Ohne Kompromiss: EADS Mobile Systems
Höchste Anforderung an Mobilität, Schutz, Autarkie
In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich der Sanitätsdienst der Bundewehr rasant weiter. Nach den Phasen der Neuorganisation schließt sich die Transformation an – ein immer währender Prozess. Die völlig neuen Anforderungen mit denen der deutsche Sanitätsdienst konfrontiert wird, wie beispielsweise die völlig veränderten Bedrohungsszenarien, die zunehmende Beteiligung an Friedenseinsätzen bei Konflikten im Ausland oder die immer steigenden Einsätze im Katastrophenschutz, beeinflussen mehr als je zuvor auch die Ausstattung des Sanitätsdienstes insbesondere im Einsatz. Die modularen Sanitätseinrichtungen (MSE) der Bundeswehr sind weltweit zum Maßstab für die medizinische Versorgung von Soldaten, sowie der Bevölkerung bei Auslandseinsätzen geworden. WM sprach mit dem Generalunternehmer, dem Bereich Mobile Systeme der EADS Defence & Security und fragte: Wo stehen wir heute, wo geht es hin in der Zukunft?
WM: Nicht selten wird in Vorträgen und Fachbeiträgen gesagt: Der deutsche Sanitätsdienst ist im Ausland ein hervorragender Botschafter. Ärzte der jeweils beteiligten unterschiedlichsten Nationen, die in multinationalen Einsätzen Bekanntschaft mit dem deutschen System gemacht haben, äußern sich lobend. Herr Bauer, liegt dies an der besonderen materiellen Ausstattung, mit der der deutsche Sanitätsdienst versorgt ist?
Herr Bauer: Sie haben zwar nicht unrecht, aber in allererster Linie – und ich betone: weit vor allen anderen Dingen, die aufgeführt werden können – liegt der Grund in der außerordentlich guten Arbeit, die vom deutschen Sanitätsdienst in den Auslandseinsätzen geleistet wird. Dies betrifft Ärzte und Apotheker, aber auch das ganze übrige Sanitätspersonal sowie die unterstützenden Kräfte. Es ist die Leistung und Performance des deutschen Sanitätsdienstes, welche automatisch dann auch die technischen Systeme, die medizintechnischen Produkte in ein positives Licht stellt. Wir unsererseits als EADS – und ich glaube, ich kann hier auch für die ganze Medizintechnikindustrie sprechen – sind stolz darauf, mit unseren Systemen und Geräten zu dieser außerordentlich guten Arbeit beitragen zu können. Wir sind aber auch selbstbewusst genug zu wissen und zu sagen, dass auch wir als Unternehmen mit unseren Forschern, mit unseren Ingenieuren und Mitarbeiterinnern sowie Mitarbeitern unseren Beitrag leisten, damit möglichst ideale Voraussetzungen für die Arbeit des Sanitätsdienstes gegeben sind. Beides zusammen, Sanitätsdienst und Ausstattung, bilden ein Ganzes. Ich schätze diese Symbiose und weiß, dass sich auf dieser Basis auch eine internationale Sichtweise herausbildet, die idealer Weise zu größeren Stückzahlen führt, also auch dadurch wiederum die Kostenstruktur günstig beeinflussen kann.
WM: Wo werden denn Ihre mobilen Systeme heute schon überall eingesetzt?
Herr Bauer: Unser größter Einsatzbereich ist natürlich beim deutschen Sanitätsdienst, den wir inzwischen mit über 400 medizinischen Containern ausgestattet haben. Der Bedarf ist groß. Deutschland ist, wie wir alle wissen, an vielen multinationalen Einsätzen beteiligt, besonders stark in Afghanistan. Allerdings können wir inzwischen auch andere NATO-Länder zu unseren Kunden zählen. Auch Nationen, wie beispielsweise die UAE, konnten wir bereits mit einem mobilen Hospital ausstatten. Unser besonderes Augenmerk legen wir seit einigen Jahren im Speziellen auf den US-Markt. Das von uns entwickelte FMSS-Konzept (Future Medical Shelter Systems) ist aus unserer Sicht – und wie wir bereits von unseren US-amerikanischen Gesprächspartnern gehört haben – optimal, um es in den verschiedenen Organisationsformen der Sanitätsdienste der amerikanischen Streitkräften einzusetzen.
Allerdings muss das Grundsystem jeweils auf die einzelnen, speziellen Anforderungen der Nationen zugeschnitten sein. In den USA haben wir beispielsweise eine eigene Firma gegründet, die sich neben den medizinischen Lösungen für den Sanitätsdienst, mit mobilen Systemlösungen im Speziellen für den US-Markt befasst.
Ganz generell freuen wir uns über das mehrfach konkret geäußerte Interesse an unseren modularen Systemen aus verschiedenen Teilen der Welt. Wir zeigen darüber hinaus international viel Präsenz, wie z.B. bei den großen CIMM-Veranstaltungen im letzten Jahr in Tunis und im Oktober nächsten Jahres in Malaysia, wie auch bei den Asia Pacific Congress- Veranstaltungen in Singapur im April dieses Jahres und im Frühjahr 2009 in Seoul und zu vielen anderen Anlässen.
Doch neben den internationalen Friedenseinsätzen, dürfen die zivil-militärischen Einsätze nicht außer Acht gelassen werden. Ein besonderes Beispiel können wir derzeit in Deutschland betrachten. javascript:zeigeBild(3) Im Moment sind einige mobile OP-Container der Bundeswehr auch in Konstanz am Bodensee im Einsatz, um die medizinische Versorgung sicherzustellen, bis der dortige OP-Bereich eines zivilen Krankenhauses, der Opfer eines Brandes war, wieder vollständig einsatzbereit ist.
WM: Die mobilen Hospitäler sind natürlich im Sanitätsdienst bekannt. Man weiß aber auch, dass EADS insgesamt für viel mehr steht. Man kennt den Airbus, oder vielleicht Satellitenaufnahmen oder die Wettervorhersage die von einem der EADS-Astrium-Satelliten stammen. Diese sind alles Aktivitäten und Produkte aus der EADS-Gruppe.
Herr Bauer: Das ist richtig. Unser Bereich Mobile Systems gehört zu einer der drei großen Säulen des EADS-Konzerns. Diese drei Säulen heißen Raumfahrt, Luftfahrt und Defense Systems. Wir gehören zur letzteren ...
WM: ... sind aber offensichtlich gleichwohl eingebettet in das Netzwerk des Gesamtkonzerns ...
Herr Bauer: ... und ausgestattet mit allen Vorteilen, die es hat, zu einem solchen Hightech-Konzern zu gehören. Wir profitieren natürlich in unserem Bereich von der Entwicklung auf allen unterschiedlichen technischen Bereichen und von der großen Erfahrung, die wir im Konzern haben als Systemanbieter.
WM: Wie viele Mitarbeiter hat der EADS-Konzern?
Herr Bauer: Etwa 117.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von rund 40 Mrd. Euro. Dabei ist es gut feststellen zu können, dass die Bereiche in einem großen Konzern wie der EADS selbstverständlich von Synergieeffekten untereinander stark profitieren. Der Unternehmensbereich Defense und Security widmet sich im Prinzip allen sicherheitsrelevanten Fragen, beginnend von der Border Control, Konzepten im Homeland Security-Bereich, natürlich auch für alle großen Unternehmen, über das klassische Verteidigungsgeschäft mit Produkten für die Landesverteidigung bis hin zu weiteren Governmental-Aufgaben, sofern sie mit dem Bereich Sicherheit und Schutz befasst sind.
WM: Wie kam es überhaupt dazu, dass sich Ihr Bereich innerhalb der EADS um dieses modulare Konzept zu kümmern begann und daraus ein erfolgreiches Programm entwickelte?
Herr Bauer: Zunächst einmal sehen wir, als Bereich der Mobilen Systeme, uns innerhalb des Defence & Security Bereiches als Anbieter für Systemlösungen. Wir befassen uns als Bereich Mobile Systems mit Aufgabenstellungen zum Betrieb, Schutz und der Mobilität von sehr komplexen Infrastrukturen. Dahinter verbirgt sich eine sehr anspruchsvolle Systemaufgabe, die weit über das hinausgeht, was man als Know-how mitbringen muss, um eine einzelne Produktlösung anbieten zu können. Der Ursprung von Mobile Systems liegt bereits in dem 70er Jahren. Durch die oben bereits angesprochene Kooperation im Defense und Security-Sektor kam es zu Aufträgen und Entwicklungen für den militärischen Bereich und zur Zusammenarbeit mit der deutschen Bundeswehr. Einer dieser damaligen Aufträge war die Entwicklung und Produktion einer speziellen Fernmeldekabine. Diese Kabine wurde bereits in den 70er Jahren nach dem Ansatz eines mobilen Systems entwickelt und brachte uns damals sehr viel Lob ein. Aufgrund dieser positiven Erfahrung war die Idee des Systemansatzes geboren und wir können dies somit als die Geburtsstunde von Mobile Systems betrachten.
WM: Die Entwicklung einer Verwundetenversorgung auch in einem mobilen Containersystem war somit ein logischer weiterer Schritt?
Herr Bauer: Durchaus, aber hier kam natürlich dazu, dass sich die Situation insgesamt änderte: Klassische Kriege mit ihren gestaffelten Verteidigungssystemen unter Einbeziehung der nationalen Hospitalinfrastruktur sind heute abgelöst worden durch ganz neue Bedrohungsarten. Konventionelle kriegerische Auseinandersetzungen, wie wir sie noch im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, sind heute in dieser Form kaum mehr vorstellbar. Stattdessen haben die Streitkräfte heute mit Bedrohungen zu kämpfen wie asymmetrischer Kriegsführung, Bürgerkriegen, oder Terroranschlägen. Ebenso nimmt die Zahl der Katastrophen wie Tsunamis, Erdbeben, Hurricanes, Staudammbrüche oder Flugzeugabstürze drastisch zu. Epidemien und Pandemien rufen heute nicht nur ein globales Interesse hervor, sondern sind oftmals auch von globaler Bedeutung – und werden, um nun wieder zurückzukommen auf unseren Produktbereich, umso wirkungsvoller begegnet, wenn wir die entsprechenden Produkte und Systeme entwickeln und vorhalten.
WM: Sie bieten Lösungen für diese unterschiedlichen Kriegs- und Katastrophenfälle an, um die Versorgung der Verwundeten bestmöglichst zu garantieren. Dabei machen Sie die Verwundetenversorgung mobil, um sie soweit es geht auch an die Einsatzgebiete heranzuführen.
Herr Bauer: Ein militärischer - oder katastrophenbedingter Einsatz ist umso wirkungsvoller, je schneller und problemloser er erfolgen kann. Das heißt, wichtig ist ein hoher Mobilitätsgrad, und das wiederum bedeutet luftverlastbare Gerätschaften, die ein schnelles Transportieren, Verlegen und in Betrieb nehmen sicherstellen. Dies gilt insbesondere auch für die medizinische Versorgung. Je schneller wir vor Ort und betriebsbereit sind, desto schneller kann Menschen geholfen werden. Wir sehen die hohe Mobilität als Antwort auf die Anforderungen der Zukunft. Wir nennen dies First Responder Capability. Ob bei Großunfällen oder Naturkatastrophen, bei Terroranschlägen oder Umweltkatastrophen leichte, hochmobile und luftverladbare Systeme sind die Lösungen von morgen. Im militärischen Einsatz müssen die Produkte natürlich erst recht hochmobil, leicht und luftverbringbar sein. Wir brauchen hier eine Remain Overnight Capability. Wenn z.B. nach den Erkundungskommandos Truppen nachgeführt werden und sich eine längere Stehzeit ergibt, dann brauchen wir einen Mix zwischen Hochmobilität einerseits und quasi schon robuster Containerisierung. Hierfür haben wir über die bekannten Container hinaus inzwischen neue Produkte entwickelt wie den Tentainer® und den ISO-Tentainer.®
WM: Wieder zurück zu Zelten?
Herr Bauer: Das sind natürlich keine Zelte im herkömmlichen Sinne. Der Tentainer® als Symbiose aus Zelt, „Tent“ und Container verbindet die Vorteile eines leichten, schnell aufstellbaren Zeltes mit dem robusten Unterbau eines Containers. Diese Entwicklung bedeutet einerseits eine Weiterentwicklung der Mobilität und entspricht gleichzeitig unserem Denken in Systemen, dass wir zunächst einmal modulare Lösungen anbieten mit den eben geschilderten Eigenschaften wie leichter Verlegbarkeit etc. Völlig situationsangepasst können die Lösungen von mobilen Krankenhäusern im Vollcontainersystem bis hin zu reinen Tentainer®-Lösungen gehen. Es gibt sicherlich ebenso auch Situationen, in denen gemischte Systeme von Vorteil sind.
WM: Welches sind denn die Hauptunterschiede der verschiedenen Systeme, ihre Vorund Nachteile?
Herr Bauer: Vorausgesetzt, Sie haben die Zeit und die Möglichkeit einer hohen Vorintegration am Boden, bietet der vollcontainerisierte Einsatz natürlich den Vorteil besonderer Stabilität und Zuverlässigkeit. Viele Faktoren können hier am elegantesten berücksichtigt werden, wie klimatische, logistische und ablauforganisatorische Aufgaben. Ein Vollcontainer- Einsatz hat darüber hinaus eine hohe Schutztechnologie, auch im ABC-Bereich, ist viel wetterbeständiger, hat ballistischen Schutz und eine gut geregelte Stromversorgung. Je robuster und durchhaltefähiger ein solches System ist, desto schwerer und großvolumiger ist es auf der anderen Seite natürlich. Bei kurzfristigen und schnellen Einsätzen zählen Gewicht, Volumen und die Verbringung und Absetzbarkeit, darauf haben wir oben schon hingewiesen. Hier müssen andere Module generiert werden. Das kann man dann entweder auf Zeltbasis tun oder eben in einer Mischform. Die Vorteile des Tentainer sind die schnelle Aufbauzeit, sowie ein hoher Vorintegrationsgrad. Durch seine enorme Volumenoptimierung beim Transportmaß und dem dadurch geringen Gewicht, hat der Tentainer den Vorteil der leichten Luftverlastbarkeit. Er kann einerseits per Helikopter CH53, NH90 oder dem neuen Transportflugzeug aus der EADS Familie, dem A400M, transportiert werden, andererseits ist es ebenso möglich den Tentainer aus der Luft abzusetzen. Dadurch eignet sich das Tentainer-System beispielsweise besonders für sogenannte „Initial Entry Operations“, also für Ersteinsätze, bei dem bisher keinerlei Infrastruktur vorhanden ist.
WM: Als Systementwickler und Anbieter sind Sie in der Zukunft natürlich ganz extrem auf den engen Dialog mit den Nutzern angewiesen, also mit unserem deutschen, überhaupt mit den Sanitätsdiensten.
Herr Bauer: Völlig richtig. Das sehe ich genauso. Das geht auch gar nicht anders. Wir gehen vom Katastrophen- bzw. Kriegsszenario aus und versuchen uns vorzustellen, was sich als Fragestellung und Anforderung daraus für uns ableitet. Allerdings wäre das ohne den ständigen Dialog und Erfahrungsaustausch mit dem Endusern im Einsatz nicht möglich. Ein gutes Beispiel ist hier die Entwicklung unseres containerisierten gepanzerten Container-Personen- Systems, dem TransProtec®. Dies ist kein Kampfpanzer, sondern es geht darum, Personen möglichst sicher von A nach B zu verbringen. Wir können 18 Personen transportieren und haben alle sowohl ökonomischen als auch ergonomischen und schutztechnischen Fragestellungen optimal gelöst. Es gibt auf der ganzen Welt aus unserer Sicht zur Zeit kein vergleichbares Transportsystem auf diesem Schutzniveau als den TransProtec®.
WM: Damit auch eine klare Antwort auf die asymmetrische Kriegsführung?
Herr Bauer: Unbedingt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass man das System den TransProtec ® natürlich auch einsetzen kann, um Verletzte bis hin zu Schwerverletzten mit ärztlich-medizinischer Notversorgung zu transportieren. Eine derartige Konfiguration ist derzeit in Entwicklung.
WM: Der Grundgedanke der Mobilität wird also immer mehr weiterentwickelt?
Herr Bauer: Genau. Ein Themenbereich, mit dem wir uns in den letzten Jahren beispielsweise verstärkt beschäftigen, ist die VIRTOPSY. Hier handelt es sich um einen Quantensprung in der Fähigkeit der Identifikation von Katastrophenopfern respektive von Opfern kriegerischen Handlungen. Mit Virtopsy sind wir durch moderne Bildgebung und Oberflächenscanning sowie der Fotogammetrie letztlich in der Lage, ein Unfallopfer nachhaltig zu digitalisieren und damit die Daten des Opfers zu speichern. Damit steigt die Qualität der Identifikation. Es steigt die Qualität einer forensischen Diagnostik und letztlich eines Befundes und eines Gutachtens. Wir können natürlich auch – und das ist die ganz große neue Idee – aus den Unfalldaten bzw. Todesursachdaten den Hergang so rekonstruieren, dass letztlich daraus wieder Erkenntnisse gewonnen werden können über die Schutzsysteme, die wir den Soldaten an die Hand geben. Durch Virtopsy können wir erkennen, ob das Opfer durch Sekundärwirkungen wie z.B. Splitter oder durch sonstige Geschosse getötet wurde. Daraus können Schlüsse über Schwachstellen der Systeme gezogen werden, was wiederum zur Verbesserung der Schutzsysteme führt., indem diese Schwachstellen identifiziert und reduziert werden..
WM: Und was an der VIRTOPSY steuert Ihr Konzern bei?
Herr Bauer: Das medizingerätetechnische Element der Computertomographie kommt natürlich von unseren Partnern. Die Fähigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnis der Pathologie verbinden wir mit der radiologischen Fakultät der Bildgebung und damit der Auswertung der Fotogammetrie. Dieses Element kommt aus der wissenschaftlichen Universität Bern unter Führung von Prof. Dirnhofer. Unser Part wiederum ist es, daraus weltweit einsetzbare, autarke mobile Systeme zu erstellen, so dass diese neue Medizintechnologie so verpackt, integriert und zusammengestellt werden kann, dass ein solches System auch in den größten, schwierigsten klimatischen und geländebedingten Umständen jederzeit eingesetzt werden kann.
WM: Wo ist dieses System bereits eingesetzt?
Herr Bauer: Die Virtopsy Technologie ist eine Weiterentwicklung der CT Technologie. Der mobile CT ist bereits entwickelt und eingeführt, er ist hoch nachgefragt, sowohl bei der deutschen Bundeswehr als auch bei weiteren NATO-Nationen, insbesondere beim französischen Sanitätsdienst. Wir erarbeiten derzeit ein so genanntes Upgrade-Kit technologischer Art, wo wir jederzeit die bereits ausgelieferten Computertomographen durch minimale technische Veränderungen mit dieser Mechanerie und den technologischen Ausprägungen ergänzen können, damit VIRTOPSY jederzeit möglich ist. Ganz konkret ist z.B. auch das Internationale Rote Kreuz an uns herangetreten und hat nachgefragt, ob wir sehr schnell ein solches System bereitstellen können für die Diagnostik und beim Einsatz in Katastrophenfällen. Ebenfalls sind wir derzeit mit den Amerikanern im Gespräch.
WM: Sie betonen Ihren Vorteil als Systemanbieter und haben in unserem Vorgespräch zu diesem Interview auf moderne Bereitstellungsmöglichkeiten, auf Service, auf neue Konzepte verwiesen.
Herr Bauer: Das Thema VIRTOPSY ist ein Paradebeispiel, wie wir sehr schnell eine Servicefunktion übernehmen können, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich. Wir sind beispielsweise in der Lage Betreibermodelle zu entwickeln, in dem wir die VIRTOPSYSysteme zivil containerisiert oder in LKWs integriert zur Verfügung stellen. So könnten unterschiedliche pathologisch-forensische Abteilungen die Virtopsy nutzten, ohne das sich jeder einzelne Pathologe oder jedes einzelne Institut ein Gesamtsystem anschaffen müsste. Einsetzbar ist diese Art von Betreibermodell vom Not- bzw. Katastrophenfall bis hin zu zivilen Einsätzen. Die VIRTOPSY als Betreibermodell wird hier als Servicefähigkeit ebenfalls im, gerichtsmedizinischen bzw. pathologischen Sinne eine interessante Möglichkeit sein. Was den militärischen Ansatz anbetrifft, so kann ich mir durchaus eine gemeinschaftliche Beschaffung des Virtopsy Betreibermodells auf NATO-Ebene für die Einsatzländer vorstellen. Und wenn Sie Service und Beratung ansprechen, so können wir hier ebenfalls die passende Antwort geben. Wir sind in der Lage ein solches System jederzeit über Telewartung aus dem Inland heraus zu überwachen. Überhaupt erlangt, wie jeder weiß, die Telemedizin eine immer größere Bedeutung ...
WM: Hier hat die EADS ja auch insgesamt ein Potential, das mit eingebracht werden kann.
Herr Bauer: Richtig. Es gibt heute z.B. Betreibermodelle im Satellitenbereich, denken wir an das Skyland 5 der Engländer. Wir können mit EADS Services, jederzeit Datenstrecken für die gesamten, telemedizinischen Anwendungen als Betreiber zur Verfügung stellen. Was die Zukunft anbetrifft, so werden wir als renommiertes Unternehmen nicht zuschauen und warten, was passiert, sondern wir haben in der Vergangenheit schon immer eine aktive gestalterische Rolle übernommen und werden dies auch in Zukunft tun.
WM: Wollen Sie uns sagen, in welche Richtung Ihre Überlegungen gehen?
Herr Bauer: Die Tendenz der immer knapper werdender Ressourcen sowohl an Mensch als auch an Material, die Anforderung, oft möglichst gleichzeitig an vielen Orten zu sein, zwingt zu neuen Denkansätzen. Das Geschehen in der Welt geht immer weiter. Man kann sich wohl leider sicher sein, dass die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Bedrohungsformen immer größer werden. Die kleinen, aber vor allem auch die großen und künstlichen Katastrophen, die Bürgerkriege und Terrormaßnahmen werden aus heutiger Sicht kaum zu einem Ende kommen. Wir fühlen uns als EADS verbunden mit all denjenigen, die sich diesen Herausforderungen stellen müssen und wollen und wir fühlen uns verpflichtet diese Menschen durch unseren Beitrag bestmöglichst in Ihren Missionen und Einsätzen zu unterstützen. Wir bieten Lösungen an, die die Arbeit an den Betroffenen, also den Patienten, möglichst vereinfachen und vor allem immer weiter verbessern, und das auch in der Zukunft. Dazu gehört in Zukunft auch, dass wir wie oben bereits angesprochen ganze Paketlösungen im Sinne von Betreibermodellen anbieten. Im Katastrophenfall müssen sich die Hilfsorganisationen, aber auch die militärischen Einsatzkräfte mit ihren Experten vor Ort den wesentlichen Themen widmen können und sich nicht primär um die Infrastruktur und Systemfragen kümmern. Das ist unsere Aufgabe. Dies ist unser Ansatz und in diese Richtung denken wir.
WM: Bedeutet dies, dass Sie irgendwann in der Zukunft ganze Feldhospitäler vorhalten und dort, wo sie für einen Einsatz benötigt werden, zur Verfügung stellen, dann inklusive der dahinterstehenden Logistik und der vorhin besprochenen Telemedizin usw.?
Herr Bauer: Das ist in der Tat genau die Richtung, die ich meine. Daran muss man noch sehr lange arbeiten und es müssen sich sehr viele Experten mit dem Thema befassen. Für den zivilen Einsatz ist dies im Moment sogar relativ unkompliziert vorstellbar: Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, nehmen wir als Beispiel den Tsunami als Naturkatastrophe, so könnten wir der UNO vielleicht in Zukunft nach festen Rahmenverträgen feste vorgehaltene Systeme, ganze Feldhospitäler bis hin zum Personal anbieten und schnell zum Einsatz bringen. Im militärischen Einsatz ist das nicht so einfach. Hier gibt es viele noch ungeklärte Fragen. Ich nenne als Beispiel nur den Kombattantenstatus. Aber es lohnt sich definitiv, dieses Thema mit den Sanitätsdiensten der Welt zu besprechen, da es für alles eine Lösung geben kann, wenn man sich den dahinterstehenden Vorteilen bewusst ist. Diese zeigen sich übrigens auch ganz stark im Kostenbereich. Stellen Sie sich beispielsweise vor, verschiedene NATO-Länder teilen sich mobile Systemlösungen und rufen sie dann ab, wenn sie benötigt werden. In diesem Fall können sich die Nationen voll auf den Einsatz der benötigten Experten konzentrieren, weil das System bereits vorgehalten vorhanden ist.
WM: Welche Wünsche haben Sie in diesem Zusammenhang an die Sanitätsdienste und hier in diesem Fall natürlich insbesondere an ihren deutschen Partner?
Herr Bauer: Ich habe eingangs schon erwähnt, dass wir nicht anders können als die Zusammenarbeit mit allen betroffenen Bereichen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ausdrücklich zu loben. Vieles wird ständig gemeinsam vorangebracht und weiterentwickelt, darüber sind wir sehr froh, und so erhoffe ich mir das auch für die Zukunft als Grundlage für die Zusammenarbeit. Vielleicht sollte man noch mehr dazu kommen, bei der Beschaffung nicht nur die Beschaffungskosten zu sehen, sondern die Kosten im Verlaufe des gesamten Zyklus eines Systems. Vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, dies in Zukunft haushalterisch abzuwickeln. Um gute Rahmenbedingungen für die betroffenen Soldaten in Bezug auf Schutz und Mobilität zu erreichen, bedarf es eines ganzheitlichen Blicks, wozu auch eine ganzheitliche Kostenstruktur gehört. Darauf die richtigen Antworten zu finden, bedeutet für uns ebenfalls eine Schlüsselaufgabe für die Zukunft.
WM: Und was die Weiterentwicklung der Produkte selbst anbetrifft?
Herr Bauer: Zu Ihrer diesbezüglichen Frage habe ich vorhin schon angemerkt, dass wir die Grundidee auf der Basis von Mobilität und Schutz in Zusammenhang mit Containerisierung in immer mehr Anwendungsbereichen erfolgreich betreiben – eben in der Partnerschaft mit dem deutschen Sanitätsdienst, aber auch im internationalen Rahmen. Daneben geht natürlich die Forschung und Entwicklung weiter, selbstverständlich an den medizintechnischen Geräten, ebenso auch bei den Materialien. Als Beispiele seien hier nur genannt neue Zeltstoffarten mit verbesserten Isolationswerten für den Tentainer ®, neuer Panzerschutz mit spezielle Werkstoffen oder neue Klimalösungen. Eine zentrale Herausforderung der Zukunft wird es ebenfalls sein, wie wir mit möglichst wenig Energieeinsatz die Geräte und Systeme betreiben können. An dieser Lösung arbeiten wir derzeit ganz gezielt. Mit unserer Produktfamilie TRANSENERGOS® – einem speziell entwickelten Energieversorgungs- und Klimakonzept – arbeiten wir ständig an der Optimierung von Verbrauchs- und Betriebskosten aller unserer Systeme. So, dass wir in jeglicher Hinsicht auf die zukünftigen Anforderungen vorbereitet sind. Wir freuen uns darauf.
WM: Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.
Datum: 01.12.2008
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2008/4