Ankauf und Zucht von Diensthunden an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr
Ein Rückblick der letzten Jahre
T. C. Koch
Die Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr (SDstHundeBw) in der Gräfin-von-Maltzan-Kaserne in Ulmen ist die zentrale militärische Ausbildungsstätte für das auf dem Gebiet des Diensthundewesens tätige Personal der Bundeswehr und somit verantwortlich für qualifizierte und zertifizierte Diensthundeteams (DHT) – Diensthund (DH) und Diensthundeführer (DHFhr) – der Streitkräfte im In- und Ausland. Sie hat den Auftrag, DH in der erforderlichen Qualität und Quantität durch Ankauf oder eigene Zucht zu beschaffen und in enger Abstimmung mit den Organisationsbereichen so auszubilden, dass einsatzfähige DHT rekrutiert und regeneriert werden.
Vorbemerkungen
DH leisten aufgrund ihrer einzigartigen und spezifischen Befähigungen zur biosensorischen, mobilen Detektion von Rauschgiften, Explosivstoffen und vergleichbaren Komponenten sowie, in Teilen, ihrer Befähigung zum jederzeit kontrollierbaren Einsatz als Hilfsmittel körperlicher Gewalt ihren Beitrag zum Gesamtfähigkeitsprofil der Bundeswehr und erweitern somit das Einsatzspektrum von Mensch und Technik. Sie werden, robust und hochbeweglich, unter erschwerten Bedingungen und Bedrohungen im gesamten Intensitätsspektrum eingesetzt. Der Einsatz des DHT, bestehend aus DHFhr und DH, erweitert die Handlungsoptionen der militärischen Führer und dient dem Schutz der eingesetzten Kräfte. Grundvoraussetzung für den Einsatz eines leistungsfähigen DH ist u.a. dessen uneingeschränkte Gesundheit, Wesensfestigkeit und Umweltsicherheit. Abhängig von den Aufgabenschwerpunkten benötigen DH somit zur Auftragserfüllung unterschiedliche Befähigungen, welche das Ergebnis der Ausbildung sind, die auf angeborenen Anlagen der DH aufbaut und diese fördert. Die unterschiedliche Kombination dieser Befähigungen definiert die Einsatzart der jeweiligen Spezialdiensthunde unserer Streitkräfte.
Die Diensthundeklinik der SDstHundeBw
Die Diensthundeklinik (DH-Klinik) ist zentral verantwortlich für die veterinärmedizinische Versorgung und Betreuung für die in der Bundeswehr eingesetzten DH und deckt die Bedürfnisse der veterinärmedizinischen Versorgung unserer DH ab. Die hochmodern ausgestattete Klinik mit digitalem Röntgen, Dentalröntgen, Dentalstation zum Erhalt der Zahngesundheit, Endoskopie, Ultraschall, eigenem Labor, Unterwasserlaufband und zwei Operationssälen gewährleistet eine optimale veterinärmedizinische Versorgung der Diensthunde im Krankheitsfall. Bezüglich der Auslandseinsätze werden Ausgangs- und Rückkehruntersuchungen, prophylaktische Maßnahmen und die Versorgung mit Arzneimitteln für die DH durch die DH-Klinik sichergestellt.
Das Aufgabenspektrum der DH-Klinik umfasst auch das tierschutzgerechte Halten ausgemusterter DH in der schuleigenen Gnadenbrothaltung oder in Form von Pflegeverträgen, bei welchen die Tiere in häuslicher Umgebung durch den eigenen DHFhr oder durch entsprechend ausgewähltes Zivilpersonal betreut werden.
Die DH-Klinik ist die zentrale Anlaufstelle bezüglich des Führens des tierärztlichen Hausapothekenverbundes der Bundeswehr, einschließlich der Beschaffung, dem Bevorraten und der Auslieferung von Arzneimitteln sowie verantwortlich für das Bestücken der Tierärztlichen Apotheke mit Arzneimitteln für alle Einsätze in welchen DH Dienst leisten.
Durch das Vorhandensein eines telemedizinischen Arbeitsplatzes können sich die Veterinäre aus den Auslandseinsätzen, im Reach-Back-Verfahren, rund um die Uhr an die Fachexpertise der DH-Klinik wenden.
Drei Sanitätsoffiziere Veterinär (SanOffzVet) sowie eine zivile Tierärztin stellen die medizinische Versorgung der DH sicher, leiten die Ankaufs- und Ausmusterungsuntersuchungen einschließlich der Auswertung der Röntgendiagnostik, gewährleisten die veterinärmedizinische Betreuung beim Züchten und Aufziehen von Spezialdiensthunden, erstellen tierärztliche Gutachten und führen, insbesondere im Rahmen der Lehrgänge „VetMedVersAusland“ und „K9-Combat First Responder (K9-CFR)“ Sektionen durch.
Ankauf von potentiellen DH an der SDstHundeBw
Die SDstHundeBw ermittelt, als zentrale militärische Ausbildungsstätte auf dem Gebiet des Diensthundewesens, den Bedarf an DH für die Erstausstattung und für den laufenden Ersatz und beschafft diese im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch eigene Zucht oder Ankauf.
Die Musterung von Hunden für den Ankauf erfolgt durch eine besondere Ankaufskommission. Die Kaufentscheidung basiert auf zuvor erstellten kynologischen sowie veterinärmedizinischen Gutachten. Die Spezialdiensthunde unserer Streitkräfte sind vergleichbar mit Hochleistungssportlern und dementsprechend sind die gesundheitlichen Anforderungen aus veterinärmedizinscher Sicht, welche an die zukünftigen potentiellen DH gestellt werden extrem hoch. Ausgehend von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von fünf Jahren nach Abschluss des jeweiligen Grundlehrgangs ergibt sich ein theoretischer jährlicher Remontierungsbedarf von ca. 57 DH, wobei der tatsächliche Bedarf in Abhängigkeit von der jeweiligen Lehrgangsplanung und -auslastung an der SDstHundeBw abweichen kann.
Alle zum Ankauf an der SDstHundeBw vorgestellten Hunde werden, nach bestandener kynologischer Sichtung, veterinärmedizinisch und hier insbesondere radiologisch untersucht.
Im Rahmen der klinischen Ankaufsuntersuchung werden neben einer eingehenden allgemeinen klinischen, neurologischen und orthopädischen Untersuchung standardmäßig röntgenologische Parameter herangezogen um offensichtliche anatomische und/oder pathologische Veränderungen auszuschließen. Diese beinhalten Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule, Standard-HD Aufnahmen nach den Kriterien der Fédération Cynologique International (FCI), Röntgenaufnahmen von beiden Ellenbogengelenken und Aufnahmen der Zähne mit Fokus auf einen Caninus hinsichtlich der Bestimmung des Zahnalters.
Des Weiteren werden bei allen zum Ankauf vorgestellten Hunden labordiagnostische Untersuchungen zur Überprüfung auf das Vorhandensein von Infektionskrankheiten eingeleitet. Ausschlusskriterien aus veterinärmedizinischer Sicht welche letztendlich zu einem Nichtankauf als Spezialdiensthund führen würden, wären beispielsweise Spondylosen im Bereich der Wirbelsäule, eine Stufenbildung im Bereich des lumbosakralen Übergangs mit und ohne Divergenz, eine Sakraldachabsenkung mit vorhandener Rückenmarkskompression im Bereich L7–S1 als Prädisposition zur Entstehung des Cauda-equina-Kompressions-Syndroms (CECS), das Vorhandensein eines zusätzlichen achten Lendenwirbels und eine unvollständige oder fehlende Konsolidierung des Sacrums.
Röntgenaufnahmen der Hüfte, welche zum Ausschluss einer potentiell vorhandenen Hüftgelenksdysplasie angefertigt und nach den Kriterien der FCI schlechter als B2 ausgewertet werden sind ebenfalls nicht mit den hohen klinischen Anforderungen an zukünftige Spezialdiensthunde vereinbar.
Pathologische Befunde im Bereich der Ellbogengelenke wie beispielsweise arthrotische Veränderungen, ein isolierter Processus anconeus oder ein fragmentierter Processus coronoideus bewirken ebenfalls den klinischen Ausschluss des Hundes als zukünftigen DH. Beim Vorhandensein von Gebissveränderungen wwelche die Verwendung des Hundes einschränken würden, wird von einem Ankauf abgesehen.
Sowohl mehrfach befundete geringgradige Veränderungen in den angesprochenen Bereichen des Bewegungsapparates als auch einzelne mittelschwere bis hochgradige pathologische Befundungen sind ausschlaggebend dafür, einen an der SDstHundeBw vorgestellten Hund nicht als DH anzukaufen.
Der klinische Ausschluss, bei den zum Ankauf vorgestellten Hunden, durch die DH-Klinik, beträgt zwischen 60–70 %.
Eigene Zucht und Aufzucht von DH an der SDstHundeBw
Geänderte Rahmenbedingungen und Einsatzgrundsätze haben dazu geführt, dass einerseits der Ankauf geeigneter DH zunehmend schwieriger geworden ist, und andererseits die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und die Ausbildung von DH deutlich gestiegen sind. Diese Ziele sind mit dem bisherigen, vorwiegend auf Ankauf ausgerichteten Beschaffungskonzept nicht zu erfüllen, sodass der Bedarf an gesunden und leistungsstarken adäquaten DH so weit wie möglich über die schuleigene Zucht gedeckt werden muss. Die verzugslose Regeneration ausscheidender Diensthundeteams ist von besonderer Bedeutung und kann nur durch die Bereitstellung geeignet veranlagter und ausreichend vorausgebildeter DH gewährleistet werden. Die Auswahl der Elterntiere erfolgt durch die Zuchtkommission der SDstHundeBw. Die Zucht an der SDstHundeBw erfolgt mit gesunden Elterntieren der Gebrauchshunderassen Malinois und Deutscher Schäferhund über die Zuchtverbände Deutscher Malinois Club (DMC) und Schäferhunde Verein (SV). Mit Hilfe dieser Zuchtverbände kann sichergestellt werden, dass ausreichend Informationen über die genetischen Veranlagungen gesundheitlicher und leistungsbezogener Parameter der Elterntiere vorliegen. Die Gesundheits- und Leistungsparameter der eigenen Nachzucht werden regelmäßig kontrolliert und dokumentiert, wodurch auf Grundlage der erhobenen Daten und auf Basis der neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnisse gewährleistet werden kann, dass die Zuchtstandards auch den aktuellsten Anforderungen der Bedarfsträger an Spezialdiensthunden entspricht.
Der Bereich Zucht und Aufzucht umfasst die Zeit von der Auswahl geeigneter Elterntiere bis zur Einsteuerung der Junghunde in die lehrgangsgebundene Ausbildung im Alter von frühestens 12 Monaten. Zuchtziel ist es, durchschnittlich 75–80 % der lebend geworfenen Welpen als spezialdiensthundtauglich bewerten zu können.
Bezüglich der eigenen Zucht ist die DH-Klinik insbesondere verantwortlich für die Überprüfung der genetischen Veranlagungen der Elterntiere insbesondere der Überprüfung auf rassespezifische Erbkrankheiten. Die veterinärmedizinisch relevanten Befunde werden sowohl bei der Elterngeneration als auch bei den Nachzuchten erfasst und dokumentiert. Die Nachfolgegeneration durchläuft, zur Beurteilung des Entwicklungsstandes und der gesundheitlichen Eignung als zukünftiger Diensthund, sowohl mit sechs als auch mit zwölf Monaten einen umfassenden Röntgencheck und Blutuntersuchungen zur Erkennung von genetischen Prädispositionen. Zur Erzielung einer ausreichend breiten Zuchtbasis und damit verbundener leistungsstarker Zuchtergebnisse, zur Auffrischung von Blutlinien und zur Vermeidung von Inzuchtschäden ist die Zucht mit Zuchttieren ziviler Züchter und aus anderen Diensthundehaltungen im In- und Ausland zwingend notwendig und wünschenswert.
Die Zuchthündinnen der SDstHundeBw sind, durch Ankauf oder eigene Nachzucht, ausgewählte DH der Bundeswehr. Die Betreuung der Zuchthündin und ihrer Welpen in der Zuchtstation endet nach Beendigung der achten Lebenswoche der Welpen mit der Übergabe an die Aufzucht. Vom Tag der Geburt bis zum Absetzten mit acht Wochen findet bereits, durch einen speziell entwickelten Ausbildungsplan, eine Förderung der sensorischen und motorischen Fähigkeiten statt.
Die Aufzucht der Junghunde umfasst den Zeitraum von der Trennung der Welpen vom Muttertier bis zur Einsteuerung in die lehrgangsgebundene Ausbildung an der SDstHundBw im Alter von frühestens 12 Monaten. Diese Aufzuchtphase bildet bereits eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung späterer Ausbildungsziele. Zum Erreichen der geforderten Abholpunkte werden im Alter von acht und 12 Monaten Leistungssichtungen der Junghunde, im Hinblick auf die vorgesehene Verwendung und im Sinne einer Nachkommenprüfung, durchgeführt. Ziel der Aufzucht ist es, eine für jeden Diensthundetyp optimale Vorbereitung auf die lehrgangsgebundene Ausbildung zu gewährleisten, um so eine wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung der individuellen Lehrgangsziele zu schaffen.
Fazit und Ausblick
Von den auf dem nationalen und internationalen Markt angekauften DH werden, nach erster positiver kynologischer Ankaufssichtung, im Rahmen der folgenden Leistungsüberprüfung und insbesondere nach durchgeführter veterinärmedizinischer Untersuchung durchschnittlich nur ca. 20 % der vorgestellten Hunde als geeignet bewertet und im Nachgang angekauft.
Die häufig unbekannte Historie der angekauften DH hinsichtlich Vorausbildung, Ausbildungsstand, Aufzucht, Gewöhnung an Umweltreize, Vorerkrankungen und genetische Prädispositionen der Elterntiere birgt die Gefahr von versteckten Mängeln, welche teilweise erst im Zuge der lehrgangsgebundenen Ausbildung sichtbar werden. Aufgrund einer Divergenz zwischen den für den Dienst notwendigen Leistungs- und Gesundheitskriterien und der Qualitätsentwicklung auf dem europäischen Markt, lässt sich die Remontierung der Diensthunde unserer Streitkräfte nicht vollumfänglich durch den Ankauf decken.
Bezüglich der Zucht von DH kann aufbauend auf dem komplexen und ausgereiften Gerüst einer streng kontrollierten eigenen Zuchtlinie an der SDstHundeBw eine Qualitätssicherung auf höchstem Niveau gewährleistet werden.
Grundlegende Bausteine zur Remontierung von gesunden und leistungsstarken DH wie beispielswiese eine gezielte Frühförderung in Zucht und Aufzucht, die Vorausbildung der Welpen und Junghunde durch fachkundiges Personal, ein vergleichbarer Ausbildungsstand aller zuchteigenen DH bei Einsteuerung in die entsprechenden Lehrgänge, höchste Transparenz in Bezug auf Leistungs- und Gesundheitskriterien der Elterntiere durch eine gezielte Auswahl von Deckrüden in den Zuchtverbänden DMC und SV und letztendlich die Sicherstellung einer optimalen veterinärmedizinischen Versorgung von Geburt an, führen dazu den hohen Qualitätsstandard an Spezialdiensthunden zu erfüllen.
Die diametrale Entwicklung zwischen den für den Dienst erforderlichen Leistungs- und Gesundheitskriterien potenzieller DH und der Qualität der auf dem europäischen Markt angebotenen Tiere ist das ausschlaggebende Kriterium für die Notwendigkeit einer Intensivierung der eigenen Zucht an DH für die deutschen Streitkräfte. Der verstärkte Ausbau der Zucht an der SDstHundeBw ist somit unabdingbar und bietet die Möglichkeit psychisch und physisch gesunde sowie leistungsfähige DH zu produzieren und nach eigenen hohen Maßstäben gezielt im Hinblick auf deren spätere Verwendung vorauszubilden. Ziel muss es sein, den jährlichen Remontierungsbedarf von 57 DH, unabhängig von externen Anbietern, durch die bundeswehreigene Zucht decken zu können und somit die Einsatzbereitschaft von DHT der deutschen Streitkräfte sicherzustellen.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2023
Oberfeldveterinär Dr. T. C. Koch
Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr
Gräfin-von-Maltzan-Kaserne
Hochstraße, 56766 Ulmen
E-Mail: TessaKoch@bundeswehr.org