08.05.2017 •

    Ambulante und stationäre Infektiologie und Tropenmedizin im Inland und im Auslandseinsatz

    Aus der Abteilung I „Innere Medizin“ (Leiter: Oberstarzt Dr. U. Baumgarten) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin (Chefarzt: Admiralarzt Dr. K. Reuter)

    Das Bundeswehrkrankenhaus Berlin besitzt als Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Bundeswehr eine einheitliche Sektion für die Behandlung ambulanter und stationärer infektiologischer Patienten. Sie ist Anlauf-, Behandlungs- und Betreuungsstelle für ratsuchende Ärzte und Patienten sowohl aus dem zivilen, als auch aus dem militärischen Bereich. Aus diesem Grund wurde dem Leiter seitens der Ärztekammer Berlin die komplette Weiterbildungsermächtigung für Infektiologie erteilt.

    Aufgrund der zunehmenden Anzahl internationaler Bundeswehreinsätze in tropischen und subtropischen Regionen sowie der erheblichen Zunahme von touristischen Fernreisen und internationaler Migration ist die Sektion mit steigenden infektiologischen Patienten und Fragestellungen in diesen Bereichen konfrontiert. Daneben ist sie ebenso Ansprechpartner für infektiologische, tropenmedizinische und reisemedizinische Fragestellungen hinsichtlich Prävention, Behandlung und Nachsorge.

    Die Infektionsstation

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    Seit Oktober 2013 wird im Bundeswehrkrankenhaus Berlin eine Infektionsstation betrieben. Diese Station bietet die baulichen und technischen Voraussetzungen für die Unterbringung sowie Behandlung von Patienten mit Verdacht auf kontagiöse bzw. hochkontagiöse Erkrankungen wie z. B. Masern, Windpocken, Tuberkulose, Influenza, SARS, virale hämorrhagisches Fieber etc. (Sicherheitsstufe 2, 3 und höher) aber auch Dengue-Fieber, Typhus und Fieber unklaren Ursprungs und Malaria. Das gesamte medizinische Personal ist explizit für die Behandlung solcher Patienten ausgebildet. Es werden aber im regulären Betrieb Patienten mit sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern aus der Infektiologie und deren Symptomenkomplexe sowie anderen Bereichen der Inneren Medizin behandelt (akute/chronische Infektionen, STD, repatriierte Patienten). Hinsichtlich der Diagnostik und Differentialdiagnostik steht die Infektionsstation mit den ortsansässigen Ärztinnen und Ärzten der mikrobiologischen und immunologischen Labore der Abteilung I des ZInstSanBw Kiel (Außenstelle Berlin), sowie dem hauseigenen Labor, welches ebenfalls von Tropenmedizinern geleitet wird, im ständigen Dialog. Die Infektionsstation bietet dem medizinischen Personal die Möglichkeit geschult, professionell und angstfrei mit Patienten umzugehen, deren Krankheitsbilder in Deutschland selten vorkommen und deswegen oft im medizinischen Alltag Ängste und Unsicherheiten verbreiten. Dies könnte in der Konsequenz Ursache für Handlungsfehler sein. Mit der hier erworbenen Erfahrung und Kompetenz gelingt es dem Personal, später sowohl in der Truppe als auch im Auslandseinsatz kompetent und rational erkrankten Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung zu stehen und sie adäquat zu behandeln.

    Der Leitende Arzt der Sektion ist Mitglied des Berliner Kompetenzzentrums für hochkontagiöse lebensbedrohliche Krankheiten und gleichzeitig im „Ständigen Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche Erkrankungen“ (STAKOB). Unter seiner Verantwortung wird die Infektionsstation nach Inbetriebnahme ihrer Hochisoliereinheiten, eines der deutschlandweit acht Behandlungszentren sein, wo Patienten mit Erkrankungen wie Ebola, Krim-Kongo VHF oder Marburg-VHF behandelt werden können. Somit bekommt sie sowohl innerhalb der Bundeswehr, als auch regional, eine sehr spezielle Aufgabenstellung und große Bedeutung. Für eine korrekte und suffiziente Bewerkstelligung dieser Aufgabe steht das Ärzte- und Pflegeteam in enger Zusammenarbeit mit den anderen deutschen und europäischen Behandlungszentren, insbesondere der der Charité, der Universitätsklinik Frankfurt, der Seuchenbeauftragten im Senat Berlin, dem Robert Koch Institut und dem Bernhard-Nocht-Institut Hamburg. Anhand regelmäßig stattfindender Ausbildungsmaßnahmen wie die hauseigenen Barrier Nursing Kurse werden die Kolleginnen und Kollegen in regelmäßigen Abständen ausgebildet und in Übung gehalten. In diesem Zusammenhang war das Team der Sektion in Kooperation mit dem Fachbereich Tropenmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg sowie dem Deutschen Roten Kreuz im Rahmen der der Humanitären Hilfeleistung Westafrika sowohl als Ausbilder von Freiwilligen als auch als Einsatzkräfte vor Ort in Liberia beteiligt Dabei hat das Team an der Gestaltung und Ausführung der Hilfeleistung aktiv mitgewirkt. Auch spielte sie beim Aufbau der Task Force Ebola bei der EUTM in Mali eine mitgestaltende Rolle.

    Die infektiologische / tropenmedizinische Ambulanz

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    45-jährige Reiserückkehrerin aus Bali mit einem generalisierten Exanthem mit Fieber bis zu 39° C, Thrombozytopenie von 59.000/µl und positivem Dengue IgM im Schnelltest. Starkes Erythem am gesamten Körper mit einem typischen „Weißbleiben der Druckstellen“ und der sogenannten „White Island in a Red Sea“. (Fotos: T. Pulpanek, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
    Die Ambulanz der Sektion befindet sich in der internistischen Fachuntersuchungsstelle FU1. Die Aufgaben umfassen die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Infektions- und Tropenkrankheiten, Vermittlung und Auswertung von tropenmedizinischer Labordiagnostik und Konsiliartätigkeit für Kliniken und Ärzte in ganz Berlin sowie allen Truppenärzten im Inland und im Auslandseinsatz. Zudem stellt die Abteilung umfangreiche reisemedizinische Informationsdienste für Soldaten und die Allgemeinbevölkerung zur Verfügung.

    Hier werden reisemedizinische Beratungen, Impfungen einschl. Gelbfieberimpfung sowie Untersuchungen nach Tropenaufenthalt und Tropentauglichkeit angeboten (u.a. Arbeitsmedizinische Untersuchung G35) angeboten und durchgeführt.

    Soldatinnen und Soldaten mit chronischen Infektionen durch HIV, Hepatitis B und Hepatitis C wird eine vertrauensvolle Anlaufstelle angeboten. Da diese Patienten immer noch durch Vorurteile und Ängste im Umgang stigmatisiert sind, wird ihnen zwar auch die Möglichkeit geboten, in regionalen Schwerpunktpraxen betreut zu werden. In der Regel erfolgt allerdings die Betreuung durch uns vor Ort. Wir vermitteln ihnen auch die Sicherheit, dass sich ihre Infektion nicht auf die berufliche Perspektive bei der Bundeswehr auswirken muss und dass unsere medizinische Betreuung auf dem aktuellsten Wissensstand der Medizin beruht. Wir stehen ihnen für sämtliche medizinische und soziale sowie rechtliche Fragen ihres privaten und beruflichen Alltags bei der Bundeswehr zur Seite. Insbesondere unterstützen wir sie bei Fragestellungen hinsichtlich ihrer Pflichten und Rechte am Arbeitsplatz sowohl im Inland als auch im Auslandseinsatz.

    Die infektiologisch / tropenmedizinische Telefon-Hotline

    Seit mehr als zehn Jahren bietet das Bundeswehrkrankenhaus Berlin über den telefonischen infektiologischen Notdienst rund um die Uhr für sämtliche diesbezüglichen Fragestellungen Beratung an. Diese Hotline wird sowohl von Angehörigen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, von Zivilisten innerhalb Deutschlands, aber auch von Reisenden im Ausland gerne in Anspruch genommen.

    Infektion und Flucht

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    74-jähriger Patient mit einer Miliartuberkulose im Rahmen einer BCG-itis. Grundleiden war ein Blasenbodenkarzinom, bei dem eine BCG-Instillation in regelmäßigen Abständen beim ambulanten Urologen durchgeführt wurde. Bei dem neunten Zyklus entwickelte der Patient septische Temperaturen begleitet von neu aufgetretener starker Transaminasenerhöhung. Unter der dreifach-Therapie mit Isoniazid, Ethambutol und Rifampicin übder sechs Monate konnte die Komplikation der BCG-Therapie erfolgreich behandelt werden. Auch die Leberwerte normalisierten sich. (Fotos: Abteilung Radiologie im Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
    Die aktuelle Flüchtlingsbewegung stellt in vielerlei Hinsicht eine besondere Herausforderung dar, auch in Bezug auf die medizinische Versorgung von Flüchtlingen. Nach Tagen und Wochen der Flucht unter schwierigen hygienischen Bedingungen und unter häufig fehlender medizinischer Versorgung erreichen Flüchtlinge die sie aufnehmenden Lager in Deutschland. Die Ärztinnen und Ärzte des Bundeswehrkrankenhaus Berlin hatten die Gelegenheit, in enger Zusammenarbeit mit medizinischem Personal kommunaler und universitärer Kliniken Berlins, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), freiwilligen Kolleginnen und Kollegen sowie im Rahmen der Amtshilfe für das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF (ehem. LaGeSo) organisationsübergreifend Flüchtlinge zu behandeln. Erwachsene als auch Kinder mit akuten Erkrankungen, Infektionen, Verletzungen, aber auch bestehenden chronischen Krankheitsbildern wurden versorgt. Insbesondere hat hier die Infektions­station durch die unkomplizierte Aufnahme von Patientinnen und Patienten mit unklaren Krankheitsbildern, auch vor der Perspektive von Ausbruchsprävention in Massenunterkünften (z. B. schnelle Aufnahme von ganzen Familien mit an Influenza erkrankten Mitgliedern) mitgewirkt.

    Infektion und Armut

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    20-jährige Patientin aus Brandenburg mit Schmerzen im rechten Oberbauch. Die Bildgebung erbradhte das Bild einer alveolären Echinokokkose (Fuchsbandwurm). Bei der Patientin erfolgte eine Resektion der befallenen Leberlappen (Segmente Ivb und V). Sie steht unter einer zweijährigen Therapie mit Albendazol. Es erfolgen halbjährliche und später jährliche sonographische Kontrollen über insgesamt zehn Jahre. (Abb: Abteilung Radiologie im Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
    Alle Infektionskrankheiten, die auf dem Boden von Armut entstehen, sind vermeidbar und behandelbar. Armut stellt die Schnittmenge dar, an der sich Mangelernährung, schlechte Raumbelüftung, fehlende Hygiene und fehlende Gesundheitsaufklärung zusammenfinden. Laut WHO-Bericht zum Thema der armutsbezogenen Erkrankungen finden 45% der Erkrankungen in armen Ländern ihren Ursprung in der Armut selbst und sind damit vermeidbar. Die Infektionen, die am häufigsten in Zusammenhang mit Armut auftauchen sind die Tuberkulose, Malaria, HIV/AIDS, infektiöse Durchfallerkrankungen und pulmonale Infektionen. Diese Erkrankungen werden in deutschen Krankenhäusern eher sporadisch gesehen. Berlin ist andererseits eine der wenigen Großstädte Deutschlands, in denen Armut und Migration, hinsichtlich Infektionsprävalenz und -inzidenz, eine beträchtliche Zahl an infizierten Patienten hervorbringt. Die im Auslandseinsatz tätigen Ärzte und Pflegekräfte der Bundeswehr kommen dort über­durchschnittlich häufig mit gerade diesen Infektionen in Berührung. Die Infektionsstation im Bundeswehrkrankenhaus Berlin, als Anlaufstelle für Patienten mit o. g. Infektionen und Hintergrund, bietet dem Sanitätspersonal Gelegenheit, sich möglichst konzentriert mit den Themen Diagnostik, Therapie und Hygiene zu befassen, um später im Auslandseinsatz mit dieser Erfahrung handeln zu können.

    Antibiotic Stewardship (ABS)

    Antibiotic Stewardship beschäftigt sich mit dem verantwortungsbewussten „rationalen“, standardisierten und evidenzbasierten Einsatz antimikrobieller Substanzen in Therapie und Prophylaxe von bakteriellen Infektionskrankheiten beim Menschen. Ziel ist die Optimierung des Antibiotikagebrauchs, die Verbesserung des Behandlungsergebnisses, die Kosteneffizienz zu steigern und ungünstige Behandlungsfolgen einschließlich Resistenzentwicklung zu reduzieren. Ein wesentliches Element von ABS ist die Vermittlung konsiliarischer fachlicher Expertise in möglichst allen Einrichtungen des Bundeswehrkrankenhauses.

    Erreger-Resistenz-­Sta­tistiken werden regelmäßig erstellt und im Rahmen einer jährlichen Fortbildungsveranstaltung präsentiert. Auf der Grundlage na­tio­naler und internationaler Leitlinien wurde unter Berücksichtigung der lokalen Resistenz­situation und unter Einbeziehung aller stationären Behandlungsbereiche eine hausinterne Antibiotika-Leitlinie entwickelt, die nunmehr Grundlage der kalkulierten Initialtherapie von Infektionen ist. Dieses Dokument liegt in verschiedenen Druckversionen, u. a. in einem „Kitteltaschenformat“, für die allgemeine Nutzung vor und findet breite Anwendung.

    Tropenmedizin in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr

    Die Bereitstellung tropenmedizinischer Kompetenz ist auch in den verschiedenen Auslandeinsätzen der Bundeswehr (aktuell unter anderem Mali) zwingend erforderlich, auch wenn lageabhängig eine fachlich-tropenmedizinische Betreuung per Telemedizin erfolgen kann.

    Besonders die Differentialdiagnosen von typischen in den Tropen auftretenden Erkrankungen, gerade hinsichtlich unklaren Fiebers in Westafrika, tropischer Hauterkrankungen in der ganzen Welt und das Wissen um die lokale Resistenzlage bei der Therapie von Infektionen, können Leben retten oder andererseits Unsicherheiten vermeiden helfen. Das zügige Erkennen der Erkrankung trotz eingeschränkter apparativer und mikrobiologischer Diagnostik und die Einleitung einer gezielten Behandlung sowie die Einschätzung des Therapieverlaufs durch einen erfahrenen Infektiologen/Tropenmediziner können unnötige personal- und kostenintensive Repatriierungen vermeiden und Soldaten vor Ort einsatzbereit halten.

    Wenn die einheimische Bevölkerung durch Sanitätspersonal von Einsatzkräften, angestellten Zivilpersonen oder im Rahmen zivil-militärischer Zusammenarbeit (CIMIC) behandelt wird, ist nicht nur Wissen über ortsspezifische Erkrankungen hinsichtlich der Epidemiologie (jahreszeitabhängige Auftretenswahrscheinlichkeit, geographische Ausbreitung, betroffene Bevölkerungsgruppen etc.) erforderlich, sondern auch Erfahrungen mit typischen anderen Präsentationen der Erkrankungen. Es finden sich diverse infektiologische Erkrankungen auf farbiger Haut, die sich deutlich von den Erkrankungen in der europäischen oder westlichen Welt unterscheiden. Zudem werden Erfahrungen in der kulturspezifischen Anamneseerhebung benötigt. Eine Kompetenz, die das Erkennen typischer einheimischer Vorbehandlungen sowie kulturspezifische Krankheitsmodelle ermöglicht. Das Abwägen zwischen einer tropenmedizinischen Erkrankung und einer fortgeschrittenen, weil unbehandelten Erkrankung der westlichen Welt (wie Diabetes oder Blut­hochdruck), die auch zunehmend in ärmsten Ländern in den Tropen auftreten, ist ein wichtiges Arbeitsfeld für Tropenmediziner aus den Bundeswehrkrankenhäusern. Das spezifische Vorwissen eines Tropenmediziners kann auch unnötige chirurgische Wundreinigungen und Operationen vermeiden, denn durch Parasiten verursachte Hautläsionen, oft die sich wie Wunden anderer Ursache präsentieren, lassen sich medikamentös hinreichend behandeln.

    Ausblick

    Die aktuelle politische Entwicklung fordert den Sanitätsdienst der Bundeswehr international zunehmend. Der Focus der letzten Jahre lag vorwiegend auf der Einsatzchirurgie; die Einsatzszenarien haben sich aber entscheidend geändert. Die Einsätze in schwierigen Klimazonen, besonders der Einsatz im Ebola-Gebiet in Westafrika reflektieren dies in besonderer Weise. Die Tropenmedizin ist eine hochspezialisierte und anspruchsvolle Zusatzweiterbildung, die einerseits vielseitig und interessant ist und zudem unvergessliche Einblicke in andere Kontinente und Kulturen bietet. Die Ausbildung von kompetenten Tropenmedizinern bei der Bundeswehr sollte mit Nachdruck gefördert werden.

     

    Anschrift für die Verfasser:

    Oberfeldarzt Dr. med. Behruz Foroutan
    Facharzt für Innere Medizin
    Infektiologie und Tropenmedizin
    Bundeswehrkrankenhaus Berlin
    Scharnhorststraße 13
    10115 Berlin

    E-Mail: behruzforoutan@bundeswehr.org

     

    Datum: 08.05.2017

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2017/01

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