlich bestimmter Tierseuchenerreger (z. B. Klassische Schweinepest) im Rahmen der Jagdsaison. 

Doch nicht nur hinsichtlich der Lebensmittelhygiene sowie Tierseuchenbekämpfung waren die Veterinäre wichtig. Selbstverständlich musste auch die Umsetzung des Tierschutzes im Rahmen der jährlichen Diensthundeleistungsprüfungen überwacht sowie Missstände aufgezeigt und beseitigt werden: beispielsweise bei der Überprüfung und Planung von Hundezwingeranlagen.

Zusätzlich zu diesen Kernaufgaben hat es sich in den zurückliegenden Jahren immer wieder gezeigt, dass sich Tierärzte auch außerhalb ihres Fachgebietes bewähren mussten: Als 1975 die ersten weiblichen Sanitätsoffiziere bei der Bundeswehr eingestellt wurden, war ausgerechnet ein Tierarzt, OFVet Dr. Plate, der Hörsaalleiter des ersten ausschließlich aus Frauen bestehenden Lehrgangs. Die Frage, inwiefern Frauen überhaupt Dienst an der Waffe verrichten sollten, war zu diesem Zeitpunkt in der Truppe noch gar nicht geklärt. Der Hörsaalleiter musste eine Entscheidung treffen und beschloss in logischer Konsequenz, die Frauen ebenso wie ihre männlichen Lehrgangsvorgänger an der Waffe auszubilden. 

Im Bereich der Veterinärmedizin begann in den folgenden Jahrzehnten eine Entwicklung, die dazu führte, dass die Gleichstellungsquote von 50 % bereits heutzutage bei den Sanitätsoffizieren Veterinär der Bundeswehr übertroffen wird. Bei den Jahrgängen ab 1969 und jünger sind die Frauen sogar stärker vertreten als ihre männlichen Kollegen.

Die Anzahl der Diensttiere in der Bundeswehr ging nach anfänglichem Boom über die Jahre zurück – die kurativen Tätigkeiten rückten zunehmend in den Hintergrund. Sanitätsoffiziere Veterinär wurden insbesondere im Anschluss an die Wende und der resultierenden Übernahme teilweise stark baufälliger Kasernen eingesetzt, um die notwendigen Anforderungen an die Lebensmittelhygiene in infrastrukturell schwachen Küchen durchzusetzen. 

Im Rahmen der Kurdenhilfe im Iran wurde 1991 erstmals ein Veterinär in einem Auslandseinsatz eingesetzt. Die Vorplanung des gesamten Einsatzes war noch wenig strukturiert und vor Ort bot sich ein weites Feld für Betätigung: 

Wasseruntersuchungen, die mikroskopische Beurteilung von Stuhlproben des Küchenpersonals und erkrankter Soldaten sowie die Belehrung aller Beteiligten hinsichtlich des Umgangs mit streunenden Hunden. Während im folgenden Auslandseinsatz in Kambodscha (UN Advanced Mission UNAMIC) eine passable Infrastruktur und sogar unterstützendes Laborpersonal zur Verfügung standen, zeigten die anschließenden Einsätze, dass die infrastrukturelle und materielle Ausstattung für die Untersuchung von Lebensmitteln und Wasserproben sowie weiterer Proben von immenser Bedeutung sind. Daher wurde Mitte der 90er-Jahre auch die Entwicklung eines veterinärmedizinischen Laborcontainers vorangetrieben. Die Ergebnisse der ersten Auslandseinsätze führten zu der Erkenntnis, dass die Präsenz der Tierärzte für Einsätze bestehen bleiben sollte und die Bedeutung der örtlichen Hygienekomponente/Seuchenhygiene von großer Relevanz sei. Außerdem wurde konstatiert, dass der Tierarzt im Einsatz aufgrund seiner umfassenden Ausbildung auch in Notfällen zur Unterstützung anderer Approbationen eingesetzt werden kann und aufgrund des unmittelbaren Schädigungspotenzials biologischer Angriffe an Einsatzorten unabdingbar ist. Der Sanitätsoffizier Veterinär wurde damit bereits unmittelbar nach den ersten Einsätzen als unverzichtbarer Allrounder in Einsatzszenarien erkannt.

Nach Entwicklung der veterinärmedizinischen Laborcontainer erfolgte die Ausbildung des geplanten Einsatzpersonals zunächst in München, ab 2003 am Schwerpunktinstitut in Kronshagen im Rahmen eines Lehrgangs. Hier wurden die Teams (jeweils ein Veterinär und veterinärmedizinisch-technisches Assistenzpersonal) gezielt auf die Arbeit im Container und mit dem vorhandenen Gerät vorbereitet. Der erste Einsatz eines solchen Containers erfolgte 1999 im Kosovo. Für die Tierärzte begann eine Phase, in der sie auf Grund ihrer vergleichsweise geringen Anzahl (1995 gab es 70 Tierärzte, 2005 bereits 82) durch die Einsätze stark gefordert waren. Über einen langen Zeitraum befanden sich mehr als sechs Tierärzte zeitgleich in den anhaltenden Einsätzen, während weitere im Rahmen von Übungen sowie Marineeinsätzen zur Überprüfung der Schiffsausrüster/Lebensmittel liefernder Betriebe gebunden waren. Ein ehemaliger Inspizient, Oberstveterinär Dr. Förster, fasste die Situation 2005 wie folgt zusammen: „Die Tierärzte der Bundeswehr im Einsatz, bei Übungen im In- und Ausland sind eine höchst belastete und belastbare Spezialtruppe im Sanitätsdienst.“

Allen Einsätzen gemein war und ist das Ziel, dem Schutz des Soldaten im Einsatz zu dienen und den Kontingentführer in relevanten Fragen bestmöglich zu beraten. In der Konsequenz mussten zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft zu festgestellten Problemen immer gleichzeitig Lösungsansätze bzw. realisierbare Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Das auf Prävention bedachte Briefing der im Einsatzland eintreffenden Soldaten wurde früh als Maßnahme implementiert, um das Eintrittsrisiko potenzieller Gefahren (beispielsweise im Umgang mit streunenden Tieren) zu minimieren. Insbesondere bezüglich der Streuner-Problematik in den Einsätzen zeigte sich häufig das Dilemma, in dem sich der dem Tierwohl verpflichtete Tierarzt im Einsatz befand. Er stand im Spannungsfeld, sich möglicherweise um verletzte oder verwaiste Tiere kümmern zu müssen, vor denen er die Soldaten zu schützen hatte: Wie sollte ein Tierarzt beispielsweise mit einer Kiste Hundewelpen umgehen, die vor seinem Container abgestellt worden war? 

Wo es rechtlich noch keine klaren Regelungen gab, mussten im Laufe der Erfahrungen auch in Abstimmung mit den Beteiligten anderer Nationen und auf Ebene der NATO Regelungen und Grundlagen in Fragen geschaffen werden, die sich vor den Einsätzen nicht gestellt hatten. Immer stand das Ziel, im Einsatz ein gleiches Maß für den Soldaten zu erreichen wie im Inland, an erster Stelle. Der Merksatz „Cook it, peel it, or forget it“ wurde in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit bereits in den ersten Einsätzen als richtungsweisend erkannt und – wo immer nicht auf sichere Lebensmittel zurückgegriffen werden konnte – umgesetzt. Auch wenn die EPA – Komponenten über die Jahrzehnte nicht nur hinsichtlich ihrer Lagerfähigkeit verbessert worden waren, war dem Tierarzt selbstverständlich bewusst, dass eine wochenlange Verpflegung mit diesen allein, beispielsweise in besonderen Missionen, auch demoralisierend auf die Einsatzfähigkeit der Truppe wirken konnte. Insofern wurden nach Möglichkeit auch hier Absprachen mit verbündeten Streitkräften getroffen und auch die Einrichtungen anderer Nationen hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit überprüft. Bei Bedarf konnte durch das Aufstellen von Feldküchen zumindest die Zubereitung von Einsatzgruppenverpflegung oder Konserven ermöglicht werden.

Aus den Erfahrungen der zurückliegenden Einsätze lässt sich die Wichtigkeit für die Miteinbeziehung eines Veterinärs in der Erkundungsphase sowie begleitend in der Initialphase des Einsatzes ableiten. Letzteres ist vor allen Dingen sinnvoll, um unmittelbar als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, sobald unvorhergesehene Probleme auftauchen, und entsprechend beraten und unterstützen zu können. Gerade in den Einsätzen steht zumeist nicht die öffentlich-rechtliche Überwachung an allererster Stelle, sondern vielmehr die „Beratung und fähigkeitsorientierte fachübergreifende Zusammenarbeit im Bereich der Force Health Protection.“ 

In den aktuellen Auslandseinsätzen sehen sich Veterinäre der Bundeswehr mit speziellen klimatischen Bedingungen, Schwierigkeiten in der Beschaffung, verschiedenen Ethnien und Mentalitäten, schwer einschätzbaren hygienischen Umständen und allzu oft ungeklärten Zuständigkeiten konfrontiert. 

Der Geltungsbereich deutscher Rechtsnormen beschränkt sich dabei grundsätzlich auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Es gilt aber zudem in deutschen Flugzeugen, auf deutschen Schiffen und in den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland weltweit. Auf Grund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn befiehlt er für Auslandseinsätze regelmäßig das Anwenden „Deutscher Schutz- und Sicherheitsbestimmungen“. Das heißt, dass deutsche Rechtsnormen zwar nicht unmittelbar gelten, jedoch der Dienstherr durch Befehl deren grundsätzliche Anwendung zum Schutz der Soldaten fordert. Sie bedeutet aber auch, dass der Dienstherr für Einsätze im Ausland selbst Ausnahmen zulassen kann, und zwar selbst in den Fällen, in denen im Inland keine Ausnahmemöglichkeit (für die Bundeswehr) vorgesehen ist.

Die Umstände in den Einsatzgebieten sind bisweilen grundverschieden gegenüber den im Inland vorherrschenden Rahmenbedingungen. Es gilt hierbei Probleme und Risiken zu erkennen, praktikable Maßnahmen zu ergreifen und zielorientierte Lösungen aufzuzeigen, damit die Erfüllung des militärischen Auftrages nicht gefährdet wird.

Als Beispiel sei hier die aktuelle Situation bei „Enhanced Forward Presence“ (eFP) in Litauen genannt. In Litauen ist der Leitende Veterinär im Einsatz (iE) nicht nur Berater des DEU Kommandeurs in Fragen der Lebensmittelhygiene, des Tierschutzes und der Tierseuchenproblematik, sondern darüber hinaus in einer Zelle der „Force Health Protection“ multinational tätig. Seit 2004 ist der baltische Staat Mitglied in der Europäischen Union. Grundsätzlich gelten hier dieselben EU-rechtlichen Vorgaben. Dies trifft auf alle truppenstellenden Nationen bei eFP zu. Die Nationen agieren zwar als eine gemeinsame Battlegroup, jede hat jedoch ihre eigenen nationalen Gesetze und Dienstvorschriften, mit denen Sie nach Litauen verlegen. Daher ist die stringente Anwendung von deutschem Recht bzw. von deutschen Dienstvorschriften im Sinne einer „Force Health Protection“ nicht zielführend. 

Somit gilt es, eine Basis zu finden, auf der sich jede Nation mit ihren Vorstellungen wiederfinden und arrangieren kann. Grundlage sind hierbei die NATO-Dienstvorschriften, als sogenannter Minimum-Standard für die Nationen. 

Die Herausforderung für die Leitenden (Veterinär i. E., Hygieniker i. E. und Apotheker i. E.) besteht darin, sich auf das wirklich Notwendige zu fokussieren. Dabei stehen immer die Gesundheit und Einsatzfähigkeit, nicht nur der deutschen Soldaten, sondern aller Soldaten der Battle­group im Fokus. Es gilt, ggf. vorhandene Risiken zu erkennen, zu bewerten und daraus Maßnahmen abzuleiten. Dies ist keine leichte Aufgabe im multinationalen Zusammenspiel. Die bloße Kenntnis und Wiedergabe der Rechtsvorgaben bzw. der Dienstvorschriften führen hier nicht weiter, vielmehr die Bewertung der Umstände vor Ort, die Abwägung von Risiken, und das Treffen verhältnismäßiger Entscheidungen. Sicherlich ist es unter Umständen erforderlich, gewisse Vorhaben zu negieren, dies sollte jedoch immer mit dem Aufzeigen von Lösungen verbunden sein – „Nicht verhindern – sondern ermöglichen“ lautet die Devise. Hierfür bedarf es mitunter eines gewissen Fingerspitzengefühls, gesunden Menschenverstands und der Fähigkeit, Risiken richtig einzuschätzen, um dann Maßnahmen und Empfehlungen auszusprechen. Besonders im multinationalen Mitein­ander sind die vorweg genannten Eigenschaften als Tugenden zu verstehen. Oberste Priorität hat die Erfüllung des Auftrages und die Gesundheit der Soldaten. Diese Rahmenbedingungen ­machen eine Verwendung als Leitender Veterinär in den weltweiten Einsätzen sehr anspruchsvoll, aber mindestens ebenso attraktiv.

Fazit: Der Veterinär an und für sich ist von jeher und in erster Linie praktisch veranlagt und kein Bürokrat. Daran hat sich in den zurückliegenden 60 Jahren nichts geändert und es ist diesbezüglich auch keine Änderung zu erwarten. Er ist zum einen dem Tierwohl verpflichtet, jedoch in der Bundeswehr zuallererst Offizier und für die Durchführung hoheitlicher Aufgaben verantwortlich, die im In – wie im Ausland dem Schutz des Soldaten und dessen Gesundheit dienen. Diplomatisches Geschick und Improvisationstalent zeichnen ihn ebenso aus wie der Blick für das Machbare, zuweilen auch in Fragen, für die es noch gar keine klaren rechtlichen Regelungen gibt. Hier gilt es, insbesondere in neuen Einsatzszenarien, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, die nicht verhindern, sondern Handlungsoptionen aufzeigen und die Einhaltung der Maxime der sanitätsdienstlichen Versorgung optimal ermöglichen. 

Literatur bei Verf., Abb. bei ZInstSanBw Kiel.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. vet. Dorothee Stübs
Oberstabsveterinär
Qualitätsmanagementkoordinator
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel
Kopperpahler Allee 120
24119 Kronshagen
Tel.: 0431 - 5409 - 1340
AllgFspWNBw 7425E-Mail: DorotheeStuebs@bundeswehr.org

Datum: 15.01.2018

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2017

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