60 Jahre Auslandseinsätze des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Wie kaum ein anderer Bereich der deutschen Streitkräfte blickt der Sanitätsdienst der Bundeswehr auf eine lange Einsatzgeschichte zurück, die bis in das Jahr 1960 reicht. In den ersten Jahrzehnten war das Einsatzgeschehen noch von humanitären Gesichtspunkten dominiert, wie beim Einsatz des Sanitätsbataillons 5 nach dem Erdbeben in Marokko im März 1960.
1991 begann mit der UN-Mission in Kambodscha die Phase der Beteiligung der Bundeswehr an Peacekeeping-Operationen. Der Einsatz war eine große Bewährung für die Teilnehmer und stellte den Höhe- und Schlusspunkt dieser um die Zeitenwende 1990 erfolgten humanitären Einsätze dar. Bereits vor Ende des UNTAC Einsatzes hatte der erste große Landeinsatz der Bundeswehr, die UN-Peacekeeping Operation UNOSOM in Somalia begonnen. Der sanitätsdienstlichen Versorgung der Truppe diente ein von 120 Sanitätssoldaten betriebenes Feldlazarett. Dieses Engagement in Afrika endete im März 1994 mit dem maritimen Einsatz „Southern Cross“, mit dem das Kontingent durch deutsche Fregatten aus dem Hafen von Mogadischu zurückgeholt wurde. Zur gleichen Zeit begann auch die erste der klassischen Beobachtermissionen, der Einsatz UNOMIG in Georgien. An ihm nahmen ab März 1994 auch Angehörige des deutschen Sanitätsdienstes teil. Sie hatten die Aufgabe, die medizinische Versorgung der etwa 500 Missionsangehörigen aus mehr als 30 Nationen sicherzustellen.
Im Oktober 2001 fiel einer der Sanitätsoffiziere, Oberstabsarzt Dieter Eissing, beim Abschuss eines Helikopters im Kodori-Tal. Er war der erste Soldat des Sanitätsdienstes, der einem kriegerischen Ereignis zum Opfer fiel. Der Einsatz endete im Sommer 2009. Die bis heute anhaltende Phase der Beteiligung des Sanitätsdienstes an den Balkan-Missionen begann 1995 und war lange Zeit prägend für die Truppe: er fand erstmals auf multinationaler Ebene statt und ebenso wurde erstmals ein funktionierendes MEDEVAC System etabliert. Zudem stellte der Sanitätsdienst Leitverbände auf, die für die Generierung, Vorausbildung und Herstellung der Verlegebereitschaft des Personals verantwortlich zeichneten. Im Zuge des durch die USA seit dem September 2001 ausgerufenen Kampfes gegen den Terror engagiert sich die Bundeswehr seit 2002 auch in Afghanistan. Über diesen wohl wichtigsten, größten und auch verlustreichsten Einsatz gibt es über die Jahre unzählige schriftliche Zeugnisse, auch auf medizinischem Gebiet. Eine detaillierte Aufarbeitung auch der sanitätsdienstlichen Erfahrungen des bis heute anhaltenden Einsatzes steht aus.Die Verhältnisse am Hindukusch bedeuteten für den Sanitätsdienst größte Herausforderungen. Es galt für zahlreiche Verwundete eine Rettungskette und suffiziente (prä-)klinische Behandlungseinrichtungen einzurichten. Das Gleiche gilt für die Einsätze der Bundeswehr in Mali seit 2013. Zusammenfassend blickt der Sanitätsdienst der Bundeswehr auf zahlreiche erfolgreich absolvierte Einsätze in den vergangenen 60 Jahren zurück. Bei der Rückbetrachtung fällt auf, wie diversifiziert und unterschiedlich diese Missionen gewesen sind. Ob humanitäre Einsätze, Stabilisierungsoperationen oder sogar Kampfeinsätze, sie alle stellten große Herausforderungen für das Personal vor Ort dar.
Deutlich wird auch, welche großen Erfahrungen der Sanitätsdienst im Laufe der Zeit bei der Durchführung der Einsätze gewinnen konnte und welche besonderen Strukturen zur Unterstützung der Einsätze geschaffen worden sind. Nicht zuletzt sollten wir uns vergegenwärtigen, welche Bedeutung der Sanitätsdienst für die Durchführung und Sicherstellung der Einsätze inzwischen hat und wie selbstverständlich fachliche Forderungen in die Einsatzplanung und -durchführung eingeflossen sind.
Anschrift des Verfassers:
Flottenarzt Dr. Volker Hartmann
E-Mail: VolkerHartmann@Bundeswehr.org
Datum: 30.12.2019
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2019