Forward Air MedEvac Gao
Persönliche Einsatzerfahrungen einer Ärztin im Rettungsdienst
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Hintergrund
Die Tätigkeit als Sanitätsstabsoffizier (SanStOffz) Arzt auf einem NH 90 Hubschrauber im Rahmen des Forward Air MedEvac in Gao/Mali ist für einen Assistenzarzt eine fordernde Verwendung, handelt es sich doch aktuell um den gefährlichsten Einsatz der Vereinten Nationen.Aufgabe der NH 90 MEDEVAC Besatzung ist es,
- die notfallmedizinische Erstversorgung am Unfall-/Anschlagsort,
- die Stabilisierung des/der Patienten und
- deren Verbringung zur höheren Versorgungebene für UN Soldaten und verbündete Truppenteile
sicherzustellen.
Das Team
Das medizinische Team besteht aus einem SanStOffArzt mit der Befähigung Rettungsmedizin sowie einem Rettungsassistenten/Notfallsanitäter. Im abgesessenen Einsatz am Boden werden diese beiden von zwei Feldjägern (mit der Zusatzqualifikation Luftsicherungsfeldwebel) als Nahsicherer begleitet. Die dort eingesetzten Ärztinnen und Ärzte mussten und müssen immer wieder mit MASCAL Situationen von teilweise schwerstverwundeten Soldaten/zivilen UN Angestellten umgehen. Neben der gegebenen eigenen Bedrohungslage stellen die klimatischen Umgebungsbedingungen sowie immer wieder auftretenden Sprachbarrieren (nicht alle Soldaten der verbündeten UN Truppensteller sprechen Englisch) eine zusätzliche Herausforderung dar.Mein Einsatz
Der Einsatz im 5. Einsatzkontingent MINUSMA in Gao/Mali wurde für mich und die sich zur selben Zeit vor Ort befindenden Kameradinnen und Kameraden durch ein besonderes Ereignis geprägt, als am 26. Juli 2017 ein Kampfhubschrauber des Typ Tiger in Nordmali abstürzte und zwei deutsche Piloten dabei den Tod fanden. War der Hinflug zur Unfallstelle noch mental den Vorbereitungen einer eventuell notwendigen Notfallnarkose für zwei Patienten gewidmet, konnte vor Ort nur noch der Tod der beiden Kameraden festgestellt werden.Auch im Inland berühren uns der Tod oder das Leid unserer Patienten. Dies ist jedoch nicht vergleichbar mit dem Gefühl, Kameraden im Einsatz zu verlieren. Kameraden, welche nicht nur die gleiche Uniform trugen, sondern die man persönlich kannte, die vor Ort in der gleichen Einheit ihren Dienst verrichteten, mit denen man täglich Kontakt hatte, gemeinsam beim Sport war, erzählt und gelacht hat.
Ist die Kameradschaft im Einsatz sowieso anders oder „tiefer“ als im Heimatland, führte das gemeinsam Erlebte zu einer Intensivierung dieser Kameradschaft, welche von vielen von uns als sehr tröstlich empfunden wurde. Auch das psychosoziale Netzwerk vor Ort hat im Anschluss an den Absturz – meines Erachtens – eine hervorragende Arbeit geleistet und stand uns von Einzel- bis zu Gruppengesprächen mit einem niedrigschwelligen Angebot zur Verfügung.
Was nehme ich mit?
Zurück im Heimatland waren es Familie und Freunde, aber auch die Angehörigen der Dienststelle, welche ehrliches Interesse und Anteilnahme zeigten, und der fortwährende Kontakt zu den Kameradinnen und Kameraden aus dem Einsatz, welche halfen, das Erlebte einzuordnen.Ich bin davon überzeugt: Der Sanitätsdienst gehört zwingend „GANZ VORN“ in den Einsatz. Auf dem Boden des tödlichen Absturzes sollten wir uns jedoch auch einmal mehr bewusst machen, dass nicht alle Kameradinnen und Kameraden aus einem Einsatz wieder gesund nach Hause zurückkommen und dass im Einsatz Er- oder Durchlebtes die Menschen verändern kann.
Daher ist es meines Erachtens wichtig, dass wir unsere Kameradinnen und Kameraden bewusst in den Einsatz verabschieden und sie nach diesem auch wieder bewusst aufnehmen, dass wir die Zeit und ein Ohr für sie haben und damit wertschätzen, was von ihnen im Einsatz geleistet wurde.
Bilder: Gusenburger, PAO 5. EinsKtg MINUSMA
Oberstabsarzt Dr. Katrin Bender
E-Mail: katrinbender@bundeswehr.org
Datum: 25.09.2018