Humane 3D-Lebersphäroide als Tierversuchsersatzmodelle: Herstellung, Lagerung und Untersuchungen zur Lebertoxizität
Gabriele Horn, Tamara Kranawetvogl, Harald John, Franz Worek, Timo Wille
Zusammenfassung
Hintergrund: Zur Minimierung von Tierversuchen in der Arzneimittelforschung werden aussagekräftige, humane Modelle benötigt. In dieser Studie wurde ein dreidimensionales Lebermodell unter besonderer Berücksichtigung von Herstellung, Lagerung und Bevorratung etabliert und die Fragestellung untersucht, ob die Anwendung des in Deutschland eingeführten Antidots Obidoxim bei Pestizidvergiftungen ein Risiko für die Ausbildung eines Leberschadens darstellt.
Methodik: Lebersphäroide wurden bei 4 °C in Zellkulturmedium und einer Gewebeprotektionslösung für bis zu 72 h gelagert und anschließend in einem Zellkulturmedium wiedererwärmt. Um eine potenzielle Leberschädigung zu untersuchen, wurden die Lebersphäroide gegenüber Oximen (HI-6, MMB-4, Pralidoxim (2-PAM), Obidoxim), Pestiziden (Malathion, Malaoxon) sowie einer Kombination aus Pestiziden und Obidoxim exponiert. Die metabolische Aktivität der Lebersphäroide und bekannte Leberschädigungsparameter wurden bestimmt. Diclofenac diente als positive, leberschädigende Kontrollsubstanz.
Ergebnisse: Die Kaltlagerungin Zellkulturmedium führte zu einem vollständigen Verlust der metabolischen Aktivität der Lebersphäroide. Die metabolische Aktivität der Lebersphäroide blieb nach Lagerung in der Gewebeprotektionslösung erhalten(93 ± 6 % nach 48 h, bzw. 86 ± 4 % nach 72 h). Die Lebertoxizität der einzelnen Oxime und Pestizide war gering, jedoch kam es nach Exposition gegenüber Malaoxon in Gegenwart von 1 000 µM Obidoxim für 72 h zu einer ausgeprägten Abnahme der metabolischen Aktivität und einer erhöhten Freisetzung des Leberschädigungsparameters AST.
Schlussfolgerung: Die Kaltlagerung von Lebersphäroiden bei 4 °C kann mit einer kommerziell verfügbaren Gewebeprotektionslösung stark verbessert werden. Die Lebertoxizität der getesteten Oxime ist bei klinisch relevanten Konzentrationen als vernachlässigbar anzusehen. Die vorliegenden Ergebnisse liefern keinen Hinweis darauf, dass Leberschäden unter fachgerechter Anwendung von Oximen bei Pestizidvergiftungen vermehrt auftreten. Lediglich die Verwendung von stark supratherapeutischen Oximkonzentrationen könnte zu einer Schädigung der Leber beitragen. Aus dieser Studie lassen sich keine entgegengesetzten Therapieempfehlungen für die bisherige Antidottherapie bei Organophosphatvergiftungen ableiten.
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Wehrmedizinische Monatsschrift 3/2023
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Prof. Dr. Timo Wille
Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr
Neuherbergstr. 11, 80937 München
E-Mail: timowille@bundeswehr.org